Entscheidungsdatum
20.09.2021Norm
BEinstG §14Spruch
G303 2231859-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende, sowie die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS und die fachkundige Laienrichterin Petra ILLICHMANN als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, vom 16.04.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß §§ 2, 3 und 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Herr XXXX ist auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von 50 (fünfzig) von Hundert (v.H.) ab 09.12.2019 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zugehörig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 09.12.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ein. Dem Antrag waren medizinische Befunde als Beilagen angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde geführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von Prim. Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, vom 23.03.2020 wird aufgrund der am 04.03.2020 erfolgten medizinischen Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades
Oberer Rahmensatz bei ausgeprägtem Fibromyalgiesyndrom mit Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes und notwendiger mehrfach-analgetischer Therapie
02.02.02
40
Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde angeführt:
„Es besteht ein ausgeprägtes Fibromyalgiesyndrom. Der Allgemeinzustand ist durch ständige Schmerzzustände im Stütz- und Bewegungsapparat und allgemeine Müdigkeit beeinträchtigt. Eine Dauertherapie mit Schmerzmitteln ist erforderlich.“
Es wurde von einem Dauerzustand ausgegangen.
3. Mit schriftlichem Parteiengehör vom 26.03.2020 wurde dem BF das Ergebnis der unter Punkt 2.1. angeführten medizinischen Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben sowie neue Beweismittel vorzulegen.
3.1. Mit am 15.04.2020 bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben erstattete der BF zum Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme eine schriftliche Stellungnahme. Darin brachte er vor, dass sein Reizdarmsyndrom und das Fatiguesyndrom nicht berücksichtigt worden seien; obwohl beide Erkrankungen ihn stark beeinträchtigen würden.
3.2. Aufgrund der im Zuge des Parteiengehörs erstatteten Einwendungen des BF holte die belangten Behörde zu bestimmten Fragen eine als „Sofortige Beantwortung“ bezeichnete medizinische Stellungnahme von Dr. XXXX ein. Darin wird Folgendes ausgeführt:
„1. Zum Reizdarmsyndrom
Vorliegend ein Befund von 2016, eine Abklärung wurde durchgeführt, ohne pathologischen Befund, weiters wird bei der Verlaufsbeurteilung eine Besserung seit der Letztvorstellung beschrieben.
Im aktuellen internistischen Gutachten wird anamnestisch keine diesbzgl. Symptomatik angegeben, der Ernährungszustand als normal beschrieben.
Aktuelle Befunde liegen nicht vor.
Daher erfolgte keine Einschätzung, da die aktuelle Symptomatik ein geringeres Ausmaß erreicht, als die niedrigste richtsatzmäßige Einschätzung
2. Fatigue Symptomatik
Die Schwäche/Müdigkeitssymptomatik wurde im Rahmen der GS 1 mitberücksichtigt und auch dort beschrieben, sie gehört zum Fibromyalgiesyndrom.“
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.04.2020 wurde der am 09.12.2019 bei der belangten Behörde eingebrachte Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung des BF 40 v.H. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens (Gutachten von Prim XXXX und sofortige Beantwortung Dr. XXXX ), die zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt wurden, wurden als Beilage dem angefochtenen Bescheid angeschlossen. In der rechtlichen Begründung des Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes zitiert.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde. Der BF verwies darin auf seine gesundheitlichen Beschwerden und ersuchte, den festgesetzten Grad seiner Behinderung zu überprüfen und ihm die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zuzusprechen. Er brachte vor, dass das Reizdarmsyndrom ihn massiv einschränke. Aufgrund seiner Erkrankungen sei er nur eingeschränkt arbeitsfähig. Er sei Anfang 40 und habe ähnliche Probleme wie ein inkontinenter Pflegefall mit über 80. Dadurch sei er psychisch belastet und es komme auch gehäuft zu Refluxattacken und Rheumaschüben.
6. Am 10.06.2020 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
7. Mit Verfügung des BVwG vom 25.08.2020, Zl. G304 2231859-1/2Z, wurde Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes beauftragt, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu übermitteln.
Mit weiterer Verfügung des BVwG vom 25.08.2020, Zl. G304 2231859-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 12.10.2020 um 13:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
8. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 21.10.2020 wird nach persönlicher Begutachtung des BF am 05.10.2020 (ursprünglicher Untersuchungstermin vom 12.10.2020 auf 05.10.2020 vorverschoben) unter Berücksichtigung aktenmäßiger Befunde im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Ausgedehnte Fibromyalgie-Symptomatik mit daraus resultierendem chronischen Müdigkeitssyndrom und chronischer Schmerzsymptomatik im Bereich des Bewegungsapparates sowie ausgeprägter Reizdarmsymptomatik
02.02.03
50
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Folgende gutachterliche „Beurteilung“ wurde abgegeben:
„Beim BF besteht anscheinend ein Fibromyalgie-Syndrom, das einer systemischen Rheumaerkrankunge zugeordnet werden kann.
Im Rahmen dieses Fibromyalgiesyndromes leidet der Antragsteller unter einer vermehrten Belastung des Darmes im Sinne eines Reizdarmsyndroms. Dies wird bei der bestehenden Erkrankung immer wieder beschrieben.
Zusätzlich besteht auch ein chronisches Müdigkeitssyndrom. Der BF ist meist nach 5-6 Stunden Arbeit so erschöpft, dass er Probleme am Arbeitsplatz bekommt.
Weiters ist noch eine Lactose-Intoleranz gegeben.
Als Gesamtinvalidität ergibt sich somit 50%.
Der Zustand besteht seit Antragstellung.
Der BF ist sowohl am allgemeinen Arbeitsmarkt sowie auch an einem geschützten Arbeitsplatz einsetzbar.
Gegenüber dem Gutachten der belangten Behörde ergibt sich eine höhere Einstufung, da einzelne Komponenten wie das chronische Müdigkeitssyndrom, das Reizdarmsyndrom berücksichtigt wurden“
9. Mit Verfügung des BVwG vom 11.11.2020, Zl. G304 2231859-1/4Z, wurde dem BF das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung dazu schriftlich Stellung zu nehmen.
10. Bis dato langte beim BVwG keine Stellungnahme dazu ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist am XXXX geboren und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft.
Er befindet sich nicht in Schul- oder Berufsausbildung, überschreitet das 65. Lebensjahr nicht und steht nicht im Bezug von Geldleistungen, nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. von Ruhegenüssen oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters.
Der BF steht im Entscheidungszeitpunkt in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis.
Bei dem BF liegt folgende behinderungsrelevante Funktionseinschränkung vor:
? Ausgedehnte Fibromyalgie-Symptomatik mit daraus resultierendem chronischen Müdigkeitssyndrom und chronischer Schmerzsymptomatik im Bereich des Bewegungsapparates sowie ausgeprägter Reizdarmsymptomatik (Grad der Behinderung: 50 %)
Weitere behinderungsrelevante Funktionseinschränkungen konnten nicht festgestellt werden.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit 50 von Hundert und besteht seit 09.12.2019.
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang und das festgestellte Geburtsdatum ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, aus der Beschwerde sowie nunmehr aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen bezüglich der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ergeben sich aus den Angaben des BF bei der Antragstellung im Verwaltungsverfahren und aus einem eingeholten Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Aus diesem Auszug konnte auch festgestellt werden, dass der BF derzeit in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis steht.
Die österreichische Staatsbürgerschaft des BF ist aus einem eingeholten Auszug des Zentralen Melderegisters ersichtlich.
Der Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert wurde aufgrund des seitens des erkennenden Gerichtes eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, vom 21.10.2020, festgestellt. Dieses ist schlüssig, nachvollziehbar, weist keine Widersprüche auf und steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen im Einklang.
Die festgestellte Funktionseinschränkung und deren korrekte Einschätzung bezüglich des Grades der Behinderung ergeben sich daraus.
Die systemische Rheumaerkrankung (Fibromyalgie-Syndrom) wurde nunmehr seitens des ärztlichen Sachverständigen im Rahmen der medizinischen Begutachtung mit einem Grad der Behinderung in der Höhe von 50 % eingeschätzt. Seitens des Sachverständigen ist die erhöhte Einschätzung dieses Leidens aufgrund der ausgeprägten Reizdarmsymptomatik und des chronischen Müdigkeitssyndroms, die Teil dieser Erkrankung sind, gerechtfertigt.
Es wurde demnach ein Grad der Behinderung von insgesamt 50 v.H. ab dem Zeitpunkt der Antragstellung durch das fachärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX objektiviert.
Der Inhalt dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder vom BF und noch von der belangten Behörde eingebracht. Das eingeholte Sachverständigengutachten blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten und wird daher der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 19b Abs. 1 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), BGBl. I Nr. 22/1970, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 leg. cit. durch den Senat.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 19b Abs. 6 BEinstG mitzuwirken.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg. cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche und auch entscheidungsrelevante Begutachtung durch Dr. XXXX basierte auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 05.10.2020. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Begünstigte Behinderte im Sinne des BEinstG sind gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürger sind folgende Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt:
1. Unionsbürger, Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, Schweizer Bürger und deren Familienangehörige,
2. Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind,
3. Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, soweit diese Drittstaatsangehörigen hinsichtlich der Bedingungen einer Entlassung nach dem Recht der Europäischen Union österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen sind.
Gemäß § 2 Abs. 2 BEinstG gelten nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 behinderte Personen, die
a) sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder
b) das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht in Beschäftigung stehen oder
c) nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen oder
d) nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und infolge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) nicht in der Lage sind.
Behinderung im Sinne des BEinstG ist gemäß § 3 BEinstG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt gemäß § 14 Abs. 1 BEinstG die letzte rechtskräftige Entscheidung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.
Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden.
Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Der BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Begünstigteneigenschaft. Ausschlussgründe gemäß § 2 Abs. 2 BEinstG konnten im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht festgestellt werden.
Wie oben unter Punkt II.2 ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, als nachvollziehbar und widerspruchfrei gewertete Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 21.10.2020 zugrunde gelegt, welches auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unbestritten blieb.
Danach konnte ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert festgestellt werden.
Die Gesamteinschätzung ist auch unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 19.11.1997, Zl. 95/09/0232; 04.09.2006, Zl. 2003/09/0062).
Im gegenständlichen Fall sind daher die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG, wonach begünstigte Behinderte österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. sind, ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, somit ab 09.12.2019, erfüllt.
Vollständigkeitshalber wird festgehalten, dass der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077). Mit der vorliegenden Beschwerde wurde der Bescheid, mit welchem über die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten entschieden wurde, bekämpft. Die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ ist damit nicht Beschwerdegegenstand. Das diesbezügliche Vorbringen des BF in der Beschwerde konnte daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
begünstigter Behinderter Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G303.2231859.1.00Im RIS seit
23.11.2021Zuletzt aktualisiert am
23.11.2021