TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/28 96/11/0202

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Veröffentlicht am 28.11.1996
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §73 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Juni 1996, Zl. 11-39 Bu 2-1995 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 8. Juli 1996), betreffend Erteilung einer eingeschränkten Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist seit 1977 im Besitz einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B. Seit dem Jahr 1992 ist diese Lenkerberechtigung jeweils befristet worden, weil sich der Beschwerdeführer in einem Zustand nach chronischem Alkoholabusus befunden habe und nach Aufenthalten in Krankenhäusern in neuropsychiatrischer Behandlung gestanden sei. Die Befristung war zuletzt mit drei Jahren bis 16. Dezember 1995 verfügt worden.

Mit Antrag vom 6. November 1995 begehrte der Beschwerdeführer eine Verlängerung der Gültigkeit seiner Lenkerberechtigung. Im eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 27. November 1995, in dem ein Laborbefund vom 17. November 1995 und mehrere nervenfachärztliche Bestätigungen über regelmäßige Konsultationen sowie betreffend einen unauffälligen psychischen Zustand verwertet wurden, wurde eine auf fünf Jahre befristete Erteilung und die Vorschreibung von zwei Auflagen, nämlich betreffend das Tragen von Kontaktlinsen oder einer Brille und betreffend die Einhaltung von "0,00 Promille" beim Lenken von Kraftfahrzeugen empfohlen. Die Erstbehörde, die Bundespolizeidirektion Graz, schloß sich diesem Gutachten an und erteilte dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid vom 13. Dezember 1995 eine bis 27. November 2000 befristete Lenkerberechtigung mit den Auflagen der Einhaltung der "0,00 Promille-Grenze" und der Verpflichtung zum Tragen von Kontaktlinsen oder einer Brille.

Der Beschwerdeführer berief dagegen und beantragte den Entfall der Befristung und der Auflage betreffend die "0,00 Promille-Grenze".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - nach Einholung eines weiteren amtsärztlichen Gutachtens vom 30. April 1996 - der Berufung keine Folge gegeben, der Erstbescheid jedoch dahin abgeändert, daß die Lenkerberechtigung "auf nachstehende Auflagen eingeschränkt wird: 1.) Tragen eines geeigneten Sehbehelfes. 2.) 0,0 Promille beim Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B. 3.) Amtsärztliche Kontrolluntersuchung in 5 Jahren unter Vorlage eines nervenfachärztlichen Befundes (gerechnet vom 30. April 1996)". Mit Berichtigungsbescheid vom 8. Juli 1996 wurde verfügt, daß in der Auflage Nr. 2 die Wendung "der Gruppe B" zu entfallen habe.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer die Auflagen Nr. 2 und 3, macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß das Beschwerdevorbringen betreffend die Einschränkung der Auflage Nr. 2 auf das Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B angesichts des unbekämpft gebliebenen Berichtigungsbescheides vom 8. Juli 1996 überholt ist und ins Leere geht.

Der angefochtene Bescheid stützt sich auf das amtsärztliche Gutachten vom 30. April 1996. Darin wurde ausgeführt, daß beim Beschwerdeführer glaubhafte Abstinenz und normale Leberfunktionsparameter bestünden, daß er aber in einem Zustand nach Alkoholkrankheit sei. Alkoholkranke könnten "nach gängiger medizinischer Lehrmeinung ihr Leiden nicht ausheilen", sondern blieben "auf Grund veränderter Regelmechanismen im Körper lebenslang gefährdet, in das Suchtverhalten zurückzufallen. Bei mindestens 10 Jahre anhaltender Remission und sozialer Integration kann jedoch das Leiden soweit als bewältigt angesehen werden, daß Rückfälle unwahrscheinlicher werden".

Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Er gab dazu keine Stellungnahme ab.

Der Beschwerdeführer ist damit der gutachterlichen Auffassung, er sei auch zum gegebenen Zeitpunkt nur bedingt geeignet und es seien im Hinblick auf eine - trotz offenbarer derzeitiger Freiheit von konkreten Krankheitssymptomen - nach wie vor bestehende Gefahr des Rückfalles die in Rede stehenden Auflagen notwendig, nicht entgegengetreten. Seine Berufung auf die nervenfachärztlichen Befunde, die ihm (zuletzt am 23. November 1995) ein "psychisch unauffälliges Zustandsbild" attestierten und nervenfachärztlicherseits "kein Anhalt mehr für irgendeine nötige Beschränkung" sahen, geht insofern fehl, als die Amtsärztin dieser Aussage bezogen auf den Zeitpunkt der Erstellung ihres Gutachtens mit der oben wiedergegebenen Begründung nicht folgte. Wenn sich die Behörde diesem Gutachten - freilich ohne nähere Begründung - anschloß, so kann ihr kein zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Verfahrensmangel zur Last gelegt werden, hat es der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren doch unterlassen, die Richtigkeit des Gutachtens - insbesondere die Aussage über die Dauerwirkungen einer einmal gegebenen Alkoholkrankheit - auf gleicher fachlicher Ebene zu bekämpfen. Auf Befunde, die zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens bereits älter als ein Jahr waren, ist das Gutachten entgegen der Beschwerdebehauptung nicht gestützt.

Soweit der Beschwerdeführer Mängel eines "Sachverständigengutachtens" aus dem Jahr 1992 behauptet, ist ihm zu entgegnen, daß dieser verkehrspsychologische Befund dem angefochtenen Bescheid (zu Recht) nicht zugrundegelegt wurde. Der Hinweis auf die im hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zlen. 89/11/0215 (Slg. Nr. 13204/A), aufscheinende Aussage, ein früherer Alkoholmißbrauch dürfe nicht immer wieder zur Qualifizierung als "bedingt geeignet" führen, wenn keine aktuelle "Krankheit" festgestellt wird, geht insofern fehl, als die Amtsärztin die bloß bedingte Eignung des Beschwerdeführers - wie bereits ausgeführt - nur bezogen auf den Zeitpunkt der Erstellung ihres Gutachtens feststellte, für die Zukunft nach andauernder Abstinenz eine andere Beurteilungsmöglichkeit in Aussicht stellte, sodaß keine Rede davon sein kann, daß "allein mit dem Hinweis auf einen früheren Alkoholmißbrauch" der Beschwerdeführer "immer wieder" nur als bedingt geeignet qualifiziert wird.

Der Beschwerdeführer übersieht auch, daß ihm mit der Auflage Nr. 3 nicht eine zusätzliche Beschränkung seiner Lenkerberechtigung auferlegt wurde, sondern daß diese Auflage die noch mit dem Erstbescheid verfügte Befristung - also eine schwerer wiegende Einschränkung seiner Lenkerberechtigung - ersetzt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in seiner bisherigen Rechtsprechung Auflagen des Inhaltes, daß sich der Besitzer der Lenkerberechtigung bestimmten Untersuchungen zu unterziehen habe, als unzulässig qualifiziert, weil ihm damit ein Verhalten vorgeschrieben wird, das sich nicht unmittelbar auf die Ausübung der Lenkerberechtigung bezieht (vgl. das Erkenntnis vom 8. November 1988, Slg. Nr. 12805/A). Der angefochtene Bescheid war daher - wegen der grundsätzlichen Untrennbarkeit einer erteilten Bewilligung und der dabei verfügten Auflage - zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Nicht gerügt wird in der Beschwerde der darin liegende Verfahrensmangel, daß entgegen dem § 34 Abs. 3 KDV 1967 bei Annahme der eingeschränkten Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken eines Kraftfahrzeuges im Zusammenhang mit Alkoholabhängigkeit oder chronischem Alkoholismus (§ 34 Abs. 1 lit. d KDV 1967) ein fachärztliches Gutachten, welches eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeiten einzubeziehen hat, anzuordnen gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels nicht zu erkennen. Die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie hat in ihrem Gutachten vom 23. November 1995, ohne eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit vorgenommen zu haben, die volle Eignung des Beschwerdeführers attestiert. Die Vornahme der in Rede stehenden Prüfung hätte daher nicht zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis führen können, sowohl was die Erstellung des fachärztlichen Gutachtens als auch dessen Verwertung durch die Amtsärztin anlangt.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren waren nur für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996110202.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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