TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/20 W252 2236355-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2021
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Entscheidungsdatum

20.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
DSG §1
DSGVO Art21
DSGVO Art6 Abs1 litf
EMRK Art10
GRC Art11

Spruch


W252 2236355-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Dr. Claudia ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag. Adriana MANDL als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX , mitbeteiligte Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht XXXX GmbH, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte, Rechtsanwälte in 1010, gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 08.09.2020, GZ XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung in einer datenschutzrechtlichen Angelegenheit zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Eingabe vom 09.01.2020, verbessert am 12.03.2020, erhob der Beschwerdeführer (BF) Beschwerde an die belangte Behörde und brachte zusammengefasst vor, die Mitbeteiligte, die XXXX , habe ihn in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem sie seine Daten (Name, Titel, Beruf, Arbeitsort, ect.) in der App „ XXXX “ zur Abgabe von Bewertungen veröffentlicht und nicht rechtmäßig verarbeitet habe. Dies sei ohne Einwilligung geschehen. Ende 2019 habe der BF bereits Anfragen an die Mitbeteiligte gestellt. Er sei seit rund 20 Jahren Lehrer, ein öffentliches Interesse an seiner Person, oder seiner Bewertung gebe es nicht, schon gar nicht weltweit. Er habe kaum Besucher in seiner Sprechstunde und auch am Elternsprechtag würden höchstens 3 Personen zu ihm kommen. Der BF unterrichte derzeit rund 70 Schüler an einer Schule mit in etwa 1000 Schülern. All dies werde in der App nicht berücksichtigt. Es ergebe keinen Sinn die Wahl der Schule zukünftiger Schüler von der anonymen Bewertung seiner Person abhängig zu machen. Nicht einmal derzeitige Schüler haben Einfluss darauf, welche Lehrer sie bekommen. Die von der Mitbeteiligten getroffenen Maßnahmen zur Risikominimierung seien unzureichend, da es zu Mehrfachbewertungen kommen könne. Auch sei es möglich, dass schlechte Bewertungen berufliche Konsequenzen haben. Woher die Mitbeteiligte seine Daten habe, wisse er nicht, die angegebene Quelle sei jedenfalls unrichtig. Eine Verwendung von schulinternen Kürzeln statt der vollständigen Namen sei außerdem ausreichend für die Bewertungsabgabe. Seine Bewertung in der App sei sehr gut, sodass dies nicht das Motiv seiner Datenschutzbeschwerde sei.

2. Mit Stellungnahme vom 14.05.2020 brachte die Mitbeteiligte vor, die Datenverarbeitung sei von der belangten Behörde in einem amtswegigen Prüfverfahren zu GZ XXXX bereits auf Rechtmäßigkeit und Zulässigkeit geprüft worden. Dieses sei ohne Erteilung von Auflagen eingestellt worden. Die Verarbeitung der Daten erfolge aufgrund der überwiegenden berechtigten Interessen der Schüler und überwiege dem Interesse der betroffenen Lehrer auf Geheimhaltung. Seit dem Prüfverfahren habe es keine relevanten Änderungen gegeben. Nur das Verifizierungsverfahren sei verbessert worden. Die Allgemeinheit habe ein Interesse an Transparenz im Bildungsbereich, der Verbesserung der Qualität im Unterricht und außerdem erfolge die Bewertung in Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und Information nach Art 11 EU-GRC. Eine bloße Nennung des Kurzzeichens des Lehrers sei mit dem Grundrecht nicht vereinbar und die Maßnahmen zur Verhinderung von Mehrfachbewertungen ausreichend. Die Daten des BF habe man von der Website der Schule in Erfahrung gebracht, wo die Daten des BF noch heute aufscheinen. Die Bewertung beziehe sich auf die beruflichen und nicht die privaten Tätigkeiten des BF, wodurch er in diesem Bereich kein Recht auf Anonymität habe. Das Grundrecht des BF auf Geheimhaltung sei daher nicht verletzt.

3. Mit Parteiengehör vom 03.06.2020 wiederholte der BF sein ursprüngliches Vorbringen und gab zusätzlich an, dass die Bewertung als virtueller Pranger fungiere. An der Schule gebe es bereits ein etabliertes Feedback System, sodass die App überflüssig sei. Der Schutz vor Mehrfachbewertungen über die Telefonnummer sei unzureichend, zumal es in Österreich 14 Mio. SIM-Karten auf 4 Mio. Haushalte gebe. Auch Geoblocking sei technisch möglich um einen Zugriff auf die App nur aus Österreich zuzulassen. Die Art der Schreibweise des Namens des BF werde in dieser Form nur von der Bildungsdirektion verwendet, scheine aber auf der Schulwebsite, der angeblichen Quelle der Daten, in einer anderen Schreibweise auf. Die Datenquelle müsse daher eine andere sein.

4. Mit Bescheid vom 08.09.2020 wies die belangte Behörde die Beschwerde bezüglich der Verletzung im Recht auf Geheimhaltung als unbegründet ab. Die belangte Behörde schilderte im Bescheid die Vorgeschichte der Mitbeteiligten und die Funktionsweise der App. Die berechtigten Interessen der Allgemeinheit und ganz besonders der Schüler seien höher zu werten, als jene der betroffenen Lehrer. Die eingerichteten Mechanismen gegen missbräuchliche Verwendung seien ausreichend, da eine Verifizierung mit einer Telefonnummer erfolge, keine offenen Kommentare möglich seien sowie die Bewertung erst ab einer gewissen Mindestzahl angezeigt werde. Die Verarbeitung diene auch der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information nach Art 11 GRC. Die Daten des BF seien im Ergebnis rechtmäßig verarbeitet worden.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde des BF vom 11.10.2020. In dieser wiederholt der BF sein Vorbringen und führt dazu aus, dass seine Namensnennung keinen Mehrwert bringe und ein Kürzel ausreichend sei. Die Authentifizierung per Telefonnummer sei unzureichend und die Nutzung der Schul-Emailadresse besser geeignet, obwohl Schüler selbst dann alle Lehrer ihrer Schule bewerten könnten, obwohl sie 2/3 davon nie im Unterricht haben. Außerdem bestreitet er abermals die von der Mitbeteiligten angegebene Herkunft seiner Daten.

6. Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts mit Schriftsatz vom 16.10.2020, hg eingelangt am 27.10.2020, vor und beantragte unter Verweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheids die Beschwerde abzuweisen.

Beweise wurden erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Der folgende Sachverhalt steht fest:

1.1. Der BF ist Lehrer in der XXXX . Die Mitbeteiligte betreibt die App „ XXXX “, eine Applikation für Smartphones auf der sowohl Schulen als auch die einzelnen Lehrpersonen bewertet werden können. Der BF scheint in der App mit seinem Namen, akademischen Grad, Amtstitel, Beruf und der zugehörigen Schule auf.

Das schulinterne Kürzel des BF ist „ XXXX “.

1.2. Die Funktionsweise der App stellt sich wie folgt dar:

1.2.1. Um eine Bewertung abgeben zu können müssen sich Nutzer der App mit der Telefonnummer verifizieren. Die Telefonnummer muss in der App eingegeben werden, dann erhält der Nutzer eine Nachricht auf sein Mobiltelefon, auf die er von der eingegebenen Nummer antworten muss. Wenn man dies tut, und Nutzer und Gerät übereinstimmen ist die Verifizierung abgeschlossen. Pro Telefonnummer ist nur eine Verifizierung möglich.

1.2.2. Bevor eine Bewertung abgegeben werden kann, muss angegeben werden, welche Schule besucht wird. Es können anschließend nur die Lehrkräfte der eigenen Schule bewertet werden. Bei einem Schulwechsel muss die Schule in der App geändert werden und alle Bewertungen der alten Schule werden gelöscht. Eine Lehrperson kann jeweils nur einmal pro verifiziertem Nutzer bewertet werden. Eine nachträgliche Änderung der Bewertung ist möglich. Die Bewertungen werden erst ab einer bestimmten Mindestzahl, von derzeit 5 und künftig 10-15 Bewertungen, öffentlich angezeigt. Sollte die Zahl der Mindestbewertungen nachträglich unterschritten werden, wird die Bewertung nicht mehr öffentlich angezeigt, bis die Mindestanzahl wieder erreicht ist.

1.2.3. Die Bewertung der Lehrpersonen, so auch des BF, ist anhand von vordefinierten Kriterien wie Unterricht, Respekt, Geduld, Erklärungsstil, Persönlichkeit, Fairness, Motivation und Organisation möglich. Diese Kriterien sind näher erläutert und ist bei manchen auch eine Begründung der Bewertung anhand von vordefinierten Auswahlmöglichkeiten, wie Abwechslung, Unterlagen, Erklärungen und Sonstiges möglich. Die Möglichkeit offene Kommentare zu verfassen ist nicht möglich. Die Bewertung erfolgt anhand einer Sternenskala von eins bis fünf, wobei ein Stern für „Nicht genügend“ und fünf Sterne für „Sehr gut“ stehen. Die Bewertung erfolgt anonym, eine Rückverfolgung ist jedoch für die Mitbeteiligte anhand der Telefonnummer, die zur Verifizierung erforderlich ist, möglich.

1.2.4. Es besteht die Möglichkeit für Betroffene eine auffällige Gesamtbewertung zu melden und überprüfen zu lassen. Auch eine Änderung der Daten, beispielsweise des Arbeitsorts, ist möglich.

1.2.5. In der App werden sowohl öffentliche als auch private AHS, BHS und neue Mittelschulen erfasst. Volksschulen, Sonderschulen und deren Lehrer sind in der App nicht gelistet.

1.3. Die Bescheidbeschwerde des BF ist nicht eindeutig als solche bezeichnet. Sie lautet auszugsweise wie folgt:
„An die

Österreichische Datenschutzbehörde […]     XXXX , 11. Oktober 2020

Beschwerdeverfahren XXXX
XXXX Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei meine Stellungnahme/Erwiderung zu den im Schreiben vom 14. September 2020 von Seiten der XXXX GmbH gemachten Angaben: In dem o.g. Schreiben wird die Vorgehensweise der XXXX GmbH sehr detailgetreu dargestellt, jedoch ohne auf die wesentliche [sic!] Beschwerdepunkte meinerseits näher einzugehen oder diese zu entkräften. […]“

Anschließend Folgen Ausführungen zu den Themenbereichen „Namentliche Nennung“, „Herkunft meiner Daten“ und „mangelhafte Authentifizierung“.

2. Die Feststellungen ergeben sich aus der folgenden Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf dem unbedenklichen Verwaltungsakt, sowie dem unstrittigen Vorbringen der Parteien und den vorgelegten Unterlagen.

3. Rechtlich folgt daraus:

Eingangs ist festzuhalten, dass „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht nur jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0134; ua). Die Sache des Verwaltungsverfahrens begrenzt daher jedenfalls die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nur über die Verletzung des Rechtes auf Geheimhaltung des BF in Bezug auf die Verarbeitung seiner Daten abgesprochen. Es ist dem Bundesverwaltungsgericht daher bei sonstiger Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/11/0044) jedenfalls verwehrt darüber abzusprechen, ob die von der Mitbeteiligten an den BF erteilte Auskunft bezüglich der Herkunft der Daten ausreichend ist, oder ob der BF dadurch in seinem Recht auf Auskunft nach Art 15 DSGVO – soweit von ihm jedenfalls vorgebracht – verletzt ist. Diesbezüglich ist der BF an die belangte Behörde zu verweisen.

Zu A)

Die zulässige Beschwerde ist nicht berechtigt.

3.1. Zur Qualifizierung des Schreibens als Beschwerde:

Die Bescheidbeschwerde des BF ist nicht als solche bezeichnet, sondern bloß als „Stellungnahme/Erwiderung zu den im Schreiben vom 14. September 2020 gemachten Angaben“. Dennoch sind die Anforderungen an eine Bescheidbeschwerde gemäß § 9 Abs 1 VwGVG erfüllt, da mit dem „Schreiben vom 14. September 2020“ ohne Zweifel der Bescheid der belangten Behörde gemeint ist, auch weil er in dem Zusammenhang die Geschäftszahl der Belangten Behörde nennt. Die belangte Behörde ist durch die Adressierung und Nennung der Geschäftszahl eindeutig erkennbar. Die Gründe auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt lassen sich aus den Ausführungen zu den Themenbereichen „Namentliche Nennung“, „Herkunft meiner Daten“ und „mangelhafte Authentifizierung“ erkennen.

Ein Begehren oder Angaben bezüglich der Rechtzeitigkeit fehlen zwar gänzlich, dennoch ist gerade bei Unvertretenen nicht bloß der Wortlaut, sondern auch der Parteiwille beachtlich. Die Voraussetzungen dürfen nicht streng formal interpretiert werden, solange der Gegenstand des Verfahrens - wenn auch nach Auslegung des Vorbringens iSd §§ 6 und 7 ABGB und unter Berücksichtigung angeschlossener Urkunden - zweifelsfrei, also ohne Möglichkeit einer Verwechslung, zu erkennen ist (VwGH 13.11.2014, Ra2014/12/0010). Dem Schreiben des BF ist somit zu entnehmen, dass er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verarbeitung seiner Daten durch die Mitbeteiligte aufgrund einer Verletzung in seinem Recht auf Geheimhaltung nach § 1 DSG begehrt.

Aus den Datumsangaben im Schreiben des BF lässt sich die Rechtzeitigkeit der Bescheidbeschwerde beurteilen.

Das Schreiben des BF ist somit als Bescheidbeschwerde zu qualifizieren.

3.2. Zur Berechtigung der Beschwerde

Die Mitbeteiligte hat den Namen, Titel und die Schule, in der der BF tätig ist, in der App veröffentlicht. Der BF sah sich dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt.

Gemäß § 1 Abs 1 DSG hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

Da der Name und Titel des BF auf der Website der Schule öffentlich zugänglich ist, wären die veröffentlichten Daten des BF aufgrund der allgemeinen Verfügbarkeit, nicht mehr vom Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 DSG erfasst. Dieser schließt ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse bei allgemeiner Verfügbarkeit der Informationen aus (VwGH am 28.02.2018, Ra 2015/04/0087; obwohl in dieser Entscheidung vielmehr der Anwendungsbereich des § 1 DSG 2000 im Zusammenhang mit automationsunterstützt verarbeiteten Daten erörtert wird). Zwar kann jede Person mit Internetzugang auf die Website zugreifen, jedoch sind die Kriterien der allgemeinen Verfügbarkeit nicht erfüllt. Denn durch die Verknüpfung der Daten des BF mit den Bewertungen in der App liegt keine bloße Reproduktion vor, sondern werden damit neue Informationen generiert. Eine mangelnde Schutzwürdigkeit im Sinne des § 1 Abs 1 DSG kann daher nicht angenommen werden (RS0130870).

3.2.1. Zur Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung der Daten des BF in der App

Art 6 Abs 1 DSGVO enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach die Datenverarbeitung rechtmäßig ist.

Gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Der EuGH hat ein Prüfschema entwickelt, wonach die Verarbeitung personenbezogener Daten unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig ist (EuGH 11.12.2019, C-708/18 [Asociatia de Proprietari bloc M5A-ScaraA] Rz 40). Damit die Verarbeitung zulässig ist, muss ein berechtigtes Interesse vorliegen, die Verarbeitung erforderlich sein, und die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person dürfen nicht überwiegen. Hierzu ist eine Interessensabwägung durchzuführen (Jahnel, Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Art 6 Rz 71; RS0107203).

Das berechtigte Interesse ist hier das von Dritten, nämlich das Interesse der Öffentlichkeit an mehr Transparenz im Bildungsbereich und der Verbesserung der Qualität von Ausbildung und Unterricht. Es dient auch der Ausübung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit nach Art 11 GRC und Art 10 EMRK. Dieses berechtigte Interesse haben zwar insbesondere die Schülerinnen und Schüler der jeweiligen Schulen, jedoch auch deren Eltern, oder die Schulen selbst. Eltern und Kinder, die sich nach einer neuen bzw zukünftigen Schule umsehen, haben ein berechtigtes Interesse an der Qualität der dortigen Ausbildung und der Bewertung der Unterrichtsqualität der einzelnen Lehrpersonen. Die einzelnen Schulen haben ein Interesse an der Bewertung der Schule und der einzelnen Lehrpersonen um etwaige Missstände beheben zu können und bestehende, gut ankommende Projekte weiterzuführen. Da das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen umfasst (VfGH 08.10.2015, G264/2015), ist die Bewertung von Lehrern über eine App im Schulnotenformat (1-5 Sterne) jedenfalls eine Meinungskundgabe und daher ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO.

Die Verarbeitung der Daten des BF muss auch erforderlich sein um die berechtigten Interessen der Allgemeinheit und insbesondere der Schülerinnen und Schüler zu erfüllen. Verarbeitet werden hier konkret der Name, Titel und Berufsort des BF gemeinsam mit den zu ihm abgegebenen Bewertungen. Diese Verarbeitung ist erforderlich, um das Interesse an der Bewertung der Unterrichtsqualität und das oben genannte Interesse auf freie Meinungsäußerung zu erfüllen. Eine bloße Nennung des Kürzels des BF „ XXXX “ wäre hierzu nicht ausreichend. Es mag zwar richtig sein, dass sich die App hinsichtlich der Abgabe von Bewertungen primär an die Schüler der jeweiligen Schule richtet, jedoch besteht das öffentliche Interesse an der Einsicht in die Bewertungen über die Besucher der jeweiligen Schule hinaus. Eltern zukünftiger Schüler haben ein Interesse an der Bewertung der Schule und der einzelnen Lehrpersonen, um schlussendlich die passendste Schule auszuwählen. Dem BF ist nicht beizupflichten, wenn er meint, dass Schüler keinerlei Einfluss auf die Lehrerwahl haben. Gerade bei kleineren Schulen gibt es oft nur eine neue Klasse, deren Lehrer bereits im Rahmen der Anmeldung bekannt sind. Doch selbst bei größeren Schulen, wie der des BF besteht die Möglichkeit im Rahmen von Wahlfächern, Freifächern und Projektarbeiten sich einzelne Lehrpersonen auszusuchen. Es erscheint auch nicht glaubwürdig, wenn der BF meint, dass jeder der 1000 Schüler jedes Kürzel eines jeden Lehrers sofort zuordnen kann. Und wenn dies nicht einmal sämtlichen schulinternen Personen möglich ist, dann erst recht nicht künftigen Schulkindern, oder Angehörigen. Die Verarbeitung der Daten des BF ist daher für den Verwendungszweck jedenfalls objektiv angemessen und für den Zweck auch erheblich. Die Datenverarbeitung ist auch auf das für den Zweck der Bewertung notwendige Maß beschränkt und somit im Ergebnis erforderlich (Jahnel, Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Art 6 Rz 76).

Nicht außer Acht gelassen werden dürfen jedoch die Interessen und Grundrechte des BF. Dieser hat ein Interesse nicht öffentlich mit seinem vollen Namen auf einer Bewertungsplattform für Lehrpersonen aufzuscheinen und an einen virtuellen Pranger gestellt zu werden. Er hat auch kein Interesse an einem öffentlichen Feedback, zumal er die schulintern etablierte Feedbackkultur bevorzugt. Generell lässt sich dies auf ein Interesse auf Geheimhaltung im Sinne des § 1 Abs 1 DSG zusammenfassen. Eine Verletzung der Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK kommt nicht in Frage, da die Bewertung des BF in der App ausschließlich die berufliche Sphäre seines Lebens betrifft. Eine Gefahr, dass auch Bereiche des Privatlebens des BF durch Bewertungen in der App öffentlich gemacht werden, oder dass persönliche Angriffe in Form von Hasskommentaren getätigt werden besteht nicht. Die Bewertung ist ausschließlich anhand der vordefinierten Kriterien, welche rein im beruflichen Zusammenhang stehen, möglich. Die Option eine Bewertung oder Meinung in Form eines Freitextes kundzutun besteht nicht.

Führt man nun eine Interessensabwägung durch, so sind zuallererst die Interessen zu gewichten. Das Interesse der Schüler, Eltern, Angehörigen und der Bevölkerung an einer Qualitätsverbesserung und Transparenzsteigerung im Unterricht sowie das Interesse der Schüler ihre Meinung über die Unterrichtsqualität kundzutun ist als sehr hoch einzustufen. Die Möglichkeit eines jeden Schülers die Schulen, wie auch deren Lehrpersonen individuell zu bewerten schafft die Möglichkeit für Schüler positiv ankommende Lehrmethoden der einzelnen Lehrer zu loben, aber auch Missstände und Kritikpunkte aufzuzeigen. Das Interesse des BF auf Geheimhaltung seiner Daten ist dahingegen als gering einzuschätzen, insbesondere da es nur seine berufliche- und nicht seine Privatsphäre betrifft. Der Eingriff in die Interessen des BF ist außerdem gering, da keine Freitextbewertungen möglich sind und eine Bewertungen nur durch die Schüler der jeweiligen Schule erfolgen kann. Nach dem ErwGr 47 DSGVO ist auch die vernünftige Erwartungshaltung des Betroffenen im Zeitpunkt der Verarbeitung abzustellen. Zwar richtet sich der Erwägungsgrund primär auf das Verhältnis zwischen Betroffenem und Verarbeiter, jedoch ist es nach Meinung des erkennenden Gerichts auch auf diesen Fall anzuwenden. Der BF praktiziert laut eigenen Angaben das schulintern etablierte Feedbacksystem und ist in zahlreichen seiner Tätigkeiten seit fast 30 Jahren in der Privatwirtschaft, an Universitäten und auch an der Schule mit positiver als auch negativer Kritik konfrontiert. Es ist somit eindeutig, dass der BF im Rahmen seiner Tätigkeit an der Schule jedenfalls mit einem Feedback zu seiner Unterrichtsqualität gerechnet hat. Es war die Verarbeitung durch die Mitbeteiligte in Form der allgemein zugänglichen App zwar für anfangs für ihn neu, nicht jedoch das grundsätzliche Bestehen von Rückmeldung zu seiner beruflichen Tätigkeit. Es überwiegen somit jedenfalls die Interessen der Schüler und der Allgemeinheit jenen des BF, womit die Verarbeitung seiner Daten durch die Mitbeteiligte zulässig im Sinne es Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ist.

Die berechtigten Interessen von Dritten, hier der Schüler und der Allgemeinheit, überwiegen jenen des BF, womit auch die Anforderungen des § 1 Abs 2 DSG erfüllt sind.

Die Verarbeitung der Daten des BF durch die Mitbeteiligte war daher rechtmäßig.

3.2.2. Zum Schutz vor Falsch- oder Mehrfachbewertungen

Der BF führt das sogenannte Geoblocking als Möglichkeit zur Einschränkung des örtlichen Zugriffs auf die in der App veröffentlichten Daten an. Wie er jedoch selbst schreibt wurde diese Praxis mit Inkrafttreten der Geoblocking-Verordnung [VO (EU) 2018/302] am 03.12.2018 weitgehendst verboten und ist daher weder geeignet noch zulässig.

Wenn der BF ausführt, dass der Schutz vor Mehrfachbewertungen nicht ausreichend gegeben ist, da es in Österreich mehr Telefonnummern als Einwohner gibt und sich auch virtuelle Telefonnummern zur Verifizierung in der App generieren lassen, so ist diesbezüglich auszuführen, dass der Schutz der Daten dennoch angemessen gewährleistet ist. Generell ist das Risiko einer ausufernden Mehrfachbewertung durch die generelle Beschränkung auf eine Bewertung pro Lehrperson und Telefonnummer grundsätzlich gering. Es mag wahr sein, dass die Möglichkeit besteht, dass eine Person mithilfe von verschiedenen Telefonnummern mehrere Accounts erstellt, um so mehrere Bewertungen abgeben zu können, jedoch ist dieses Risiko gering, da dies umständlich und äußerst aufwendig wäre.

Bewertungen werden außerdem erst ab einer Mindestanzahl angezeigt, womit einzelne falsche Bewertungen nicht ins Gewicht fallen. Derzeit liegt die Mindestanzahl bei 5 Bewertungen künftig ist eine Mindestanzahl von 10-15 Bewertungen pro Lehrperson vorgesehen. Zusätzlich hat jede Lehrperson die Möglichkeit über einen Button „Änderung melden“ die Bewertung einer Kontrolle durch die Mitbeteiligte zu unterziehen, welche dann etwaige missbräuchliche Mehrfachbewertungen löschen kann.

3.2.3. Zu einem Widerspruch des BF nach Art 21 DSGVO

Gemäß Art 21 Abs 1 DSGVO hat jede betroffene Person das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben e oder f erfolgt, Widerspruch einzulegen.

Einen Widerspruch hat der BF mit seiner Datenschutzbeschwerde vom 09.01.2020 bzw 12.03.2020 – wenn auch nicht ausdrücklich als solchen bezeichnet – erkennbar ausgesprochen. Gründe, die sich aus der besonderen Situation des BF ergeben, hat er jedoch nicht angeführt. Seine Ausführungen sind zum Teil allgemein gehalten und auf die gesamte Lehrerschaft abzielend. Wenn er Angaben speziell zu seiner Person und seiner Situation macht, indem er sein schulinternes Kürzel nennt, oder seinen Zugang zu Feedback mit Schülern schildert, dann sind diese kein Alleinstellungsmerkmal, sondern treffen in dieser Form wohl auf beinahe alle Lehrer zu. Eine besondere Situation, die einen Widerspruch nach Art 21 DSGVO rechtfertigen würde, liegt daher nicht vor.

3.3. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und konnte auch entfallen, da der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits von der Verwaltungsbehörde vollständig und in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. In der Beschwerde wurde auch kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender bzw darüberhinausgehender relevanter Sachverhalt behauptet (VwGH am 24.02.2015, Ra 2014/19/0171). Das Vorbringen des BF in der Bescheidbeschwerde war vielmehr als bloß unsubstantiiertes Bestreiten zu qualifizieren. Großteils wiederholte sich der BF in seinem Vorbringen und war dieses streckenweise sogar wortgleich mit dem vor der belangten Behörde (VwGH am 27.05.2015, Ra 2015/18/0021). Insbesondere die Ausführungen des BF zu den von ihm genannten Themenbereichen der Namensnennung, der Datenherkunft und der mangelhaften Authentifizierung decken sich mit dem Vorbringen bei der Behörde.

3.4. Der Beschwerde kommt daher insgesamt keine Berechtigung zu. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und Einzelfallcharakter trägt. Auch sonstige Hinweise für das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor: Die Rechtslage ist hinsichtlich der Datenschutzrechtlichen Einordnung von Bewertungsportalen eindeutig. Die durchgeführte Interessensabwägung ist als im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien vorgenommene Einzelfallentscheidung nicht reversibel.

Gerade im Hinblick auf die Entscheidung des OGH (OGH 27.06.2016, 6Ob48/16a), in der eine ähnliche Fallkonstellation hinsichtlich der Interessensabwägung vorlag und dieser die Interessen der Allgemeinheit an einer Bewertungsplattform als überwiegend ansah, weicht dieses Erkenntnis nicht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab. Selbst wenn diese Rechtsprechung nicht vom VwGH sondern vom OGH stammt, so begründet dies noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wenn eine solche nicht einmal bei widersprechender Judikatur vorliegt (VwGH 27.05.2019, Ra 2017/12/0047).

Schlagworte

berechtigtes Interesse Beschwerdeinhalt Bewertung Bewertungskriterien Datenschutz Datenschutzbeschwerde Datenschutzverfahren Datenverarbeitung Datenverarbeitungszweck Erforderlichkeit Geheimhaltung Interessenabwägung Lehrer Meinungsfreiheit personenbezogene Daten Rechtmäßigkeit Schule Transparenz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W252.2236355.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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