TE Bvwg Beschluss 2021/8/6 I413 1406005-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2021
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Entscheidungsdatum

06.08.2021

Norm

AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs2
AsylG-DV 2005 §8 Abs1
AVG §58 Abs2
AVG §60
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §46a Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I413 1406005-4/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, alias Sudan, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Max KAPFERER, Dr. Thomas LECHNER, Dr. Martin DELLASEGA, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol vom 15.06.2021, Zl. XXXX , beschlossen:

A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung einer neuen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste mit verfälschtem, auf XXXX , geb. XXXX , StA Ghana, lautendem Reisedokument illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 30.08.2008 unter der Identität XXXX , geb. XXXX , StA Sudan, einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Erstattung eines medizinischen Gutachtens zur Feststellung des Alters des Beschwerdeführers – in dessen Zuge seine Volljährigkeit festgestellt wurde – sowie Durchführung einer Sprach- und Herkunftsanalyse der Skandinavisk SPRÅKANALYS AB – welche zum Ergebnis führte, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus Nigeria stamme – wies das [damals] Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 03.04.2009, Zl. XXXX , ab und sprach seine Ausweisung in den Sudan aus. Dagegen erhob das Land Tirol, Abteilung Jugendwohlfahrt, als gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers Beschwerde an das [damals] Bundesasylamt, welche am 22.04.2009 dem [damals] Asylgerichtshof vorgelegt wurde.

2.       Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 27.05.2009 zu XXXX Hv XXXX , rechtskräftig mit 02.06.2009, wurde der Beschwerdeführer wegen § 223 Abs 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

3.       Das vor dem [damals] Asylgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren wurde gemäß § 75 Abs 19 AsylG ab dem 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende geführt. Dieses hob mit Beschluss vom 28.01.2014, GZ I403 1406005-1/5E, den Bescheid vom 03.04.2009 auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides unter Durchführung eines neuen, ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens an das [nunmehr] Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) zurück.

4.       Am 17.04.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 AsylG. Mit Bescheid vom 21.01.2015, Zl. XXXX , wurde dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen, was die belangte Behörde mit dem noch offenen Asylverfahren des Beschwerdeführers begründete, zumal sich der Beschwerdeführer ohnedies aufgrund der Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG rechtmäßig in Österreich aufhalte.

5.       Mit Bescheid vom 18.05.2016, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.08.2008 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Satz), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Satz) und stellte die Zulässigkeit seine Abschiebung nach Nigeria fest (Spruchpunkt III., dritter Satz). Ihm wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde – nach Einholung eines linguistischen Gutachtens, welches zum Schluss führte, dass der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Hauptsozialisierung in Nigeria erfahren hat – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2018, GZ I413 1406005-2/25E, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der 1. Satz des Spruchpunktes III. zu lauten hatte: "Eine Aufenthaltsbewilligung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird XXXX nicht erteilt." Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

6.       In der Folge beantragte die belangte Behörde bei der nigerianischen Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates, wozu der Beschwerdeführer am 10.05.2019 bei der Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde vorstellig wurde. Mit Schreiben vom 26.03.2010 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, insbesondere in Hinblick auf dessen Privat- und Familienleben. Im Zuge seiner abgegebenen Stellungnahme teilte der Beschwerdeführer mit, nicht nigerianischer Staatsangehöriger zu sein.

7.       Mit Bescheid des BFA vom 10.05.2019, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gegen ihn ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunk IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.07.2019, GZ I414 1406005-3/3E, als unbegründet abgewiesen. Eine gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erfuhr mit Beschluss desselben vom 11.12.2019 zu E 4389/2019-5 unter Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ihre Ablehnung.

8.       Am 24.09.2020 stellte der Beschwerdeführer persönlich vor der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG. Begründend führte er aus, er habe vor der nigerianischen Botschaft beim Erhalt von Dokumenten mitgewirkt, jedoch seien seine Versuche erfolglos geblieben und habe die nigerianische Delegation auch festgestellt, dass es sich bei ihn um keinen nigerianischen Staatsangerhörigen handle. Auch bei der Identifizierung und Erlangung eines sudanesischen Heimreisezertifikates in der sudanesischen Botschaft habe er mitgewirkt, doch habe er auch dabei keinen Erfolg gehabt. Neben der Beantragung der Ausstellung einer Karte für Geduldete nach § 46a Abs 1 Z 3 FPG beantragte der Beschwerdeführer zudem, die Heilung des Mangels von Personaldokumenten gemäß § 4 Abs 1 Z 2 AsylG-DV zuzulassen.

9.       Einlangend bei der belangten Behörde mit 31.03.2021 erhob der Beschwerdeführer ob Verletzung der Entscheidungspflicht binnen drei Monaten eine Säumnisbeschwerde.

10.      Mit gegenständlichen Bescheid des BFA vom 15.06.2021, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vom 25.09.2020 abgewiesen, wobei begründend ausgeführt wurde, es hätten keine außerhalb der Sphäre des Beschwerdeführers liegenden Gründe festgestellt werden können, die seine Abschiebung aus dem Bundesgebiet unmöglich erscheinen ließen.

11.      Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, wobei eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit moniert wurden. Der Beschwerdeführer sei zumindest dreimal in der nigerianischen Botschaft gewesen und habe keine Dokumente erhalten, auch sei er der Vorladung der belangten Behörde im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht zur nigerianischen Delegation zur Identifizierung nachgekommen. Dabei habe nicht festgestellt werden können, dass es sich bei ihm um einen nigerianischen Staatsangehörigen handle. Auch habe er nicht von der sudanesischen Delegation identifiziert werden können. Sämtliche im Verfahren hervorgekommenen Beweismittel würden das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht widerlegen, sondern sogar unterstützen.

12.      Mit Schriftsatz vom 13.07.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 16.07.2021, legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt samt der Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers und zum bisherigen Verfahren:

Der volljährige Beschwerdeführer stammt aus dem Herkunftsstaat Nigeria, wo er hauptsozialisiert wurde und über dessen Staatsangehörigkeit er verfügt. Er weist Sprachkenntnisse im Pidgin-Englischen auf. Seine Identität steht nicht fest. Er ist in Innsbruck wohnhaft.

Er reiste unter Verwendung eines verfälschten, auf XXXX , geb. XXXX , StA Ghana, lautenden Reisedokuments illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 30.08.2008 unter der Identität XXXX , geb. XXXX , StA Sudan, einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 03.04.2009, Zl. XXXX , wies das [damals] Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers vom 30.08.2008 – nach Erstattung eines medizinischen Gutachtens zur Altersfeststellung mit dem Ergebnis der Volljährigkeit sowie Durchführung einer Sprach- und Herkunftsanalyse der Skandinavisk SPRÅKANALYS AB, welche zum Ergebnis führte, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus Nigeria stamme – auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten ab und wies den Beschwerdeführer in den Sudan aus. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.01.2014, GZ I403 1406005-1/5E, wurde der Bescheid vom 03.04.2009 aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides unter Durchführung eines neuen, ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens an das BFA zurückverwiesen.

Am 17.04.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 AsylG. Mit Bescheid des BFA vom 21.01.2015, Zl. XXXX , wurde dieser Antrag in Anbetracht des noch offenen Asylverfahrens als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.05.2016, Zl. XXXX , wies diese den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.08.2008 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründe, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte die Zulässigkeit seine Abschiebung nach Nigeria fest. Ihm wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde – nach Einholung eines linguistischen Gutachtens, welches zum Schluss führte, dass der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Hauptsozialisierung in Nigeria erfahren hat – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2018, GZ I413 1406005-2/25E, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der 1. Satz des Spruchpunktes III. zu lauten hatte: "Eine Aufenthaltsbewilligung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird XXXX nicht erteilt." Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid des BFA vom 10.05.2019, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist und gegen ihn ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.07.2019, GZ I414 1406005-3/3E, als unbegründet abgewiesen. Eine gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erfuhr mit Beschluss desselben vom 11.12.2019 zu E 4389/2019-5 ihre Ablehnung unter Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Ungeachtet zweier rechtkräftiger Entscheidungen leistete der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt seiner Verpflichtung zur Ausreise Folge, sondern verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.

Am 24.09.2020 stellte er persönlich vor dem BFA einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG. Zudem beantragte er, gemäß § 4 Abs 1 Z 2 AsylG-DV die Heilung des Mangels von Personaldokumenten zuzulassen, um das schützenswerte Familien- und Privatleben iSd Art 8 EMRK aufrecht zu erhalten.

Nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete abgewiesen, ohne über den Antrag auf Heilung des Mangels von Personaldokumenten gemäß § 4 Abs 1 Z 2 AsylG-DV abzusprechen.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1.    Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes samt Vorakte.

2.2.    Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des Antrages auf Ausstellung einer Duldungskarte samt schriftlicher Stellungnahme (AS 1 ff) und Säumnisbeschwerde (AS 43), in den bekämpften Bescheid (AS 63 ff) und in den Beschwerdeschriftsatz (AS 103 ff) sowie in die Vorakte. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister sowie dem Zentralen Fremdenregister wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.3.    Zur Person des Beschwerdeführers und zum bisherigen Verfahren:

Die Feststellungen zu Volljährigkeit, Herkunft, Staatsangehörigkeit, Hauptsozialisierung und Sprachkenntnissen basieren auf den gewonnenen Erkenntnissen der bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes zu GZ I413 1406005-2 (wobei hierbei bereits der erkennende Richter das Verfahren unter Bestellung eines linguistischen Sachverständigen und Abhaltung zweier mündlicher Verhandlungen geführt hat) und GZ I414 1406005-3 und den daraus resultierenden, rechtskräftigen Entscheidungen vom 21.12.2018 (GZ I413 1406005-2/25E) und 03.07.2019 (GZ I414 1406005-3/3E).

Wie bereits im Erkenntnis vom 21.12.2018, GZ I413 1406005-2/25E, umfassend ausgeführt, konnte durch das schlüssige, umfassende und vollständige Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen Dr. XXXX (Gutachten vom 20.09.2018) geklärt werden, dass der Beschwerdeführer aus Südnigeria stammt (Gutachten S 134) und eine Teilsozialisierung außerhalb Nigerias, insbesondere im Sudan, auszuschließen ist (Gutachten S 137). Dem Sachverständigen wurde seitens des Gerichts auch die 185 Minuten lange digitale Tonaufnahme von Skandinavisk SPRÅKANALYS AB, wobei die diesbezüglich Sprach- und Herkunftsanalyse dem Beschwerdeführer ebenfalls eine nigerianische Herkunft attestierte, als weitere Erkenntnisquelle zur Verfügung gestellt. Es bleibt an dieser Stelle neuerlich darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer jegliche Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität unterließ und vielmehr versuchte, seine Muttersprache bzw. seine Kenntnisse des Pidgin-Englischen offensichtlich zu verbergen, seine wahre Sprachkompetenz zu verschleiern sowie Annahmen zu seiner Sozialisierung zu erschweren – was der erkennende Richter im Zuge der beiden mündlichen Verhandlungen ebenso persönlich wahrzunehmen vermochte wie der nichtamtliche Sachverständige. Trotz dieser Verschleierungsversuche seiner wahren Herkunft durch unkooperatives Verhalten, der Veränderung seines Sprachrepertoires und der dialektalen Ausformung des von ihm gesprochenen Englischen hat das Sprachgutachten des Sachverständigen Dr. XXXX eindeutig ergeben, dass der Beschwerdeführer nigerianisches Englisch spricht. Daneben vermochte der Beschwerdeführer auch die an ihn gerichteten Fragen, die für einen im Sudan aufgewachsenen und dort hauptsozialisierten Menschen leicht zu beantworten gewesen wären, nicht richtig zu beantworten (Protokoll vom 20.01.2017, S 3 ff.), zudem verfügte er über keinerlei Arabischkenntnisse (Protokoll vom 20.01.2017, S 4). Die Sicherheit, mit der die Feststellung eines nigerianischen Hauptsozialisierungskontextes getroffen werden kann, ist zwar durch die bereits erwähnte mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers bei der Sprachaufnahme durch den Sachverständigen beeinträchtigt; dennoch ist die vorliegende Evidenz ausreichend, um die getroffenen Feststellungen zu begründen. Auch führt der Sachverständige nachvollziehbar und schlüssig an, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte andere Varietät des Englischen spreche. Im Ergebnis war dem Beschwerdeführer ob der zuvor dargelegten Erwägungen die Glaubwürdigkeit zu versagen und anzunehmen, dass er gezielt seine wahre Identität zu verschleiern und somit die Behörden über seine Herkunft zu täuschen versucht(e) – nicht zuletzt wurde der Beschwerdeführer sogar wegen Verfälschung eines Reisepasses (welcher der Identitätsfeststellung dienen soll) rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Das neuerliche Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge seiner gegenständlichen Antragstellung, wonach er sudanesischer Staatsangehöriger sei, vermag vor diesem Hintergrund seiner – nach wie vor gegebenen – Verschleierungsversuche in Zusammenschau mit dem schlüssigen, umfassenden und vollständigen Gutachten des Sachverständigen Dr. XXXX und dem im Zuge zweier Verhandlungen gewonnenen persönlichen Eindruck des erkennenden Richters, auf welchem in der Folge auch das rechtskräftige Erkenntnis vom 21.12.2018, GZ I413 1406005-2/25E, fußte, nicht zu überzeugen. In Hinblick auf das Beschwerdeargument, wonach die Sprachanalysen der Firma Sprakab mit besonderer Vorsicht zu würdigen seien, da die Firma über die Qualität ihrer Erstellung täuschen und es sich nur um eine Einschätzung von Laien handeln würde, bleibt festzuhalten, dass sich die Erwägungen des erkennenden Richters primär auf das Gutachten des linguistischen Sachverständigen Dr. XXXX stützten und die 185 Minuten lange digitale Tonaufnahme von Skandinavisk SPRÅKANALYS AB lediglich ergänzend im Zuge des Sachverständigengutachtens genutzt wurde, zumal sich der Beschwerdeführer – wie bereits ausgeführt – durch ein unkooperatives Verhalten unter Veränderung seines Sprachrepertoires auszeichnete.

In Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt ein entsprechendes Identitätsdokument in Vorlage gebracht hat, steht seine Identität nicht fest. Der Umstand, wonach er in Innsbruck wohnhaft ist, ist durch einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des Beschwerdeführers dokumentiert.

Die Feststellungen zum bisherigen Verfahren basieren auf den unstrittigen Akteninhalt, wobei auch ein Auszug aus dem Fremdenregister zur Person des Beschwerdeführers entsprechende Eintragungen aufweist. Dem unbedenklichen Akteninhalt bzw. auch dem Erkenntnis vom 03.07.2021 zu I414 1406005-3/3E war des Weiteren zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, wobei sich diese Tatsache im Übrigen auch durch seine (persönliche) Antragstellung vor der belangten Behörde am 24.09.2020 ergibt (AS 1 ff).

Die Feststellungen zum Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete samt dem Antrag auf Mängelheilung ergeben sich zweifelsfrei aus dem im vorgelegten Verwaltungsakt einliegenden Antrag des Beschwerdeführers (AS 1 ff). Der Umstand, wonach die belangte Behörde über den Antrag auf Heilung nicht entschieden hat, ergibt sich ebenso unzweifelhaft aus dem vorliegenden Verwaltungsakt bzw. dem darin befindlichen Bescheid vom 15.06.2021 (AS 63 ff).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

3.1.    Rechtslage:

Gemäß § 4 Abs 1 der AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

§ 8 AsylG-DV lautet auszugsweise:

"§ 8 (1) Folgende Urkunden und Nachweise sind - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs 2 und 3 - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde."

Der mit „Antragstellung und amtswegiges Verfahren“ betitelte § 58 Abs 11 Z 2 AsylG lautet:

„Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.“

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

[…]
Gemäß § 28 Abs 5 VwGVG sind die Behörden bei einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das Verwaltungsgericht verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Die Kassation und Zurückverweisung gem § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG setzt voraus, dass „die Behörde notwendige Ermittlungen unterlassen hat“ (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG, RZ 117 (Stand 15.2.2017, rdb.at) mit Hinweis auf VwGH 20.04.2016, Ra 2016/04/0008). Es gilt dazu festzuhalten, dass § 28 VwGVG prinzipiell einen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, wobei selbiges insbesondere darzulegen hat, in welcher Weise der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht und inwiefern allenfalls erforderliche Ergänzungen nicht vom Verwaltungsgericht selbst vorzunehmen wären (vgl. VwGH 19.06.2020, Ra 2019/06/0060 mit Hinweis auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063 und VwGH 17.06.2019, Ra 2018/22/0058 mwN). Schon anhand der ständigen Rechtsprechung zum prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht nach § 28 VwGVG ergibt sich unzweifelhaft, dass nicht jede einer Behörde unterlaufene Verletzung von Verfahrensvorschriften das Verwaltungsgericht zur Vorgangsweise nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG berechtigt (vgl. 05.02.2021, Ra 2018/19/0685 mit Hinweis auf VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314). Es kann nicht im Sinn der die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte regelnden Bestimmungen liegen, eine Entscheidung in der Sache selbst dadurch hintanzuhalten, dass die Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen iSd § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zurückverwiesen wird. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden, etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Des Weiteren hat der Verfassungsgerichtshof, so in seinem Erkenntnis vom 22.02.2013, Zl. B859/12, ausgesprochen, dass ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage vorliegt, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (mit Hinweis auf VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3.2.    Anwendung auf den gegenständlichen Beschwerdefall:

Fallgegenständlich hat der Beschwerdeführer neben seinem Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG auch einen Antrag auf Heilung des Mangels vom Erfordernis der Vorlage von Personaldokumenten gestellt. Es wird dabei nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer bis dato weder seinen Reisepass noch seine Geburtsurkunde vorgelegt hat und dies mit seiner – nicht glaubhaften – sudanesischen Staatsangehörigkeit begründet, doch hat es die belangte Behörde gänzlich unterlassen, über den erwähnten Antrag auf Mängelheilung abzusprechen und ihm auch gar nicht erst im Sinne des § 58 Abs 11 Z 2 AsylG auf die Rechtsfolge der Zurückweisung seines Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, fallgegenständlich einer Karte für Geduldete, im Falle einer fehlenden Mitwirkung belehrt. Im Ergebnis hat die belangte Behörde daher die seitens der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geforderten Maßstäbe in Hinblick auf ein ordnungsgemäßes Verfahren nicht beachtet.

Diesbezüglich gilt festzuhalten, dass nach der unmissverständlichen und eindeutigen Bestimmung des § 4 Abs 2 AsylG-DV über einen Antrag auf Zulassung der Heilung – sofern ihm nicht stattgegeben wird – in Form einer Zurückweisung oder Abweisung abzusprechen ist. Eine derartige negative Entscheidung über einen solchen Antrag hat in einem eigenen Spruchpunkt des verfahrensabschließenden Bescheides zu erfolgen (vgl. in diesem Sinn, ebenfalls von einer bescheidmäßigen Antragserledigung ausgehend, auch die ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 8 zur vergleichbaren Bestimmung des § 19 Abs 9 NAG, wonach mit der Pflicht zur Entscheidung über den Antrag im verfahrensabschließenden Bescheid vermieden werden soll, dass ein gesonderter „Vorab-Bescheid“ über die „Heilungsentscheidung“ zu erlassen ist, was zwei getrennte Rechtsmittelverfahren zur Folge hätte). Aus der genannten Bestimmung ergibt sich somit die evidente Absicht des Gesetzgebers, dass über die Frage der mangelnden Berechtigung eines Antrags auf Zulassung der Heilung von Mängeln schon aus Rechtsschutzgründen ausdrücklich abgesprochen werden soll. Umgekehrt hat eine Stattgabe des Mängelheilungsantrags darin zum Ausdruck zu kommen, dass trotz (insbesondere) Nichtvorlage von sonst erforderlichen Urkunden nicht vom Zurückweisungsgrund des § 58 Abs 11 Z 2 AsylG Gebrauch gemacht, sondern über den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels inhaltlich abgesprochen wird. Ein ausdrücklicher positiver Abspruch über den Heilungsantrag ist nicht nötig, aber auch nicht schädlich (vgl. zuletzt VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0494 unter Berücksichtigung VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).

Fallgegenständlich wurde jedoch weder mittels Zurück- noch mittels Abweisung über den Antrag auf Heilung des Mangels gemäß § 4 Abs 1 Z 2 AsylG-DV entschieden, noch erfolgte eine allenfalls nicht ausdrückliche Stattgabe des Mängelheilungsantrages, zumal der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete ja gerade abgewiesen wurde. Eine von der belangten Behörde vorgenommene Antragsabweisung gemäß § 46a Abs 4 iVm Abs 1 Z 3 FPG, ohne Abspruch über einen auf § 4 Abs 1 Z 2 AsylG-DV gestützten Heilungsantrag des Beschwerdeführers ist aus diesem Grunde rechtswidrig. Auch eine implizite Behandlung des Heilungsantrages erfolgte fallgegenständlich nicht, zumal auf den diesbezüglichen Antrag nicht nur nicht im Spruch, sondern auch weder im Verfahrensgang, in den Feststellungen, der Beweiswürdigung, noch in der rechtlichen Beurteilung Bezug genommen wurde, sondern sämtliche Erwägungen ausschließlich in Zusammenhang mit der Abweisung seines Antrages auf Duldung nach den §§ 46 uns 46a FPG erfolgten.

Dieses völlige Außerachtlassen von Parteianträgen oder Parteivorbringen durch eine Verwaltungsbehörde kann teilweise als willkürliches Verhalten bzw. eine willkürliche Verfahrensführung der Behörde ausgelegt werden, womit der inhaltlich rechtswidrige Bescheid bereits aus diesem Grund zu beheben war.

Daneben wurden – wie eine Behandlung des § 4 Abs 1 Z 2 AsylG-DV erforderlich macht – auch keine Ermittlungen in Hinblick auf das Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK zur Person des Beschwerdeführers angestellt. Fallgegenständlich gehen damit auch besonders gravierende Ermittlungslücken der Behörde einher, zumal es das BFA unterließ, sich durch eine Einvernahme mit den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass die letzte Einvernahme des Beschwerdeführers bereits geraume Zeit zurückliegt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher durch eine mündliche Einvernahme des Beschwerdeführers im fortgesetzten Verfahren mit den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben und eine entsprechende Gegenüberstellung seiner Interessen mit den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung vornehmen müssen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann daher nicht im Sinn des Gesetzes sein, vor allem deshalb nicht, weil sich erst nach Ermittlung der vorgelagerten Frage ergibt, ob eine zurückweisende Entscheidung nach § 58 Abs 11 AsylG zu ergehen hat und es zudem auch – sowohl im Falle einer Zurück- als auch einer Abweisung – gilt, mittels eines eigenen Spruchpunktes entsprechend § 4 Abs 2 AsylG-DV abzusprechen.

Ungeachtet des Umstandes, dass das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung über den Heilungsantrag selbst gar nicht nachholen kann, was ohnedies die Behebung des Bescheides erforderlich macht (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314-3), ist auch eine Behandlung des Antrages auf Mängelheilung durch das Bundesverwaltungsgericht in Hinblick auf das Interesse der Raschheit oder erheblichen Kostenersparnis nicht zu erblicken, zumal im Ergebnis dadurch lediglich die Erhebung an das Gericht delegiert werden würde. Zudem bleibt auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in Innsbruck wohnhaft ist und auch die belangte Behörde – ebenso wie das erkennende Gericht – seinen Sitz in Innsbruck hat, was eine erhebliche Kostenersparnis jedenfalls nicht erkennen lässt.

In Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen war daher der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.

Schlagworte

Abschiebung aufrechte Rückkehrentscheidung Begründungsmangel Behebung der Entscheidung Duldung Ermittlungspflicht Herkunftsstaat Interessenabwägung Karte für Geduldete Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren Mangelhaftigkeit Mängelheilung mangelnde Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Nachweismangel öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Reisedokument Staatsbürgerschaft Urkundenvorlage Vorlagepflicht Willkür Zurückverweisung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.1406005.4.00

Im RIS seit

25.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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