TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/22 89/11/0215

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Veröffentlicht am 22.05.1990
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KDV 1967 §34 Abs1 litd idF 1985/101;
KDV 1967 §34 Abs1 litd;
KFG 1967 §69 Abs1 litb;
KFG 1967 §73 Abs1;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Niederösterreich vom 23. Juni 1989, Zl. I/7-St-Sch-896, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 6. Dezember 1988 wurde gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Befristung der dem Beschwerdeführer im Jahre 1966 erteilten Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C und F bis 11. April 1989 ausgesprochen. Aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid sprach der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 23. Juni 1989 die Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers bis zum 5. April 1990 aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Bescheid der Erstbehörde stützte sich auf das Gutachten des ihr beigegebenen Amtsarztes vom 4./11. Oktober 1988, in dem der Beschwerdeführer als "bedingt geeignet" beurteilt und eine Nachuntersuchung in sechs Monaten für erforderlich erachtet wurde. Als Begründung hiefür war angeführt: "Zustand nach Alkoholmißbrauch mit Nervenschädigung - Zuckerkrankheit". Die belangte Behörde holte ein Gutachten eines ihr beigegebenen ärztlichen Amtssachverständigen ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 5. April 1989 abschließend aus:

"Auf Grund der Untersuchungsergebnisse und der vorliegenden Befunde ergeben sich derzeit keine Hinweise auf einen Alkoholismus chronicus, keine Hinweise auf ein akutes oder chronisches Abstinenzsyndrom.

Auch der blutchemische Befund ergibt keinen Hinweis auf einen vermehrten Alkoholmißbrauch, jedoch der Blutdruck ist als erhöht zu bezeichnen und somit als Atherogenitätsrisikofaktor zu bezeichnen.

Auch ergaben sich keine wesentlichen Auffälligkeiten bei der Persönlichkeitsuntersuchung sowie bei der Erhebung des psychopathologischen Status. Affektive Reaktionen sowie eine Neigung zur Dissimulation konnten bei dem ärztlichen Gespräch nicht festgestellt werden.

Auf Grund des erhobenen Befundes konnten Hinweise nicht gefunden werden, welche die Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen für die oa. Gruppen bedingen würden. Auf Grund der Vorgeschichte und der nicht auszuschließenden Rückfallsgefahr in den vorherigen Alkoholmißbrauch wird aus amtsärztlicher Sicht jedoch eine befristete Gewährung des Führerscheines der do. Gruppen auf ein Jahr unter regelmäßiger Kontrolle der Alkoholabstinenz empfohlen."

Unter Hinweis auf dieses Gutachten sprach die belangte Behörde die vorliegend angefochtene Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers aus.

Der Beschwerdeführer meint, nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen sei die Befristung seiner Lenkerberechtigung nicht berechtigt. Er ist damit im Recht.

Auszugehen ist davon, daß nach der Begründung des angefochtenen Bescheides für die Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers das von der belangten Behörde eingeholte ärztliche Gutachten, in dem diese Maßnahme mit dem Hinweis auf eine "nicht auszuschließende Rückfallsgefahr in den vorherigen Alkoholmißbrauch" "empfohlen" wurde, maßgebend war. Gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 ist eine Lenkerberechtigung unter anderem dann durch Befristung einzuschränken, wenn bei dem Besitzer der Lenkerberechtigung die geistige und körperliche Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind. Diese Voraussetzung liegt unter anderem dann vor, wenn nach dem ärztlichen Gutachten bei einer Person ein auf Alkoholmißbrauch zurückzuführender Zustand vorliegt, der zwar noch nicht (nicht mehr) ihre Nichteignung wegen "Alkoholabhängigkeit oder chronischen Alkoholismus" (§ 34 Abs. 1 lit. d KDV 1967 in der Fassung BGBl. Nr. 101/1985) bewirkt, bei dem aber in Verbindung mit der Neigung der betreffenden Person zum Alkoholmißbrauch die Möglichkeit der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes mit der (möglichen) Folge des Wegfalles der körperlichen oder geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/11/0148, und vom 8. November 1988, Zl. 88/11/0149).

Die Annahme, die besagte Voraussetzung liege beim Beschwerdeführer vor, kann nicht auf das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen vom 5. April 1989 gestützt werden. In diesem Gutachten kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, weder bei der (von ihm am 14. Februar 1989 vorgenommenen) Untersuchung des Beschwerdeführers noch auf Grund der vorliegenden Befunde hätten sich Hinweise auf einen "Alkoholismus chronicus", auf ein "akutes oder chronisches Abstinenzsyndrom" oder auf einen "vermehrten Alkoholmißbrauch" ergeben. Das bedeutet, daß der ärztliche Sachverständige der belangten Behörde - anders als der Amtsarzt der Erstbehörde, aber im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem vom Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren beigebrachten "Befundbericht" einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 21. Oktober 1988 - beim Beschwerdeführer keinen "auf Alkoholmißbrauch zurückzuführenden Zustand" (mehr) objektivieren konnte. Dementsprechend begnügte er sich mit der "Empfehlung" an die belangte Behörde, die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers zu befristen, dies mit dem Hinweis auf einen (angeblichen) "vorherigen Alkoholmißbrauch" des Beschwerdeführers. Es kann dahinstehen, ob beim Beschwerdeführer - was dieser bestreitet - die Annahme eines solchen früheren Alkoholmißbrauchs tatsächlich berechtigt ist. Entscheidend ist nämlich im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß nach dem zuletzt eingeholten ärztlichen Gutachten kein auf Alkoholmißbrauch zurückzuführender Zustand mehr vorgefunden werden konnte. Bei diesem Ergebnis kommt es auf einen allfälligen früheren Alkoholmißbrauch des Beschwerdeführers deshalb nicht an, weil selbst eine aus einem solchen erschließbare diesbezügliche "Neigung" nur unter der weiteren

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hier aber nicht vorliegenden - Voraussetzung des Vorliegens eines objektiv nachweisbaren Zustandes nach Alkoholmißbrauch zu der Schlußfolgerung berechtigt hätte, die Eignung des Beschwerdeführers könne nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden und es seien Nachuntersuchungen erforderlich.

Bemerkt sei, daß bei einem anderen Verständnis eine Person

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mangels einer objektiven Grenze - allein mit dem Hinweis auf einen früheren Alkoholmißbrauch immer wieder für "bedingt geeignet" (§ 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967) erklärt werden könnte. Die dargelegte Auffassung steht im Einklang mit den Überlegungen, die zu der vorliegend maßgebenden Regelung des letzten Halbsatzes des § 73 Abs. 1 KFG 1967 geführt haben. In den Materialien (1093 Blg. NR XXV. GP., S. 31) wird zu dieser durch die 7. Kraftfahrgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 631/1982, eingefügten Bestimmung ausgeführt: "Bei Entziehungsverfahren, die aufgrund von Bedenken über das Vorliegen der Voraussetzungen zur Erteilung der Lenkerberechtigung eingeleitet werden, kommt es gelegentlich vor, daß der ärztliche Sachverständige feststellt, die geistige und körperliche Eignung liegt derzeit noch vor, daß aber nach der Natur der Krankheit in der Zukunft mit einer Verschlechterung gerechnet werden muß. Hier wäre die Lenkerberechtigung zu befristen, um eine Nachuntersuchung sicherzustellen ...". Die in Rede stehende Regelung stellt demnach auf Fälle ab, in denen eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muß. Das bedeutet, daß jedenfalls objektive Anzeichen für das Bestehen einer "Krankheit" vorliegen müssen, um unter Hinweis auf ihre "Natur" die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung begründen zu können. Ist aber nach dem ärztlichen Gutachten eine "Krankheit" nicht (mehr) objektivierbar, dann kann schon begrifflich nicht mehr von der Gefahr einer relevanten Verschlechterung derselben die Rede sein.

Die belangte Behörde hat mit ihrer dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Auffassung, ein früherer Alkoholmißbrauch stelle auch dann, wenn er derzeit keine objektiv nachweisbaren Spuren mehr hinterlasse, einen Befristungsgrund dar, die Rechtslage verkannt. Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß für Schriftsatzaufwand nur der in der genannten Verordnung ausgewiesene Pauschalbetrag von S 10.110,-- gebührt und die Vorlage einer Ausfertigung des bekämpften Bescheides zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ausreichte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110215.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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