TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/26 W113 2244005-1

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Veröffentlicht am 26.07.2021
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Entscheidungsdatum

26.07.2021

Norm

AVG §61
AVG §71 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs1 Z1
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §40 Abs3
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4
VwGVG §7 Abs4 Z1

Spruch


W113 2244005-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

A.       Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Katharina DAVID über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30.06.2021, Zl. WST1-UF-118/004-2021, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, zu Recht:

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

B.       und beschließt über die Beschwerden von

1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX , 5. XXXX , 6. XXXX , 7. XXXX , 8. XXXX , 9. XXXX , 10. XXXX , 11. XXXX , 12. XXXX , 13. XXXX , alle vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH,

gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27.4.2021, Zl. WST1-UF-118/001-2021, mit dem festgestellt wurde, dass für das Vorhaben „110 kV-Einfachleitung UW Untersiebenbrunn – UW Oberweiden“ keine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 durchzuführen ist:

I.       Die Beschwerden werden als verspätet zurückgewiesen.

II.      Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Netz Niederösterreich GmbH, vertreten durch Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH, (in der Folge Projektwerberin) hat mit Schreiben vom 7.4.2021 den Antrag gestellt, die Niederösterreichische Landesregierung (in der Folge belangte Behörde) möge gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (in der Folge UVP-G 2000) feststellen, dass für das Vorhaben „110 kV-Einfachleitung UW Untersiebenbrunn – UW Oberweiden“ keine Umweltverträglichkeitsprüfung (in der Folge UVP) durchzuführen ist.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.4.2021, WST1-UF-118/001-2021, (in der Folge Feststellungsbescheid) wurde festgestellt, dass das Vorhaben „110 kV-Einfachleitung UW Untersiebenbrunn – UW Oberweiden“ der Projektwerberin, nämlich die Errichtung und der Betrieb einer ca 8,2 km langen 110 kV-Einfachleitung ausgehend vom bestehenden Umspannwerk in Untersiebenbrunn zu einem geplanten Umspannwerk in Oberweiden inklusive einer dauerhaften Rodung von 0,47 ha (0,45 ha im Natura-2000-Gebiet) und einer befristeten Rodung von 0,28 ha (0,18 ha im Natura-2000-Gebiet) sowie einem erforderlichen Trassenaufhieb von hiebsunreifen Beständen von 4,18 ha (1,6 ha im Natura-2000-Gebiet) keinen Tatbestand des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erfüllt und damit nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer UVP unterliegt.

Mit Schriftsatz vom 7.6.2021, eingelangt bei der Behörde am 8.6.2021, wurde von den nachstehenden Personen Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid erhoben:

1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX , 5. XXXX , 6. XXXX , 7. XXXX , 8. XXXX , 9. XXXX , 10. XXXX , 11. XXXX , 12. XXXX , 13. XXXX , alle vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH (in der Folge Beschwerdeführer 1-13).

Mit Schriftsatz vom 7.6.2021, eingelangt bei der Behörde am 8.6.2021, wurde von XXXX , vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH, (in der Folge Beschwerdeführer 2/14) ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG gestellt und gleichzeitig Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid erhoben.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.6.2021, WST1-UF-118/004-2021, wurde der Antrag des Beschwerdeführers 2/14 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde legte die Verfahrensakten vor und teilte mit, dass die Beschwerden verspätet eingebracht worden seien sowie die Beschwerde des Beschwerdeführers 2/14 aufgrund der Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung ebenso verspätet eingebracht worden sei. Zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit der §§ 3 Abs. 9 und 40 Abs. 3 UVP-G 2000 wurde auf die jüngst ergangene Entscheidung des BVwG vom 12.1.2021, W113 2236831-1, hingewiesen. Die belangte Behörde stellte die Anträge

a) die Beschwerden 1. bis 13. als verspätet zurückzuweisen und

b) die Beschwerde 14. (allenfalls nach Rechtskraft der Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung) als verspätet zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 8.7.2021 übermittelte die Projektwerberin eine Beschwerdeentgegnung, in der sie den Antrag stellte – falls die Beschwerden nicht ohnehin schon als verspätet zurückgewiesen worden seien – die Beschwerden der Beschwerdeführer als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerdeführer übermittelten mit Schriftsatz vom 19.07.2021 eine Stellungnahme, in der sie ausschließlich inhaltliches Vorbringen thematisierten, etwa zum tatsächlichen Umfang des Vorhabens, zu den materienrechtlichen Bewilligungen und der Kumulationsprüfung nach dem UVP-G 2000.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und bleibt dieser von allen Parteien unbestritten. Es bleiben keine Tatsachenfragen offen und sind nur Rechtsfragen zu klären.

1.1. Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Feststellungsbescheids lautet:

Rechtsmittelbelehrung

Sie haben das Recht gegen diesen Bescheid Beschwerde zu erheben.

Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich oder in jeder anderen technisch möglichen Weise bei uns einzubringen. Sie hat den Bescheid, gegen den sie sich richtet, und die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, zu bezeichnen. Weiters hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, das Begehren und die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist, zu enthalten.

Die Höhe der Pauschalgebühr …

1.2. Gemäß § 3 Abs. 7 und 9 UVP-G 2000 wurde der Feststellungsbescheid mit Edikt vom 27.4.2021 im Internet sowie durch Anschlag an den Amtstafeln der Standortgemeinden Untersiebenbrunn, Weiden an der March und Weikendorf kundgemacht und bei den Standortgemeinden Untersiebenbrunn, Weiden an der March und Weikendorf sowie beim Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Anlagenrecht, zu Einsicht aufgelegt.

Das Edikt war auf der Homepage des Landes Niederösterreich von 27.4.2021 bis zum 10.6.2021 kundgemacht und lag der Bescheid während dieser Zeit zur Einsichtnahme bei der belangten Behörde auf. Die Kundmachung enthielt einen Hinweis, dass diese ab 27.4.2021 erfolgt war.

Das Edikt war weiters auf der analogen Amtstafel der Gemeinde Untersiebenbrunn von 27.4.2021 bis 9.6.2021, auf der Amtstafel der Gemeinde Weikendorf von 27.4.2021 bis 10.6.2021 und auf der Amtstafel der Gemeinde Weiden an der March von 27.4.2021 bis 8.7.2021 kundgemacht und lag während dieser Zeiten der Bescheid zur Einsichtnahme bei den Gemeinden auf.

1.3. Die Beschwerdefrist ist gemäß § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 mit 25.5.2021 abgelaufen.

1.4. Die Kundmachung lautet auszugsweise:

Kundmachung

Gemäß § 3 Abs. 7 und 9 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 UVP-G 2000, wird kundgemacht:

Die Netz Niederösterreich GmbH, vertreten durch Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH, 1030 Wien, hat den Antrag auf Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000, UVP-G 2000, eingebracht, ob das geplante Vorhaben „110 kV-Einfachleitung UW Untersiebenbrunn – UW Oberweiden“ der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 27. April 2021, WST1-UF-118/001-2021, wurde festgestellt, dass für das genannte Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist.

Diese Feststellung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass kein UVP-pflichtiger Tatbestand vorliegt, der die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gebieten würde.

Es wird darauf hingewiesen, dass eine Bescheidausfertigung bei den Standortgemeinden Untersiebenbrunn, Weiden an der March und Weikendorf, sowie beim Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Anlagenrecht, 3109 St. Pölten, Neue Herrengasse, Haus 16, Erdgeschoss, während der Amtsstunden während der nächsten 6 Wochen zur Einsichtnahme aufliegt und in dieser Zeit auch im Internet auf der Homepage der NÖ Landesregierung […] als Download bereitgestellt ist.

1.5. Die Beschwerdeführer sind Nachbarn im Hinblick auf das gegenständliche Vorhaben und sie wussten, dass sie ein Beschwerderecht haben.

1.6. Der Beschwerdeführer 2/14 verfügt über keinen Internetzugang und erlangte vom Feststellungsbescheid erst durch einen Hinweis seiner Schwester, Frau XXXX (Beschwerdeführerin 1), am 27.5.2021 Kenntnis. Dieses Ereignis wurde als ein Grund für die Wiedereinsetzung geltend gemacht.

Als weiteren Grund für die Wiedereinsetzung brachte der Beschwerdeführer 2/14 eine mangelnde bzw. im Hinblick auf die Nachbarn fehlende Rechtsmittelbelehrung vor. Weitere Gründe im Sinne eines unabwendbaren oder unvorhersehbaren Ereignisses wurden nicht vorgebracht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen unter Punkt 1.1. ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid.

2.2. Die Feststellungen unter Punkt 1.2. ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

2.3. Die Feststellung unter Punkt 1.3. ergibt sich aus dem Datum der Bescheidzustellung (27.4.2021) und der vierwöchigen Beschwerdefrist.

2.4. Die Feststellung unter Punkt 1.4. ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

2.5. Die Nachbareigenschaft der Beschwerdeführer ergibt sich schlüssig aus den Adressen dieser und wurde dies auch von der belangten Behörde nicht bestritten, weshalb auch im gegenständlichen Verfahren keine Zweifel daran bestehen.

Das Wissen um das Beschwerderecht der Nachbarn ergibt sich denklogisch aus der Tatsache, dass sie nach Ende der Beschwerdefrist einen Rechtsanwalt damit beauftragten, eine Beschwerde einzubringen.

2.6. Die Information über einen mangelnden Internetzugang des Beschwerdeführers 2/14 ergibt sich aus dessen eigenen Angaben und bestehen keine Zweifel an deren Richtigkeit.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgemeines:

Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG i.V.m. § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht.

Trotz eines dementsprechenden Antrags der Beschwerdeführer konnte von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war (vgl. VwGH 3.3.2020, Ra 2020/04/0023). Die mündliche Erörterung lässt eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten, zumal bei der gegenständlichen Entscheidung nur Rechtsfragen eine Rolle spielten. Zudem wurde lediglich über die Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags und formal über die Beschwerde gegen den negativen Feststellungsbescheid entschieden.

3.2. Maßgebende Rechtsvorschriften in der Sache:

§ 33 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, StF BGBl. I Nr. 33/2013, (idF VwGVG) lautet:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1.       nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2.       nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1.         nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2.         nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Die Materialien zu § 33, RV 2009 BlgNR XXIV. GP, lauten:

„Zu den §§ 32 und 33:

Die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechen weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz. Durch den Ausschluss der Anwendung der IV. Teiles des AVG im vorgeschlagenen § 17 sind Auslegungsprobleme, die sich aus der subsidiären Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVG ergeben, ausgeschlossen. Für jene Rechtssachen, die durch die Behörde im Wege einer Beschwerdevorentscheidung oder der Nachholung eines Bescheides gemäß dem 2. Abschnitt des 2. Hauptstückes erledigt wurden, gelten für die Wiederaufnahme des Verfahrens die Bestimmungen des AVG. Über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist soll die Behörde ebenso die Bestimmungen des AVG anzuwenden haben. Die §§ 32 und 33 beziehen sich auf jene Verfahren, die von den Verwaltungsgerichten geführt werden und auf den Vorlageantrag selbst.“

§§ 61 und 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, StF BGBl. Nr. 51/1991, (idF AVG) lauten:

„§ 61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.

(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, daß kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.

(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.

(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.“
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71.

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1.       die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.       die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

§ 3 Abs. 9 und § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 lauten:

„Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. (1) […]

(9) Stellt die Behörde gemäß Abs. 7 fest, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, ist eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation oder ein Nachbar/eine Nachbarin gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer solchen Umweltorganisation oder einem solchen Nachbarn/ einer solchen Nachbarin Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren. Für die Beschwerdelegitimation der Umweltorganisation ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene Zulassungsbereich maßgeblich.“

„Rechtsmittelverfahren

§ 40. (1) […]

(3) In Verfahren über Beschwerden nach den §§ 3 Abs. 9 und 24 Abs. 5a sind die §§ 7, 8 und 16 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) nicht anzuwenden; solche Beschwerden sind binnen vier Wochen ab dem Tag der Veröffentlichung des Bescheides im Internet schriftlich bei der Behörde einzubringen. Partei ist auch der Projektwerber/die Projektwerberin. Auch bei Übermittlung von Akten in elektronischer Form hat die Behörde ein Aktenverzeichnis anzuschließen.“

3.3. Rechtliche Würdigung:

3.3.1. Zu Spruchpunkt A.

3.3.1.1. Beschwerdegegenstand ist der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers 2/14 auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist hinsichtlich des negativen UVP-Feststellungsbescheides (vgl. Spruchpunkt B.) abwies.

Der Beschwerdeführer ist Nachbarn iSd § 19 Abs. 1 UVP-G 2000. Nachbarn haben zwar gemäß den einschlägigen Bestimmungen keine Parteistellung im UVP-Feststellungsverfahren, gemäß §§ 3 Abs. 9 iVm 40 Abs. 3 UVP-G 2000 aber eine Beschwerdelegitimation gegen negative UVP-Feststellungsbescheide. Genau von dieser Beschwerdelegitimation wollte der Beschwerdeführer Gebrauch machen, ist allerdings an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gescheitert.

In der Folge brachte er einen Wiedereinsetzungsantrag unter gleichzeitiger Einbringung der Beschwerde ein. Er argumentierte, dass er die Frist zur Einbringung der Beschwerde zwar versäumt hätte, dies für ihn aber nicht ersichtlich gewesen sei. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Internet, kein internetfähiges Handy und habe auch keine Möglichkeit, von Berufs wegen auf ein Internet zuzugreifen. Er habe daher zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, auf die Homepage des Landes Niederösterreich zuzugreifen, auf der der Feststellungsbescheid am 27.4.2021 kundgemacht worden sei. Er habe vielmehr erst am 27.5.2021 von seiner Schwester (Beschwerdeführerin 1) davon erfahren und umgehend seine rechtsfreundliche Vertretung kontaktiert.

Er sei auch aufgrund der im Internet veröffentlichten öffentlichen Bekanntmachung der Auflage des Bescheides, wo angegeben gewesen sei, dass dieser vom 27.4.2021 bis 8.6.2021 zur öffentlichen Einsicht aufliege, davon ausgegangen, dass die Beschwerdefrist erst am 8.6.2021 geendet hätte.

Die einschlägigen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen würden vorsehen, dass gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei, wenn entweder die Partei glaubhaft macht, dass sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthalte, dass kein Rechtsmittel zulässig sei. Eine Rechtsmittelbelehrung für Nachbarn enthalte der Bescheid nicht. Die Nachbarn würden damit auch nicht auf ihr Beschwerderecht hingewiesen. Der Wiedereinsetzungsantrag sei innerhalb der 14-tägigen Frist nach Kenntnis des Umstandes, dass die Frist bereits abgelaufen war, erfolgt. Den Beschwerdeführer treffe kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens. Die öffentliche Bekanntmachung, die für sechs Wochen erfolgt sei, habe auch nicht auf die verkürzte Rechtsmittelfrist für Nachbarn Bezug genommen. Für einen nicht Rechtskundigen sei damit ausgeschlossen gewesen, dass er die für ihn geltende Rechtsmittelfrist erkennen hätte können. Dies stehe auch im krassen Widerspruch zu den Vorgaben der Aarhus-Konvention. Selbst wenn man annehmen würde, dass die Minimalerfordernisse der Konvention erfüllt seien, dann nur, wenn eine ordnungsgemäße Belehrung im Bescheid in der Rechtsmittelbelehrung enthalten sei. Aufgrund der Rechtsmittelbelehrung und dem Wort „sie“ im Zusammenhang mit der Zustellverfügung „ergeht an“ sei es für die Nachbarn unmöglich gewesen, zu wissen, dass ihnen ein Beschwerderecht zukomme. Die Gesetzesbestimmungen, die ein Beschwerderecht für Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren festlegen würden, seien für einen Nichtjuristen nicht zu verstehen.

§ 40 Abs. 3 UVP-G 2000 sehe die Veröffentlichung des Bescheides im Internet als fristauslösendes Ereignis für die Beschwerdefrist vor. Ohne eine Internetverbindung könne der Beschwerdeführer aber keine Kenntnis vom Feststellungsbescheid erlangen. Die Wiedereinsetzung sei jedenfalls zu bewilligen.

Dazu ist auszuführen:

3.3.1.2. Eingangs ist festzuhalten, dass bei Versäumen der Beschwerdefrist § 33 VwGVG für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die maßgebliche Bestimmung ist, da es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (§ 17 VwGVG; VwGH 28.9.2016, Ro 2016/16/0013).

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG schützt – wie die Wiedereinsetzung im behördlichen Verfahren – die Partei gegen Nachteile aus der Versäumung einer befristeten Rechtshandlung dadurch, dass sie die Partei in die Lage versetzt, die versäumte Handlung nachzuholen und die aus der Säumnis resultierenden negativen Konsequenzen abzuwenden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 2).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (VwGH 25.11.2015, Ra 2015/06/0113; VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0113).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gedeckt wird (vgl. etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH 21.5.1997, 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde am 8.6.2021 und somit innerhalb von 14 Tagen ab Kenntnis des Feststellungsbescheides eingebracht, womit sich der Antrag als rechtzeitig erweist.

3.3.1.3. Der Beschwerdeführer vermeint zunächst, die Rechtsmittelbelehrung für Nachbarn fehle im UVP-Feststellungsbescheid. Der Bescheid wurde, wie sich aus den Feststellungen ergibt, der Projektwerberin und anderen Verfahrensparteien zugestellt. Die dort enthaltene Rechtsmittelbelehrung entspricht § 61 AVG. Tatsächlich ist sie so allgemein gehalten („Sie haben das Recht gegen diesen Bescheid Beschwerde zu erheben. Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich oder in jeder anderen technisch möglichen Weise bei uns einzubringen. […]“), dass durch diese Formulierung eine Beschwerdeerhebung durch Nachbarn nicht ausgeschlossen wird. Es liegt somit weder eine falsche noch eine fehlende Rechtsmittelbelehrung vor, womit ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund diesbezüglich fehlt (vgl. auch VwGH 15.5.2020, Ra 2019/05/0102).

3.3.1.4. Im Hinblick auf den Wiedereinsetzungsgrund des § 33 Abs. 1 VwGVG wird als eines der „Ereignisse“, welches den Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert habe, der Irrtum vorgebracht, die Bescheidbeschwerdefrist ende mit Ablauf der Kundmachungsfrist, welche gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 sechs Wochen beträgt. Da in der Kundmachung kein Hinweis erfolgt sei, so der Beschwerdeführer, dass die Beschwerdefrist gemäß § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 vier Wochen ab dem ersten Tag der Veröffentlichung beträgt, läge ein Wiedereinsetzungsgrund vor.

Weder aus § 3 Abs. 7 und Abs. 9 noch aus § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 ergibt sich, dass die Veröffentlichung des Feststellungsbescheides einen Hinweis für Nachbarn zu enthalten hat, der diese auf die Beschwerdemöglichkeit und -frist hinweist. Die vierwöchige Beschwerdefrist, die im Übrigen klar in den genannten Bestimmungen geregelt und auch in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides enthalten ist, beginnt im Fall der Nachbarn mit dem Beginn der Kundmachung im Internet zu laufen. Nachdem die Kundmachung des Bescheides im Internet das fristauslösende Element darstellt, hat die Kundmachung die Angabe zu enthalten, zu welchem Zeitpunkt der Feststellungsbescheid online gestellt wurde (Ennöckl in Ennöckl/Raschauer/Bergthaler [Hrsg], UVP-G: Kommentar3 [2013] § 3. UVP-G 2000 Rz 60). Das war hier der Fall, wie sich aus den Feststellungen ergibt.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Kundmachung sei verwirrend und irreführend, somit unzureichend und nicht fristauslösend, ist entgegenzuhalten, dass die Kundmachung der Behörde den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Von der sechswöchigen Frist für die Kundmachung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 - die sich im Übrigen nicht nur an Nachbarn richtet - ist die in § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 gesondert vorgesehene vierwöchige Beschwerdefrist für Nachbarn nach §§ 3 Abs. 9 und 40 Abs. 3 UVP-G 2000 zu unterscheiden (vgl. zu einer Umweltorganisation BVwG 18.5.2020, W109 2228207-1). Die Kundmachung entspricht somit ebenfalls den gesetzlichen Bestimmungen.

3.3.1.5. Weiters stellt sich die Frage, ob dennoch ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses iSd § 33 VwGVG auf Grund eines Rechtsirrtums bzw. wegen mangelnder Rechtskenntnis vorliegt, da der Beschwerdeführer nach seinen Angaben von einer sechswöchigen Rechtsmittelfrist ausgegangen sei. Da der Beschwerdeführer erst nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist vom Feststellungsbescheid erfahren hat und er umgehend seine rechtsfreundliche Vertretung mit einer Beschwerdeerhebung beauftragt hat, wäre ihm aber eine rechtzeitige Beschwerdeerhebung selbst ohne das Vorliegen des geltend gemachten „Rechtsirrtums“ nicht mehr möglich gewesen, womit der Einwand von vornherein ins Leere geht. Darüber hinaus ist zu diesem Vorbringen auszuführen:

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ergangen zum in diesem Punkt gleichlautenden § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, ist ein Ereignis „unabwendbar“, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann. Ein Ereignis ist „unvorhergesehen“, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Als Ereignis ist jedes Geschehen anzusehen. Nicht nur Abläufe in der Außenwelt, sondern auch ein innerer Vorgang, wie z.B. ein Irrtum oder Vergessen, kann ein Ereignis sein (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 605; VwSlg 13.353 A/1991; VwGH 24.2.1992, 91/10/0251).

Mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum kann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann (VwGH 15.5.2020, Ra 2019/05/0102). Zur vergleichbaren Bestimmung der BAO führte der VwGH aus: Ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) kann ein Ereignis darstellen, welches einen Antragsteller gehindert hat, eine Frist zu wahren. Bei einem Rechtsirrtum oder einer Unkenntnis der Rechtsvorschriften stellt sich die Frage, ob dieses Ereignis allerdings unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen ist. In Ausnahmefällen jedoch kann es durchaus sein, dass ein solcher Rechtsirrtum auch ein unabwendbares Ereignis im Sinn des § 308 BAO darstellt (VwGH 28.2.2017, Ra 2017/16/0021).

Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0199, mwN). Hierbei darf der Wiedereinsetzungswerber nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 11.9.2013, 2013/02/0152, mwN). Eine auffallende, der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehende Sorglosigkeit liegt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beispielsweise vor, wenn der Bescheidadressat es trotz Unklarheit unterlässt, sich – im Rahmen der ihm konkret zumutbaren Sorgfaltspflicht – über die möglichen Rechtsmittel und maßgeblichen Fristen bei Rechtskundigen Klarheit zu verschaffen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 41 mHa VwGH 25.9.1990, 90/07/0012; 9.11.1995, 95/19/0637; vgl. auch 8.5.1998, 97/19/1271; 24.2.2006, 2005/12/0237). Die eine „ordentliche Prozesspartei“ treffende Sorgfaltspflicht schließt eine Informationspflicht über die Einbringungsfristen generell mit ein; dies gilt auch für unvertretene, rechtsunkundige Parteien (VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0296, mwN). Eine bloß leichte Fahrlässigkeit, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen vermag, wird nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden können. Ein solcher Ausnahmefall liegt beispielsweise dann vor, wenn die Antwort auf die Rechtsfrage, in welchem Zeitpunkt die (versäumte) verfahrensrechtliche Frist tatsächlich zu laufen begonnen hat, weder unmittelbar dem Gesetz entnommen werden konnte, noch Lehre oder Rechtsprechung zu dieser Frage zur Verfügung standen (VwGH 17.6.1999, 99/20/0253).

Dazu der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlichen Fall wie dem gegenständlichen:

„[…] Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0199, mwN). Hierbei darf der Wiedereinsetzungswerber nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 11.9.2013, 2013/02/0152, mwN).

32       Die eine „ordentliche Prozesspartei“ treffende Sorgfaltspflicht schließt eine Informationspflicht über die Einbringungsfristen generell mit ein; dies gilt auch für unvertretene, rechtsunkundige Parteien (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0296, mwN).“

Vorliegend war der Beschwerdeführer in der Lage, nach Ablauf der Beschwerdefrist, aber vor Ende der Kundmachungsfrist, demnach zwischen 4 und 6 Wochen, einen Rechtsanwalt mit der Einbringung einer Beschwerde zu beauftragen. Er wusste demnach von der Beschwerdemöglichkeit, ging aber nach seinen Angaben davon aus, die Frist ende mit Ablauf der Kundmachungsfrist von sechs Wochen. Da die Kundmachung aber keinen entsprechenden Hinweis enthielt, er sich von der Rechtsmittelbelehrung des Feststellungsbescheides nicht angesprochen gefühlt habe, wie er selber angab, und er den Beginn der Beschwerdefrist nicht selbst eruieren konnte, da ihm ein Internetzugang fehlt (fristauslösendes Ereignis ist die Kundmachung im Internet), wäre es am Beschwerdeführer gelegen gewesen, die korrekte Beschwerdefrist bei einem Rechtskundigen zu erfragen. Es stellt nach Ansicht des Gerichtes eine auffallende Sorglosigkeit dar, sich keine Auskunft über eine Beschwerdefrist einzuholen, von der man weiß, dass es sie gibt, aber es nicht selbst schafft, diese zu ermitteln. Angemerkt sei noch, dass die Beschwerdefrist für Nachbarn klar und eindeutig in § 3 Abs. 9 iVm § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 geregelt ist.

3.3.1.6. Schließlich war zu prüfen, ob ein Wiedereinsetzungsgrund in die versäumte Beschwerdefrist deswegen vorliegt, weil der Beschwerdeführer über kein Internet verfügt und ihm deshalb die fristauslösende öffentliche Bescheidkundmachung im Internet nicht zugänglich war.

Um Nachbarn zur Wahrnehmung ihres Beschwerderechts die Kenntnisnahme von Feststellungsbescheiden zu ermöglichen, ist die Veröffentlichung im Internet verbindlich festgeschrieben. Diese Veröffentlichung im Internet stellt gemäß § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 das fristauslösende Ereignis für den Fristenlauf der vierwöchigen Beschwerdefrist dar.

Der Feststellungsbescheid ist zusätzlich zur Veröffentlichung im Internet auch von der UVP-Behörde zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen (vgl. § 3 Abs. 7 UVP-G 2000: „[…] Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. […]“)

Tatsächlich wurde der Feststellungsbescheid mit Edikt vom 27.4.2021 im Internet auf der Homepage des Landes Niederösterreich für sechs Wochen kundgemacht. Das Edikt war weiters auf der analogen Amtstafel der Gemeinde Untersiebenbrunn von 27.4.2021 bis 9.6.2021, auf der Amtstafel der Gemeinde Weikendorf von 27.4.2021 bis 10.6.2021 und auf der Amtstafel der Gemeinde Weiden an der March von 27.4.2021 bis 8.7.2021 kundgemacht und lag während dieser Zeiten der Bescheid zur Einsichtnahme bei den Gemeinden und beim Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Anlagenrecht, auf. Die Kundmachung erfolgte somit im Einklang mit § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, wie bereits oben erläutert.

Das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe kein Internet und deswegen sein Beschwerderecht nicht rechtzeitig ausüben können, geht schon deswegen ins Leere, weil der Feststellungsbescheid auch auf andere Weise kundgemacht wurde, etwa durch den analogen Anschlag an den Amtstafeln der betroffenen Gemeinden, darunter auch der Wohnsitzgemeinde des Beschwerdeführers.

3.3.1.7. Die klare Regelung im UVP-G 2000 widerspricht zum einen der Argumentation, es hätte noch zusätzlich ein Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung bzw. der Kundmachung enthalten sein müssen, der einen Nachbarn explizit auf sein Beschwerderecht hinweist. Zum anderen ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer über kein Internet verfügt, kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund, da er auch auf andere Weise rechtzeitig von der Kundmachung des Bescheides hätte Kenntnis erlangen können.

Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers 2/14 wurde von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen und war die Beschwerde dagegen ebenso abzuweisen.

3.3.2. Zu Spruchpunkt B.

Die Beschwerdeführer 1-13 bringen vor, das Vorgehen der belangten Behörde stehe im Widerspruch zur Aarhus-Konvention. Gemäß der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 2011/92/EU, müssten Bürger eine gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung beantragen können, die unter die Richtlinie falle. Da die Republik Österreich die Richtlinie nicht entsprechend umgesetzt habe, bestehe hinsichtlich der Anwendung der unionsrechtlichen Normen Vorrang gegenüber den entgegenstehenden innerstaatlichen Regelungen. § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 widerspreche Art. 11 der UVP-RL. Bei unionskonformer Anwendung ergebe sich daher, dass den Beschwerdeführern bereits im Feststellungsverfahren eine Parteistellung zukommen hätte müssen. Da sie aber keine Parteistellung gehabt hätten, wäre der Feststellungsbescheid ihnen gegenüber auch nicht wirksam erlassen worden, weshalb auch die diesbezügliche Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen hätte.

Dazu ist auszuführen:

Auch wenn eine weitgehende Beteiligung der Öffentlichkeit in Umweltverfahren nicht zuletzt auf Grund der Aarhus-Konvention bzw. deren Umsetzung in der UVP-RL geboten ist und Nachbarn auf Grund dessen auch in Feststellungsverfahren eine Rechtschutzmöglichkeit einzuräumen war, ist unbestritten, dass die Ausgestaltung des Gerichtszugangs im Rahmen der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unter Beachtung des unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes Beschränkungen, etwa in Form von Rechtsmittelfristen, unterworfen werden kann (Bachl in „Die betroffene Öffentlichkeit im UVP-Verfahren“, insb. 191ff und 355). Auch nach der Judikatur des EuGH ist den Mitgliedstaaten Autonomie bei der Ausgestaltung ihres Verfahrensrechts eingeräumt (EuGH 7.11.2019, Rs. C-280/18 Alain Flausch u.a.; EuGH 1.6.1999, Rs. C-126/97 Eco Swiss China Time, Rz 46 f.; EuGH 16.3.2006, Rs. C-234/04 Kapferer, Rz 20).

Spätestens seit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Gruber ist es unstrittig, dass – da die Entscheidung, keine UVP durchzuführen, als Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinn von Art. 11 UVP-RL zu werten ist – der qualifiziert betroffenen Öffentlichkeit das Recht zukommen muss, eine Entscheidung zur Frage der UVP-Pflicht einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren gemäß Art. 11 UVP-RL zuzuführen. Seit der UVP-G-Novelle 2016 haben Nachbarn nunmehr ein Beschwerderecht gegen negative Feststellungsbescheide. Ein Recht der Nachbarn auf Teilnahme am behördlichen Feststellungsverfahren als Partei oder auf Antragstellung folgt jedoch weder aus der Aarhus-Konvention noch dem Unionsrecht (Berger in Altenburger (Hrsg), Kommentar zum Umweltrecht2 (2019) § 3 UVP-G; Bachl, „Alles neu bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im UVP-Verfahren?“ S. 283 im Jahrbuch Öffentliches Recht 2016, Hrsg Baumgartner; VwGH 27.7.2016, Ro 2014/06/0008 unter Verweis auf EuGH 15.7.2010, C-240/09, Lesoochranarske zoskupenie; weiters VwGH 27.4.2012, 2009/02/0239; 28.5.2015, 2013/07/0105; EuGH 15.10.2009, C-263/08, Djurgården-Lilla Värtans). Die eingeräumte Anfechtungsbefugnis steht im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 der UVP-RL, der es den Mitgliedstaaten überlässt, in welchem Verfahrensstadium Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen, für die diese Richtlinie gilt, angefochten werden können.

Wie bereits unter Punkt 3.3.1. ausgeführt, wurde der gegenständliche Feststellungsbescheid auf mehrfache Weise und im Einklang mit den innerstaatlichen Normen kundgemacht und erfuhren die Beschwerdeführer auch tatsächlich von seiner Kundmachung. Die Rechtschutzmöglichkeit der Nachbarn ist auch klar im nationalen Recht verankert. Die Beschwerdefrist ist mit vier Wochen auch nicht zu kurz bemessen (kritisch zur Möglichkeit der Nachbarn, von einem Bescheid Kenntnis zu erlangen: Bachl, „Alles neu bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im UVP-Verfahren?“ S. 285 im Jahrbuch Öffentliches Recht 2016, Hrsg Baumgartner, mVa Kinczel, „UVP-Gesetz: neuer Rechtsschutz für Nachbarn verfehlt sein Ziel“ Die Presse – Rechtspanorama, 29.2.2016).

Es ist nicht ersichtlich, wie die innerstaatliche Ausgestaltung des Beschwerderechts von Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren nicht im Einklang mit der Aarhus-Konvention stehen sollte; der Grundsatz der Effektivität, wie oben ausgeführt, wird gegenständlich gewahrt.

In Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der belangten Behörde geht das erkennende Gericht davon aus, dass die gegenständlichen Beschwerden verspätet eingebracht wurden und dementsprechend zurückzuweisen sind. Dies gilt auch für die Beschwerde des Beschwerdeführers 2/14, dessen Beschwerde auch deswegen verspätet war, weil der eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag zu Recht von der belangten Behörde abgewiesen und die dagegen erhobene Beschwerde in Spruchpunkt A. abgewiesen wurde.

3.4. Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (VwGH 27.01.2016, Ra 2015/05/0083, mwN). Es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Rechtslage zum Beschwerderecht von Nachbarn gegen negative UVP-Feststellungsbescheide in § 3 Abs. 9 iVm § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 ist klar und eindeutig geregelt und bleibt im Hinblick auf die gegenständlichen Fälle kein Raum für Auslegungsfragen.

Schlagworte

Beschwerdefrist Beschwerdelegimitation Beschwerderecht Fahrlässigkeit Feststellungsbescheid Feststellungsverfahren Fristablauf Fristüberschreitung Fristversäumung Informationspflicht Kundmachung minderer Grad eines Versehens Nachbarrechte Parteistellung Rechtsirrtum Rechtsmittelbelehrung Rechtsmittelfrist Rechtzeitigkeit Sorgepflichten Umweltverträglichkeitsprüfung unabwendbares Ereignis UVP-Pflicht Verschulden verspätete Beschwerde Verspätung Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag zumutbare Sorgfalt Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W113.2244005.1.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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