TE Vfgh Beschluss 1995/2/27 G224/94, G225/94

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Veröffentlicht am 27.02.1995
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GewO 1994 §129 Abs2
ArbeitsmarktförderungsG §17d Abs1 Z2

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen einer - das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung betreibenden - Gesellschaft auf Aufhebung von Bestimmungen der GewO 1994 und des ArbeitsmarktförderungsG betreffend den Ausschluß der gleichzeitigen Ausübung der Gewerbe Arbeitskräfteüberlassung und Arbeitsvermittlung wegen Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides bzw mangels unmittelbarer Betroffenheit der Antragstellerin

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die antragstellende Gesellschaft begehrt - gestützt auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG -, der Verfassungsgerichtshof möge

a) §129 Abs2 der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. 194, in der Fassung des Art21 Z5 des Arbeitsmarktservice-Begleitgesetztes (AMS-BegleitG), BGBl. 314/1994, (hg. zu G224/94 protokolliert) und

b) §17d Abs1 Z2 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes 1969 - AMFG, BGBl. 31, in der Fassung BGBl. 685/1991 (hg. zu G225/94 protokolliert)

als verfassungswidrig aufheben.

2. Diese Bestimmungen lauten in ihrem Zusammenhang (die angefochtenen Gesetzesstellen sind hervorgehoben):

a) Gemäß §124 Z1 GewO 1994 (idF BGBl. 314/1994) ist das Gewerbe der Arbeitsvermittler ein nicht bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe, für dessen Ausübung gemäß §128 Abs1 leg.cit eine Gewerbeberechtigung erforderlich ist.

§129 GewO 1994 idF BGBl. 314/1994 lautet:

"129. (1) Die Ausübung des Gewerbes der Arbeitsvermittler erfordert

1. ...

2. bei juristischen Personen und Personengesellschaften des Handelsrechts

a)

ihren Sitz oder ihre Niederlassung im Inland und

b)

die österreichische Staatsbürgerschaft der Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter und deren Wohnsitz im Inland.

(2) Die Ausübung des Gewerbes der Arbeitsvermittler ist nur unter der Voraussetzung zulässig, daß der Gewerbetreibende nicht gleichzeitig das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung ausübt.

(3) Den in Abs1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen haben die Gewerbetreibenden auch während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung zu entsprechen. Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§361 Abs1) zu entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr zur Gänze erfüllt werden."

Gemäß §340 Abs1 und 4 GewO 1994 hat die Bezirksverwaltungsbehörde aufgrund der Anmeldung des Gewerbes zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen, und über das Ergebnis ihrer Feststellungen einen Bescheid zu erlassen bzw. einen Gewerbeschein auszustellen. Gemäß §340 Abs7 leg.cit. hat sie - unbeschadet eines Verwaltungsstrafverfahrens - bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Erfordernisse dies bescheidmäßig festzustellen und die Gewerbsausübung zu untersagen.

b) Gemäß §17a Abs1 AMFG (in der mit 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Fassung des Art7 Z8 und Z31 des AMS-BegleitG, BGBl. 314/1994) dürfen Inhaber der Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Arbeitsvermittlung, wenn sie der nach dem AMFG zuständigen Behörde (s. Art7 Z8 und 31 des AMS-BegleitG, BGBl. 314/1994) die beabsichtigte Aufnahme angezeigt haben und ihnen diese nicht binnen drei Monaten aus einem der im §17d Abs1 oder in einer Verordnung gemäß §17d Abs3 genannten Gründen untersagt wurde, die Arbeitsvermittlung durchführen. Stellt die zuständige Behörde vor Ablauf von drei Monaten fest, daß keine Untersagungsgründe vorliegen, darf die Vermittlungstätigkeit sofort aufgenommen werden.

Die Anzeige an die zuständige Behörde hat u.a. gemäß §17a Abs2 Z1 AMFG den Nachweis über das Vorliegen einer Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Arbeitsvermittlung gemäß §128 GewO 1994 zu enthalten.

§17d Abs1 enthält verschiedene Untersagungsgründe. Die angefochtene Bestimmung der Z2 (idF BGBl. 685/1991) lautet mit dem Einleitungssatz (idF BGBl. 314/1994):

"§17 d. (1) Das zuständige Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat dem Arbeitsvermittler die Ausübung der Vermittlungstätigkeit zu untersagen, wenn er

...

2. Arbeitskräfteüberlassung betreibt oder Dienstverschaffungsverträge vermittelt oder

..."

Gemäß §53 Abs7 AMFG idF BGBl. 314/1994 obliegen die Aufgaben und Befugnisse der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen bis zum Inkrafttreten des §5 Z1 lita des BundessozialämterG den jeweiligen Landesgeschäftsstellen und regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice.

3.a) Ihre Antragslegitimation hält die antragstellende Gesellschaft, die das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften betreibt und zusätzlich zu dieser Tätigkeit auch die Tätigkeit eines Arbeitsvermittlers ausüben möchte, mit der Begründung für gegeben, daß der durch die Bestimmungen des §129 Abs2 GewO 1994 und §17d Abs1 Z2 AMFG verfügte Ausschluß der gleichzeitigen Ausübung der Gewerbe Arbeitskräfteüberlassung und Arbeitsvermittlung für sie ohne weiteres wirksam geworden sei, weil alle anderen Personen bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen nach Anmeldung des Gewerbes unabhängig von behördlichen Bewilligungen das Gewerbe der Arbeitsvermittler ausüben dürfen. Ein zumutbarer alternativer Weg zur Geltendmachung der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen stehe ihr nicht zur Verfügung, da ihr - wie sie meint - in den bereits eingeleiteten Gewerbeanmeldeverfahren keine Parteistellung zukomme.

b) In dem durch die Bestimmungen der §§129 Abs2 GewO 1994 und 17d Abs1 Z2 AMFG verfügten Ausschluß der gleichzeitigen Ausübung der Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung und der Arbeitsvermittlung erblickt die antragstellende Gesellschaft eine Verletzung sowohl des Gleichheitssatzes als auch der Erwerbsfreiheit.

II. Die Anträge sind unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

2. Wendet man diese Überlegungen auf die beiden Gesetzesprüfungsanträge an, so ergibt sich folgendes:

a) Zu G224/94:

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist es der antragstellenden Gesellschaft durchaus zuzumuten, daß sie der Gewerbebehörde die (beabsichtigte) Ausübung der Arbeitsvermittlung anzeigt und derart einen Bescheid gemäß §340 Abs7 GewO 1994 erwirkt, den sie nach Erschöpfung des Instanzenzuges beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen kann. Wieso die Gesellschaft in einem solchen gewerberechtlichen Verfahren (wie im Antrag behauptet) keine Parteistellung haben soll, ist unerfindlich.

Der Verfassungsgerichtshof übersieht dabei nicht, daß grundsätzlich mit der Ausübung des Gewerbes bereits mit Anmeldung begonnen werden könnte, er ist aber der Auffassung, daß es der Antragstellerin zumutbar ist, mit der tatsächlichen Ausübung des Gewerbes zuzuwarten, bis die Behörde entschieden hat (um so einer allfälligen Bestrafung (§366 Abs1 Z1 GewO 1994) zu entgehen).

b) Zu G225/94:

Normadressat der Bestimmungen der §§17a bis d AMFG sind Inhaber der Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Arbeitsvermittlung. Da die antragstellende Gesellschaft derzeit eine solche Gewerbeberechtigung nicht besitzt, ist es ausgeschlossen, daß sie durch die angefochtene Bestimmung des §17d Abs1 Z2 aktuell betroffen ist.

3. Die Anträge sind daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, Gewerbeanmeldung, Gewerbeberechtigung, Arbeitskräfteüberlassung, Arbeitsvermittlung, Leiharbeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G224.1994

Dokumentnummer

JFT_10049773_94G00224_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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