TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/18 95/20/0361

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Veröffentlicht am 18.12.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §17 Abs4 Z1;
AVG §45 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Februar 1995, Zl. 4.312.531/11-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Februar 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 23. März 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 26. März 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. Oktober 1991, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 18. Oktober 1991 als Wohnort das Dorf D, Bezirk P, Provinz T, angegeben. Er sei Kurde und Moslem (Alevite). Zu seinen Fluchtgründen gab er an:

"Mein Vater ist Bauer und Mutter Hausfrau. Meine Eltern wohnen an der von mir unter Punkt 13 angegebenen Adresse. Ich besitze derzeit S 500,--. In der Türkei gehörte ich keiner politischen Organisation als Mitglied an.

Ich bin Kurde, durfte in der Türkei meine Muttersprache jedoch nicht sprechen, wodurch es mir nicht möglich war, diese richtig zu erlernen.

Ich wurde in den Jahren 1984 bis 1991 insgesamt drei Mal von den Soldaten zu Hause abgeholt und wurde ich zur Gendarmerie in P gebracht. (Einmal im Jahre 1984, einmal 1990 und einmal 1991).

Vorhalt: 1984 waren sie doch erst zehn Jahre alt. Es ist daher unglaubwürdig, daß sie damals schon festgenommen worden sind.

Antwort: Doch, die Soldaten nehmen auch die Kinder fest.

Bei den beiden letzten Festnahmen wurde ich auch geschlagen und zwar bekam ich Ohrfeigen und Stockschläge. Ich wurde dabei jedoch nicht verletzt. 1990 wurde ich zwei Tage festgehalten und 1991 im Jänner wurde ich nur einen Tag festgehalten. Die Festnahmen erfolgten nur deswegen, weil ich Kurde bin und kurdisch gesprochen habe.

Vorhalt: Sie haben doch selbst angegeben, daß sie nicht kurdisch können. Nun behaupten sie, kurdisch gesprochen zu haben.

Antwort: Ich kann nicht das richtige Kurdisch, sondern wurde in unserem Dorf ein eigener Dialekt gesprochen.

Aus den angeführten Gründen habe ich mich dann entschlossen, die Türkei zu verlassen."

Der Beschwerdeführer habe im Februar 1991 ohne Schwierigkeiten seinen Reisepaß bekommen. Da er noch minderjährig gewesen sei, habe sein Vater eine Zustimmungserklärung abgeben müssen. Seine Eltern seien auch einverstanden damit gewesen, daß er die Türkei verlassen habe wollen. Er habe sich vor seiner Ausreise aus der Türkei eine Woche in Istanbul aufgehalten, dort Kontakt zu einer Fluchthelferorganisation aufgenommen und sei nach Zahlung eines Geldbetrages an einen Fluchthelfer über Bulgarien, Rumänien und Jugoslawien schließlich nach Österreich gelangt.

In seiner gegen die Entscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer im wesentlichen auf die Angaben anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme und leitete daraus seine Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Nationalität ab.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den Bescheid vom 24. Juni 1993.

Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit dem Erkenntnis vom 6. Juli 1994, Zl. 94/20/0209, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der Verwaltungsgerichtshof begründete das Erkenntnis damit, daß die von der belangten Behörde auf angeblichen Widersprüchen des Beschwerdeführers zu Gebrauch und Kenntnis der kurdischen Sprache gewählte Begründung für die mangelnde Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht schlüssig war. Des weiteren führte der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die wiederkehrenden Festnahmen samt Erhalt von Schlägen durchaus eine begründete Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 begründen könne. Damit ließen die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten konkreten Verfolgungshandlungen (Verhaftungen und Mißhandlungen mit Schlägen) bei deren Zutreffen eine Verfolgung aus ethnischen Gründen möglich erscheinen. Die belangte Behörde treffe daher die Verpflichtung zur Durchführung von Erhebungen zu den vom Beschwerdeführer geltend gemachten konkreten Verfolgungshandlungen. Auch die Feststellung der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer in der Folge aus den Vorkommnissen keine weiteren Nachteile erwachsen seien, gehe im Hinblick auf die zeitliche Nähe des letzten der Vorfälle (der von der Behörde erster Instanz nicht genau zeitlich spezifiziert worden war) zur Ausreise des Beschwerdeführers an der Sache vorbei, weil die letzte geltend gemachte Verhaftung nach der Niederschrift über die Vernehmung im Verfahren vor der Behörde erster Instanz nur rund zwei Monate vor der Ausreise des Beschwerdeführers liege.

Im fortgesetzten Verfahren erteilte die belangte Behörde in Befolgung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes einen Auftrag zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch ergänzende niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers. Insbesondere seien die näheren Umstände der Festnahmen zu klären, etwaige Nachteile nach der letzten Festnahme im Jänner des Jahres 1991 zu erfragen, und nähere Umstände des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Istanbul zu ermitteln. Zudem sei dem Beschwerdeführer vorzuhalten, daß sich für die belangte Behörde keine Gründe ergeben hätten, die die Annahme nahelegten, daß sich die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände auf das gesamte Gebiet seines Heimatstaates bezögen, er also nicht Schutz vor etwaigen Beeinträchtigungen in einem anderen Teil seines Heimatlandes, insbesondere in einem Gebiet außerhalb des Ausnahmezustandes, hätte finden können und nicht schon während seines Aufenthaltes in Istanbul gefunden habe.

Der Beschwerdeführer gab anläßlich der daraufhin erfolgten niederschriftlichen Einvernahme am 8. Februar 1995 an:

"Frage: Sie haben bei Ihrer ns. Befragung angegeben, daß Sie in den Jahren 1984 bis 1991 insgesamt dreimal festgenommen worden sind. Weswegen hat man Sie nun verdächtigt und festgenommen bzw. wo wurden Sie festgenommen und festgehalten?

Antwort: Die erste Festnahme erfolgte im Jahre 1984 (näh. nicht erinnerl.) in der Ortschaft P. Ich hatte damals mit einer Gruppe von 5-6 Personen kurdisch gesprochen. Dies wurde von einer Gendarmeriestreife wahrgenommen und wurden wir alle festgenommen. Wir wurden zum Gendarmerieposten P gebracht. Dort wurden meine Personaldaten festgehalten und wurde ich gefragt, warum ich kurdisch gesprochen habe. Ich habe geantwortet weil ich Landwirt bin und auf dem Felde meine Muttersprache spreche so habe ich auch jetzt kurdisch gesprochen. Ich wurde in einer Zelle 3-4 Stunden festgehalten und danach entlassen. Familienangehörige waren keine dabei.

Die zweite Festnahme erfolgte im Jahre 1987 oder 1988. Ich kann mich nicht näher erinnern. Ich war damals mit

3 Jugendlichen im Basar von P und fand dort eine Ausweiskontrolle durch die Gendarmerie an uns statt. Wir haben unsere Ausweise vorgewiesen und nahmen uns die Gendarmen dennoch mit zum Gendarmerieposten nach P. Dort wurden unsere Ausweise neuerlich überprüft und wurden wir gefragt, was wir in P machen da wir nicht aus P stammen, sondern aus einem 30km entfernten Dorf D. Beide Orte gehören jedoch zur Provinz T. Nach ca. 1 Stunde wurden wir wieder entlassen. Damals wurde mit mir mein Cousin K festgenommen.

Die 3. Festnahme erfolgte im Jahre 1991 (näheres nicht erinnerl.). Ich wohnte mit meiner Familie in D. Dorthin kamen in der Nacht 15-20 Soldaten, umstellten unser Haus und nahmen mich und meine drei Brüder fest. Meine alte Mutter ließen sie im Haus zurück. Mein Vater war bereits verstorben. Wir wurden zum Gendarmerieposten P verschafft wo wir in eine Zelle gebracht wurden. Am nächsten Morgen wurden nochmals unsere Ausweise kontrolliert und der älteste von uns, mein Bruder C zum Verhör geholt. Es ist damals ein Hinweis eingegangen, daß wir die Terroristen unterstützen. Dies war jedoch nicht der Fall. Ich mußte noch insgesamt 2 Nächte und einen Tag in der Zelle verbringen. Außer meinen Bruder C wurde niemand von uns verhört. Ich wurde von der Ausweiskontrolle abgesehen nicht beachtet.

Vorhalt: In Ihrer NS vom 18. 10. 1991 haben Sie behauptet, im Zuge Ihrer letzten beiden Festnahmen geschlagen worden zu sein. Bei der heutigen Einvernahme haben Sie trotz mehrmaliger Befragung, ob die Gendarmerie noch etwas mit Ihnen gemacht hat, nichts davon erwähnt.

Antwort: Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich in Traiskirchen alles angegeben habe.

Frage: Sind Ihnen nach Ihrer letzten Festnahme im Jänner

des Jahres 1991 irgendwelche Nachteile erwachsen?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie sich in irgendeiner Weise politisch

betätigt?

Antwort: Nein. In der Türkei nicht und nur ab und zu in Österreich besuche ich Veranstaltungen des KIB (PKK-Verein in Wien)

Frage: Wann und wie haben Sie Ihr Heimatdorf verlassen?

Antwort: Ich glaube es war Anfang März 1991 bin ich mit einem öffentlichen Bus von E nach Istanbul gefahren. Nach E kam ich mit einem Sammeltaxi. In Istanbul habe ich mich ca. 1 Woche aufgehalten.

Frage: Waren Sie in Istanbul irgendwelchen Beeinträchtigungen ausgesetzt?

Antwort: Ich habe dort bei einem Verwandten gelebt. Ich habe mich nicht auf die Straße gewagt und hatte deshalb auch keine Probleme.

Frage: Sie haben angegeben, nach Ihrer letzten Festnahme keine Probleme gehabt zu haben. Warum haben Sie sich dann in Istanbul nicht auf die Straße gewagt?

Antwort: Ich bin Kurde und hatte Angst, daß ich bei einer Ausweiskontrolle auffallen würde da ich ja nicht aus Istanbul bin und wollte ich die Türkei verlassen. Ich wollte vermeiden, im letzten Augenblick noch Schwierigkeiten zu bekommen.

Frage: Haben Sie Ihr Heimatland auf legalem Wege verlassen?

Antwort: Ja. Dies geht aus dem Greko-Stempel auf Seite 59 auf meinen RP hervor. Dieser bestätigt meine Ausreise am 8. 3. 1991 bei Edirne.

Frage: Welche Probleme hätten Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei zu erwarten?

Antwort: Ich würde sofort zum Militärdienst eingezogen werden da ich meinen Militärdienst noch nicht abgeleistet habe. Desweiteren würde ich eingehend befragt werden, wo ich mich im Ausland aufgehalten habe, warum und womit ich mich dort befaßt habe. Desweiteren ist die Situation im Osten meiner Heimat alles andere als gut. Die Dörfer wurden angezündet und die Leute vertrieben. In Gebieten außerhalb des Ausnahmezustandes wird man als Kurde nicht akzeptiert und hat keine reale Chance, sich auf Dauer niederzulassen. Auch wenn man vielleicht eine Arbeit findet, weiß man nicht, was der nächste Tag bringt.

Vorhalt: Für die erkennende Behörde ergeben sich keinerlei Gründe die die Annahme rechtfertigen, daß sich die, von Ihnen geltend gemachten Umstände auf das ganze Gebiet Ihres Heimatstaates beziehen, Sie also nicht Schutz vor etwaigen Beeinträchtigungen in einem anderen Teil Ihres Heimatlandes, insbesondere in einem Gebiet außerhalb des Ausnahmezustandes hätten finden können und nicht schon während Ihres Aufenthaltes in Istanbul gefunden haben.

Antwort: Ich fühle mich auch im westlichen Teil der Türkei nicht sicher und glaube, daß ich auch dort Probleme bekommen könnte, da die Kurden in der ganzen Türkei diskriminiert werden. Die Probleme sind zwar nicht so massiv wie im Osten des Landes aber dennoch existent. Wenn ich aufgefordert werde Probleme taxativ aufzuzählen, so gebe ich an, daß ich glaube, eingesperrt zu werden.

Frage: Warum glauben Sie eingesperrt zu werden.

Antwort: Man wird mir vorwerfen, daß ich meinen Militärdienst nicht abgeleistet habe und daß ich flüchtig war.

Frage: Welche Strafe glauben Sie dafür zu erwarten?

Antwort: Ich glaube drei Monate Haft. Ich hätte 1994 meinen Militärdienst antreten sollen. Zu diesem Zeitpunkt war ich jedoch bereits in Österreich. Mein Bruder wurde deshalb bereits von der Gendarmerie befragt, da ich nicht zur Musterung erschienen bin."

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde sprach den vom Beschwerdeführer behaupteten Mißhandlungen die Glaubwürdigkeit ab, was sie mit im einzelnen ausgeführten Widersprüchen zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers begründete.

Zu den übrigen - offenbar als glaubwürdig angesehenen - Angaben des Beschwerdeführers begründete die belangte Behörde, daß diese nicht zur Asylgewährung führen könnten. Soweit der Beschwerdeführer die allgemeine Situation der kurdischen Volksgruppe in seiner Heimat ins Treffen führe, sei ihm entgegenzuhalten, daß diese die Gewährung von Asyl nicht zu rechtfertigen vermöchten, da hiefür Voraussetzung sei, daß der Beschwerdeführer selbst konkrete gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten habe. Die in diesem Zusammenhang behaupteten Beeinträchtigungen, wie das Verbot des Gebrauchs der kurdischen Sprache und das "Nichtakzeptieren" von Angehörigen dieser Volksgruppe, stellten allgemeine soziale Schwierigkeiten sowie "atmosphärische Diskriminierungen" dar, aus welchen wegen mangelnder Eingriffsintensität eine individuell konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung nicht abgeleitet werden könne. Die vom Beschwerdeführer konkret geltend gemachten vorläufigen Festnahmen stellten aufgrund ihrer geringen Eingriffsintensität keinen ernsthaften Nachteil im Sinne des Asylgesetzes 1991 dar. Es handle sich hiebei um eine verhältnismäßig geringe, dreimalige und dabei jedesmal vorübergehende Beeinträchtigung im Zuge behördlicher Ermittlungen, die keine Zwangslage zu begründen vermöchten, welcher der Beschwerdeführer sich nur durch die Ausreise hätte entziehen können. Auch seien dem Beschwerdeführer seit der letzten Festnahme bis zum Verlassen seines Heimatdorfes (März 1991) keine weiteren Nachteile erwachsen. Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer des weiteren eine innerstaatliche Fluchtalternative "in einem anderen Teil der Türkei" bzw. während seines Aufenthaltes in Istanbul entgegen. Auch die Möglichkeit der Festnahme im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimat aufgrund seines noch nicht abgeleisteten Wehrdienstes stelle keine Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt dem von der belangten Behörde aufgrund mehrerer Widersprüche zwischen den niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers gezogenen Schluß, die in der ersten Einvernahme behaupteten Mißhandlungen seien unglaubwürdig, konkret nicht entgegen. Sollten sich die Ausführungen des Beschwerdeführers - daß er die "drohende Verfolgungsgefahr nicht näher konkretisierte", könne nur mit mangelnder Aufklärung durch das befragende Organ bzw. mit einem Mißverständnis erklärt werden - auch gegen die Aberkennung der Glaubwürdigkeit der Mißhandlungen richten, so ist dem Beschwerdeführer einerseits zu entgegnen, daß er in der Beschwerde nicht dartut, welche seiner Angaben aus welchen Gründen der Wahrheit entspräche, und im übrigen aufgrund der detailreichen Einvernahmen die bloß allgemeine Behauptung solcher mangelnder Aufklärung und Mißverständnisse nicht nachvollziehbar ist.

Die belangte Behörde befindet sich im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß kurzfristige Inhaftierungen, soferne sie ohne weitere Folgen blieben, nicht als derart gravierend angesehen werden können, daß eine den weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich machende Intensität erreicht würde. Die erste Inhaftierung wegen Gebrauch der kurdischen Sprache im Jahr 1984 dauerte lediglich drei bis vier Stunden, die zweite Festnahme anläßlich einer Ausweiskontrolle sogar nur eine Stunde, die dritte Festnahme im Zuge von Ermittlungen nach Hinweisen auf Unterstützung von Terroristen einen Tag und zwei Nächte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0257, ua.). Hinzu kommt im konkreten Fall, daß der Grund für die jeweilig kurzfristigen Anhaltungen in allen drei Fällen ein verschiedener war, sodaß daraus auch nicht auf eine Steigerung der Intensität geschlossen werden kann.

Die belangte Behörde ist auch im Recht, daß sie der vom Beschwerdeführer befürchteten Bestrafung wegen Nichtableistung seines Militärdienstes die asylrechtliche Relevanz versagt hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt weder die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst noch die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung, einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar, sofern nicht Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Einberufung, die Behandlung während des Militärdienstes und die Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion sei infolge einer der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen für den Beschwerdeführer ungünstiger als für andere Wehrpflichtige erfolgt (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Solche Umstände hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.

Damit erweisen sich aber auch die Ausführungen der belangten Behörde, mangels individuell dem Beschwerdeführer drohender Verfolgung könne aus den der kurdischen Bevölkerungsgruppe drohenden allgemeinen Nachteilen keine asylrechtlich relevante Verfolgung abgeleitet werden, als nicht rechtswidrig.

Insoferne der Beschwerdeführer auf § 17 Abs. 4 Z. 1 Asylgesetz 1991 hinweist, ist ihm zu entgegnen, daß - trotz der bürgerkriegsähnlichen Situation in Kurdengebieten - von der Türkei aufgrund der allgemeinen Erfahrung, deren Rechtslage und Rechtsanwendung nicht anzunehmen ist, daß in diesem Staat IN DER REGEL die begründete Gefahr einer Verfolgung aus den im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen bestehe. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang in seiner Erstvernehmung aufgezählten Beeinträchtigungen sind nicht geeignet, die Annahme einer allgemeinen ASYLRELEVANTEN Verfolgung aller Kurden in der Türkei im Sinne des § 17 Abs. 4 Z. 1 Asylgesetz 1991 als vorliegend erscheinen zu lassen. Da ein Asylantrag nur dann bei Zutreffen der in § 17 Abs. 4 Z. 1 Asylgesetz 1991 enthaltenen Voraussetzungen als offensichtlich begründet anzusehen ist, SOFERN SICH AUS DER ERSTVERNEHMUNG NICHT ANDERES ERGIBT, scheitert dieser Einwand des Beschwerdeführers schon aufgrund seiner Angaben bei seiner Erstvernehmung.

Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde erstmalig behauptet, ihm drohe wegen Verweigerung "zur Ablegung" des Militärdienstes die Todesstrafe (im Verwaltungsverfahren behauptete er eine drohende Strafe von drei Monaten) sowie - ohne nähere Ausführungen - eine "strafgerichtliche Verfolgung", ist er auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG zu verweisen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides zur inländischen Fluchtalternative.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200361.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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