TE Bvwg Beschluss 2021/9/23 W272 1257202-6

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Veröffentlicht am 23.09.2021
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Entscheidungsdatum

23.09.2021

Norm

AsylG 2005 §12
AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W272 1257202-6/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 17.09.2021, Zahl XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren auf internationalen Schutz:

1.1. Die beschwerdeführende Partei stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.07.2004 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem der Beschwerdeführer am 14.07.2004 vor dem damaligen Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen wurde. Die Flucht aus dem Herkunftsstaat begründete die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen mit der eigenen Festnahme und der Tötung des eigenen Vaters im Jahr 2004.

Mit Bescheid vom 24.01.2005 wies das Bundesasylamt den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz sowohl in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab (Spruchpunkt II.) und wies die beschwerdeführende Partei aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei fristgerecht das Rechtsmittel einer Beschwerde.

Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.02.2010, Zahl: D9 257202-0/2008/20E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.01.2005 als unbegründet abgewiesen. Begründend hielt der erkennende Senat des Asylgerichtshofes im Wesentlichen fest, dass dem geschilderten Fluchtgrund aufgrund der widersprüchlichen Ausführungen keinerlei Glaubwürdigkeit beigemessen werden könne.

2. Zweites Verfahren auf internationalen Schutz:

Am 08.04.2011 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Gewährung von internationalen Schutz.

Diesen zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer im Jahr 2011 dahingehend, dass er sich während des Aufenthaltes in Österreich seit 2004 mehrmals im Krankenhaus wegen psychischer Probleme stationär aufgehalten habe. Er sei dann nach Frankreich gereist, sei in Deutschland und Polen gewesen und dann über Frankreich wieder nach Österreich gekommen. Der neue Grund liege darin, dass er von seiner Mutter am Telefon erfahren habe, dass eine Vorladung auf das Polizeirevier gekommen sei. Im Fall der Rückkehr befürchte er, umgebracht zu werden. Sein Bruder werde vermisst, der Vater sei getötet worden. Der Beschwerdeführer schilderte im weiteren Verfahren, dass immer wieder polizeiliche Ladungen zugestellt würden, auch die Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren seien aufrecht, denn er habe gekämpft. Sein Vater, sein Onkel und er hätten für Dudaev gekämpft, deshalb werde er selbst seit dem Jahr 2004 verfolgt, ein Cousin sei vor zwei Jahren verschwunden.

In diesem zweiten Verfahren wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 08.04.2011 mit Bescheid der Behörde vom 07.05.2011 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Eine rechtzeitig eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 07.06.2011 gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

3. Drittes Verfahren auf internationalen Schutz:

Am 30.07.2012 brachte der Beschwerdeführer aus der Strafhaft seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz ein, den er nunmehr dahingehend begründete, dass sein Vater als Wachperson beim Präsidenten Dudaev gearbeitet habe. Der Vater und ein Bruder hätten gegen die Russen gekämpft, der Vater sei 2004 umgebracht worden, der Bruder sei im Krieg schwer verletzt worden und lebe der Bruder nunmehr in der Türkei. Auch er selbst habe im Krieg gegen „Russland“ teilgenommen. Am Ende hab er für den FSB arbeiten müssen. Im dritten Verfahrensgang wurden nunmehr diverse Polizeiladungen vorgelegt, welche dem Beschwerdeführer von seiner Großmutter in die Justizanstalt gefaxt worden seien.

Mit Bescheid der Behörde vom 15.08.2012 wurde auch der dritte Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer erneut aus dem österreichischen Gebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.09.2012 wurde in weiterer Folge auch diese dritte Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

4. Viertes Verfahren auf internationalen Schutz:

Am 04.02.2013 beantragte der Beschwerdeführer nunmehr erneut die Gewährung von internationalem Schutz. Im Zuge seiner Erstbefragung am selben Tag schilderte er, dass er am 28.11.2012 nach Russland abgeschoben worden sei, er sei dann in Tschetschenien zwei Wochen lang in einem Gefängnis gewesen. Er habe dort Probleme mit dem Militär und den Leuten von Kadyrov. Die alten Fluchtgründe hätten nur ein wenig mit der Wahrheit zu tun, er werde jetzt die Wahrheit sagen.

Der Beschwerdeführer schilderte im Zuge der Erstbefragung, dass er im Jahr 2000 gegen die Russen in Tschetschenien gekämpft habe, deshalb habe er nunmehr Probleme. Nach der Abschiebung nach Moskau sei er von der Polizei nach Tschetschenien begleitet worden. In Tschetschenien sei er verhaftet worden und eine andere Person sei seit diesem Zeitpunkt verschollen, den Namen dieser Person kenne er gar nicht. Er selbst habe unterschreiben müssen, dass er Russland nicht verlassen dürfe. Würde er verhaftet werden, würde er in weiterer Folge bei einer erneuten Rückkehr vielleicht getötet werden.

Den neuerlichen Antrag stelle er erst jetzt, weil er Zeit gebraucht habe, um sich einen neuen Reisepass zu besorgen.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren einen Ehevertrag eines islamischen Zentrums in Wien über eine erfolgte Eheschließung vor, insbesondere auch eine – behördliche -Bestätigung vom 28.11.2012, wonach er wegen Überprüfung der Teilnahme an illegalen bewaffneten Formationen von einer näher genannten Abteilung des (russischen) Ministeriums für Inneres einvernommen worden sei. Am 28.11.2012 sei er nach der Überprüfung gegen Unterschrift über die Nichtausreise freigelassen worden.

Vorgelegt wurden weitere angebliche (russische) Ladungen einer Zweigstelle des Ministeriums für Inneres für November 2012 und Jänner 2013 sowie die Kopie eines Heimreisezertifikates betreffend den Beschwerdeführer.

Laut Aktenlage bestätigte Polen seine Zuständigkeit zur Führung des Asylverfahrens, eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers im Jahr 2013 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen, zumal der Beschwerdeführer in weiterer Folge erneut wegen einer Straftat in Untersuchungshaft genommen wurde.

Erst am 02.04.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers bezüglich seines Antrags auf internationalen Schutz vom 04.02.2013. Der Beschwerdeführer schilderte erneut, dass er 2004 erstmals die Heimat verlassen habe, damals sei sein Vater umgebracht worden, es sei Krieg gewesen. Er sei in Frankreich und in Belgien bei seiner Tante gewesen, das letzte Mal sei er 2013 nach Österreich eingereist. Er habe auch einen Reisepass besessen, dieser sei ihm in Polen abgenommen worden. Im Heimatland habe er keine Angehörigen mehr, der kleine Bruder sei in Frankreich, die Mutter sei in Belgien. Die anderen Familienmitglieder seien verstorben. Er habe einen Bruder, der andere Bruder sei umgebracht worden.

Hier in Österreich habe er traditionell geheiratet, er habe auch eine Tochter, diese sei sechs Jahre alt.

Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, darzulegen, warum er nunmehr den vierten Folgeantrag stelle. Der Beschwerdeführer schilderte, dass er mit seinem Vater gegen Russland gekämpft habe, er sei gesucht worden, als seine Mutter noch zu Hause gewesen sei. Er habe oft Vorladungen zur Polizei bekommen. Die Tschetschenen und die Russen hätten ihn gemeinsam gesucht, diese würden ihn immer noch suchen. Er sei 2004 und 2013 bis jetzt gesucht worden. Die russischen Polizisten hätten ihm ein Papier gegeben, dass er illegal gekämpft habe.

Auf die Aufforderung, die Vorfälle nach der Abschiebung im Jahr 2013 genauer zu erklären, wer ihn wann und wie bedroht habe, wurde folgende Aussage protokolliert: „Russland sie haben mich genommen. Dann hat mein Onkel Ihnen Geld gegeben.“

Zu diesem Satz führte der Beschwerdeführer in weiterer Folge aus, dass er in Moskau mitgenommen worden sei, man habe ihm einen Sack über den Kopf gestülpt und sei mit einem Hubschrauber an einen ihm unbekannten Ort gebracht worden. Er sei dann dort eingesperrt gewesen, dann sei sein Onkel gekommen. Es sei gesagt worden, dass er gemeinsam mit seinen Freunden gekämpft habe und er sei gefragt worden, wo die Freunde seien. Er aber habe nicht gekämpft, er habe nur geholfen. Die anderen hätten gekämpft, sein Vater auch. Er sei am Flughafen in Moskau festgenommen worden, innerhalb von zwei Wochen habe der Onkel dann Geld gegeben. Man habe ihm einen Zettel gegeben, dass er Russland nicht verlassen dürfe. Die Mutter und auch der Onkel seien verschwunden. Dann hätten sie die Mutter nicht in Ruhe gelassen und immer gefragt, wo der Sohn sei. Auf die Frage, warum er von der Polizei am Flughafen in Moskau verhaftet worden sei, führte der Beschwerdeführer aus, dass sie ihn schon lange gesucht hätten, der Vater habe gekämpft, die Freunde hätten gekämpft und er habe geholfen. Die Freunde und Nachbarn, den Cousin und den Bruder hätten sie getötet. Es sei richtig, dass er im Jahr 2013 durch die Polizei am Flughafen von Moskau wegen der Aktivitäten im Krieg 2004 verhaftet worden sei.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.02.2013 abermals gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, erneut gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Russland gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm. § 46 FPG zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht eingeräumt, zugleich wurde ein Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die belangte Behörde stellte in der angefochtenen Entscheidung den Verfahrensgang dar und verwies insbesonders auch auf die zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Nach der erneuten Einreise in das Bundesgebiet sei dieser mit Urteil des LG XXXX vom XXXX wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 und 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt worden. In der Justizanstalt sei er nach einem Vorfall erneut zur Anzeige gebracht worden und mit Urteil des LG XXXX vom XXXX wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach den §§ 15 und 87 StGB zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Aufgrund einer ebenfalls während der Haft begangenen gefährlichen Drohung sei der Beschwerdeführer am XXXX durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX nach § 107 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden.

Die belangte Behörde stellte die Identität des Beschwerdeführers fest, für diesen sei bereits einmal ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden. Die belangte Behörde führte aus, dass der Beschwerdeführer bereits zehn Mal von österreichischen Gerichten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe in Österreich soziale Anknüpfungspunkte durch die traditionell angetraute Ehegattin und eine minderjährige Tochter.

Nach allgemeinen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beurteilte die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Ereignisse nach der Abschiebung Ende 2012 dahingehend, dass der Beschwerdeführer „im gegenständlichen Verfahren dieselben Ausreisegründe anführt(e), die er bereits im Vorverfahren angegeben hat.“ Damit würde sich das Parteibegehren im gegenständlichen Antrag mit den drei bereits zuvor gestellten Anträgen auf internationalen Schutz decken. Da der Beschwerdeführer „sein Vorbringen auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stütze, könne kein neuer Sachverhalt vorliegen, weil jeder Sachverhalt, welcher auf dieses unglaubwürdige Vorbringen aufbaue, nach den Denkgesetzen der Logik ebenfalls als unglaubwürdig zu werten sei“.

In Ermangelung eines neuen asylrelevanten Vorbringens liege somit kein Sachverhalt vor, welcher die Führung eines neuerlichen inhaltlichen Asylverfahrens erforderlich machen würde oder auch nur rechtfertigen würde.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass entschiedene Sache vorliege, da sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert habe. Weder in der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen sei eine Änderung eingetreten, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lasse. Die Rechtskraft des Erkenntnisses des Asylgerichtshofs vom 03.09.2012 stehe dem neuerlichen Antrag entgegen, weswegen das Bundesamt zu einer Zurückweisung verpflichtet sei.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2019, Zl. W226 1257202-4/11E, stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Begründend wurde darin ausgeführt, dass schon auf Grund des Zeitablaufs seit der letzten inhaltlichen Entscheidung mit Erkenntnis des Aylgerichtshofes vom 22.02.2010 von 14 bzw. 9 Jahren nicht ohne weiteres von einer unveränderten Sachlage ausgegangen werden könne und der Beschwerdeführer zudem im Zuge der Antragstellung 2013 mehrere Dokumente als Nachweis seiner Festnahme am Moskauer Flughafen nach erfolgter Abschiebung und seine Überstellung nach Tschetschenien samt dortiger Einvernahme zwecks angeblicher Überprüfung seiner Vergangenheit als Unterstützer der Widerstandsbewegung vorgelegt habe, mit welchen sich die Behörde überhaupt nicht beweiswürdigend auseinandergesetzt und nicht aufgezeigt habe, dass das neue Vorbringen über keinen „glaubhaften Kern“ verfüge. Das neue Vorbringen sei einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen.

Nach der vorgelegten Geburtsurkunde wurde die Tochter des Beschwerdeführers am XXXX in Österreich geboren.

Die seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl veranlasste Übersetzung der vom Beschwerdeführer beigebrachten Unterlagen ergab, dass des sich dabei um eine Vorladung zur Vernehmung der überregionalen Untersuchungsabteilung der Russischen Föderation für die tschetschenische Republik für 20.04.2019, eine Vorladung für den 10.01.2010 bei der Abteilung des Ministeriums für Inneres Russlands für den Nadteretschnij Bezirk der Tschetschenischen Republik, eine ebensolche Vorladung für den 25.11.2012 sowie für den 15.03.2011 handelt und eine ebensolche für den XX.01.2013, ferner um eine Bestätigung vom 28.11.2012 für den Beschwerdeführer, dass er an diesem Tag der Abteilung des Innenministeriums Russlands zur Vernehmung betreffend seine Beteiligung an illgalen, bewaffneten Gruppierungen und Begehung von schweren und sehr schweren Kapitalverbrechen auf dem Gebiet des Nadteretschnij Bezirkes, wie Verbrechen mit terroristischer Absicht, zur Vernehmung vorgeführt und unter der Auflage den Aufenthaltsort in Znamenskoje nicht zu verlassen, freigelassen wurde.

Am 02.04.2019 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sodann nochmals einvernommen, wozu er eingangs vorbrachte, dass es ihm zwar psychisch nicht gut gehe, er aber die Einvernahme absolvieren könne. Er nehme derzeit Psychopharmaka, er habe einen Drogenentzug gemacht. Seine Heimat habe er 2004 verlassen, sie hätten seinen Vater umgebracht, es sei Krieg gewesen. Seither sei er nicht mehr in Tschetschenien gewesen. Er sei 2013 zuletzt ins Bundesgebiet eingereist; er sei in Frankreich und in Belgien bei seiner Tante gewesen, an Genaueres erinnere er sich nicht mehr. Er sei nach Österreich gereist, weil er hier eine Frau und ein Kind habe. Der 2004 in Inguschetien ausgestellte Reisepass sei ihm in Polen abgenommen worden. Er habe sonst keine Dokumente. Er sei in Grosny in Tschetschenien geboren und aufgewachsen. Er sei auch öfter in Znamenskoe bei seinem Großvater gewesen. Zuletzt habe er sich regelmäßig in Inguschetien bei Bekannten seines Onkels aufgehalten, 2004 und sei dann mit einem Schlepper geflüchtet, weil er in Russland gesucht werde. Im Herkunftsstaat habe er keine Angehörigen mehr, seine Mutter sei in Belgien, sein kleiner Bruder in Frankreich. Weitere Verwandte seien bereits verstorben. Seinen anderen Bruder hätten sie umgebracht. Er sei in Wien traditionell verheiratet und habe eine 6-jährige Tochter. Ob er ein Obsorgerecht für sie habe, wisse er nicht, zur Zeit befinde er sich in Strafhaft. Er werde von seiner Frau bzw. dem Kind besucht. Er habe 10 Jahre Schulausbildung jedoch keine Berufsausbildung. Seine Eltern hätten für seinen Lebensunterhalt gesorgt. Nach Problemen mit den Behörden im Herkunftsstaat befragt, bejahte er dies und gab an, im Krieg geholfen zu haben; sein Vater habe gekämpft und sei im Krieg getötet worden. Er selbst sei nicht politisch tätig gewesen, jedoch sein Vater schon. In Österreich seien seine Frau, deren Mutter und Schwester sowie seine Tochter aufhältig. Andere Angehörige habe er nur in Belgien und Frankreich und sei nun auch mit ihnen in Kontakt. Auf die Frage nach den Gründen für seine vierte Asylantragstellung brachte er vor, dass er gesucht werde. Er habe mit seinem Vater gegen Russland gekämpft. Als seine Mutter noch zu Hause gewesen sei, hätten sie ihn gesucht, da sei immer die Polizei gekommen und er habe oft Vorladungen zur Polizei erhalten. Sie hätten ihn gesucht und umbringen wollen. Die Tschetschenen und die Russen gemeinsam, sie würden ihn noch immer suchen. Dies betreffe den Zeitraum 2004 und 2013 sowie auch jetzt. Befragt, was 2013 passiert sei, brachte er vor, dass die Kämpfer, nein die (russische gemeinsam mit der tschetschenischen) Polizei ihm ein Papier gegeben habe, dass er illegal gekämpft hätte. Zur Aufforderung, dies näher zu erklären, brachte er lediglich vor, Russland – sie hätten ihn genommen, dann habe sein Onkel ihnen Geld gegeben. Zur neuerlichen Aufforderung, die Ereignisse chronologisch zu schildern, gab er an, in Moskau mitgenommen worden zu sein, indem ihm ein Sack über den Kopf gestülpt und er mit einem Hubschrauber an einen unbekannten Ort gebracht worden sei. Dann sei er eingesperrt worden, dann sei sein Onkel gekommen. Sie hätten ihm gesagt, wo seine Freunde seien, mit denen er gekämpft habe. Er habe aber nicht gekämpft, er habe nur geholfen. Die anderen hätten gekämpft, sein Vater auch. Auf die Frage, wo er in Moskau überfallen worden sei, gab er an am Flughafen, auf neuerliche Nachfrage, von wem, brachte er nur vor, sie seien in Zivil gewesen, es wurde ihm einen Ausweis gezeigt, worin etwas mit Polizei gestanden sei. Innerhalb von 2 Wochen habe sein Onkel ihnen Geld gegeben und er habe einen Zettel erhalten, dass er Russland nicht verlassen dürfe. Seine Mutter und sein Onkel seien verschwunden. Sie hätten seine Mutter dann nicht in Ruhe gelassen und sie immer gefragt, wo der Sohn sei, worauf seine Tante seiner Mutter geholfen habe, wegzufahren. Er sei am Flughafen verhaftet worden, weil sie ihn schon lange gesucht hätten. Sein Vater habe gekämpft, seine Freunde auch und er habe geholfen. Sie hätten seine Freunde und Nachbarn, seinen Cousin und seinen Bruder getötet. Auf Nachfrage bestätigte er, bei seiner Einreise nach Moskau im Jahr 2013 wegen seiner Aktivitäten im Jahr 2004 von der Polizei verhaftet worden zu sein. Auf Rückfrage, wie sein Onkel von seiner Verhaftung erfahren habe, gab er an, er selbst hätte ihnen die Nummer des Onkels gegeben und sie hätten ihn dann angerufen. Auf die Frage, welches Interesse die Polizei daran gehabt habe, seinen Onkel zu kontaktieren, brachte er vor, sie hätten ihn gekannt und auch bereits 2004 mitgenommen, er habe ihnen die Nummer gegeben und ihnen gesagt, dass sie anrufen sollten. Zum Vorhalt über seine bisher 10 strafgerichtlichen Verurteilungen in Österreich gab er an, von Freunden zum Stehlen gezwungen worden zu sein, es tue ihm leid, was er getan habe. Zur Frage, warum er in dem Land, in welchem er Schutz beantrage, bereits nach Kurzem massiv straffällig geworden sei, gab er an, jung gewesen zu sein und dass er kein Geld gehabt habe. Es sei nicht richtig, was er getan habe. Zur Frage, warum er seinen Antrag nicht direkt nach seiner Einreise ins Bundesgebiet gestellt habe, gab er an, dies gemacht zu haben. Zum Vorhalt, dass das nicht zutreffend sei, weil er nach seiner Abschiebung im November 2012 bereits im Jänner 2013 wieder im Bundesgebiet wegen Diebstahls angezeigt worden sei und er erst einen Monat später erneut internationalen Schutz beantragt habe, beharrte er darauf, dass das nicht stimme und er sofort Asyl beantragt habe. Er sei im Jänner oder Februar 2013 ins Bundesgebiet eingereist. Es spreche ein bisschen Deutsch, einen Kurs habe er nicht besucht. Zur Aufforderung um Aufklärung, warum er im Bundesgebiet unter verschiedenen Identitäten aufgetreten sei, brachte er vor, immer seinen richtigen Namen genannt zu haben, nur einmal habe er den Ausweis eines Freundes dabeigehabt. Künftig wolle er in Österreich zu seiner Frau und Tochter, er werde nichts Böses tun, er sei ein ganz anderer Mensch. Vor seiner Inhaftierung habe er bei seiner Frau gelebt. Zum Vorhalt, dass keine derartige Meldung ersichtlich sei, beharrte er darauf, einen Meldezettel gehabt zu haben. Zum Vorhalt, dass er im Fall einer negativen Asylentscheidung auf Grund seiner Straffälligkeit ein Einreiseverbot erhalten und eine Schubhaft verhängt werde, fragte er nach dem Grund, da ihn die Leute umbringen würde und er seine Strafe abgesessen habe. Als Grund, welcher gegen die Verhängung einer Schubhaft spräche, gab er an, krank zu sein und Medikamente zu benötigen. Nach sonstigen Gründen befragt, welche seiner Rückkehr entgegenstünden, gab er an, gesucht zu werden und dass sie ihn umbringen würden. Er habe in Polen Asyl gehabt, er könne nicht zurück, da würde er sich umbringen. Er reise lieber selbst aus, bevor er nach Russland (zurückkehren) müsse. Zur Frage, warum er in seinem ersten Asylverfahren nicht die Wahrheit angegeben habe und auch in jedem weiteren Verfahren unterschiedliche Fluchtgründe genannt habe, brachte er vor, sich gefürchtet zu haben. Beim dritten Mal habe er die Wahrheit gesagt. Zu den ihm zur Kenntnis gebrachten Länderberichten betreffend seinen Herkunftsstaat brachte er vor, er wisse wie sein Herkunftsstaat sei, er wisse, dass er dort Probleme habe.

Am 06.10.2019 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Brief seiner Ehefrau übermittelt. Beigelegt waren Kopien einer Ambulanzkarte vom 19.09.2013 (Diagnose „Meniskusriss“), Überweisungen in die Neurologie/Psychiatrie („Abhängigkeit“) und die HNO („chron. Rhinitis, Ko“) sowie die Innere Medizin („Beinödeme“), ferner ein Ehevertrag des islamischen Zentrums Wien vom 21.01.2013.

Nach dem Ergebnis einer allgemeinen medizinischen Untersuchung des Beschwerdeführers in der JA Wien-Josefstadt vom 19.06.2020 wurde dieser als einvernahmefähig erachtet.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der JA Wien-Josefstadt am 09.07.2020 brachte der Beschwerdeführer vor, psychisch und physisch in der Lage zu sein, die Einvernahme zu absolvieren. Er nehme Medikamente gegen Epilepsie und wegen seiner psychischen Probleme. Er habe Depressionen und Panikattacken. Er müsse seit 8 Jahren Metadon und Lyrica nehmen, um stabil zu bleiben. Befunde zur Epilepsie habe sein Psychiater. Im Herkunftsstaat sei er diesbezüglich nicht medizinisch behandelt worden. Befragt, ob er im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe, brachte er vor, anfangs immer die Wahrheit gesagt und dann aus Angst einiges anders behauptet zu haben. Nach seinen Identitätsdaten gab er an, außer Tschetschenisch und Russisch auch Deutsch zu sprechen. Bislang sei er nur traditionell verheiratet und habe eine Tochter, er versuche jedoch die Ehe zu legalisieren. Seine Frau besuche ihn einmal wöchentlich, seine Tochter habe er zuletzt am 30.04.2020, auf weitere Nachfrage, am letzten Montag, den 29.06.2020 gesehen. Er gab an, vor seinem Strafantritt, bei seiner Frau und seinem Kind gelebt zu haben, gemeinsam bei seiner Schwiegermutter in einer Gemeindewohnung. Er sei bei Ute Bock gemeldet gewesen, habe aber bei seiner Frau gelebt. Befragt, warum er sich bei Ute Bock angemeldet habe, gab er an, es sei ihm gesagt worden, dass er dann eine neue Wohnung bekommen werde, weil sie getrennt von der Schwiegermutter hätten leben wollen. Er sei nur zwei Mal dorthin gegangen, als er im Krankenhaus gewesen sei, habe seine Frau die Post von seiner Meldeadresse abgeholt. Auf die Nachfrage, warum er sich bei Ute Bock angemeldet habe, obwohl der dort nicht aufhältig gewesen sei, sowie auf die nochmalige Nachfrage, antwortete der Beschwerdeführer ausweichend bzw. fragte, ob sein Anwalt die Behörde nicht informiert habe. Er habe der vorausgehenden Ladung nicht entsprochen, weil er Angst gehabt habe, auf Grund des Entzugs nach achtjähriger schwerer Medikamenteneinnahme etwas Falsches zu sagen oder sich nicht erinnern zu können; er sich nicht in der psychischen Verfassung gewesen, auf Fragen zu antworten. Zuletzt sei er 2004 in Tschetschenien gewesen. Ende 2012 sei er nach Russland abgeschoben worden, sei jedoch nicht in Tschetschenien gewesen. Insgesamt sei er einen Monat in Russland gewesen, davon sei er zwei Wochen lang festgehalten worden. Anschließend sei er noch zwei bis drei Wochen bei einem Freund seines Onkels in Moskau gewesen. Sein Onkel habe ihm Papiere besorgt, damit er Russland habe verlassen können. Der Inlandspass sei auf einen falschen Namen ausgestellt gewesen, der Reisepass auf seinen Namen. Dafür habe er 500 US Dollar bezahlt, ungefähr. In Russland habe er im Elternhaus bei seiner Mutter gelebt mit ihren Familienangehörigen. Väterlicherseits habe er noch eine (Tante). Sein jüngerer Bruder sei seit 2013 in Frankreich, sein älterer Bruder sei möglicherweise umgebracht worden, sein Vater sei (auch) umgebracht worden. Im Herkunftsstaat habe er seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs (Tankstelle, Montage von Zäunen) bestritten. Nach den Gründen für seine Ausreise 2013 befragt gab er an, weil Menschen dort gefoltert würden. Er sei von FSB-Mitarbeitern abgeholt und einvernommen worden; sie hätten wissen wollen, warum er geflüchtet sei. Dann hätten sie im Computer gesehen, dass er gegen die russische Armee gekämpft habe. Währenddessen sei er gefoltert worden. Sie hätten wissen wollen, warum er im Krieg gegen die Russen gekämpft und Menschen getötet habe. Er habe ihnen gesagt, dass er weder beteiligt gewesen sei noch irgendetwas getan habe, er hätte nur der Bevölkerung geholfen. Der Beschwerdeführer brachte dabei vor, dass er nicht wolle, dass seine diesbezüglichen Angaben protokolliert würden. Nach 10 Tagen habe der Onkel zwischen 400.000 und 500.000 Rubel bezahlt, damit er freigelassen wurde. Der Onkel habe den Beschwerdeführer zu seinem Freund gebracht, sein Onkel sei Geschäftsmann und habe sehr gute Verbindungen und lebe in der Türkei. Dieser Freund habe dem Beschwerdeführer Unterlagen besorgt, wobei er nicht wisse, ob diese über den Schwarzmarkt gekauft worden seien. Der Inlandspass sei gefälscht, aber der Reisepass sei original gewesen. Danach sei er nach Weißrussland gefahren und im Wald abgesetzt worden. Von dort sei er nach Polen gelangt und weiter nach Tschechien und Österreich. Zur Aufforderung, die Geschehnisse nach seiner Rückkehr chronologisch und plausibel ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Flugzeuges zu schildern, brachte er vor, dazu nicht in der Lage zu sein. Er sei nach der Grenzkontrolle vom FSB festgenommen worden. Er sei dieser Gruppe in einem Warteraum übergeben und sofort geschlagen worden. Er wisse nicht, ob dies FSB-Mitarbeiter gewesen seien. Die Beamten an der Grenzkontrolle hätten normale polizeiliche Uniformen getragen, die Männer im Wachzimmer hätten keine getragen. Eine Stunde später sei er weggebracht worden – gemeinsam mit anderen Personen. Es sei ihm ein Sack über den Kopf gezogen worden und er sei mit dem Hubschrauber weggebracht worden. Es sei ihm eine Augenbinde umgebunden worden und so sei er weggebracht worden. Nach seiner Ankunft sei ihm die Augenbinde abgenommen worden und er sei in ein Zimmer mit vielen Leuten und Personen in Militäruniformen gebracht worden. Er habe Schreie und andere Stimmen gehört. Einmal sei er in einem Raum mit Wasser gewesen, wo er befragt, geschlagen und getreten worden sei. Er habe dort übernachten müssen und sei am folgenden Tag gefragt worden, ob er jemanden kontaktieren wolle und er habe die Nummer seines Onkels angegeben. Er sei von ihnen ausgelacht worden und sie hätten gemeint, dass der Onkel Geld werde bezahlen müssen, um ihn abholen zu können. Nach zwei bis drei Tagen habe sein Onkel ihn dann abgeholt. Sie hätten ihm ein Dokument gegeben, dass er das Land nicht verlassen dürfe und sein Onkel habe versprochen, dass der Beschwerdeführer bei seinem Freund bleiben werde. Außer einer Nacht habe er (die Anhaltung) in einer Einzelzelle aus Beton verbracht. Danach hätten sie ihn tagsüber immer gefoltert und Daten über den Krieg wissen wollen; die Namen seiner Freunde, welche gekämpft hätten und so weiter. Sie hätten eine schwarze Uniform mit einem FSB-Abzeichen am Rücken getragen. Sie hätten ihn zwei bis drei Tage gefoltert und sieben bis acht Tage sei er nur in der Betonzelle gewesen. Er sei mit einem kleinen Elektroschocker, Wasserzelle, Schlägen im Nierenbereich, Eintauchen in kaltes Wasser sowie Schlägen mit einem Gewehrkolben gegen den Kopf gefoltert worden. Er habe noch heute eine chronische Nierenkrankheit von den Schlägen und der Wasserzelle. Er habe die Namen von Freunden genannt, nachdem er einen Freund genannt habe, hätten sie ihn in Ruhe gelassen. Auf die Frage, warum er als Angehörigen seinen in der Türkei aufhältigen Onkel aber nicht seine Mutter angegeben habe, gab er an, dass seine Mutter nicht so viel Geld gehabt hätte, sein Onkel sei der Einzige mit viel Geld gewesen. Er sei angerufen worden und der Beschwerdeführer habe mit ihm alles abklären können. Er habe weder sein Handy noch Unterlagen bei sich gehabt, nur seine Kleidung. Die Nummer seines Onkels habe er auswendig gewusst. Seit einem Jahr bestehe kein Kontakt mehr mit dem Onkel, die Nummer wisse er nicht mehr. Er habe keinen Kontakt mehr zu ihm, weil er während der Haft nicht dazu in der Lage gewesen sei. Er sei an einen anderen Ort gebracht worden, wo sein Onkel ihn abgeholt habe. Dieser Ort müsse in Moskau gewesen sei, weil sie am Nord-Ost-Theater vorbeigefahren seien. Sie hätten in einer Seitengasse angehalten, seinen Onkel angerufen und ihm gesagt, wo sie sich befänden. Sein Onkel sei mit einem Freund gekommen, Worte seien gewechselt und das Geld übergeben worden. Er habe aus dem Auto aussteigen können. Es seien entweder 400.000 oder 500.000 Rubel bezahlt worden. Seiner Mutter gegenüber seien einmal 500.000 erwähnt worden; diese lebe mit zwei Tanten nun in Belgien. Genaueres zu den Geschehnissen könne er nicht schildern. Die letzte Vorladung zur Naurskij-Untersuchungsabteilung habe er im Mai oder Juni erhalten, von seiner Tante. Dieser sei die Vorladung übergeben worden, er vermute in Tschetschenien. Er habe keinen Kontakt zur Tante. Die Tante habe die Vorladung seinem österreichischen Anwalt gegeben. Auf die Frage, warum seine Tante mit seinem österreichischen Anwalt in Kontakt stehe, brachte er vor, seine Frau habe dem Anwalt die Ladung übergeben, welche ihr von seiner Tante geschickt worden sei. Er bejahte, im Herkunftsstaat von staatlicher Seite wegen seiner politischen Gesinnung und wegen seiner Religion verfolgt worden zu sein. Befragt, welche Unterstützungsleistungen er im Krieg erbracht habe, gab er an, Essen, Verpflegung, Medikamente und Waffen versteckt zu haben – nur bis zum Tod seines Vaters. Seine Mutter habe bis zu seiner Ausreise 2013 nicht unbehelligt in Russland leben können, sie sei ab und zu befragt worden, weswegen die Tante sie nach Belgien geholt habe. Sie habe nicht nach Österreich zu ihm kommen wollen, weil es keine Probleme gegeben habe. Später sei sie von Kadyrovs Leuten bedroht worden. Auf die Frage, weshalb die russischen Behörden nachdem er den Namen eines Freundes verraten habe, noch immer Interesse an ihm haben sollten, gab er an, weil er geflüchtet sei und mitgeholfen habe. Diese FSB-Leute hätten ihn eigentlich an Kadyrov übergeben müssen, was sie jedoch nicht gemacht hätten, weswegen er ein Problem haben könnte. Russland habe er mit dem Zug mittels Inlandspass nach Weißrussland verlassen. In Bresk habe er den Zug nach Polen genommen und von dort weiter bis nach Österreich. Im Fall der Rückkehr würde er gefoltert und getötet werden. Auf die Frage, ob er sich in einem anderen Landesteil hätte niederlassen können, gab er an, dass er das getan hätte, wenn es gegangen wäre. Er könne sich überhaupt nicht vorstellen, in Russland in Ruhe gelassen zu werden. Es seien alle in Belgien. Abgesehen davon habe er keine Probleme in der Russischen Föderation. Religiöse Probleme habe er nicht gehabt. Es gehe nur um den Krieg und um die Kriegsbeteiligung. Es gebe auch ein Gutachten, dass er traumatisiert sei. Auf die Frage, womit er seinen Lebensunterhalt zwischen seiner Schubhaft und der letzten Festnahme finanziert habe, gab er an, „vom AMS“. Er habe noch einen Staplerkurs machen wollen, dies sei aber coronabedingt entfallen. In Österreich habe er im Gefängnis eine Lehre begonnen, dies sei seine (einzig) legale Beschäftigung im Bundesgebiet. Nach seiner Haftentlassung müsse er 50.- € Unterhalt bezahlen. Er habe in Österreich keinen Deutschkurs besucht und könne seine Deutschkenntnisse nicht belegen. Auch andere Ausbildungen oder Kurse habe er in Österreich nicht besucht. Er sei auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und wolle auch keine Länderberichte zur Stellungnahme erhalten. Abschließend brachte er vor, dort (in Russland) niemanden umgebracht zu haben. Er sei nicht im Krieg beteiligt gewesen, er habe nur geholfen. Er bereue, in Österreich kriminell geworden zu sein. Er habe keine Möglichkeit gehabt, legal zu arbeiten, daher habe er diese Tat begangen. Abschließend bestätigte er unter Verzicht auf eine Rückübersetzung die Richtigkeit der Niederschrift.

Nach Einsichtnahme in die Krankengeschichte des Beschwerdeführers in der JA Wien Josefstadt wurden ihm dort verschiedene Psychopharmaka und Medikamente für den Entzug verabreicht. Anlässlich seiner Untersuchung am 30.04.2020 gab er an, Suchtmittel zu konsumieren (Substitol COC THC), keine psychischen Erkrankungen zu haben, auch keine Epilepsie, jedoch eine Hepatitis C –Erkrankung.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.09.2020 wurde gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 13.09.2013 verloren habe (Spruchpunkt I.), und sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) und hinsichtlich subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.) abgewiesen, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt V.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt VI.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt (Spruchpunkt VII.), einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).

Begründend wurde festgestellt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe und bereits einmal ein russisches Heimreisezertifikat für ihn ausgestellt worden sei. Er sei russischer Staatsbürger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit und moslemischen Glaubens. Er sei mit einer namentlich genannten russischen Staatsbürgerin traditionell verheiratet und habe eine gemeinsame Tochter, welche ebenfalls russische Staatsbürgerin sei. Er leide an Hepatitis C und B sowie einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer depressiven Episode; zusätzlich bestehe bei ihm eine Polytoxikomanie und eine Benodazepinabhängigkeit. Er sei körperlich nicht eingeschränkt und arbeitsfähig. Es bestehe aktuell kein akuter Behandlungsbedarf wegen einer lebensbedrohlichen Krankheit. Er sei bereits 12 Mal von österreichischen Gerichten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Er befinde sich im 40. Lebensjahr und leide an keiner Immunschwäche. Von der derzeit auch in der Russischen Föderation herrschenden Pandemie „Covid 19“ seien vor allem alte und immungeschwächte Personen betroffen. Seine geltend gemachten Fluchtgründe seien nicht glaubhaft und unplausibel. Sein gesamtes Vorbringen sei in sich unschlüssig und widersprüchlich gewesen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er im Herkunftsland einer Gefährdung oder einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. sein werde. Er werde im Herkunftsland nicht aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt. Auch für den Fall der Rückkehr könne nicht festgestellt werden, dass ihm eine Gefährdung durch staatliche Behörden oder Private drohe. Er sei im Herkunftsstaat familiär und sozial verankert und verfüge über Unterkunft, Verpflegung und Unterstützung. Er sei arbeitsfähig und verfüge über Berufserfahrung, sodass er im Fall der Rückkehr selbsterhaltungsfähig sein und sich den notwendigen Lebensunterhalt werde erwirtschaften können. Er habe das österreichische Bundesgebiet illegal betreten. Infolge seiner (in Österreich nicht anerkannten) traditionellen Eheschließung verfüge er in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte (Lebensgefährtin, Tochter). Sein Vater sei bereits verstorben, seine Mutter lebe in Belgien, ob er noch Geschwister habe könne nicht festgestellt werden. Er spreche Deutsch, Russisch und Tschetschenisch, weise jedoch keine relevante Integration in sprachlicher oder sonstiger Hinsicht in Österreich auf. Er sei im Bundesgebiet keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Trotz seines mehrjährigen Aufenthalts in Österreich habe er keine berücksichtigungswürdigen Integrationsschritte gesetzt und sei der österreichischen Rechtsordnung bisher mit einem außerordentlich hohen Maß an Intoleranz begegnet und verfüge über keine entscheidungsrelevanten verwandtschaftlichen oder sozialen Kontakte in Österreich. In einer Gesamtabwägung würden die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Zum Entscheidungszeitpunkt beziehe er infolge seines Verlustes des Aufenthaltsrechtes keine Grundversorgung. Er in Österreich sei bereits 12 Mal gerichtlich zu Freiheitsstrafen verurteilt worden und verbüße gerade eine Strafhaft. Im Hinblick auf das erlassene Einreiseverbot wurde dazu festgestellt:

„Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX Zahl XXXX wurden Sie wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Durch das Gericht wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

„ XXXX ist schuldig, er hat in Parndorf zu nachstehenden Zeiten gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und zwar

1. XXXX alleine am 04.03.2013 Verfügungsberechtigen der Firma ADIDAS ein Paar Sportschuhe im Wert von 61,90, indem er zuvor mit einer Zange die Diebstahlsicherung entfernte.

2. XXXX alleine am 05.03.2013 Verfügungsberechtigten der Firma Levis zwei Jeansjacken und eine Jeanshose im Gesamtwert von EUR 265,80 indem er zuvor mit einer Zange die Diebstahlsicherung entfernte;

3. XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit XXXX am 05.03.2013 Verfügungsberechtigten der Firma ADIDAS zwei Paar Sportschuhe im Gesamtwert von EUR 131,80, indem XXXX die Ware aussuchte und XXXX übergab, welcher die Diebstahlsicherung mit einer Zange entfernte.

Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis, als erschwerend hingegen die

Tatwiederholung und vier einschlägige Vorstrafen.“

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , Zahl: XXXX wurden der BF wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren rechtskräftig verurteilt.

Durch das Gericht wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

„ XXXX ist schuldig, er hat am 06.08.2013 in der Justizvollzugsanstalt XXXX im Haftraum 223 versucht, seinem Mithäftling durch Versetzen eines kräftigen Stiches mit einem Speisemesser gegen den Bereich der oberen Brustregion und des Halsansatzes eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen, wobei der Genannte eine 2cm lange Stichwunde oberhalb des linken Schlüsselbeines im Bereich des Halsansatzes mit einem 7 cm langen Stichkanal, der auch zu einer Schnittbeschädigung des Brustbeines geführt hat, erlitten.

Als mildernd wertete das Gericht die Tatsache, dass es beim Versuch geblieben ist, die herabgesetzte Schuldfähigkeit und die Tatprovokation durch das Opfer, als erschwerend hingegen drei einschlägige Vorstrafen, wobei zusätzlich die Voraussetzungen des § 39 Abs 1

StGB vorlagen, die Tatbegehung während offener Probezeit und während des Vollzuges einer Freiheitsstrafe.“

Zuletzt wurde der BF mit Urteil vom Landesgericht für Strafsachen XXXX vom XXXX 2020 wegen das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Durch das Gericht wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

„ XXXX ist schuldig, er hat am 30.04.2020 in Wien in zwei Angriffen vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Substitol mit dem Wirkstoff Morphinsulfat-pentahydrat auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, und zwar im Bereich Wien 6., Gumpendorfer Straße im Bereich der Haltestelle der Buslinie 57a, sohin öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung von mehr als 15 Personen berechtigtes Ärgernis zu erregen, überlassen, und zwar XXXX sowie einer unbekannt gebliebenen männlichen Person jeweils 1 Stück Substitol um jeweils € 15,--.

Strafbemessungsgründe:

Mildernd: das teilweise Geständnis,

erschwerend: das einschlägig getrübte Vorleben, die Tatbegehung während aufrechter Corona-Ausgangsbeschränkungen“

Damit habe der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt. Dies rechtfertige die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv gefährde. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot sei zur Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen dringend geboten.

Die Lage im Herkunftsstaat wurde mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Gesamtaktualisierung am 27.03.2020, letzte Information eingefügt am 21.07.2020 festgestellt.

Beweiswürdigend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass seine Identität infolge des ausgestellten Heimreiszertifikats feststehe. Sein Gesundheitszustand ergebe sich aus dem Akteninhalt bzw. aus den vorausgehenden Entscheidungen, insbesondere jener des Asylgerichtshofes. Hiezu sei festzustellen, dass diesbezügliche Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat insbesondere in Grozny zugänglich bzw. erhältlich seien. Hinsichtlich seiner seit 2007 bestehenden Erkrankungen bestehe demnach kein Abschiebungshindernis. Nach den Länderfeststellungen seien auch schwere und chronische posttraumatische Belastungsstörungen behandelbar und auch Drogenersatztherapien zugänglich und erhältlich. Die von ihm behauptete Epilepsie sei durch keinen Befund bestätigt worden, sondern im Rahmen einer Risikodokumentation in der JA Wien-Josefstadt sogar verneint worden. Aber selbst im Fall ihres Vorliegens stünden diesbezügliche Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat zur Verfügung (ua. eine spezielle Klinik in Moskau). Es lägen daher unter diesem Gesichtspunkt keine Abschiebehindernisse im Hinblick auf Art. 3 EMRK vor. Seine Angaben zu seinen Lebensumständen würden durch den vorgelegten Ehevertrag und die Geburtsurkunde seiner Tochter bescheinigt. Im Übrigen würden seine Angaben der Entscheidung hinsichtlich des Aufenthaltsortes seiner Mutter und seiner Tante väterlicherseits zu Grunde gelegt, allerdings könne auf Grund seiner widersprüchlichen Angaben nicht festgestellt werden, ob er noch Geschwister habe. Seine (bisher 12) strafgerichtlichen Verurteilungen in Österreich ergäben sich aus dem Strafregisterauszug. Jene zur Covid 19-Pandemie aus dem Amtswissen sowie den Angaben der John Hopkins University in Baltimore, USA, welche Daten dazu sammle, auswerte und zur Verfügung stelle und den Informationen des BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als oberste Gesundheitsbehörde. Bezüglich seiner Fluchtgründe wurde ausgeführt, dass er sich in zentralen Punkten völlig widersprochen habe. Ferner sei seine Teilnahme am Krieg in Tschetschenien bereits im vorhergehenden Asylverfahren als nicht GFK-relevant bzw. unglaubwürdig erachtet worden. Er habe sich auch im gegenständlichen Verfahren diesbezüglich widersprochen, indem er einmal vorgebracht habe, selbst gekämpft zu haben, jedoch an anderer Stelle bloß Unterstützungsleistungen (med. Versorgung, Verpflegung, Waffen) behauptet habe. Auch hinsichtlich der zur Ausreise 2013 verwendeten Reisedokumente habe er widersprüchliche Angaben gemacht. Auch zum Ausreisezeitpunkt seiner Mutter habe er widersprüchliche Angaben gemacht und seine ursprünglichen Angaben, wonach sie ihn mangels Problemen nicht nach Österreich habe begleiten wollen, dahin abänderte, dass sie von den russischen/tschetschenischen Beamten seinetwegen bedroht worden wäre und daher das Land ebenfalls verlassen habe. Im Widerspruch zu seinem Vorbringen vom 07.08.2012, dass er selbst ein FSB-Mitglied gewesen sei, habe er nun vorgebracht, vom FSB festgenommen und inhaftiert worden zu sein. Auch den Tod seines Vaters habe er in den bisherigen Verfahren immer unterschiedlich beschrieben (im Krieg getötet bzw. von Unbekannten erschossen). Außerdem habe er die Höhe der für seine Freilassung verlangten „Kaution/Lösegeld“ nicht gleichbleibend angeben können. Insbesondere habe er widersprüchliche Angaben dazu gemacht, wo und wann er verhaftet worden sein sollte. Während er zuletzt vorgebracht habe, nach seiner Abschiebung nicht in Tschetschenien gewesen zu sein, habe er anlässlich seiner Erstbefragung am 04.02.2013 vorgebracht, dass er und eine weitere Person nach der Ankunft am Flughafen in Moskau von Beamten weiter nach Tschetschenien begleitet worden wären, wo er sodann verhaftet und inhaftiert worden sei. Weiters habe er seine Inhaftierung anlässlich seiner Erstbefragung mit 28.11.2012 bis 12.12.2012 angegeben, habe jedoch eine zeitlich detaillierte Schilderung anlässlich seiner letzten Einvernahme nicht erstatten können. Schließlich habe er mit seinen Schilderungen betreffend seine Freilassung widersprüchliche Angaben gemacht, indem er etwa am 02.04.2019 angegeben habe, dass er nicht wüsste, wie die Geldübergabe von Statten gegangen sei, jedoch am 09.07.2020 behauptet habe, dass sich der Onkel mit ihm und den Beamten getroffen hätte und nach der Geldübergabe die Autos getauscht worden seien. Neben weiteren Unstimmigkeiten sei auch nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer die Telefonnummer seines Onkels anlässlich der Inhaftierung auswendig gewusst hätte, sich aber im Zuge der Einvernahme daran nicht mehr hätte erinnern können. Sein Vorbringen über seine Inhaftierung nach seiner Abschiebung in den Herkunftsstaat sei daher nicht glaubhaft. Selbst die Angaben dazu, welche Beamten ihn verhaftet hätten, seinen uneinheitlich gewesen: während er am 02.04.2019 behauptet habe, er sei von Zivilbeamten verhaftet worden, habe er zuletzt vorgebracht, er wäre von der FSB festgenommen worden. Auch dass ihm noch am Flughafen ein Sack über den Kopf gezogen worden sei und er mit dem Hubschrauber ins Gefängnis geflogen worden sei, habe er jedoch im weiteren Verfahrensverlauf dahingehend abgeändert, dass ihm eine Augenbinde umgebunden worden sei. Schließlich hätten auch seine Angaben zu den vorgelegten Ladungen nicht als glaubwürdig erachtet werden können, da er zunächst behauptet hatte, dass diese Schriftstücke (seinem österreichischen Anwalt) von seiner Tante geschickt worden seien und dies dann dahin abgeändert habe, dass seine Lebenspartnerin diese von seiner Tante erhalten hätte. Auch stehe der Inhalt der von ihm vorgelegten Bestätigung vom 28.11.2012 im Widerspruch zu seinen Schilderungen, weil er danach von der tschetschenischen Kriminalpolizei festgehalten worden sei und nicht vom FSB und demnach bereits nach einem Tag freigelassen worden ein solle. Er habe hingegen bei seiner letzten Einvernahme mehrmals betont, von russischen Behörden festgenommen worden zu sein. Außerdem fehle auf sämtlichen vorgelegten Schriftstücken ein Briefkopf samt genauer Adresse der Behörde. Auch seine Angaben zur Reiseroute seien widersprüchlich gewesen, da er am 02.04.2019 vorgebracht habe, er sei zuvor in Frankreich und Belgien gewesen, ehe er nach Österreich eingereist sei, während er zuletzt angegeben habe, aus Russland über Weißrussland, Polen und Tschechien nach Österreich gelangt zu sein. Demnach könne seinem nunmehrigen Vorbringen kein glaubhafter Kern zugebilligt werden. Demzufolge seien auch seine geäußerten Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft. Zudem seien seine Angaben zu seinen behaupteten Fluchtgründen vage, unschlüssig und oberflächlich geblieben und daher als nicht glaubhaft zu bewerten gewesen. Andere Gründe habe er nicht vorgebracht und auch von Amts wegen hätten sich keine ergeben. Auf Grund seiner Ausbildung und Berufserfahrung sowie den vorhandenen verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten (Tante väterlicherseits) könne ferner nicht davon ausgegangen werden, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMKR drohe. Zu seinem Privat- und Familienleben wurde ausgeführt, dass die bloß traditionelle Eheschließung in Österreich nicht anerkannt sei und außerdem seit dem 03.08.2014 kein gemeinsamer Haushalt mit seiner Lebenspartnerin bestanden habe, zumal sich der Beschwerdeführer auch nach seiner letzten Haftentlassung „obdachlos“ gemeldet habe bzw. dies auch seine Lebenspartnerin in ihrem Schreiben vom Oktober 2019 bestätigt habe. Er habe sich bereits zum Zeitpunkt seiner traditionellen Eheschließung seines unsicheren Aufenthaltes im Bundesgebiet bewusst sein müssen, zumal er damals illegal im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Integrationsunterlagen habe er nicht beigebracht. Seine Deutschkenntnisse hätten anlässlich seiner letzten Einvernahme festgestellt werden können. Die Feststellungen zum Verlust des Aufenthaltsrechtes würden auf den vorliegenden gerichtlichen Urteilen bzw. die Einsichtnahme in die Verwaltungsakte beruhen. Aus der Gesamtschau seiner bisherigen strafgerichtlichen Verurteilungen sei ersichtlich, dass er eine hohe kriminelle Energie zeige und auch nicht davor zurückschrecke, bei der Tatbegehung mit massiver Gewalt gegen seine Opfer vorzugehen. Trotz bereits verspürtem Haftübel habe er in seinem Verhaltensmuster verharrt und sei binnen kürzester Zeit erneut einschlägig straffällig geworden. Es seien für die Behörde keine Anzeichen ersichtlich, dass er sein Verhalten geändert hätte, sodass keine positive Zukunftsprognose hätte erstellt werden können. Zu Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen sei die Erlassung eines Einreiseverbotes dringend geboten. Dabei sei davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiege, zumal er die österreichischen Rechtsnormen beharrlich ignoriere und sein bisheriger Aufenthalt in Österreich die Grundinteressen der Gesellschaft an Ruhe, Ordnung und Sicherheit für Personen und Eigentum sowie sozialem Frieden massiv beeinträchtige. Auf Grund seiner Verstöße gegen viele Rechtnormen sei ein Einreiseverbot in der verhängten Dauer zwingend nötig.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass er sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 und 3 AsylG 2005 ex lege ab dem 13.09.2013 verloren habe und ihm dies mit Verfahrensanordnung vom 10.02.2020 mitgeteilt worden sei. Außerhalb seines Asylverfahrens verfüge er über kein Aufenthaltsrecht in Österreich. Es komme ihm daher seither der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 zu (zu Spruchpunkt I.). Mangels Glaubwürdigkeit seines Vorbringens auch) zu den (neuen) Fluchtgründen sowie vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen sei eine asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat nicht glaubhaft, die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl lägen nicht vor (Spruchpunkt II.). Es sei daher nicht erkennbar, dass er im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat einer lebensbedrohlichen Gefährdung im Sinne des Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt sein würde. Auch sei die Situation im Herkunftsstaat nicht derart, dass quasi völlige behördliche Willkür herrsche, weshalb auch kein „real risk“ einer unmenschlichen Behandlung festzustellen sei. Es sei trotz gegebener Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ferner davon auszugehen, dass er angesichts verwandtschaftlicher bzw. sozialer Kontakte im Herkunftsstaat im Rückkehrfall nicht auf sich alleine gestellt sein werde. Besondere Umstände, welche ausnahmsweise gegen eine Rückkehr sprechen würden, seien nicht hervorgekommen. Seine gesundheitlichen Probleme seien weder lebensbedrohlich noch fehle es im Herkunftsstaat an zugänglichen Behandlungsmöglichkeiten. Selbst die akutelle Covid 19-Pandemie rechtfertige die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht, da das Risiko daran zu erkranken, nicht auf seinen Herkunftsstaat beschränkt sei, sondern weltweit bestehe. Da er keiner Risikogruppe angehöre (alte und immungeschwächte Menschen) sei das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs einer solchen Erkrankung für den Beschwerdeführer äußerst gering, sodass auch darin kein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK erblickt werden könne. Zudem bestehe die Möglichkeit, Rückkehrprogramme in Anspruch zu nehmen. Nach den Länderfeststellungen sei die Grundversorgung der Bevölkerung im Herkunftsstaat jedenfalls gegeben (zu Spruchpunkt III.). Der Beschwerdeführer sei nach illegaler Einreise ins österreichische Bundesgebiet kein Opfer von Gewalt und sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei auch nicht seit über einem Jahr geduldet, weshalb die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG nicht gegeben seien (zu Spruchpunkt IV.). Zu seinem Familienleben in Österreich wurde ausgeführt, dass er sich bei seiner (traditionellen) Eheschließung und der Gründung einer Familie seines unsicheren Aufenthaltes in Österreich habe bewusst sein müssen. Er habe zuletzt vom 05.02.2013 bis zum 13.08.014 mit seiner Partnerin im gemeinsamen Haushalt gelebt und sei bereits vor der Geburt seiner Tochter inhaftiert worden bzw. habe sich seither 6 Mal in Haft bzw. Anhaltung befunden. Zwar besuche ihn seine Partnerin regelmäßig, jedoch bestehe kein persönlicher Kontakt zu seiner Tochter. Dass er auch den Grund für die Operation seiner Frau nicht habe angeben könne, bestätige die fehlende Intensität seiner Beziehung zu seiner Partnerin. Die Trennung von seiner Partnerin und seiner Tochter müsse angesichts des bestehenden Gefahrenpotentials nach seinem bisherigen strafbaren Verhalten im öffentlichen Interesse (vom Beschwerdeführer) in Kauf genommen werden. Zudem bestehe die Möglichkeit, die Beziehung zu seiner Partnerin mittels moderner Kommunikationsmittel aufrecht zu erhalten. Zu seinem Privatleben wurde ausgeführt, dass er den größten Teil seines bisherigen Lebens nicht in Österreich verbracht habe. Eine berücksichtigungswürdige Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sei nicht erkennbar. Anzumerken sei, dass er sich seit seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet ca. 8 Jahre in Strafhaft befunden habe, sodass von einer gelungenen Integration nicht ansatzweise gesprochen werden könne. Er sei seiner Ausreisverpflichtung nach illegaler Einreise und drei vorausgegangenen negativen Asylverfahren nie nachgekommen, sondern habe abgeschoben werden müssen. Es sei ihm zumutbar, den Kontakt mit seiner Partnerin und Tochter von seinem Heimatland aus aufrecht zu erhalten. Außergewöhnliche Integrationsschritte seien nicht feststellbar gewesen. Er sei im Herkunftsstaat sozialisiert und verfüge dort auch über (verwandtschaftliche) Bindungen. Er habe sein gesamtes Leben bis zur Ausreise 2005 in der russischen Föderation verbracht, beherrsche Russisch und Tschetschenisch und habe seine Schulausbildung dort erhalten sowie Berufserfahrung gesammelt. Er sei demnach mit den kulturellen Gepflogenheiten und örtlichen Gegebenheiten des Herkunftsstaates vertraut. Im österreichischen Bundesgebiet sei er zudem nicht mehr unbescholten. Die Dauer des Verfahrens übersteige nicht das Maß dessen, das für ein rechtsstaatliches, geordnetes und den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechendes Asylverfahren angemessen sei. Sein bisheriger Aufenthalt in Österreich basiere lediglich auf wiederholten und unberechtigten Asylanträgen. Eine Rückkehrentscheidung werde trotz langjährigem Aufenthalt in Österreich als zulässig erachtet, zumal sie nicht als auf Dauer unzulässig sei (zu Spruchpunkt V.). Mangels Vorliegens von Gründen im Sinne des § 50 Abs. 1 bis 3 FPG sei seine Abschiebung in die Russische Föderation auch zulässig (zu Spruchpunkt VI.). Infolge der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG sei gemäß § 55 Abs. 4 FPG von der Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen gewesen (zu Spruchpunkt VII.) Im Fall des Beschwerdeführers sei § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG erfüllt, da er auf Grund seiner strafrechtlichen Verurteilungen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle sowie seine sofortige Ausreise nach Entlassung aus der Strafhaft zwingend nötig sei (zu Spruchpunkt VIII.). Gemäß § 53 Abs. 3 könne ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet erlassen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Aufenthalt des Drittstaatsagehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle. Als bestimmte Tatsache […] habe insbesondere zu gelten, wenn 1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten […] verurteilt worden sei […], 5. Ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt worden sei. Im Fall des Beschwerdeführers sei (§ 53 Abs. 3) Z.1 FPG erfüllt, da er zuletzt mit Urteil eines LG vom XXXX nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei bzw. zähle als Zusatzstrafe seine Verurteilung gemäß §§ 31 und 40 StGB eines LG womit er nach § 15 StGB, § 105(1) StGB zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Aus seinen Verurteilungen sei ersichtlich, dass er trotz bereits verspürtem Haftübel sein deliktisches Verhalten fortgesetzt und jegliche Resozialisierungschancen ungenutzt gelassen habe. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziere gemäß § 53 Abs. 3 FPG das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Im Fall des Beschwerdeführers sei zu berücksichtigen gewesen, dass der festgestellte Sachverhalt die Annahme rechtfertige, dass sein weiterer Aufenthalt eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider laufe. Sein Persönlichkeitsbild lasse erkennen, dass er nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen, da er trotz wiederholter gerichtlicher Verurteilungen in seinem Verhaltensmuster verharrt sei und immer wieder neue Straftaten begangen habe. Es bestehe die Gefahr, dass er auch weiterhin einschlägige Straftaten begehen werde. Wie bereits bei der Rückkehrentscheidung ausgeführt, sei auch im Hinblick auf das Einreiseverbot vom Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber seinen privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet auszugehen. Die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens und seiner Lebensumstände habe daher im Rahmen der vorzunehmenden Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des unbefristeten Einreiseverbotes gerechtfertigt und notwendig sei, um die von ihm ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das Einreiseverbot beginne mit dem Ablauf des Tages seiner Ausreise.

In der dagegen erhobenen vollumfänglichen Beschwerde brachte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers vor, dass sich dieser zur Zeit in der JA Eisenstadt befinde und die Verbüßung der Haftstrafe zu einem „Lebenswandel“ geführt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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