TE OGH 2021/9/14 8ObA120/20k

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Veröffentlicht am 14.09.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Krachler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Michael Celar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Korn, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 6.008,64 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. August 2020, GZ 7 Ra 26/20z-22, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 28. November 2019, GZ 19 Cga 27/19g-17, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Die Klägerin war zumindest von 1. 9. 2005 bis 30. 6. 2018 bei der Beklagten im Expeditbereich beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Expeditarbeiter, Maschinenwarte, Redaktions- und Verwaltungsgehilfen, Zusteller und Austräger (KV). Bereits davor war die Klägerin bei der Beklagten zunächst tageweise im Expeditbereich tätig, um auftretende Spitzen abzudecken, wobei sie auch nur tageweise zur Sozialversicherung angemeldet wurde. Sie hatte die Zusage, an drei Tagen pro Woche für je sechs Stunden zum Dienst eingeteilt zu werden.

[2]       Ab 2003 war die Klägerin wie eine Vollzeitkraft durchgehend für 36 Wochenstunden sozialversichert. Ab diesem Zeitraum wurde sie grundsätzlich an vier bis fünf Tagen pro Woche sowie meist auch sonntags zum Dienst eingeteilt. Soweit das Arbeitsausmaß 36 Stunden jedoch nicht überstieg, erhielt sie keinen Mehrarbeitszuschlag.

[3]       2005 wurde ihr eine als Dienstvertrag bezeichnete Urkunde ausgefolgt. In dieser heißt es unter anderem:

Es gilt als vereinbart, dass Sie vorerst ab 1. 9. 2005–30. 11. 2005 als Stammaushelferin im Nachtexpedit – zu den in diesem Bereich geltenden Entlohnungsbedingungen – eingesetzt werden. Ihr Einsatz erfolgt – in der Regel an mindestens drei Tagen wöchentlich – als ständige(r) Expeditaushelfer(in). Sollte es wider Erwarten zu keiner unbefristeten Weiterbeschäftigung in diesem Bereich kommen, werden Sie wieder in Ihrer bisherigen Funktion als tageweise Aushilfe im Expedit eingesetzt.“

[4]        Enthalten ist weiters ein Normalwochenlohn von 386,23 EUR, der sich aus dem Kollektivvertragslohn zuzüglich 1,5 % Betriebserfahrungszulage laut Kollektivvertrag und 3,5 % Hauszulage zusammensetzt. Ob zwischen den Streitteilen eine Befristung besprochen und vereinbart war, konnte nicht festgestellt werden, das Dienstverhältnis wurde jedenfalls über den 30. 11. 2005 hinaus fortgesetzt.

[5]       Die von der Klägerin geleisteten Schichten wurden in der Regel nachts erbracht und dauerten sechs Stunden inklusive einer halben Stunde Pause. Die Klägerin absolvierte ab 2005 in der Regel wöchentlich vier bis fünf Schichten sowie eine Sonntagsschicht. Die Schichten begannen jeweils um 21:00 Uhr und endeten um 3:00 Uhr. Zwischen April 2016 und März 2018 absolvierte die Klägerin insgesamt 383 Arbeitsschichten. Fünf begannen um 16:00 Uhr und endeten um 21:30 Uhr, alle anderen begannen nicht vor 18:00 Uhr und endeten nicht später als 6:00 Uhr. Die Klägerin leistete nicht durchgehend 36 Arbeitsstunden pro Woche, sondern in zahlreichen Wochen auch weniger. Weil sie eine Zeit lang aus gesundheitlichen Gründen keine Sonntagsschicht übernehmen konnte, wurde sie für diese nicht eingeteilt, erhielt aber auch ein entsprechend geringeres Entgelt.

[6]       Die Einteilung zu den Diensten erfolgte durch die Beklagte. Die Klägerin hatte die Möglichkeit, beim Schichtleiter wegen eines Tausches von Schichten anzufragen, ansonsten hatte sie zum Dienst zu erscheinen. Einseitig konnte sie nicht entscheiden, eine Schicht nicht anzunehmen.

[7]       Die Klägerin wurde bei der Beklagten als Stammaushelferin betrachtet und abgerechnet. Sie erhielt keine Montagfrühentlohnung und keine Freizeitgutschrift. Stammarbeiter bekommen bei der Beklagten zwei Tage pro Monat als Freizeit gutgeschrieben und, wenn sie eine Sonntagsschicht absolvieren, eine Montagfrühentlohnung von 33 % des Wochenlohns.

[8]       Auf das Dienstverhältnis war auch die „Hausvereinbarung – Expedit“ anzuwenden, die zwischen der Belegschaftsvertretung und der Beklagten abgeschlossen wurde und am 1. 1. 2003 in Kraft trat. Diese Vereinbarung gilt für die im Expeditbereich beschäftigte Dienstnehmerin. Sie unterscheidet zwischen Nacht-Stammexpeditarbeitern, „ständigen Aushelfern“ und „tageweisen Aushelfern“. Als „ständige Aushelfer“ definiert sie Personen, die diesen Job hauptberuflich ausüben und in der Regel vier mal die Woche – abhängig von den Produktionserfordernissen – in sämtlichen Schichten zum Einsatz kommen können. Für sie heißt es in der Vereinbarung unter anderem:

„5.1 Arbeitszeit

Die bisher vereinbarten Arbeitszeiten bleiben vorerst weiterhin gültig. Bei geänderten Produktionserfordernissen werden umgehend die erforderlichen Anpassungen – in Abstimmung mit der Betriebsratskörperschaft – vorgenommen.

...

5.4 Akontierung, Abrechnung und Auszahlung des Lohnes

Nach Ablauf der Befristung – in der Regel nach 6 Monaten erhalten neu eintretende Dienstnehmer ein Akonto in der Höhe von 1.000 EUR.

Die Abrechnung der geleisteten Arbeitsstunden erfolgt monatlich im Nachhinein.

Die Auszahlung des Lohnes erfolgt am 15ten des Folgemonats.“

[9]       Die Klägerin begehrt 6.008,64 EUR brutto sA. Als Expeditarbeiterin sei sie ständig in der Nacht tätig gewesen, weshalb ihr nach § 7 Abs 9 KV pro Monat zwei bezahlte Nächte als Freizeitguthaben zugestanden wären. Für den Zeitraum April 2016 bis Juni 2018 ergebe sich ein Freizeitguthaben von 297 Stunden. Sie habe einen Anspruch auf Abgeltung dieses Guthabens ausgehend von einem Stundenlohn von zuletzt 15,17 EUR samt 50 % Zuschlag für Nachtarbeit. Der KV kenne den Begriff Stammaushelferin nicht. Die Klägerin habe die gleiche Tätigkeit verrichtet wie Stammarbeiter, ihr stehe daher auch die gleiche Entlohnung nach dem KV zu. Die Hausvereinbarung regle keine Freizeitansprüche.

[10]     Die Beklagte bestritt. Trotz der Anmeldung zur Sozialversicherung mit 36 Wochenstunden seien nur 18 Wochenstunden vereinbart gewesen. Die Klägerin sei an zumindest drei Tagen pro Woche für jeweils sechs Stunden eingesetzt worden, habe jedoch regelmäßig Mehrarbeit geleistet, auch sonntags. Die Freizeit laut Kollektivvertrag stünde nur Vollzeitdienstnehmern zu, die ständig in der Nacht beschäftigt seien. Das treffe auf die Klägerin nicht zu. Teilzeitmitarbeiter hätten kein Bedürfnis nach zusätzlicher Freizeit in der Nacht. Selbst wenn man einen Anspruch bejahen würde, sei dieser zu aliquotieren und bestünde nur mit 4.198,31 EUR. Die Klägerin habe auch als Stammaushilfe nach der Hausvereinbarung innerbetriebliche Vergünstigungen erhalten, die weit höher zu bewerten seien, als die tariflichen Freizeitansprüche.

[11]     Das Erstgericht gab der Klage statt und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin 6.008,64 EUR brutto sA zu zahlen. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung ständig in der Nacht erbracht. Nach § 7 Abs 9 KV stünden ihr daher zwei bezahlte Nächte Freizeit pro Monat zu. Auch die Hausvereinbarung sehe vor, dass sämtliche nicht geregelten Ansprüche auf kollektivvertraglicher Mindestbasis entlohnt würden. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sich für bis zu sechs Schichten und damit für 36 Stunden pro Woche einteilen zu lassen und in diesem Ausmaß arbeitsbereit zu halten. Auch wenn sie daher in zahlreichen Wochen weniger gearbeitet habe, wäre es unbillig, den Freizeitanspruch zu kürzen. Auch sehe der KV keine Kürzung bei Teilzeitbeschäftigung vor. Der Anspruch auf die nicht gewährte Freizeit sei daher nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses finanziell abzugelten. Die Anspruchshöhe sei von der Beklagten in ihrer Berechnung nicht bestritten.

[12]     Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung nicht Folge. Die Beklagte bestreite nicht, dass die Klägerin weit überwiegend in der Nacht tätig gewesen sei. Der Begriff „ständig“ sei nicht mit „ausschließlich“ gleichzusetzen, sondern bedeute mit großer Häufigkeit, regelmäßig, dauernd, aber nicht ausschließlich. Die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit könne auf sechs, aber auch auf fünf Wochentage gleichmäßig verteilt sein. Die Beklagte könne keine Gründe darstellen, weshalb der Kollektivvertrag den Freizeitanspruch nur Vollzeitbeschäftigten mit einer 6-Tage-Woche hätte gewähren wollen.

[13]           Die Frage, ob im Fall einer echten Teilzeitbeschäftigung der Anspruch nach § 7 Z 9 KV zu aliquotieren sei, müsse nicht geprüft werden. Die Klägerin sei als Vollzeitkraft sozialversichert gewesen. Die Einteilung der Dienste sei durch die Beklagten erfolgt und zwar grundsätzlich an vier bis fünf Tagen pro Woche sowie meist auch sonntags. Die Klägerin habe Schichten nicht einseitig ablehnen können. Die Dienste seien großteils nachts geleistet worden. Unter Berücksichtigung dieser konkreten Umstände sei davon auszugehen, dass die Beklagte über die Arbeitszeit der Klägerin im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung habe verfügen können. Eine echte Teilzeitbeschäftigung sei damit nicht vorgelegen, auch wenn die Beklagte von dieser Befugnis zur Einteilung von 36 Stunden nicht Gebrauch gemacht habe. Die Arbeitsleistungen seien, soweit sie erfolgt seien, ständig in der Nacht erbracht worden. Es bestehe daher keine Grundlage für eine Aliquotierung des Freizeitanspruchs.

[14]     Es sei auch kein Günstigkeitsvergleich aufgrund der Hausvereinbarung vorzunehmen. Dieser könne gerade nicht entnommen werden, dass durch allfällige Überzahlungen ein fehlender Anspruch auf Freizeit konsumiert werden sollte.

[15]     Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil die Entscheidung auch die Auslegung von Kollektivvertragsbestimmungen erforderlich mache, sodass eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vorliege.

[16]     Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

[17]     Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18]     Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

[19]     1. Die Klägerin leitet ihre Ansprüche aus § 7 Abs 9 KV ab. Dieser lautet:

„Ständig in der Nacht beschäftigte Expeditarbeiter, Redaktions- und Verwaltungsgehilfen erhalten pro Monat zwei bezahlte freie Nächte. Wurde in dem betreffenden Monat vom Dienstnehmer krankeitshalber oder aufgrund unbezahlter Freizeitkonsumation nicht gearbeitet, so entfällt pro zwei nicht gearbeiteter Wochen eine freie Nacht.“

[20]     Nach § 4 Z 3 des KV gebührt für jede Nachtarbeitsstunde ein 50-prozentiger Zuschlag.

[21]     Die Zusatzvereinbarung zum KV vom 19. 5. 2008 definiert Expeditarbeiter in Abgrenzung zu Maschinenwarten als Arbeitskräfte, die ausschließlich Tätigkeiten für den jeweiligen Tagesversand von Zeitungen und Zeitschriften durchzuführen haben.

[22]     Der KV kennt weiters Regelungen für „eintägige Aushilfen“ (vgl § 7 Abs 10 KV), oder etwa in der Zusatzvereinbarung vom 19. 5. 2008 für den „Aushilfsexpeditarbeiter“, der Sonderzahlungen, Urlaubsentgelt und bezahlte Feiertage durch einen Zuschlag zum Grundlohn abgegolten erhält.

[23]     2. Nach den Feststellungen wurde die Klägerin von der Beklagten als „Stammaushelferin“ betrachtet. Die Hausvereinbarung – Expedit, die für die im Expeditbereich beschäftigten Dienstnehmer Geltung haben soll, unterscheidet zwischen ständigen Aushelfern und tageweisen Aushelfern. Ständige Aushelfer sind danach Personen, die diesen Job hauptberuflich ausüben und in der Regel vier mal die Woche – abhängig von den Produktionserfordernissen – in sämtlichen Schichten zum Einsatz kommen können.

[24]     Es ist daher unabhängig von der Bezeichnung Aushilfe davon auszugehen, dass die Klägerin, die jedenfalls seit 2005 durchgehend bei der Beklagten beschäftigt war, nahezu ausschließlich Nachtschichten im Expeditbereich absolvierte und dabei dieselben Arbeiten wie Stammarbeiter zu verrichten hatte, als Expeditarbeiterin im Sinn des KV anzusehen ist, da der KV in seinen Sonderregeln für Aushilfen offenkundig von kurzzeitig zur Abdeckung von Arbeitsspitzen Beschäftigte ausgeht, was auf die Klägerin nicht zutrifft.

[25]     Nach der Definition der Hausvereinbarung ist sie eine ständige Aushelferin.

[26]     3. Die Beklagte geht in der Revision entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts davon aus, dass die Klägerin nur teilzeitbeschäftigt war und § 7 Z 9 KV nur für Vollzeitbeschäftigte gilt.

[27]     Nach § 19d Abs 2 AZG sind bei Teilzeitarbeit Ausmaß und Lage der Arbeitszeit und ihrer Änderung zu vereinbaren, sofern sie nicht durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgesetzt werden.

[28]     Dass zwischen der Klägerin und der Beklagten eine ausdrückliche Vereinbarung über das Ausmaß der Arbeitszeit getroffen wurde, hat das Verfahren nicht ergeben. Fest steht, dass die Klägerin mit 36 Stunden bei der Sozialversicherung angemeldet wurde, also als Vollzeitkraft. Richtig verweist die Beklagte darauf, dass aus der Anmeldung zur Sozialversicherung keine verbindlichen Rückschlüsse auf den Inhalt des Arbeitsvertrags gezogen werden können (vgl RS0021265). Davon ist das Berufungsgericht aber ohnehin nicht ausgegangen, es hat die Anmeldung zur Sozialversicherung als nur eines der Kriterien seiner Beurteilung angesehen.

[29]     Weiters steht fest, dass der Klägerin eine als „Dienstvertrag“ überschriebene Urkunde zugekommen ist, in der der Normalwochenlohn auf Basis von 36 Arbeitsstunden pro Woche ausgewiesen ist und in dem es heißt, dass ihr Einsatz „in der Regel an mindestens drei Tagen wöchentlich“ als ständige Expeditaushelferin erfolgt. Die Vereinbarung einer Drei-Tages-Woche lässt sich schon aufgrund der Verwendung des Wortes „mindestens“ aus dieser Urkunde nicht ableiten.

[30]     Auch faktisch wurde die Klägerin ab ihrer Sozialversicherung als Vollzeitkraft nicht regelmäßig zu drei Schichten eingeteilt, sondern nach den Feststellungen grundsätzlich an vier bis fünf Tagen pro Woche so wie meist auch sonntags. Weiters erhielt sie auch nach Einführung des Mehrarbeitszuschlags für über 18 Wochenstunden hinausgehende Arbeitsleistungen, soweit diese das Arbeitsausmaß 36 Wochenstunden pro Woche nicht überstiegen, keinen Mehrarbeitszuschlag. Schichten konnten getauscht werden, die Klägerin konnte solche jedoch nicht einseitig ablehnen. Auf die Einteilung der Schichten hatte die Klägerin grundsätzlich sonst keinen Einfluss. Selbst die Hausvereinbarung – Expedit geht davon aus, dass Stammaushelfer in der Regel vier mal die Woche zum Einsatz kommen können.

[31]     Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich aus diesen Umständen weder eine ausdrückliche noch eine schlüssige Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 18 Stunden ableiten, noch entspricht eine solche Stundenzahl der gelebten Realität des Arbeitsverhältnisses.

[32]     Vielmehr ging die Beklagte ab der Anmeldung der Klägerin bei der Sozialversicherung mit 36 Wochenstunden davon aus, nach ihrem Bedarf bis zu diesem Umfang über die Arbeitskraft der Klägerin verfügen zu können. Zu keiner Zeit erfolgte bei der Einteilung oder der Entlohnung eine Berücksichtigung einer worauf auch immer lautenden Teilzeitvereinbarung. Daran ändert auch nichts die zugesagte Mindestanzahl an Schichteinsätzen.

[33]     4. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob, wie vom Berufungsgericht angenommen, von einer Vollzeitbeschäftigung der Klägerin auszugehen ist. Selbst bei Zugrundelegung einer Teilzeitvereinbarung wurde zwischen den Parteien entgegen § 19d AZG weder Ausmaß noch Lage der Arbeitszeit festgelegt. Teilzeitrahmenarbeitsverträge, die Ausmaß und Lage der Arbeitszeit nicht festlegen, sind gesetzwidrig und daher teilnichtig. Das hat zur Folge, dass das den Umständen angemessene Ausmaß der Arbeitszeit in jenem Umfang anzunehmen ist, der dem normalen Arbeitsbedarf im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entspricht. Dabei ist primär davon auszugehen, was aus dem Erklärungsverhalten der Vertragsparteien abzuleiten ist. In weiterer Folge kann dies auch aus dem faktischen Vollzug erschlossen werden. Insoweit wird der Durchschnitt des geleisteten Arbeitsausmaßes einen guten Anhaltspunkt bieten. Als Durchschnittszeitraum ist regelmäßig ein einjähriger Durchschnittszeitraum angemessen (Grundsatzentscheidung 8 ObA 116/04y mwN).

[34]     Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Klägerin ab Beginn ihrer Anmeldung mit 36 Wochenstunden grundsätzlich an vier bis fünf Tagen pro Woche sowie zumeist auch sonntags zum Dienst eingeteilt wurde, letztlich also zumeist zu fünf bis sechs Nachtdiensten.

[35]     Auch aus den jeweils von den Parteien vorgelegten Berechnungsblättern des Beschäftigungsausmaßes der Klägerin ergibt sich ein durchschnittlicher Arbeitseinsatz der Klägerin von über 70 % bzw über 80 % einer Vollzeitkraft.

[36]     5. § 7 Abs 9 des KV regelt, insoweit ist der Beklagten recht zu geben, zusätzlich bezahlte Freizeit ausgehend vom Grundfall der Vollzeitarbeitskraft. Würde man davon ausgehen, dass dieser Anspruch im selben Ausmaß Teilzeitbeschäftigten zusteht, hätte dies zur Folge, dass, worauf die Beklagte richtig hinweist, im Extremfall ein Arbeitnehmer, der nur eine Schicht pro Woche, aber nachts arbeitet, einen Anspruch auf zwei bezahlte freie Nächte pro Monat hätte.

[37]     Entgegen der Ansicht der Beklagten kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Personen, die nicht Vollzeit beschäftigt sind, keinen Freizeitanspruch haben. Die Revision will die Formulierung „ständig in der Nacht beschäftigt“ so verstehen, dass damit ausschließlich Vollzeitbeschäftigte mit einer Sechs-Tages-Woche gemeint sind. Ständig bedeute nicht, dass die Arbeitsleistung vorwiegend oder ausschließlich in der Nacht erbracht werde, sondern durchgehend an jedem Werktag gearbeitet werde, also bei einer Vollzeitbeschäftigung die Arbeitszeit von 36 Stunden auf sechs Werktage pro Woche verteilt sei. Solchen Arbeitnehmern stünde nur eine freie Nacht pro Woche zur Verfügung, weshalb zusätzliche Freizeit sachlich gerechtfertigt sei.

[38]     Dieses von der Beklagten unterstellte Verständnis lässt sich jedoch schon hinsichtlich der erforderlichen sechs Werktage dem KV nicht entnehmen. Dieser sieht vor, dass, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, bei Vollzeitbeschäftigten die Arbeitszeit auf fünf oder sechs Werktage gleichmäßig zu verteilen ist. Dass § 7 Abs 9 KV die bezahlte Freizeit nur Mitarbeitern zugestehen will, die an sechs Tagen beschäftigt sind, hätte einer ausdrücklichen Klarstellung durch die Kollektivvertragsparteien bedurft. Allein die Formulierung „ständig in der Nacht Beschäftigte“ legt diese Auslegung nicht nahe. Vielmehr ist die Regelung dahin zu verstehen, dass mit „ständig“ gemeint ist, dass die Arbeitsleistung regelmäßig weit überwiegend in der Nacht erbracht wird. Die damit verbundene Mehrbelastung und Einschränkung soll durch zwei freie bezahlte Nächte ausgeglichen werden. Dass die Belastung von den Kollektivvertragsparteien relevant geringer eingeschätzt wurde, wenn die selbe Stundenanzahl nachts an fünf Werktagen statt an sechs erbracht wird, ist nicht anzunehmen.

[39]     Wenn die Beklagte meint, dass dieses Ergebnis gleichheitswidrig sei, weil bei einer Fünf-Tages-Woche die „bezahlte freie Nacht“ mehr wert sei als bei Arbeitnehmern, bei denen die Normalarbeitszeit auf sechs Werktage gleichmäßig verteilt werde, so ist ihr zu entgegnen, dass die Kollektivvertragsparteien die Verteilung auf fünf oder sechs Werktage ausdrücklich vorgesehen haben und auch nachvollziehbar von einer vergleichbaren Belastung ausgingen.

[40]     Geht man aber davon aus, dass der Freizeitausgleich dazu dienen soll, die Erschwernisse und Einschränkungen von laufender Nachtarbeit abzugelten, gibt es keine sachliche Rechtfertigung Teilzeitbeschäftigten einen solchen Ausgleich generell zu verwehren. Eine vergleichbare Belastung besteht, wenn auch allenfalls nur in geringerem Umfang, auch bei Teilzeitbeschäftigten, die ständig – wie hier fünf bis sechs mal pro Woche – in der Nacht tätig sind.

[41]     6. Dem Sachlichkeitsgebot wird in der Regel dann entsprochen, wenn dem Teilzeitbeschäftigten bei den jeweiligen Rechten aus dem Arbeitsverhältnis jener Anteil zugestanden wird, der im Verhältnis zur Vollzeitverpflichtung steht („pro rata temporis“-Berechnung; vgl auch § 4 Z 2 RL 97/81/EG). Keine sachliche Begründung wird im Regelfall für den völligen Ausschluss Teilzeitbeschäftigter von bestimmten Anspruchsarten vorliegen, wenn der Sachverhalt der Arbeitserbringung gleich oder zumindest vergleichbar ist.

[42]     Im Streitfall hat der Arbeitgeber zu beweisen, dass eine Benachteiligung nicht wegen der Teilzeitarbeit erfolgt (§ 19d Abs 6 AZG). Hier ist eine solche sachliche Begründung nicht erkennbar. Ein Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten von der im KV vorgesehenen Freizeitregelung ist nicht gerechtfertigt. Es ist nicht ersichtlich, dass Teilzeitbeschäftigte, die fünf bis sechs Nachtdienste pro Woche etwa im Umfang von bloß drei bis vier Stunden verrichten, nicht vergleichbaren Belastungen und Einschränkungen ausgesetzt sind. Die Aliquotierung ergibt sich dann ohnehin schon daraus, dass die „freien Nächte“ iSd § 7 Z 9 des KV dann auch weniger Stunden umfassen.

[43]     Gegen eine weitere Aliquotierung entsprechend dem Teilzeitarbeitsausmaß spricht nicht nur der Umstand, dass der vom KV primär angestrebte Ausgleichszweck durch Gewährung von zusätzlicher Freizeit durch eine nur teilweise freie Nacht etwa im Rahmen einer verkürzten Schicht nicht erreicht werden könnte, sondern auch die Textierung des KV selbst. Dieser sieht nämlich für den Sonderfall, dass wenn aufgrund von Krankheit oder unbezahlter Freizeitkonsumation nicht gearbeitet wird, vor, dass für zwei nicht gearbeitete Wochen eine freie Nacht entfällt. Auch wenn sich dieser Zusatz wie die Grundregel auf Vollzeitbeschäftigte bezieht, lässt sich daraus die Wertung der Kollektivvertragsparteien erkennen, einen pauschalen Zugang zu wählen.

[44]     7. Im konkreten Fall war die Klägerin nahezu ausschließlich in der Nacht beschäftigt. Richtig sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass mit „ständig in der Nacht beschäftigt“ nicht gemeint ist, dass jede Schicht in der Nacht geleistet wird, sondern dass dieses Kriterium auch erfüllt ist, wenn die Arbeitsleistung weit überwiegend in der Nacht erbracht wurde. Dagegen wendet sich letztlich auch die Beklagte nicht, die eine „ständige“ Beschäftigung der Klägerin in der Nacht nur mit dem Argument bestreitet, dass sie nicht an sechs Werktagen die Woche in der Nacht tätig war.

[45]     Da die Klägerin ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung jedenfalls regelmäßig fünf oder mehr Nächte pro Woche beschäftigt war, standen ihr daher pro Monat zwei bezahlte freie Nächte zu.

[46]     8. Im Arbeitsrecht ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die jeweils nachrangigen Rechtsquellen die Rechtsstellung des Arbeitnehmers nicht verschlechtern, sondern nur verbessern können. Für den Fall einer Konkurrenz zwischen Betriebsvereinbarung, aber auch einer Einzelvereinbarung, und dem höherrangigen Kollektivvertrag haben die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung – Einzelvereinbarung – nur insoweit Geltung, als sie für den Arbeitnehmer günstiger als die kollektivvertraglichen Regelungen sind (RS0050968 [T9]). Die Beurteilung der Frage, ob eine abweichende Regelung tatsächlich günstiger ist oder nicht, richtet sich nach dem sogenannten „Günstigkeitsvergleich“ iSd § 3 Abs 2 ArbVG. Bei der Prüfung, ob eine Vereinbarung günstiger ist als der Kollektivvertrag, sind jene Bestimmungen zusammenzufassen und gegenüber zu stellen, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Damit ist klargestellt, dass ein Günstigkeitsvergleich mit einer Betriebsvereinbarung als Ganzes – ohne Beachtung dieses Zusammenhangs – unzulässig ist (RS0050968). Bestimmungen stehen dann in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang, wenn sie den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, wobei bei kollektivrechtlichen Regelungen der sozialpolitische Zweck zu beachten ist (8 ObA 50/05v mwN).

[47]     Die Beklagte sieht diese „günstigere“ Vereinbarung in der Hausvereinbarung – Expedit. Dazu beruft sie sich zunächst darauf, dass in dieser Hausvereinbarung die tarifliche Freizeit abweichend vom Kollektivvertrag geregelt sei, dies allerdings nur für Stammexpeditarbeiter, für ständige Aushelfer wie die Klägerin sei gerade kein Anspruch auf „freie Nächte“ in der Hausvereinbarung vorgesehen. Die Hausvereinbarung enthalte Regelungen betreffend die Entgeltbemessung und den Freizeitanspruch, sei als solche eine „freie“ Betriebsvereinbarung. Mit der Klägerin sei ihre Tätigkeit als Stammaushelferin und damit auch die Wirkung der damals schon in Kraft stehenden Hausvereinbarung vereinbart. Damit sei aber auch konkludent vereinbart, dass aufgrund überkollektivvertraglicher Entlohnung kein Anspruch auf freie Nächte bestehe.

[48]     Wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, sieht die Hausvereinbarung selbst vor, dass sämtliche in ihr nicht geregelten Ansprüche auf kollektivvertraglicher Mindestbasis entlohnt werden. Dass daher durch die bloße Nichterwähnung von Ansprüchen, die sich aus dem KV ergeben, derartige Ansprüche „abbedungen“ sind, lässt sich aus der Hausvereinbarung gerade nicht entnehmen.

[49]     Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs die Höhe der Entlohnung den im § 7 Abs 9 KV enthaltenen Freizeitansprüchen gegenübergestellt werden kann. Wie sie selbst ausführt, liegt der Zweck dieser zusätzlichen Freizeit darin, ständig in der Nacht beschäftigten Mitarbeitern zusätzliche freie Abende und damit eine zusätzliche Erholungsmöglichkeit zu gewähren. Damit besteht aber kein sachlicher Zusammenhang mit einer überkollektivvertraglichen Entlohnung, die diese zusätzliche Erholungsmöglichkeit gerade nicht beinhaltet. Dass sich mit Ende des Arbeitsverhältnisses der nicht konsumierte Freizeitanspruch unstrittig in einen Entgeltanspruch wandelt, ändert daran nichts.

[50]     Aus der Hausvereinbarung ist daher für die Beklagte nichts zu gewinnen.

[51]     9. Dass, sofern der Klägerin tatsächlich ein Ausgleich für zwei Tage nicht gewährten Freizeitanspruch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zusteht, von dem von den Vorinstanzen zugesprochenen Betrag auszugehen ist, wird in der Revision nicht bestritten.

[52]     10. Dieser war daher insgesamt nicht Folge zu geben.

[53]     11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E133024

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00120.20K.0914.000

Im RIS seit

08.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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