TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/17 94/01/0665

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Veröffentlicht am 17.12.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des X in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Februar 1994, Zl. 4.325.877/13-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufewendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Februar 1994 wurde der am 4. Dezember 1991 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines albanischen Staatsangehörigen der am selben Tag in das Bundesgebiet eingereist ist - in Erledigung seiner Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Jänner 1992 - nachdem der die Berufung abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juli 1992 mit hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zlen. 92/01/1029, 1030, aufgehoben worden war - abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Hinsichtlich der von der belangten Behörde verneinten Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gleicht der vorliegende Beschwerdefall in den für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, und Erhebung der Beschwerde nach dessen Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0610, zugrundelag. Auf dieses Erkennntis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Aus den dort dargelegten Erwägungen stellt sich der angefochtene Bescheid in bezug auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers als inhaltlich rechtswidrig dar.

Dies hätte aber den Beschwerdeführer nicht in einem Recht verletzen können, wenn die belangte Behörde ihren Bescheid zu Recht auch darauf gestützt hätte, daß im vorliegenden Fall der Auschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 94/01/0299).

Die belangte Behörde hat zum Vorliegen dieses Ausschließungsgrundes - von der Feststellung ausgehend, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten habe - ausgeführt, es wäre dem Beschwerdeführer möglich gewesen, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen. Er sei in Ungarn keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen und habe nicht befürchten müssen, ohne Prüfung der Fluchtgründe in seine Heimat abgeschoben zu werden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß sich der Beschwerdeführer nur kurze Zeit in Ungarn aufgehalten habe.

Dieser Rechtsansicht ist insoweit beizupflichten, als es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Erlangung der "Verfolgungssicherheit" nicht darauf ankommt, ob sich der Flüchtende im Drittstaat nur auf der Durchreise befunden hat, sondern darauf, daß er unter Bedachtnahme auf das (auf die Vermeidung weiterer Verfolgung ausgerichtete) Sicherheitsbedürfnis seinen "Fluchtweg" vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können, was auch dann der Fall ist, wenn die Verweildauer im Drittstaat nur kurz bemessen war und dort kein stationärer Aufenthalt genommen wurde (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 6. September 1995, Zl. 95/01/0030, in dem eingehend auf die bisherige Judikatur zum Begriff der "Verfolgungssicherheit" Bezug genommen und diese mit weiteren Ausführungen aufrecht erhalten wurde). Der Beschwerdeführer bringt dazu jedoch in der Beschwerde vor, er sei in einem geschlossenen Möbeltransporter durch Ungarn gefahren, und bestreitet, daß es ihm "rein praktisch" möglich gewesen sei, in Ungarn einen Asylantrag zu stellen. Er bestreitet somit, die objektive Möglichkeit gehabt zu haben, seinen "Fluchtweg" vor der Einreise nach Österreich zur Stellung eines Asylantrages in Ungarn abzubrechen.

Der Beschwerdeführer hat dies zwar erstmals in der Beschwerde behauptet, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, zu dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid erstmals herangezogenen Ausschließungsgrund der "Verfolgungssicherheit" Stellung zu nehmen, weshalb das Vorbringen schon aus diesem Grund nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) verstößt. Da die belangte Behörde bei Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, zeigt der Beschwerdeführer damit auf, daß der belangten Behörde, soweit sie den Bescheid auf § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 stützte, wesentliche Verfahrensmängel unterlaufen sind.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, weil die Aufhebung wegen dieses Grundes einer solchen wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 592 zitierte hg. Judikatur).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994010665.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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