TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/1 W242 1251034-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2021
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Entscheidungsdatum

01.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch


W242 1251034-6/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch den Verein XXXX - XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Zum Vorverfahren:

Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 03.09.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom XXXX 2003 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ab (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Mit Schreiben vom XXXX 2004 gab die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers die ihr erteilte Vollmacht bekannt und verwies ausdrücklich darauf, dass diese auch eine Zustellvollmacht beinhalte.

Am XXXX 2004 nahm eine Mitarbeiterin der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers Akteneinsicht in den Verwaltungsakt des BF.

Mit Schriftsatz vom XXXX 2004, beim Bundesasylamt eingelangt am XXXX 2004, erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid vom XXXX 2003.

Mit Bescheid vom XXXX 2004 wies der Unabhängige Bundesasylsenat die Berufung als unzulässig zurück. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer anlässlich einer Akteneinsicht lediglich eine Kopie der Bescheidausfertigung ausgefolgt worden sei, weshalb keine rechtswirksame Zustellung erfolgt und daher kein Bescheid erlassen worden sei.

Mit Bescheid vom XXXX 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 03.09.2003 erneut ab (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und er aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werde (Spruchpunkt III.).

Infolge der dagegen eingebrachten Berufung hob der Unabhängige Bundesasylsenat den Bescheid vom XXXX 2004 mit Bescheid vom XXXX 2006 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Mit Bescheid vom XXXX 2006 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 03.09.2003 abermals ab (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine bis XXXX 2007 befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich am XXXX 2006 zugestellt.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom XXXX 2006 als unzulässig zurück. Begründend führte er aus, dass in der Zustellverfügung ausschließlich der Beschwerdeführer als Empfänger des Bescheides vom XXXX 2006 genannt worden sei, aufgrund des aufrechten Vollmachtsverhältnisses jedoch die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdefühers als Empfängerin zu bezeichnen gewesen wäre. Die Zustellung an den Beschwerdeführer persönlich habe daher keine Rechtswirkungen entfalten können, sodass der Bescheid vom XXXX 2006 nicht rechtswirksam erlassen worden sei.

Der Zurückweisungsbescheid wurde der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers am XXXX 2006 zugestellt.

Am XXXX 2007 wurde der rechtfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers der Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX 2006, mit dem das Bundesasylamt den Asylantrag abwies und seine Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung für nicht zulässig erklärte, zugestellt.

Mit Schreiben vom selben Tag, beim Bundesasylamt eingelangt am XXXX 2007, gab die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers die Vollmachtsauflösung bekannt.

Aufgrund von Verlängerungsanträgen des Beschwerdeführers wurde die ihm erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung in weiterer Folge immer wieder verlängert, zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018 bis XXXX 2020.

2. Zum gegenständlichen Verfahren:

Am XXXX 2020 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

Am XXXX 2020 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt, zu der lediglich der zwischenzeitlich bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers erschien. Im Zuge dessen wurde dem Vertreter mitgeteilt, dass aus dem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom XXXX 2006 hervorgehe, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX 2006, mit welchem festgestellt worden sei, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nicht zulässig sei und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden sei, nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, sodass zum Asylantrag vom 03.09.2003 keine Entscheidung vorliege und dieser erneut geprüft werde.

Mit Schreiben vom XXXX 2020 gewährte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, binnen zwei Wochen zu seiner Identität und Herkunft, den bisherigen Angaben hinsichtlich seiner Fluchtgründe, seinem Leben im Herkunftsstaat, seinem Gesundheitszustand und seinen persönlichen Lebensumständen in Österreich schriftlich Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom XXXX 2020, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangt am XXXX 2020, gab der bevollmächtigte Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt, dass es bisher nicht möglich gewesen sei, vom Beschwerdeführer Antworten auf die gestellten Fragen zu erhalten, weil er sich in einem verwirrten Zustand befinde, weshalb die Begutachtung durch einen Psychiater zur Beurteilung seines psychischen Zustandes beantragt werde.

Mit Schreiben vom XXXX 2020 beauftragte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie mit der psychiatrischen Untersuchung des Beschwerdeführers.

Zum für XXXX 2020 vorgesehen Begutachtungstermin ist der Beschwerdeführer nicht erschienen.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom XXXX 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 03.09.2003 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.), erließ gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.), erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.) und stellte fest, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe (Spruchpunkt VIII.).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Mit Teilerkenntnis vom 27.12.2020, GZ. W242 1251034-6/2Z, wurde der vom Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2021 wurde für XXXX 2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt sowie dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Möglichkeit gegeben, binnen zwei Wochen die Einvernahme von Zeugen unter Angabe einer ladungsfähigen Adresse und des genau bezeichneten Beweisthemas zu beantragten sowie die als Beweismittel beabsichtigten Urkunden und Dokumente im Original sowie in Kopie vorzulegen, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass fremdsprachigen Dokumenten eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen ist.

Am XXXX 2021 teilte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass dieser aufgrund einer Erkrankung nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen könne.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2021 wurde die für denselben Tag anberaumte mündliche Verhandlung abberaumt.

Am XXXX 2021 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zu seiner Erkrankung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2003 unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 03.09.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Schreiben vom XXXX 2004 gab die damalige rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers die ihr erteilte Vollmacht bekannt, wies ausdrücklich darauf hin, dass diese eine Zustellvollmacht umfasst und ersuchte um Zustellung sämtlicher Schriftstücke zu ihren Handen.

Mit Bescheid vom XXXX 2006 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 03.09.2003 ab, stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien nicht zulässig ist und erteilte ihm eine bis XXXX 2007 befristete Aufenthaltsberechtigung.

In der Zustellverfügung wurde ausschließlich der Beschwerdeführer als Empfänger genannt. Am XXXX 2006 wurde ihm der Bescheid persönlich zugestellt.

Die dagegen vom BF erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom XXXX 2006 als unzulässig zurück. Begründend führte er aus, dass aufgrund des aufrechten Vollmachtsverhältnisses die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers in der Zustellverfügung als Empfängerin zu bezeichnen gewesen wäre. Aus diesem Grund konnte die Zustellung an den Beschwerdeführer persönlich keine Rechtswirkungen entfalten, sodass der Bescheid vom XXXX 2006 nicht rechtswirksam erlassen wurde.

Der Zurückweisungsbescheid wurde der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers am XXXX 2006 zugestellt.

Am XXXX 2006 veranlasste das Bundesasylamt erneut die Zustellung des am XXXX 2006 schriftlich ausgefertigten Bescheides. In der dazu getroffenen Zustellverfügung, ist als Empfängerin die vom Beschwerdeführer bevollmächtigte rechtsfreundliche Vertreterin angeführt. Zudem wird ausdrücklich auf den am XXXX 2006 schriftlich ausgefertigten Bescheid verwiesen. Am XXXX 2007 wurde der Bescheid von einem Angestellten der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers persönlich übernommen.

Mit Schreiben vom selben Tag, beim Bundesasylamt eingelangt am XXXX 2007, gab die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers die Vollmachtsauflösung bekannt.

Mit Bescheid vom XXXX 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 03.09.2003 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien zulässig ist, erließ gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot, erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab und stellte fest, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Beschwerdeführers, insbesondere die Vollmachtsbekanntgabe vom XXXX 2004, die Bescheide des Bundesasylamtes vom XXXX 2006 und des Unabhängigen Bundesasylsenates vom XXXX 2006, die im Akt erliegenden Zustellverfügungen samt Übernahmebestätigungen, die Vollmachtsauflösung vom XXXX 2007 und den gegenständlich angefochtenen Bescheid vom XXXX 2020.

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Zu A)

Ersatzlose Behebung des Bescheides vom XXXX 2020:

Die schriftliche Erlassung von Bescheiden hat durch „formgerechte“ bzw. „rechtswirksame“ Zustellung ihrer schriftlichen Ausfertigung zu erfolgen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 62 Rn. 18).

Gemäß § 21 AVG sind Zustellungen nach dem ZustellG vorzunehmen.

Gemäß § 9 Abs. 3 ZustellG hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Ist eine Person, für die das zuzustellende Dokument inhaltlich bestimmt ist (Empfänger im materiellen Sinn), durch eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person vertreten, so ist deren Kanzlei somit ausschließliche Abgabestelle. In einer solchen Konstellation ist der berufsmäßige Parteienvertreter Empfänger (im formellen Sinn) nach § 2 Z 1 ZustG. Wer Empfänger eines Schriftstückes im Sinn des ZustG ist, hängt von der Zustellverfügung ab (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2018/16/0136, mwN).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Eine dem vergleichbare Norm ist im VwGVG - dieses Gesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte - nicht enthalten und auch vom Verweis des § 17 VwGVG - damit wird festgelegt, dass, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, mit Ausnahme konkret genannter Normen die von der Behörde zu beachtenden Verfahrensvorschriften auch vom Verwaltungsgericht sinngemäß anzuwenden sind - nicht erfasst (vgl. VwGH 18.12.2019, Ro 2019/14/0006, Rn. 42).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens, wobei die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens allgemein anzuwenden sind. Dieser Grundsatz ist daher auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs. 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorkehrt. Vor diesem Hintergrund haben alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist (auch im Verfahren der Verwaltungsgerichte) die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl. VwGH 26.01.2021, Ro 2020/07/0010, mwN).

Im gegenständlichen Fall fertigte das Bundesasylamt bereits am XXXX 2006 einen schriftlichen Bescheid aus, dem zu entnehmen ist, dass über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 03.09.2003 abgesprochen wurde. Zwar ergibt sich aus einer im Akt erliegenden Zustellverfügung, dass der Bescheid zunächst dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt wurde, obwohl eine dem Bundesasylamt am XXXX 2004 zugegangene Vertretungsvollmacht einer berufsmäßigen Parteienvertreterin bestand, die auch eine Zustellvollmacht enthielt, wie dem Bundesasylamt ausdrücklich mitgeteilt wurde und wurde die zunächst vom Beschwerdeführer selbst eingebrachte Berufung daher mangels rechtswirksamer Zustellung vom Unabhängigen Bundesasylsenat als unzulässig zurückgewiesen. Jedoch befindet sich im gegenständlichen Verwaltungsakt eine weitere Zustellverfügung, aus der ersichtlich ist, dass am XXXX 2006 eine neuerliche Zustellung der schriftlichen Bescheidausfertigung vom XXXX 2006 veranlasst wurde und in welcher die zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigte berufsmäßige Parteienvertreterin ausdrücklich als Empfängerin genannt wird. Außerdem geht aus der Zustellverfügung hervor, dass ein Angestellter der bevollmächtigten Parteienvertreterin den Bescheid am XXXX 2007 übernahm. Da die Vollmachtsauflösung erst am XXXX 2007 beim Bundesasylamt einlangte, erfolgte die laut Poststempel am XXXX 2006 veranlasste (neuerliche) Zustellung des Bescheides vom XXXX 2006, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 03.09.2003 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien für nicht zulässig erklärt wurde – entgegen der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl während der geplanten Einvernahme am XXXX 2020 gegenüber dem nunmehrigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers geäußerten Ansicht – rechtswirksam. Die mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX 2020 vorgenommene vollinhaltliche Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 03.09.2003 verstößt daher gegen das Wiederholungsverbot und erfolgte somit rechtswidrig.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W242.1251034.6.00

Im RIS seit

09.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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