TE Vwgh Erkenntnis 1982/10/8 81/08/0183

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Veröffentlicht am 08.10.1982
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Sozialversicherung - ASVG - AlVG
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVGNov 32te Art7 Abs10

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska und Dr. Pichler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde der FH in W, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien II, Leopoldsgasse 51, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 24. September 1981, Zl. 123.470/5-6/1981, betreffend Beitragsherabsetzung gemäß Art. VII Abs. 10 der 32. ASVG-Novelle, (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Wien II, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem mit Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 5. Jänner 1981 der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zum nachträglichen Einkauf von 167 Versicherungsmonaten eröffnet worden war, wobei die Beschwerdeführerin unter einem Beitragsherabsetzung gemäß Art. VII Abs. 10 der 32. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 704/1976 begehrte, veranlaßte der Bundesminister für soziale Verwaltung die Erhebung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin durch den Magistrat der Stadt Wien. Am 20. August 1981 wurde vor diesem Magistrat mit der Beschwerdeführerin eine Niederschrift aufgenommen, in der sie sich als medizinisch-technische Assistentin im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien mit einem Monatsnettogehalt von S 10.029,80 (14x im Jahr) bezeichnete. Sie habe sonst kein Einkommen, kein Vermögen und keine Sorgepflichten. Sie beziehe keinen Unterhalt. Als Hauptmieterin einer Garconniere habe sie S 1.337,14 monatlich zu zahlen. Sie habe darüber hinaus folgende Zahlungsverpflichtungen: Kontoüberziehung des Gehaltskontos S 13.231,18, Wohnbauförderungskredit, halbjährliche Rückzahlungsrate S 360,--; Wohnungsverbesserungskredit, halbjährlich fällige Rückzahlungsrate S 1.999,--; Bankkredit von S 200.000,--, monatliche Rückzahlungsrate S 3.450,--, Bankkredit von S 30.000,--, monatliche Rückzahlungsrate von S 787,--; rückständige Telefongebühren von S 6.363,-- zweimonatlich fällige Rückzahlungsrate von S 300,--. Auf Grund einer Berufserkrankung müsse sie Diät leben.

Mit Bescheid vom 24. September 1981 gab der Bundesminister für soziale Verwaltung dem oben erwähnten Antrag der Beschwerdeführerin auf Beitragsherabsetzung nicht statt. In der Begründung wurde ziffernmäßig das Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin, die Wohnungsmiete und die Kreditrückzahlungen für Wohnbauförderungskredit und Wohnungsverbesserungskredit festgestellt ohne ziffernmäßige Feststellung wurde die Gehaltskontoüberziehung, Rückzahlungsraten für zwei Privatkredite und die rückständigen Telefongebühren erwähnt. Nach Zitat des Art. VII Abs. 10 der 32. Novelle zum ASVG wurde ausgeführt, das monatlich verfügbare Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin übersteige den zweifachen Betrag des für die Gewährung der Ausgleichszulage maßgeblichen Richtsatzes. Daher sei der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin durch die Beitragsentrichtung, insbesondere angesichts der Möglichkeit einer Ratenzahlung, auf längere Zeit nicht wesentlich gefährdet, weshalb der Bundesminister sich nicht in der Lage sehe, von dem ihm eingeräumten Ermessen antragsgemäß Gebrauch zu machen. Es liege auch keine besondere Härte aus anderen Gründen vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei erklärte, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 gebildeten Senat erwogen:

Gemäß Art. VII Abs. 10 der 32. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 704/1976, kann der Bundesminister für soziale Verwaltung in Fällen besonderer Härte die monatlichen nach Abs. 6 dieses Artikels zu bezahlenden Beiträge herabsetzen, jedoch nicht unter den Betrag eines Viertels dieser Monatsbeiträge. Ein Fall besonderer Härte ist besonders dann anzunehmen, wenn durch die Beitragsentrichtung der Lebensunterhalt des Antragstellers unter Berücksichtigung seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht nur vorübergehend wesentlich gefährdet wäre.

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ist einer der Komponenten für die Entscheidung die Frage, ob durch die Beitragsentrichtung der Lebensunterhalt nicht nur vorübergehend wesentlich gefährdet wäre. Über die Höhe der zu entrichtenden Beiträge traf der angefochtene Bescheid keine Feststellungen; geschweige denn über die Frage der zeitlichen Verteilung einer durch die Beitragsentrichtung sich ergebenden Belastung der Beschwerdeführerin unter Bedachtnahme auf die Möglichkeit der Ratenzahlung gemäß Art. VII Abs. 7 der genannten Novelle - wobei freilich nach dieser Gesetzesstelle die Rechtskraft des den Einkauf bewilligenden Bescheides Voraussetzung ist. Die Bescheidbegründung brachte aber auch nicht zum Ausdruck, welche der - teils ziffernmäßig, teils nur dem Grunde nach festgestellten - Rückzahlungsverpflichtungen die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen beabsichtigte und welche nicht. Erst aus der Gegenschrift der belangten Behörde läßt sich die dem Bescheid zugrunde liegende Rechtsmeinung ableiten, nur die Rückzahlungsraten für den Wohnbauförderungs- und den Wohnungsverbesserungskredit seien zu berücksichtigen, hingegen weder die Rückzahlungsraten für die beiden „Privatkredite“ noch jene für Telefongebühren, geschweige denn die Kosten für Strom, Gas und Miete.

Da nun aber eine unterlassene oder unvollständige Bescheidbegründung nicht erst in der Gegenschrift im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nachgeholt werden kann (vgl. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1967, Zl. 1567/66; vom 22. Juni 1973, Zl. 628/73; vom 17. März 1977, Zl. 1744/76; vom 26. Mai 1977, Zl. 439/77; vom 20. Oktober 1978, Zl. 262/78), hat die belangte Behörde schon durch diese Art der Bescheidbegründung Verfahrensvorschriften (nämlich die des § 60 AVG 1950) verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Verwaltungsgerichtshof fügt dem aber auch seine Rechtsansicht hinzu, daß es ihm unrichtig erscheint, sogenannte „Privatkredite“ schlechthin bei einer Betrachtung nach Art. VII Abs. 10 der 32. ASVG-Novelle außer acht zu lassen. Ob der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung ihrer Vermögensverhältnisse nicht nur vorübergehend wesentlich gefährdet wäre, hängt auch von ihrer Verpflichtung zur Rückzahlung anderer als jener Kredite ab, die der Wohnbauförderung und der Wohnungsverbesserung dienten. Allerdings wird der wirtschaftliche Zweck, zu dem die anderen Kredite aufgenommen wurden, festzustellen und bei den Erwägungen zu berücksichtigen sein. So könnten z. B. Kredite, die gesundheitsbedingte Aufwendungen betreffen, ebenso zu berücksichtigen sein wie Kredite zur Beschaffung einer notwendigen Wohnmöglichkeit, während andererseits Kreditaufnahmen zur Deckung von Luxusbedürfnissen sicher außer acht zu bleiben haben werden (vgl. auch Erkenntnis vom 29. Jänner 1982, Zl. 81/08/0062).

Die Bescheidbegründung ist aber auch insofern in einem allenfalls für die Beschwerdeführerin nachteiligen Aspekt (vgl. das oben zitierte Erkenntnis) unvollständig, als die belangte Behörde von einem Monatsnettoeinkommen von S 10.028,80 ausgeht und hiebei übersieht, daß nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin sie diesen Bezug 14 x im Jahr erhält.

Wegen der aufgezeigten Verletzung von Verfahrensvorschriften war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 8. Oktober 1982

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1982:1981080183.X00

Im RIS seit

23.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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