TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/1 L511 2188606-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2021
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Entscheidungsdatum

01.07.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4

Spruch


L511 2188606–1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), Landesstelle Salzburg, vom 18.01.2018, Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA]

1.1.    Mit Schreiben vom 08.09.2016 (Aktenzahl der elektronisch übermittelten nicht durchnummerierten Aktenteile, im Folgenden: PDF-Seitenzahl [AZ] 66-69) teilte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin der SVA mit, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Kommanditistin bei der XXXX [A GmbH & CoKG] erzielt habe, jedoch nicht mehr mittätig gewesen sei und übermittelte am 15.09.2016 eine Versicherungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, (AZ 62-65) wonach die Beschwerdeführerin derzeit keine selbständige Erwerbstätigkeit ausübe (Punkt 1.) und Pensionsbezieherin sei (Punkt 2.).

1.2.    Im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens (AZ 42-61) wurde der Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag vom 27.09.2006, über den Zusammenschluss der Beschwerdeführerin, ihres Gatten und der XXXX [A GmbH] zur A GmbH & CoKG vorgelegt (AZ 45-58). Demnach sind die Beschwerdeführerin und ihr Gatte beschränkt haftende Kommanditisten und die A GmbH unbeschränkt haftende Komplementärin der A GmbH & CoKG. Das Eigentum der Beschwerdeführerin und ihres Gatten an diversen Liegenschaften wurde nicht auf die A GmbH & CoKG übertragen, sondern verblieb im steuerlichen Sonderbetriebsvermögen. Beschlüsse werden grundsätzlich mit einer drei Viertel Mehrheit, Änderungen des Gesellschaftsvertrages einstimmig gefasst.

1.2.1.  In der Erklärung für Kommanditisten vom 27.10.2016 (AZ 42-44) gab die Beschwerdeführerin ua an, zu 5 % an der A GmbH & CoKG beteiligt und nicht mittätig zu sein. Sie stelle der A GmbH & CoKG Vermögen zur Verfügung, welches für Firmenverbindlichkeiten hafte, habe jedoch keine Geschäftsführungsbefugnisse oder Einflussmöglichkeiten auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der KG. Sie hafte zudem nicht über ihre Vermögenseinlage hinaus. An der A GmbH sei sie zu 50 % beteiligt und stimmberechtigt, nicht in der Geschäftsführung tätig und verfüge über keine Weisungsbefugnisse.

1.2.2.  Mit Schreiben vom 18.01.2017 (AZ 18-31) reichte die steuerliche Vertretung weitere Unterlagen ein, darunter ua nachträgliche Ergänzungsvereinbarungen vom 16.01.2017 zu den Gesellschaftsverträgen vom 04.08.2006 (AZ 20-21) und 27.09.2006 (AZ 28-31) betreffend die Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 04.08.2006 in Punkt „Achtens Willensbildung“ sowie die Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 27.09.2006 in Punkt „Achtens Stimmenmehrheit“. Demnach hafte der Gatte der Beschwerdeführerin (im Innenverhältnis) für sämtliche Firmenverbindlichkeiten der A GmbH und A GmbH & CoKG alleine. Beschlüsse würden in beiden Gesellschaften mit einfacher Mehrheit gefasst werden, wobei die Stimme des Gatten bei Stimmengleichheit entscheiden würde. Die Ergänzungsvereinbarungen seien schriftliche Bestätigungen der bereits im Jahr 2013 getroffenen mündlichen Vereinbarungen.

1.3.    Mit Bescheid vom 27.07.2017 wurde der Beschwerdeführerin die vorzeitig zugesprochene Alterspension bei langer Versicherungsdauer für das Jahr 2014 aberkannt. Das dagegen eingeleitete Gerichtsverfahren wurde bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Bestehen einer Pflichtversicherung unterbrochen (AZ 9-14).

1.4.    Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 18.01.2018, Zahl: XXXX , stellte die SVA fest, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 iVm § 6 Abs. 4 Z 1 und § 7 Abs. 4 Z 1 GSVG aufgrund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Kommanditistin bei der A GmbH & CoKG im Zeitraum von 01.01.2014 bis 31.12.2015 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterlegen sei (OZ 1).

Begründend führte die SVA aus, aus dem im Zuge des Datenaustausches gemäß § 229a GSVG der SVA übermitteltem Einkommenssteuerbescheid der Beschwerdeführerin für das Jahr 2014 ergäben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 9.084,35. Die Beschwerdeführerin sei zu 50 % an der A GmbH beteiligt und Kommanditistin der A GmbH & CoKG. Sie stelle der A GmbH & CoKG Sonderbetriebsvermögen zur Verfügung, mit welchem sie für Firmenverbindlichkeiten hafte (Punkt 8. Fragebogen für Kommanditisten). Für das Kalenderjahr 2015 seien der SVA die Daten des Einkommensteuerbescheids 2015 elektronisch übermittelt worden. Die Beschwerdeführerin habe der SVA weder den Beginn noch das Ende der Pflichtversicherung für die Kalenderjahre 2014 und 2015 gemeldet. Ihre Mittätigkeit als Kommanditistin habe sie bislang nicht entkräften können.

1.5.    Mit Schriftsatz vom 09.02.2018 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den am 24.01.2018 zugestellten Bescheid der SVA (AZ 1-5).

Darin wird im Wesentlichen unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin durch das (alleinige) zur Verfügung stellen von Sonderbetriebsvermögen noch keine versicherungspflichtige selbständige Erwerbstätigkeit begründe. Zwar hafte die Beschwerdeführerin mit diesem Sonderbetriebsvermögen für Firmenverbindlichkeiten der KG (Punkt 8. Fragebogen für Kommanditisten), doch gehe diese Haftung nicht über ihre Vermögenseinlage hinaus (Punkt 16. Fragebogen für Kommanditisten). Die Beschwerdeführerin sei zu 5 % unmittelbar und zu 45 % mittelbar an der A GmbH & CoKG beteiligt. Da sie weder Allein- noch Mehrheitsgesellschafterin der A GmbH sei, habe sie keine Einflussmöglichkeit auf die dortige Geschäftsführung. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin weder Dienstnehmerin der A GmbH & CoKG noch unternehmensrechtliche Geschäftsführerin (oder Prokuristin) der A GmbH, wodurch ihr weder Anordnungsbefugnisse noch eine Mittätigkeit zukämen

2.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 06.03.2018 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt, einer ergänzenden Stellungnahme (StN) sowie dem Gesellschafterbeschluss vom 04.08.2006 in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ 1-80]; Bescheid).

2.1.    In der Stellungnahme vom 06.03.2018 (StN) betonte die belangte Behörde, die Beschwerdeführerin sei entgegen ihren Ausführungen in der Beschwerde zu 50 % an der A GmbH beteiligt und als Geschäftsführerin bestellt gewesen. Die Beschwerdeführerin verfüge daher über maßgeblichen Einfluss auf die dortige Geschäftsführung und habe auch mittelbar bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung der A GmbH & CoKG. Aufgrund dieses Beteiligungsausmaßes, der Tätigkeit als Geschäftsführerin und den im Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag vom 27.09.2006 ersichtlichen Stimmenmehrheiten sei die SVA von einer versicherungspflichtigen selbständigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen. Die nachträglich vorgelegten Ergänzungsvereinbarungen zu den Gesellschaftsverträgen der A GmbH und A GmbH & CoKG seien für die Beurteilung der Pflichtversicherung im strittigen Zeitraum nicht relevant.

2.2.    Das BVwG nahm Einsicht in das Gewerbeinformationssystem Austria [GISA] und das Firmenbuch [FB] und führte eine Abfrage beim Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger [DVB] durch (OZ 2-3) und ersuchte die SVA um Übermittlung der Einkommensteuerdaten für die Jahre 2014 und 2015 (OZ 4-5)

II.      ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1        entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1      Die Beschwerdeführerin ist mit einer 5 %-Beteiligung als (beschränkt haftende) Kommanditistin an der am 19.10.2006 im Firmenbuch eingetragenen XXXX [im Folgenden auch A GmbH & CoKG; KG], FN XXXX , beteiligt, welche das XXXX [Hotel] in XXXX betreibt.

Weiterer Kommanditist der KG ist ebenfalls mit einer 5 %-Beteiligung der Gatte der Beschwerdeführerin. Dieser ist seit 15.01.2013 gewerberechtlicher Geschäftsführer für die Gewerbeberechtigung „Gästewagen-Gewerbe (Beförderung mit Personenkraftfahrzeugen), beschränkt auf die Verwendung von 2 PKW“ der KG (OZ 2: FB, GISA).

1.2      Unbeschränkt haftende Komplementärin der KG ist mit einem Gesellschafteranteil von 90 % die seit 30.08.2006 im Firmenbuch eingetragene XXXX [im Folgenden auch: A GmbH, Komplementär-GmbH], Firmenbuchnummer [FN] XXXX , deren 50 % Gesellschafter*innen die Beschwerdeführerin und ihr Gatte sind. Bis 22.08.2013 waren die Beschwerdeführerin und ihr Gatte jeweils selbständig vertretende handelsrechtlicher Geschäftsführer*innen. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2015 war der Gatte der Beschwerdeführerin alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der A GmbH (OZ 2: FB).

Die A GmbH ist ausschließlich Arbeitsgesellschafterin und weder am Vermögen, noch am Gewinn oder Verlust der KG beteiligt (OZ 2: Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag [ZusV] Pkt. V.7).

1.3      Von 19.10.2006 bis 18.02.2018 war die Beschwerdeführerin alleinige gewerberechtliche Geschäftsführerin der A GmbH & Co KG für die Gewerbeberechtigungen „Gastgewerbe Betriebsart: Hotel Berechtigung gem. § 189 Abs. 1 Z. 1 bis 4 GewO 1973“ und „Hotelwagengewerbe beschr. auf die Verwendung eines Pkw's bis zu 9 Sitzplätzen“ der KG (OZ 2: Gesellschaftervertrag [GesV], FB, GISA).

1.4      Die Beschwerdeführerin und ihr Gatte stellen der KG in ihrem Eigentum stehendes Sonderbetriebsvermögen in Form von Liegenschaften und Bauten in der Höhe von EUR 5.555.780,61 zur Verfügung. Die dem Sonderbetriebsvermögen gegenüberstehenden Verbindlichkeiten iHv EUR 7.016.445,89 verblieben ebenfalls im Vermögen der Beschwerdeführerin und ihres Gatten (ZusV Pkt. V.3, Beilage B).

Eine über den Haftungsbetrag hinausgehende (unbeschränkte oder erweiterte) Haftung für die Kommanditisten ergibt sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag.

1.5      Zur Geschäftsführung und Vertretung der A GmbH & CoKG ist die A GmbH als Komplementärin berechtigt und verpflichtet (OZ 2: ZuSV Pkt. VI), deren alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Gatte der Beschwerdeführerin war (OZ 2 FB).

1.5.1   Beschlüsse der A GmbH & CoKG wurden (jedenfalls bis 2013) mit einer drei Viertel Mehrheit der abgegebenen Stimmen bzw. in einigen Angelegenheiten auch einstimmig in der Gesellschafterversammlung gefasst. In der Komplementärin A GmbH wurden (jedenfalls bis 2013) Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, bzw. in einigen Angelegenheiten auch mit einer Mehrheit von drei Viertel der Stimmen gefasst. Eine Gewichtung der Stimmen war nicht vorgesehen (OZ 2: GesV Pkt. VIII, ZusV Pkt V.8).

1.5.2   Mit Generalversammlungsbeschluss und Gesellschafterbeschluss jeweils vom 16.01.2017 wurden bereits mündlich im Jahr 2013 getroffenen Ergänzungsvereinbarungen zu den Verträgen schriftlich festgehalten. Demnach werden (seit 2013) Beschlüsse in beiden Gesellschaften nunmehr mit einfacher Mehrheit gefasst, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Gatten der Beschwerdeführerin (bzw. dessen Rechtsnachfolgers im Eigentum) (AZ 20-31).

1.6      Im September 2016 wurde der SVA im Wege des Datenaustauschs gemäß § 229a GSVG der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2014 auf elektronischem Weg übermittelt, wonach die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von [idHv] EUR 9.084,35 erzielte, sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit idHv EUR 28.271,16. Im Oktober 2017 wurde der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2015 auf elektronischem Weg übermittelt, wonach die Beschwerdeführerin im Jahr 2015 Einkünfte aus Gewerbebetrieb idHv EUR 30.813,59 erzielte, sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit idHv EUR 28.746,12 (OZ 5). Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb stammen aus der Beteiligung der Beschwerdeführerin als Kommanditistin an der A-KG (AZ 54).

1.7      Die Beschwerdeführerin bezog im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach dem GSVG (AZ 9-17, OZ 3), welche für das Jahr 2014 mit Bescheid der SVA vom 27.07.2017 aberkannt wurde. Das diesbezügliche Gerichtsverfahren wurde am 10.08.2017 ausgesetzt (AZ 6-8).

1.8      Die Versicherungsgrenzen für pensionsbeziehende selbständig erwerbstätige Personen betrugen gemäß § 4 Abs. 1 Z 6 lit.b iVm § 25 Abs. 4 Z 2 lit. b GSVG im Jahr 2014 idF BGBl. II Nr. 434/2013 EUR 4.743,72? und im Jahr 2015 idF BGBl. II Nr. 288/2014 EUR 4.871,76.

1.9      Für die Jahre 2014 und 2015 lagen keine Anzeigen der Überschreitung der Versicherungsgrenze durch die Beschwerdeführerin vor (OZ 1). Eine Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz ist für die selbständige Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger nicht erfasst (OZ 3).

2        Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1      Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt und dem Gerichtsakt, aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1 [=AZ 1-80], OZ 2-5). Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:

?        Bescheid (OZ 1)

?        Beschwerde (AZ 1-5)

?        Gesellschaftsvertrag vom 04.08.2006 (OZ 2 GesV)

?        Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag vom 27.09.2006 (OZ 2 ZusV)

?        Erklärung für Kommanditisten vom 27.10.2016 (AZ 42-44)

?        Versicherungserklärung für Freiberufler vom 14.09.2016 (AZ 62-65)

?        Unterlagen aus dem Sozialgerichtsverfahren (AZ 6-16)

?        Auszüge aus dem FB und dem GISA (OZ 2)

?        Abfrage im Datenregister des DVB (OZ 3)

?        Einkommensteuerdaten 2014 und 2015 (OZ 4-5)

2.2      Beweiswürdigung

2.2.1   Die getroffenen Feststellungen zu den Eigentums- und Vertretungsverhältnissen sowie zu den Willensbildungen der betroffenen Gesellschaften (Punkte 1.1-1.2; 1.4.) ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (AZ 42-44), welches sich mit den vorgelegten unbedenklichen Urkunden, insbesondere den Gesellschaftsverträgen aus 2006 und den Änderungen aus 2017 deckt (OZ 2: GesV, ZusV), sowie aus den behördlich geführten Datenregistern (OZ 2: GISA, FB, DVB), an deren Richtigkeit kein Anlass zu zweifeln, bestand. Die sich daraus ergebenden Feststellungen wurden von den Verfahrensparteien nicht bestritten.

2.2.2   Dass die Beschwerdeführerin im strittigen Zeitraum gewerberechtliche Geschäftsführerin der A GmbH & CoKG, insbesondere betreffend das Gast- und Hotelgewerbe war (Punkt 1.3.), ergibt sich aus dem Auszug aus dem GISA (OZ 2).

2.2.3   Die Feststellung zum Pensionsbezug der Beschwerdeführerin (Pkt. 1.7.) ergibt sich aus den Unterlagen des Sozialgerichtsverfahrens (AZ 6-16) sowie dem Sozialversicherungsdatenauszug (OZ 3) und ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.

2.2.4   Hinsichtlich der Feststellungen zum Sonderbetriebsvermögen und der Haftung (Pkt. 1.4) folgt das BVwG den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde.

Die SVA stützt sich diesbezüglich ausschließlich auf die Antwort der Beschwerdeführerin in der Erklärung für Kommanditisten unter Punkt 8 „Stellen Sie der KG Vermögen (z.B. Liegenschaft, Betriebsmittel oder Wirtschaftsgüter) zur Verfügung? JA Wenn ja, haftet diese für Firmenverbindlichkeiten? JA“ und lässt dabei sowohl ihre Antwort in Punkt 16 „Haften Sie gesellschaftsrechtlich über Ihre Vermögenseinlage hinaus für Verluste der KG (sind Sie z.B. zur Leistung von Nachschüssen oder zur Auffüllung Ihres durch Verluste geschmälerten Kapitalanteils verpflichtet)? NEIN“, als auch den Gesellschaftsvertrag völlig außer Acht. Sowohl aus Punkt 16 der Erklärung als auch aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich aber eindeutig, dass keine über den Haftungsbetrag hinausgehende (unbeschränkte oder erweiterte) Haftung für die Kommanditisten vorliegt (OZ 2: ZusV; AZ 43).

Dies erscheint trotz dem Auseinanderfallen der Höhe der Kommanditisteneinlage von EUR 100,00 gegenüber dem Sonderbetriebsvermögen iHv EUR 5.555.780,61 auch nicht unwahrscheinlich, da auch die dem Sonderbetriebsvermögen gegenüberstehenden Verbindlichkeiten im Vermögen der Beschwerdeführerin und ihres Gatten verblieben und nicht auf die KG übertragen wurden (OZ 2: ZusV Beilage B).

Das BVwG sieht daher keinen Grund anzunehmen, dass das Sonderbetriebsvermögen entgegen den bestehenden Verträgen und den Aussagen der Beschwerdeführerin als haftendes Vermögen angesehen werden könnte.

2.1.    Die Versicherungsgrenzen für pensionsbeziehende selbständig erwerbstätige Personen (Punkt 1.9.) ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz.

3        Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1      Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2      Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.

4        Rechtliche Beurteilung

4.1.1   Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2   Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).

4.1.3   Das Bestehen oder Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht ist nicht nur hinsichtlich der maßgeblichen Sachlage, sondern auch hinsichtlich der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (VwGH 20.12.2001, 98/08/0062 mwN). Verfahrensgegen-ständlich kommt daher für die Versicherungspflicht das GSVG in den Fassungen BGBl. I Nr. 56/2014 für 2014 und BGBl. I Nr. 162/2015 für 2015 zur Anwendung.

4.2      Abweisung der Beschwerde

4.2.1   Verfahrensgegenständlich ist strittig, ob die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Kommanditistin in der A GmbH & CoKG als versicherungspflichtige selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG anzusehen ist.

4.2.2   Die Kriterien für die Anwendung des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG werden damit umschrieben, dass es sich um selbständig erwerbstätige Personen handelt, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit bestimmte Arten von Einkünften im Sinn des EStG 1988 (über der maßgeblichen Versicherungsgrenze) beziehen, ohne dass auf Grund der jeweiligen Tätigkeit bereits eine Pflichtversicherung besteht (vgl. VwGH 11.09.2008, 2006/08/0243).

4.2.3   Wie der Verwaltungsgerichtshof – im Einklang mit den Gesetzesmaterialien (Hinweis ErläutRV 1235 BlgNR 20. GP, 18) – in ständiger Rechtsprechung vertritt (jüngst VwGH 12.09.2018, Ra2015/08/0032 mwN), sollen Kommanditisten nach Maßgabe einer „aktiven Betätigung“ im Unternehmen, die auf Einkünfte gerichtet ist, pflichtversichert sein, nicht jedoch Kommanditisten, die nur „ihr Kapital arbeiten lassen“, das heißt, sich im Wesentlichen auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten beschränken. Die Beantwortung der Frage, ob sich ein*e Kommanditist*in einer für § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG relevanten Weise „aktiv“ im Unternehmen betätigt, kann in rechtlicher Hinsicht nur vom Umfang der Geschäftsführungsbefugnisse abhängen. Ob einem Kommanditisten mehr Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt wurden, als ihm nach § 164 UGB (zuvor HGB) zustehen, richtet sich danach, ob seine Mitwirkungsrechte auch auf die Angelegenheiten des gewöhnlichen Betriebes der Gesellschaft erstrecken, ihm also nicht nur das Widerspruchsrecht nach § 164 erster Satz zweiter Halbsatz HGB (jetzt UGB) in Verbindung mit § 116 Abs. 1 HGB zusteht (VwGH 09.09.2015, 2013/08/0168 mwN).

4.2.4   Einleitend ist festzuhalten, dass das BVwG entgegen der Ansicht der SVA nicht davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin bereits auf Grund ihrer Zurverfügungstellung des Sonderbetriebsvermögens der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Die SVA stützt sich diesbezüglich ausschließlich auf die Antwort der Beschwerdeführerin in der Erklärung für Kommanditisten unter Punkt 8 und lässt dabei sowohl ihre Antwort in Punkt 16, als auch den Gesellschaftsvertrag völlig außer Acht. Sowohl aus Punkt 16 der Erklärung als auch aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich aber eindeutig, dass keine über den Haftungsbetrag hinausgehende (unbeschränkte oder erweiterte) Haftung für die Kommanditisten vorliegt (siehe dazu auch die Beweiswürdigung).

Aus der vertraglichen Zurverfügungstellung von Sonderbetriebsvermögen können grundsätzlich keine über die in den §§ 161 ff UGB geregelten Befugnisse eines Kommanditisten hinausgehenden Einflussmöglichkeiten auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb abgeleitet werden (VwGH 02.09.2013, 2011/08/0357 mwN), so dass sich allein daraus noch keine Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ergibt.

4.2.5   Fallbezogen war die Beschwerdeführerin von 2006 bis 2018, somit auch im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2015, jedoch alleinige gewerberechtliche Geschäftsführerin für die Gewerbeberechtigung „Gastgewerbe Betriebsart: Hotel Berechtigung gem. § 189 Abs. 1 Z. 1 bis 4 GewO 1973“ der KG. Dabei handelt es sich gemäß § 94 Z26 GewO um ein reglementiertes Gewerbe, für das ein Befähigungsnachweis (§ 16 GewO) erforderlich ist.

§ 39 Abs. 2 GewO 1994 verlangt von der gewerberechtlichen Geschäftsführerin, sich im Betrieb „entsprechend zu betätigen“. Darunter ist laut OGH eine Tätigkeit zu verstehen, die es der Geschäftsführerin ermöglicht, die gewerbliche Tätigkeit des Betriebes ausreichend zu beobachten und zu kontrollieren. Sie muss zu der vom Gesetz geforderten Betätigung in der Lage sein und es darf auch keine „bloße Scheinerfüllung“ der gesetzlichen Anforderungen vorliegen. Die Gesellschaft, die sich einer Geschäftsführerin bedient, der zwar die sonst für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen mitbringt, sich aber nicht entsprechend im Betrieb betätigt, weil sie die Gesellschaft vertraglich von dieser Tätigkeit befreit hat oder die von ihm übernommenen Leistungen nur auf schriftliches Verlagen in Anspruch nehmen wollte, verstößt gegen § 39 Abs 3 GewO (vgl. OGH 01.09.1999, 9ObA 139/99b).

Dass die Beschwerdeführerin etwa nur zum Schein gewerberechtliche Geschäftsführerin gewesen wäre, oder von der Gesellschaft (wiederrechtlich) von dieser Tätigkeit befreit worden wäre, wurde weder behauptet, noch ergibt sich dies aus den vorgelegten Unterlagen, so dass sich bereits aus ihrer Stellung als gewerberechtliche Geschäftsführerin der KG eine aktive Mittätigkeit der Beschwerdeführerin in Angelegenheiten des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes der KG ergibt.

4.2.6   Angesichts dieses Ergebnisses bedarf es keiner weiteren Erörterung mehr, ob und in wie weit der Beschwerdeführerin trotz ihrer unmittelbaren und über die Komplementär-GmbH mittelbaren 50% Beteiligung an der KG ab 2013 tatsächlich kein wesentlicher Einfluss auf die Komplementär-GmbH und somit mittelbar auf die KG zukam, da sie als gewerberechtliche Geschäftsführerin ohnehin eine aktive Mittätigkeit in der KG ausübte.

4.2.7   Zusammenfassend unterlag die Tätigkeit als gewerberechtliche Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin als Kommanditistin in der A GmbH & CoKG somit dem Grunde nach der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG.

4.2.8   Die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG richtet sich grundsätzlich nach der Einkommensteuerpflicht. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem (die Versicherungsgrenzen übersteigende) Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, besteht nach dieser Bestimmung Versicherungspflicht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde (und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist). Ob die von der zuständigen Abgabenbehörde getroffene einkommensteuerrechtliche Beurteilung zutreffend ist, ist im Verfahren betreffend die Versicherungspflicht nach dem GSVG nicht (mehr) zu prüfen (VwGH 17.12.2015, 2013/08/0165 mwN).

Fallbezogen ging die zuständige Abgabenbehörde von Einkünften aus Gewerbebetrieb 2014 iHv EUR 9.084,35 und 2015 iHv EUR 30.813,59 aus, welche die für das jeweilige Jahr maßgeblichen Versicherungsgrenzen von EUR 4.743,72 im Jahr 2014 und EUR 4.871,76 im Jahr 2015 überschritten. Es lag auch keine Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz vor, so dass die Versicherungspflicht im Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2015 gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zurecht festgestellt wurde.

4.2.9   Zusammenfassend erweist sich daher der Bescheid der SVA als korrekt, weshalb die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen ist.

III.     ad B) Unzulässigkeit der Revision

Die gegenständliche Beurteilung erfolgte im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Zur selbständigen Erwerbstätigkeit von Kommanditisten insbesondere VwGH 12.09.2018, Ra2015/08/0032; 09.09.2015, 2013/08/0168, 02.09.2013, 2011/08/0357 jeweils mwN; zur Bindung an die durch die Abgabenbehörden festgestellte Einkunftsart für viele VwGH 17.12.2015, 2013/08/0165 mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Einkommenssteuerbescheid Geschäftsführer Gewerbebetrieb Kommanditist Mitwirkungsrecht Pflichtversicherung selbstständig Erwerbstätiger Versicherungsgrenze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2188606.1.00

Im RIS seit

09.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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