TE Vwgh Erkenntnis 2021/10/19 Ra 2020/22/0160

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Veröffentlicht am 19.10.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E2D Assoziierung Türkei
E2D E02401013
E2D E05204000
E2D E11401020
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
41/02 Staatsbürgerschaft
41/07 Grenzüberwachung
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

ARB1/80 Art6
ARB1/80 Art6 Abs1
AuslBG §1 Abs2
AuslBG §1 Abs2 litd
EURallg
FNG-AnpassungsG 2014
NAG 2005
NAG 2005 §41a Abs7 idF 2013/I/068
NAG 2005 §41a Abs7 idF 2018/I/056
NAG 2005 §41a Abs7 Z2 idF 2018/I/056
NAG 2005 §43c
NAG 2005 §46 Abs4 Z3
NAG 2005 §8 Abs1 Z10 idF 2017/I/145
NAG 2005 §8 Abs1 Z2 idF 2017/I/145
NAG 2005 §8 Abs1 Z4 idF 2012/I/087
NAG 2005 §8 Abs1 Z4 idF 2017/I/145
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger sowie die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des Bundesministers für Inneres gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 24. April 2020, LVwG-750791/5/Sr, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz; mitbeteiligte Partei: E S, vertreten durch Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte, ein türkischer Staatsangehöriger, verfügte nach der Aktenlage über eine zuletzt bis zum 10. Oktober 2019 verlängerte „Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ gemäß § 62 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Am 4. Dezember 2018 stellte er einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 41a NAG.

2        Mit Bescheid vom 10. Dezember 2019 wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz (belangte Behörde) diesen Zweckänderungsantrag ab, weil der Mitbeteiligte die allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel nicht erfülle.

3        Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. April 2020 statt und es erteilte dem Mitbeteiligten einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ für die Dauer von drei Jahren. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dem Mitbeteiligten sei am 7. Oktober 2014 ein Aufenthaltstitel „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ erteilt worden. Die Verlängerung dieses Titels sei zuletzt am 10. Oktober 2018 bewilligt worden. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) habe gemäß § 20e Abs. 1 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) bestätigt, dass der Mitbeteiligte im Besitz eines gültigen Befreiungsscheins (mit einer Gültigkeit vom 21. August 2019 bis zum 20. August 2024) sei. Der Mitbeteiligte sei seit 2014 rechtmäßig in Österreich niedergelassen und seit Oktober 2014 bei einem näher genannten Verein als Seelsorger beschäftigt. Er beabsichtige nunmehr als Paketzusteller tätig zu werden. Die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG seien zuletzt im Verlängerungsverfahren von der belangten Behörde als gegeben erachtet worden. Hinweise auf relevante Änderungen seien nicht hervorgekommen.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligte habe „während der Gültigkeitsdauer seiner bisherigen ,Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit‘ einen Zweckänderungsantrag“ auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gestellt. Der beantragte Aufenthaltstitel könne dem Mitbeteiligten erteilt werden, wenn den Vorgaben des § 41a Abs. 7 NAG entsprochen werde. Erteilungshindernisse nach § 11 Abs. 1 NAG seien nicht hervorgekommen; die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG seien erfüllt. Da der Mitbeteiligte über eine Niederlassungsbewilligung verfüge, sei auch vom Vorliegen der Z 2 des § 41a Abs. 7 NAG auszugehen. Weiters verfüge der Mitbeteiligte - entsprechend der Vorgabe der Z 3 des § 41a Abs. 7 NAG - über einen Befreiungsschein und über eine schriftliche Bestätigung des AMS Oberösterreich gemäß § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG, wonach er die Voraussetzungen des § 15 AuslBG erfülle. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen lägen somit vor.

In der Folge prüfte das Verwaltungsgericht die Anwendbarkeit des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80). Die - gemäß § 1 Abs. 2 lit. d AuslBG von seinem Anwendungsbereich ausgenommene - seelsorgerische Tätigkeit des Mitbeteiligten sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes (entgegen der Auffassung der belangten Behörde) als Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Sinn des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zu qualifizieren. Dem Mitbeteiligten sei - da er die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 erfülle - auch ein Befreiungsschein nach § 4c Abs. 2 AuslBG ausgestellt worden. Zwar bestehe kein auf den ARB 1/80 gestützter Anspruch auf Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels, der eine über die Berechtigung nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hinausgehende Berechtigung einräume. Da der Umfang der Berechtigung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ nicht über jene des Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 hinausgehe, habe der Mitbeteiligte einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“. Unter Bedachtnahme auf die Stillhalteklausel des ARB 1/80 sei § 20 Abs. 1a NAG nur „eingeschränkt“ anwendbar, weshalb der Aufenthaltstitel für die Gültigkeitsdauer von drei Jahren zu erteilen gewesen sei.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit ua. vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzung des § 41a Abs. 7 Z 2 NAG ausgegangen. Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergebe sich, dass der Drittstaatsangehörige über eine „Niederlassungsbewilligung“ verfügen müsse. Der Mitbeteiligte sei jedoch im Besitz einer „Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“. Dabei handle es sich um einen Aufenthaltstitel mit völlig anderem Berechtigungsumfang. Das Verwaltungsgericht unterliege daher einem Rechtsirrtum, wenn es das Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen bejahe.

5        Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        Die Revision ist aufgrund des dargestellten Vorbringens zulässig und auch berechtigt.

7        Die maßgeblichen Bestimmungen des NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 (§§ 8 und 43b) bzw. BGBl. I Nr. 56/2018 (§ 41a) lauten auszugsweise:

„Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

[...]

4.   ,Niederlassungsbewilligung‘, die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt;

[...]

10.  Aufenthaltstitel ,Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit‘, der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. b, c, d, f, g oder i AuslBG oder § 1 Z 1, 2, 4, 7, 8, 9 oder 12 Ausländerbeschäftigungsverordnung (AuslBVO), BGBl. Nr. 609/1990, vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, berechtigt;

[...]

Aufenthaltstitel ,Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘

§ 41a. [...]

(7) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel ,Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘ erteilt werden, wenn

1.   sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,

2.   sie über eine ,Niederlassungsbewilligung‘ verfügen und

3.   eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

[...]

,Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit‘

§ 43b. Drittstaatsangehörigen kann eine ,Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit‘ zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber ausgestellt werden, wenn

[...]“

8        Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Mitbeteiligte zumindest nach der Aktenlage zuletzt über eine „Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ verfügte. Träfe dies zu, hätte die Annahme des Verwaltungsgerichtes, der Mitbeteiligte erfülle (auch) die Z 2 des § 41a Abs. 7 NAG, von vornherein keine Basis. Selbst wenn dem Mitbeteiligten aber, wovon die Amtsrevision und das Verwaltungsgericht ausgehen, (im Hinblick auf die seelsorgerische Tätigkeit des Mitbeteiligten nach § 1 Abs. 2 lit. d AuslBG: zutreffender Weise) eine „Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ nach § 43b NAG erteilt worden wäre, wäre die besondere Erteilungsvoraussetzung des § 41a Abs. 7 Z 2 NAG aus folgenden Erwägungen nicht erfüllt.

9        Nach § 41a Abs. 7 Z 2 NAG ist Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“, dass der Drittstaatsangehörige über eine „Niederlassungsbewilligung“ verfügt. Wie die Revision zutreffend aufzeigt, handelt es sich bei einer „Niederlassungsbewilligung“ um einen Aufenthaltstitel, der gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 NAG zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt. Die nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des FNG-Anpassungsgesetzes, BGBl. I Nr. 68/2013, bestandene Berechtigung, mit einer „Niederlassungsbewilligung“ nach § 8 Abs. 1 Z 4 NAG (auch) eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, ist mit Inkrafttreten des FNG-Anpassungsgesetzes entfallen (vgl. RV 2144 BlgNR 24. GP 26). Demgegenüber berechtigt eine „Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ gemäß § 8 Abs. 1 Z 10 NAG zur befristeten Niederlassung und in den darin aufgezählten Fällen des § 1 Abs. 2 AuslBG zur Ausübung einer (unselbständigen) Erwerbstätigkeit, worunter auch die vom Mitbeteiligten ausgeübte seelsorgerische Tätigkeit fällt (vgl. lit. d leg. cit.). Bei der „Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ handelt es sich daher im Hinblick sowohl auf ihre Bezeichnung als auch ihren Berechtigungsumfang um einen von einer „Niederlassungsbewilligung“ zu unterscheidenden Aufenthaltstitel.

10       Mit dem FNG-Anpassungsgesetz wurde in § 41a Abs. 7 NAG die Möglichkeit eines Umstiegs von einer „Niederlassungsbewilligung“ auf einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“, mit dem gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 NAG auch eine Berechtigung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit verbunden ist, geschaffen. Dass ein derartiger Umstieg auch für Inhaber einer „Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ ermöglicht werden sollte, lässt sich dem Wortlaut des § 41a Abs. 7 Z 2 NAG, in dem ausschließlich die „Niederlassungsbewilligung“ (unter Anführungszeichen) genannt ist, nicht entnehmen.

11       Auch die Systematik des NAG gibt keinen Anlass zu der vom Verwaltungsgericht vertretenen extensiven Auslegung des § 41a Abs. 7 Z 2 NAG. So differenziert das NAG auch an anderer Stelle ausdrücklich zwischen der „Niederlassungsbewilligung“ und anderen Arten von Niederlassungsbewilligungen wie etwa der hier gegenständlichen „Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ (vgl. etwa die Voraussetzung für die Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung“ nach § 46 Abs. 4 Z 3 NAG, wonach der Zusammenführende über eine „Niederlassungsbewilligung“, eine „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger“, eine „Niederlassungsbewilligung - Künstler“ oder eine „Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ verfügen muss). In § 41a Abs. 4 Z 2 NAG wird wiederum als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ das Vorliegen einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43c (ohne Anführungszeichen) verlangt. Auch diese Regelungen sprechen somit dafür, dass mit der in § 41a Abs. 7 Z 2 NAG einzig angeführten „Niederlassungsbewilligung“ lediglich eine solche nach § 8 Abs. 1 Z 4 NAG gemeint ist. Die vom Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung ins Treffen geführten gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen die in der Amtsrevision vertretene Auslegung vermag der Verwaltungsgerichtshof schon im Hinblick auf den dargestellten unterschiedlichen Berechtigungsumfang der beiden in Rede stehenden Aufenthaltstitel nicht zu teilen.

12       Das Verwaltungsgericht hätte daher, selbst wenn der Mitbeteiligte (entgegen dem nach der vorliegenden Aktenlage bestehenden Eindruck) über eine „Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ verfügen sollte, diesen Aufenthaltstitel nicht mit der in § 41a Abs. 7 Z 2 NAG genannten „Niederlassungsbewilligung“ gleichsetzen und dementsprechend nicht vom Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzung ausgehen dürfen.

13       Soweit das Verwaltungsgericht mit seinen Ausführungen zur Anwendbarkeit des ARB 1/80 zum Ausdruck bringen möchte, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels unabhängig vom Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzung nach § 41a Abs. 7 Z 2 NAG - gleichsam als alternative Begründung - auch auf Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 gestützt werden könne (ganz eindeutig lässt sich dies dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnehmen), ist dem Folgendes entgegenzuhalten: Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit einem auf Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 gestützten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ festgehalten, dass das NAG keine spezifischen Aufenthaltstitel für türkische Staatsangehörige, die Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 ableiten, vorsieht, sondern dass diese Rechte unmittelbar aufgrund des ARB 1/80 zustehen (vgl. VwGH 17.6.2019, Ro 2019/22/0001, Rn. 9, mit Verweis auf VwGH 9.8.2018, Ro 2017/22/0015, Rn. 21). Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ resultiert aus Art. 6 ARB 1/80 hingegen nicht.

14       Ob dem Mitbeteiligten - wie vom Verwaltungsgericht angenommen und vom Revisionswerber bestritten - die Stillhalteklausel gemäß Art. 13 ARB 1/80 zugutekommt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil das Verwaltungsgericht lediglich die - aufgrund des Fehlens der besonderen Erteilungsvoraussetzungen nicht mehr entscheidungsrelevante - nach § 20 Abs. 1a NAG verlängerte Gültigkeitsdauer des erteilten Aufenthaltstitels mit der Anwendbarkeit der Stillhalteklausel begründet hat.

15       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Fehlen einer für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels notwendigen besonderen Erteilungsvoraussetzung weder das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen noch eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG durchzuführen (vgl. VwGH 17.10.2016, Ra 2016/22/0065, Rn. 6). Auf die Revisionsausführungen im Zusammenhang mit § 11 Abs. 2 Z 4 NAG sowie § 6 Abs. 2 Islamgesetz muss daher nicht weiter eingegangen werden.

16       Im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Fehlen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

17       Bei diesem Ergebnis hat der Mitbeteiligte gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz.

Wien, am 19. Oktober 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020220160.L00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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