TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/21 W205 1420927-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.06.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W205 1420927-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2021, Zl. 742349000/200667610, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Vorangegangene Verfahren:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 31.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.08.2011, Zahl: 11 08.141-BAW, wurde sein Antrag betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof - nach zwischenzeitlicher Einstellung wegen Abwesenheit – mit Erkenntnis vom 19.11.2013, Zahl: C16 420.927-1/2011/13E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, sowie 10 AsylG abgewiesen.

Am 07.05.2012 teilte die BPD Wien dem FrB Wien mit, dass gegen den Beschwerdeführer eine Strafverfügung wegen § 1 Abs. 3 FSG erlassen worden sei, wobei er zu einer Geldstrafe von 70 Euro verurteilt wurde.

Am 24.11.2016 stellte der Beschwerdeführer persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2017, Zl. 742349000/161587263, wurde sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, § 58 Abs. 11 Z. 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Zudem wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).

Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2018, Zl. W202 1420927-2/2E, gemäß §§ 55 iVm § 58 Abs. 11 Z 2, 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF, 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen. Ua. wurde mit näherer Begründung festgehalten, dass bei einer Abwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK eine Rückkehrentscheidung jedenfalls gerechtfertigt sei.

Mit Mandatsbescheid vom 21.02.2018, Zl. 742349000/170997487, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, binnen drei Tagen bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung „Betreuungsstelle Tirol, Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn“ zu nehmen. Er kam dieser Wohnsitzauflage nicht nach und erhob am 28.02.2018 Vorstellung.

Mit Bescheid vom 10.12.2018, Zl. 742349000/170997487, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der „Betreuungsstelle Tirol, Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn“ zu nehmen. Weiters wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer kam dieser Wohnsitzauflage nicht nach und erhob am 19.01.2021 gegen diesen Bescheid Beschwerde.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 05.02.2019, GZ: W202 1420927-3/2E, wurde diese Beschwerde als unbegründet und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG abgewiesen sowie die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig erklärt. In der Begründung wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt: „Seit Erlassung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 19.11.2013, Zahl: C16 420.927-1/2011/13E, mit dem der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen wurde, hält sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, seiner Ausreiseverpflichtung nach Indien ist er bislang nicht nachgekommen.

Er weigerte sich einen Personalbogen mit Hilfe eines Dolmetschers auszufüllen, der der Feststellung seiner Identität diente.

In Indien halten sich weiterhin seine Ehefrau, seine zwei Kinder, seine Mutter, seine zwei Brüder und zwei Schwestern auf. Mit diesen steht er ca. einmal in zwei Monaten in telefonischem Kontakt. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen. Er arbeitet als Essenszusteller auf Werkvertragsbasis und verfügt über einen Gewerbeschein. Er hat sich mittlerweile Sprachkenntnisse der deutschen Sprache angeeignet, die Absolvierung der Prüfung auf Niveau A2 mit sehr gutem Erfolg wurde seitens des Beschwerdeführers belegt. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet Freunde, die er in der Arbeit trifft. Über österreichische Freunde verfügt er nicht, er hat österreichische Arbeitskollegen. Weiters besucht der Beschwerdeführer den Sikh-Tempel. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer nicht Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer ist in Wien wohnhaft und unbescholten. Er ist gesund und im erwerbsfähigen Alter.“

Am 13.11.2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem BFA zur Klärung des Aufenthaltes, zur Feststellung der Identität und zur Regelung der Ausreise im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi einvernommen.

Gegenständliches Verfahren:

Mit Schreiben vom 21.07.2020, eingelangt beim BFA am 22.07.2020, wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs. 1 AsylG gestellt.

Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei seit 2011 in Österreich aufhältig. Seit der Ausweisungsentscheidung in seinem Asylverfahren hätten sich vielfältige Änderungen des Sachverhaltes hinsichtlich der Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben. Maßgebliche Änderungen würden insbesondere in seinem Erwerb der deutschen Sprache, in der Intensivierung seiner sozialen Integration und in der Sicherung seines Lebensunterhalts bestehen. Der Beschwerdeführer bemühe sich stark um eine Integration in Österreich und würde, im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels, in Anbetracht seiner Arbeitswilligkeit, Arbeitsfähigkeit und des ihm zur Verfügung stehenden fördernden Umfeldes keinesfalls eine Belastung für die Gebietskörperschaft darstellen. Unter anderem könne der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen - Nachweise seiner Selbsterhaltungsfähigkeit und den erfolgreichen Abschluss einer Deutschprüfung auf dem Niveau A2 - vorweisen. Einen Reisepass könne der Beschwerdeführer leider nicht vorlegen, er sei vor knapp zehn Jahren nach Österreich geflüchtet und besitze keine Kontakte mehr in seine Heimat, die ihm ermöglichen würden, diese Dokumente zu besorgen. Daher werde die Heilung dieses Mangels gem. § 19 Abs. 8 NAG beantragt.

Dem ausgefüllten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 1 AsylG waren folgende Dokumente beigelegt:

-        Geburtsurkunde

-        Arbeitsvorvertrag „Speisenzusteller“ vom 17.02.2020

-        Einkommensteuerbescheid 2014

-        Umsatzsteuerbescheid 2013 und 2014

-        E-card

-        ÖSD Zertifikat A2 vom 16.03.2016

-        „Wohnbestätigung“ (undatiert)

-        Aufenthaltsberechtigungskarte

-        Rechnung / Leistungserbringung Oktober 2016

-        Honorarnote August und September 2016

-        Auszug aus dem Gewerberegister vom 14.12.2012

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Abweisung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot beabsichtigt werde. Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag gem. § 55 AsylG habe kein geänderter Sachverhalt festgestellt werden können. Diese Entscheidung sei am 06.03.2018 in zweiter Instanz in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer halte sich zurzeit ohne gültige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf und sei bis zum heutigen Tag seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

Am 25.03.2021 wurde eine Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers eingebracht.

Der Beschwerdeführer wurde am 07.05.2021 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab hierbei insbesondere folgendes an:

„(…)

F: Haben Sie bis jetzt alles verstanden? Wollen Sie dazu Stellung nehmen?

A: Ja, ich habe alles verstanden und möchte Stellung nehmen.

F: Wie weisen Sie sich in Österreich aus?

A: Ich habe einen österreichischen Führerschein.

F: Wo ist Ihre weiße Karte?

A: Die habe ich nicht bei mir. Nachgefragt gebe ich an, dass ich Sie verloren habe, aber keine Verlustbestätigung habe. Ich wusste nicht, dass ich das anzeigen muss.

V: Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde in II. Instanz rechtskräftig negativ entschieden. Sie dürfen sich mit dieser Karte nicht mehr ausweisen und müssen den Verlust melden. Sie haben uns innerhalb von sieben Tagen eine Verlustbestätigung zu übermitteln.

F: Gegen Sie wurde eine rechtskräftige Wohnsitzauflage erlassen. Warum haben Sie die Ihnen erteilte Wohnsitzauflage für die Betreuungsstelle Tirol nicht befolgt, sondern ignorieren das rechtskräftige Erkenntnis des BVwG vom 05.02.2019, GZ: W202 1420927-3/2E? Warum sind Sie eigentlich in Wien und nicht in Tirol?

A: Ich bin schon seit zehn Jahren hier aufhältig, arbeite mehr oder weniger, habe einen Freundeskreis, dort wäre ich in einer völlig neuen Umgebung.

F: Warum sind Sie nach rechtskräftiger Abweisung Ihrer Beschwerden durch das BVwG nicht innerhalb von 14 Tagen ausgereist, sondern in Österreich geblieben?

A: Mir gefällt es in diesem Land, ich lebe hier schon seit zehn Jahren. Ich bin auch schon so lange von Indien fern. Ich habe auch früher als Zusteller gearbeitet und verstehe mich mit den Leuten hier. Ich mag das Land und möchte hier weiter leben.

F: Warum befolgen Sie beharrlich österreichische Gesetze und rechtskräftige Entscheidungen nicht?

A: Ich akzeptiere die Entscheidungen, aber ich kann nicht nach Indien zurück, weil Corona eine schlimme Lage verursacht hat.

V: Corona ist erst seit ca. vierzehn Monaten, Sie hätten schon davor ausreisen müssen!

A: Ich habe in Indien zu keinem mehr Kontakt. Ich bin schon seit Ewigkeiten hier, ich liebe das Land und möchte weiter hier leben und nicht nach Indien zurück. Außerdem habe ich Probleme in Indien, die ich schon früher nannte und auch persönliche Probleme.

F: Haben Sie schon eine Impfung gegen COVID-19 erhalten bzw. sich für eine solche angemeldet?

A: Nein, ich wurde noch nicht geimpft. Ich habe mich auch noch nicht angemeldet.

Anmerkung: Die VP wird darauf hingewiesen, dass auch ohne aufrechte Sozialversicherung Impfungen bzw. Anmeldungen für Impfungen möglich sind.

F: Um welche Probleme handelt es sich bei den früheren und den persönlichen Problemen? Haben Sie diese schon im Verfahren auf internationalen Schutz vorgebracht?

A: Ja, die habe ich im Asylverfahren genannt.

V: Die von Ihnen im Asylverfahren vorgebrachten Gründe wurden vom BVwG als nicht glaubwürdig betrachtet und Ihre Beschwerde rechtskräftig negativ entschieden.

A: Ich bin schon seit zehn Jahren hier und habe auch während des ersten Lockdowns als Zusteller gearbeitet trotz der schwierigen Lage. Ich habe nie etwas angestellt, Sie können auch mein Leumundszeugnis überprüfen. Ich habe auch nie von der Caritas Unterstützung bezogen.

F: Haben Sie einen Aufenthaltstitel von Österreich oder eines anderen Schengen-Staates?

A: Nein.

F: Warum haben Sie gegenständlichen Antrag eingebracht?

A: Ich möchte hier leben.

F: Warum bringen Sie nicht einen Antrag nach dem NAG ein und versuchen auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige, einen Aufenthaltstitel zu erlangen?

A: Ich verstehe es nicht.

Anmerkung: Der Partei wird das NAG und der gesetzlich vorgesehene Weg für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG erklärt.

A: Ich möchte hier leben und bitte Sie um eine Aufenthaltserlaubnis.

F: Haben Sie jemals einen Antrag bei der für Sie zuständigen Niederlassungsbehörde eingebracht?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Ich kann ja nur hier den Antrag einreichen. Über die Einbringung eines Antrags woanders weiß ich nicht Bescheid.

V: Sie können nach Indien ausreisen und von dort einen Antrag nach dem NAG stellen!

A: Ich kann nicht nach Indien zurückkehren, denn dort gerate ich in Probleme.

V: Ihre vorgebrachten Probleme wurden von einem unabhängigen Gericht als nicht glaubwürdig betrachtet und Ihre Ausreise nach Indien für zulässig erklärt.

Anmerkung: Keine Antwort.

F: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf? Wann waren Sie das letzte Mal in Ihrer Heimat?

A: Ich halte mich seit zehn Jahren in Österreich auf. In Indien war ich das letzte Mal 2010/2011, bevor ich hierher gekommen bin.

F: Sie haben den gegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK („Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“) gem. § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG (Aufenthaltsberechtigung plus, Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt) eingebracht und ein ÖSD Zertifikat A2 vom 16.03.2016, jedoch keinen Nachweis über das erfüllte Modul 1 der Integrationsvereinbarung übermittelt. Haben Sie einen solchen Nachweis (mit)?

RV: Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, da das Zertifikat A2 vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes erlangt wurde.

F: Laut Schreiben Ihres Rechtsvertreters vom wurde Ihnen trotz vorgebrachter mehrmaliger Vorsprache bei der indischen Botschaft kein Reisepass ausgestellt und daher ein Antrag auf Heilung des Mangels des Erfordernisses eines Reisepasses gestellt. Mit E-Mail vom 19.03.2021 übermittelten Sie eine Kopie Ihres am 09.11.2020 ausgestellten indischen Reisepasses Nr. T9730216 (gültig bis zum 08.11.2025). Warum behauptet Ihr Rechtsvertreter, dass Ihnen kein Reisepass ausgestellt wird, wenn Sie doch schon am 09.11.2020 einen neuen Reisepass von der indischen Botschaft in Wien bekommen haben?

A: Auf normalen Weg wie man einen Reisepass bekommt. Ich habe diesen bei der Botschaft beantragt.

F: Wiederholung der Frage.

A: Vorher beantragte ich diesen nicht.

F: Wie finanzieren Sie sich Ihren derzeitigen Aufenthalt im Bundesgebiet?

A: Ich arbeite als Zeitungszusteller. 

F: Haben Sie ein arbeitsmarktrechtliches Dokument, das Ihnen eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet erlaubt?

A: Nein, aber ich beziehe keine Unterstützung der Caritas, muss aber für Essen, Trinken, Unterkunft und Bekleidung aufkommen. Ich arbeite jetzt für € 500-600.

F: Für wen arbeiten Sie?

A: Ich arbeite für die Fa. Mediaprint.

V: Sie dürfen mit Ihrem rechtlichen Status nicht in Österreich arbeiten!

A: Das akzeptiere ich und entschuldige mich, aber wie bereits gesagt, beziehe ich von der Caritas keine Unterstützung und muss mich selbst finanzieren.

F: Haben Sie jemals versucht, eine arbeitsmarktrechtliche Genehmigung/Bewilligung zu bekommen?

A: Früher habe ich als eigene Firma als Zusteller gearbeitet.

F: Hatten Sie davor eine arbeitsmarktrechtliche Genehmigung?

A: Nein. Ich habe aber alle Abgaben bezahlt und Steuern. Außerdem hat mein Auftraggeber gesagt, dass ich die Arbeit für ihn erledigen kann.

F: Wer war dieser Auftraggeber?

A: Ich habe eine Bestätigung vorgelegt. Wie der frühere geheißen hat, weiß ich nicht. 2017, 2018 hat er Martin geheißen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt habe.

F: Sie haben einen Arbeitsvorvertrag, Umsatzsteuervoranmeldungen, wonach Sie keine Umsatzsteuer bezahlt haben, sowie Honorarnoten und Rechnungen vorgelegt.

A: Über das habe ich nicht viel Wissen, ich habe die Aufträge aber erledigt und darüber Rechnungen geschrieben.

F: Haben Sie Ihr Einkommen versteuert? Haben Sie Einkommensteuerbescheide?

A: Ja.

Anmerkung: Die VP hat einen Einkommensteuerbescheid von 2014 vorgelegt, wonach € 0,00 an Einkommensteuer bezahlt hat.

A: Ich habe Einkommensteuer bezahlt, aber nach Abzug der Kosten ist € 0,00 rausgekommen. Ich habe pro Monat auch € 200,00 an Versicherung bezahlt. Nachgefragt gebe ich an, für die Firma bzw. die E-Card.

V: Sie haben laut Einkommensteuerbescheid 2014 ein Einkommen in Höhe von € 5.919,00 erzielt, d.h. es liegt unter dem damals gültigen Freibetrag.

V: Mit Ihrem rechtlichen Status durften Sie auch nicht mit einem Gewerbeschein arbeiten!

A: Ich akzeptiere es und sehe ein, dass es ein Fehler ist. Wenn ich aber nicht arbeite, wie soll ich mein Leben finanzieren.

F: Verfügen Sie über eine Krankenversicherung, die in Österreich gilt und auch Pandemien abdeckt?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Ich arbeite derzeit wenig.

F: Was machen Sie, wenn Sie erkranken und eine Spitalsbehandlung erforderlich ist? Wer wird das bezahlen?

A: Ich habe ja früher für eine E-Card bezahlt. Ich habe meine Firma damals geschlossen und denke, dass damals auch meine E-Card ausgeschalten wurde.

V: Sie sind seit dem 31.05.2020 nicht mehr sozialversichert!

A: Nein.

F: Wie ist Ihr Familienstand?

A: Ich bin verheiratet. Nachgefragt gebe ich an, dass wir im Jahr 2008 geheiratet haben.

F: Welche Staatsangehörigkeit hat Ihre Gattin?

A: Die indische.

F: Haben Sie Kinder oder Sorgepflichten?

A: Ja, zwei Kinder.

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Ihre Kinder?

A: Die indische.

F: Wo leben Ihre Gattin und Ihre Kinder?

A: In Indien.

F: Wie alt sind Ihre Kinder?

A: Ich weiß es jetzt nicht genau auswendig, ich kann es nicht genau sagen. Der große Sohn ca. 12, der jüngere ca. 10,5 Jahre alt.

F: Wem obliegt das Sorgerecht für die Kinder?

A: Sie finanzieren sich durch die Eigentümer vor Ort. Nachgefragt gebe ich an, durch Grundstücke und Landwirtschaft.

F: Wiederholung der Frage.

A: Meine Ehefrau erzieht die Kinder. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mit der Erziehung der Kinder nichts zu tun habe.

F: Wie oft und wie haben Sie Kontakt mit Ihrer Gattin und Ihren Kindern?

A: Früher alle zwei bis drei Monate, dann eine Zeit lang nicht. Das letzte Mal hatte ich vor vier, fünf Monaten Kontakt, wo wir ein- bis zweimal telefoniert haben. Wenn ich Sie öfters kontaktiere, werfen die Leute, die mir Probleme bereiten, ihr vor, dass sie über mich Bescheid weiß.

F: Was sind das für Leute?

A: Sie soll ich das betiteln? Man kann Mafia oder so zu ihnen sagen. Einen Namen weiß ich. Es sind Leute von Dorf und einer heißt XXXX . Er ist eine machthabende Person in der Ortschaft. Er war nur kurzzeitig im Gefängnis, kam aber wieder heraus.

F: Also der XXXX , der ein bekannter Mann im Dorf ist, kommt nach der Ermordung Ihres Vaters nach kurzer Zeit wieder aus dem Gefängnis heraus? Gab es einen Prozess?

A: Ja, es wurde ein Brief an meine Mutter geschickt. Darauf stand, dass sie als Zeugin aussagen soll, dass er meinen Vater nicht getötet hat, denn ansonsten würde er alle Kinder umbringen. Es gab keinen Prozess.

V: Im Asylverfahren haben Sie gesagt, dass Ihr Cousin XXXX Ihren Vater getötet hätte und daher zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt worden wäre, die er abgesessen hätte. Nach der Haftentlassung im Jahr 2010 würde dieser Sie nun töten wollen, um das begehrte Land zu erhalten.

A: Das habe ich nicht so gesagt. Ich weiß nicht, vielleicht gab es Schwierigkeiten beim Verstehen, denn es ist ca. 25 Jahr her, dass mein Vater umgebracht wurde.

V: Sie haben im Asylverfahren im Beisein eines Dolmetschers viel genauere Angaben gemacht und die Richtigkeit der Niederschrift auch durch Ihre Unterschrift bestätigt!

A: Was sollen denn diese Details sein, was soll ich nun mehr sagen. Nein, so kann es nicht sein. Es ist ja ein Onkel, zu älteren Personen sagt man im Dorfbereich Onkel.

Anmerkung: Laut Dolmetscher hat die VP heute diesen Mann nicht als „Onkel“ bezeichnet.

A: Der meinen Vater ermordet hat, ist kein „Onkel“. Bezeichnen Sie ihn als Mann.

F: Das heißt der Mörder Ihres Vaters ist kein Verwandter von Ihnen?

A: Er ist der Sohn des Bruders meines Vaters. Es ist kein direkter Cousin. Es ist der Junge meines älteren Onkels väterlicherseits. Nachgefragt gebe ich an, dass er schon in die Verwandtschaft fällt, da er ja der Sohn des älteren Onkels väterlicherseits ist.

V: Warum haben Sie dann diesen Verwandten nicht als Verwandten, sondern als Mann mit Macht aus dem Dorf bezeichnet?

A: Habe ich das nicht gesagt? Dieses Mal? Sie haben mich gefragt, wer das ist. Ich habe Ihnen gesagt, das ist ein Mann aus dem Dorf, Sie haben mich aber nicht gefragt, ob ich mit ihm verwandt bin.

F: Was hat die Mafia mit Ihnen zu tun?

A: Diese Mafia hat meinen Vater 1985 getötet. Ich habe darüber auch Beweise vorgelegt. Ich weiß nicht, warum die meinen Vater getötet haben, damals war ich sehr jung. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mutter es weiß. Ich habe mit ihr gesprochen, sie sagte, es ging um Grundstücksangelegenheiten. Sie haben Vermögen von uns besetzt und ich weiß nicht genau. Es gab Auseinandersetzungen und im Zuge dessen haben sie meinen Vater getötet.

F: Was hat der Tod Ihres Vaters im Jahr 1985 mit Ihnen zu tun?

A: Man denkt sich, dass ich erledigt werden müsste, da ich auch schon erwachsen bin, damit ich nichts gegen sie machen kann.

V: Im Jahr 2011, als Sie Indien verlassen haben, waren Sie schon 31 Jahre alt und schon erwachsen!

A: Wie ich Ihnen ja gesagt habe, sie hatten Angst, dass ich nun irgendwelche Maßnahmen setzen könnte.

F: Haben Sie in Indien weitere Verwandte?

A: Ja, zwei Schwester, zwei Brüder, meine Mutter.

F: Die beiden Brüder haben keine Probleme mit dieser Mafia?

A: Sie haben Probleme, aber weiß nicht, wo sie sind. Ich habe seitdem ich hier bin keinen Kontakt mit ihnen.

F: Wenn Ihre Brüder unbehelligt in Indien leben können, warum sollten Sie von der Mafia verfolgt werden?

A: Ich weiß ja nicht, wo meine Brüder sind.

F: Laut Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2018, GZ: W202 1420927-2/2E, mit dem Ihre Beschwerde abgewiesen wurde, haben Sie mit allen Ihren Familienmitgliedern Kontakt.

A: Ich habe nur mit meiner Frau Kontakt.

V: Laut Erkenntnis steht, dass Sie nicht nur mit dieser, sondern mit „diesen“ regelmäßig Kontakt haben!

F: Haben Sie Familie oder Verwandte in Österreich bzw. der Europäischen Union?

A: Nein. Alle Verwandten leben in Indien.

F: Was machen Sie in Ihrer Freizeit in Österreich?

A: Mit den Freunden unterwegs. Manchmal gehe ich in den Sikh-Tempel.

F: Wo ist der Tempel?

A: Na unser Tempel, den wir da haben.

F: Wie oft gehen Sie in den Tempel?

A: Vor Corona ging ich alle ein- bis zwei Wochen in den Tempel, z.B. Samstags. Jetzt gehe ich schon seit einem Jahr nicht mehr hin.

F: Haben Sie soziale (Freunde), wirtschaftliche oder sonstige Bindungen zu Österreich?

A: Ja, ich habe Freunde und arbeite hier.

F: Wie heißen Ihre Freude, wo wohnen diese, wann haben diese Geburtstag und wie schaut Ihr Kontakt mit diesen aus? Wie alt sind diese und wo wohnen diese? Schreiben Sie das bitte auf.

Anmerkung: Die VP schreibt auf einem Blatt Papier einige Daten auf. Dieses wird zum Akt genommen.

F: Wie heißen die beiden letzten Personen, die Sie aufgeschrieben haben?

A: Ich weiß deren Familiennamen nicht.

F: Seit wann kennen Sie diese Freunde? Welche Staatsangehörigkeit bzw. Aufenthaltstitel haben diese?

A: Seit acht bis neun Jahren. Die oben genannten sind aus Indien, die letzten zwei sind aus Serbien. Hinsichtlich der Aufenthaltstitel gebe ich, dass zwei Inder hier Papiere (gemeint Aufenthaltstitel, um den ich hier ansuche) haben. Zwei bis drei im Asyl. Die zwei aus Serbien sind ja sowieso hier.

F: Wenn ich also Ihre Freunde in unseren Datenbanken suche, finde ich diese? Welchen Aufenthaltstitel hat denn z.B. Herr XXXX ?

A: Ja. XXXX hat Papiere (gemeint Aufenthaltstitel).

Anmerkung: Eine IFA-Suche nach XXXX (auch XXXX ) ergab, dass dieser keinen Aufenthaltstitel hat!

A: Doch, der hat einen Aufenthaltstitel. Ich glaube, sein Name ist XXXX .


Anmerkung: Die VP schaut, während sie Daten auf dem beigestellten Zettel aufschreibt, in ihrem Mobiltelefon nach. Auf Nachfrage gibt die VP an, nach den Adressen zu suchen.

F: Woher kennen Sie diese Freunde?

A: XXXX ist vom selben Dorf. Alle anderen habe ich hier getroffen in Österreich. Nachgefragt gebe ich an, durch die Arbeit, auch die beiden Serben.

F: Was machen Sie in Ihrer Freizeit mit den Freunden?

A: Zwei arbeiten mit mir gemeinsam, mit den anderen setze ich mich in der Freizeit zusammen, wir plaudern und amüsieren uns. Alle ein bis zwei Wochen, je nachdem, wann wer Zeit hat.

F: Wie halten Sie während der Covid-19-bedingten Beschränkungen den Kontakt zu diesen Freunden aufrecht?

A: Nein, seit den COVID-Lockdowns und Einschränkungen haben wir telefonischen Kontakt. Mit drei Freunden arbeite ich ja gemeinsam als Zusteller.

F: Wie haben Sie mit Ihren Freunden, die zugleich Arbeitskollegen sind, Kontakt. Da fährt doch jeder seine Strecke oder hat seinen eigenen Rayon?

Anmerkung: Keine Antwort. Die VP nickt.

F: Bestehen Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich? Sind Sie von jemandem finanziell abhängig oder ist jemand von Ihnen finanziell abhängig?

A: Nein.

F: Wo wohnen Sie im Bundesgebiet? Können Sie mir das bitte aufschreiben?

A: Ich wohne im 9. Bezirk.

Anmerkung: Die VP schreibt auf einem Zettel, der zum Akt genommen wird, die Adresse auf.

F: Wer wohnt noch in dieser Wohnung?

A: Wir sind zu Dritt. XXXX , den ich als Freund aufgeschrieben habe, und XXXX .

F: Wie viel Miete zahlen Sie?

A: € 460,00 ist die gemeinsame Miete. Insgesamt gibt es Aufwendungen in Höhe von € 500,00. Jeder trägt bei, was er kann. Die Wohnung gehört aber nicht mir. Ich zahle € 200,00.

F: Haben Sie einen Rechtsanspruch auf diese Wohnung?

A: Die Wohnung hat ein anderer bezogen, bei dem bin ich untergemietet. Es ist ein Dreijahresvertrag, der im März 2022 ablaufen wird.

F: Wie groß ist diese Wohnung?

A: Ein Zimmer klein.

F: Welche zertifizierten Sprachkenntnisse haben Sie?

A: Ich habe den Deutsch-Kurs A2 gemacht.

F: Wie viel Geld haben Sie jetzt, haben Sie Ersparnisse?

A: Ich habe keine Ersparnisse.

F: Welche Schulbildung haben Sie?

A: Ich habe in Indien zehn Jahre die Grundschule besucht.

F: Welche Berufserfahrung haben Sie?

A: Ich habe in Indien ca. zehn Jahre als Landwirt in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet. Ich habe keine Berufsausbildung.

F: Wie lautet Ihre Wohnadresse in Ihrem Heimatstaat? Bitte schreiben Sie die vollständige Adresse auf.

A: Das ist mein Familienhaus, wo noch meine Familie (Ehefrau, Kinder, Mutter) wohnt. Ich habe dort früher gewohnt und kann dort auch in Zukunft wohnen.

Anmerkung: Die VP schreibt – nach Nachschau in ihrem Mobiltelefon - auf einem Zettel die letzte Anschrift auf. Die VP wird aufgefordert nicht nur den Bundesstaat und das Dorf aufzuschreiben, sondern die gesamte Adresse so genau wie möglich. Dieser Zettel wird zum Akt genommen. Dorf: XXXX und Distrikt: XXXX , Bundesstaat: Punjab.

F: Haben Sie eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus in Indien?

A: Nein.

F: Wem gehören die Grundstücke in Indien?

A: Mir gehören zweieinhalb Killa Grundstück.

F: Sie haben vorhin gesagt, dass Ihr Vater wegen Grundstücken getötet wurde, haben aber noch diese 2,5 Killa?

A: Ja, das ist auf meinem Namen.

F: Diese Mafia-Mitglieder, wie Sie sie bezeichnen, töten Ihren Vater wegen Grundstücksstreitigkeiten, lassen aber Ihre Gattin und Ihre Kinder unbehelligt auf Ihrem Grundbesitz arbeiten?

A: Frauen und Kinder werden unbehelligt gelassen, aber sobald ein Mann ins junge Erwachsenenalter kommt, z.B. über 25 Jahre alt wird, wird dieser angegriffen. Ich wurde ebenfalls am Handgelenk verletzt und danach bin ich hierher geflohen. Sie wollen nicht, dass jemand ins Alter des Verständnisses kommt und eventuell gegen Sie vorgehen kann.

F: Wo haben Sie Ihren Lebensmittelpunkt?

A: In Österreich.

F: Sind Sie im Bundesgebiet oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union jemals straffällig geworden?

A: Nein.

F: Werden Sie in Ihrer Heimat politisch oder strafrechtlich verfolgt?

A: Nein.

F: Wollen Sie in die Länderinformationen der Staatendokumentation des BFA zu Indien Einsicht nehmen und zu diesen Stellung beziehen?

RV: Nein.

F: Spricht irgendetwas gegen Ihre Rückkehr nach Indien?

A: Die Leute, die meinen Vater getötet haben, suchen nach mir.

V: Sie haben vorhin gesagt, dass XXXX Ihren Vater getötet hat und nicht Leute.

F: Werden Sie Österreich freiwillig verlassen, wenn Sie keinen Aufenthaltstitel bekommen?

A: Wo könnte ich sonst noch hingehen? Ich bin schon seit zehn Jahren hier. Ich könnte nirgends hingehen.

V: Sie können nach Indien und jedes Land außerhalb des Schengen-Raums gehen, wenn eine Rückkehrentscheidung ev. mit einem Einreiseverbot gegen Sie erlassen wird.

A: Nein, ich möchte nirgends hingehen. Ich möchte hier bleiben.

Anmerkung: Die VP wird über die möglichen Folgen einer Abweisung des Antrags, einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot sowie über mögliche finanzielle Unterstützungsleistungen im Fall der freiwilligen Rückkehr nach Indien belehrt.

A: Ich bitte Sie, mir einen Aufenthaltstitel zu gewähren. Ich bin einerseits schon zehn Jahre hier, habe nichts angestellt. Es gibt auch keine Vermerkungen, dass ich straffälig geworden bin. Ein zehnjähriger Aufenthalt ist keine kleine Sache. Ich habe seit acht Jahren einen Führerschein. In Indien habe ich andererseits Probleme. Ich kann nicht zurückkehren und möchte hier leben. Ich bin niemandem zur Last gefallen und habe keine Probleme bereitet. Bitte berücksichtigen Sie das alles und geben mir eine gute Entscheidung.

V: Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Sie durch die Landespolizeidirektion Wien wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zur Anzeige gebracht werden und gegen Sie durch die LPD W AFA Referat 2, Fremdenpolizeiliches Büro, 1210 Wien, Hermann-Bahr-Straße 3, ein Verwaltungsstrafverfahren wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes geführt wird. Ihre heutigen niederschriftlichen Angaben werden auch zu Ihrer Verantwortung im Verwaltungsstrafverfahren nach dem FPG herangezogen.

A: Okay.

F: Haben Sie alles verstanden? Wollen Sie noch etwas sagen?

A: Ja, ich habe alles verstanden. Nein, ich will nichts mehr sagen.

F: Hat der Rechtsvertreter noch Fragen?

A: Keine Fragen.

Ihr Antrag wird einer abschließenden Prüfung unterzogen und wird Ihnen das weitere Vorgehen schriftlich an Ihren Rechtsvertreter mitgeteilt werden.

Ihr Antrag begründet gemäß § 58 Abs. 13 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht und steht einer Außerlandesbringung nicht entgegen.

Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie gemäß § 8 Zustellgesetz jede Änderung Ihrer Zustelladresse der Behörde unverzüglich mitzuteilen haben. Sollten Sie diese Mitteilung unterlassen, so ist die Zustellung weiterer Schriftstücke durch Hinterlegung bei der Behörde ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz).

Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Schriftstücke an Sie oder Ihren Zustellbevollmächtigten zugestellt werden. Sollte dies nicht möglich sein, werden die Schriftstücke im Akt hinterlegt und gelten dadurch als ordnungsgemäß zugestellt.

(…)“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.05.2021 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers vom 21.07.2020 gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erließ gem. § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass gem. § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.), erkannte gem. § 18 Abs. 2 Z.1 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.), gewährte gem. § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erließ gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG eine auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

Ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei indischer Staatsangehöriger, sei verheiratet und habe zwei Kinder. Seine Familie lebe in Indien. Er sei in Indien hauptsozialisiert worden, gesund und arbeitsfähig. Er leide an keiner schweren Erkrankung und gehöre keiner Risikogruppe im Sinne der COVID-VO an. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthaltstitel und halte sich unrechtmäßig in Österreich auf. Er sei im Bundesgebiet behördlich gemeldet, nicht sozialversichert und gehe keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Seinen Aufenthalt finanziere er sich durch Schwarzarbeit. Der Beschwerdeführer habe beharrlich seine Ausreiseverpflichtung ignoriert. Er führe im Bundesgebiet kein schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK, seine Familie lebe in Indien. Zudem verfüge er über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Die Zeit im Bundesgebiet habe er nicht genutzt um sich zu integrieren. Der Beschwerdeführer gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes. Seine sofortige Ausreise sei notwendig, um zu verhindern, dass er weiterhin der unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgehe, strafbare Handlungen begehe oder eine Belastung der öffentlichen Hand werde, um seinen Aufenthalt zu finanzieren. Es spreche nichts gegen seine Rückkehr nach Indien und drohe ihm dort keine Gefahr.

Zur maßgeblichen Situation in Indien traf das BFA im angefochtenen Bescheid folgende Feststellungen:

„Die wesentlichen Abschnitte des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des BFA zur Lage in Indien lauten:

Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 23.10.2020

Die Anzahl jener Personen, die in Indien unter der absoluten Armutsgrenze (1,90 USD/Tag Kaufkraft) leben, konnte zwischen 2012 und 2019 von 256 Mio. auf 76 Mio. reduziert werden. Gemäß Schätzungen könnten durch die COVID-Krise allerdings bis zu 200 Mio. Menschen wieder in die absolute Armut zurückgedrängt werden (ÖB 9.2020).

Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und 2017/18 bei 6,75 Prozent (BICC 12.2019). 2019 betrug das Wirtschaftswachstum 4,9 Prozent. Für 2020 wurde ein Wachstum der Gesamtwirtschaft um 6,1 Prozentpunkte erwartet (WKO 1.2020). Doch schrumpfte im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2020/2021 (1. April 2020 bis 30. Juni 2021) aufgrund der COVID-19-Pandemie das Wirtschaftswachstum um beispiellose 23,9 Prozent. Der private Konsum und die Investitionen gingen stark zurück. Gleichzeitig verringerte sich in derselben Periode der Output der Industrie (Minus 38 Prozent) und des Dienstleistungssektors (Minus 21 Prozent) dramatisch. Für das am 1.4.2020 begonnene Geschäftsjahr erwarten Experten, dass die indische Wirtschaft um 9,6 Prozent schrumpfen und danach nur sehr langsam eine Erholung einsetzen wird. Die schwächelnde Nachfrage im In- und Ausland dürfte auch die Handelsbilanz in beide Richtungen belasten (WKO 10.2020).

2017 lag die Erwerbsquote bei 53,8 Prozent (StBA 26.8.2019). Frauen sind weniger häufig als Männer berufstätig (FES 9.2019). Indien besitzt mit ca. 520 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote bei 7,6 Prozent, 2020 bei 10,8 Prozent. Für 2021 wird eine Arbeitslosenrate von 9,5 Prozent erwartet (WKO 10.2020).

Der indische Arbeitsmarkt wird durch den informellen Sektor dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem informellen Sektor zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (Wienmann 2019). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,1 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (Shah-Paulini 2017).

Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 2019; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Bundesstaaten geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 2019).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.852 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 131 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (BICC 7.2020).

Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 2019).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmern ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).

55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz (AA 23.9.2020). Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten (also etwa 2/3 der Bevölkerung) wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen, welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).

Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 13.1.2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2019): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_India_DE.pdf, Zugriff 22.10.2020

BBC - British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 17.1.2019

BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (9.2019): Feminist perspectives on the future of work in India, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/indien/15719.pdf, (Zugriff 18.3.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.20120): World Report 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022689.html, Zugriff 17.1.2020

HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 17.1.2019

ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 17.1.2019

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 13.3.2020

Shah-Paulini, Purvi (2017): Chefsache Integrales Business mit Indien. Den Subkontinent aus verschiedenen Perspektiven verstehen. Springer Gabler Verlag. Seite 40

StBA – Statistisches Bundesamt (26.8.2019): Indien: Statistisches Länderprofil, https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Laenderprofile/indien.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 15.3.2020

Wiemann, Kristina N. (2019): Qualifizierungspraxis deutscher Produktionsunternehmen in China, Indien und Mexiko: Eine Analyse der Übertragbarkeit dualer Ausbildungsansätze. Springer Verlag. Seite 201

WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

WKO - Aussenwirtschaft Austria (1.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 11.2.2020

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 05.11.2020

Eine gesundheitliche Minimalversorgung wird vom Staat im Prinzip kostenfrei gewährt (ÖB 9.2020; vgl. BAMF 3.9.2018). Sie ist aber durchwegs unzureichend (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten europäische Standards. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 23.9.2020). Darüber hinaus gibt es viele weitere Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 3.9.2018). Ebenfalls gibt es Gemeindegesundheitszentren und spezialisierte Kliniken. Diese sind für alle möglichen generellen Gesundheitsfragen ausgestattet und bilden die Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden. Sie werden von der Regierung betrieben und nehmen auf Empfehlung der Ersteinrichtungen Patienten auf. Jede dieser Einrichtungen ist für 120.000 Menschen aus städtischen bzw. 80.000 Patienten aus abgeschiedenen Orten zuständig. Für weitere Behandlungen können Patienten von den Gemeindegesundheitszentren zu Allgemeinkrankenhäusern transferiert werden. Die Zentren besitzen daher auch die Funktion einer Erstüberweisungseinrichtung. Sie sind dazu verpflichtet, durchgängig Neugeborenen- bzw. Kinderfürsorge zu leisten sowie Blutkonservenvorräte zu besitzen. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben (BAMF 3.9.2018).

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Personen-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 25.500 solcher Kliniken in Indien, von denen 15.700 von nur einem Arzt betrieben werden. Einige Zentren besitzen spezielle Schwerpunkte, darunter Programme zu Kinder-Schutzimpfungen, Seuchenbekämpfung, Verhütung, Schwangerschaft und bestimmte Notfälle (BAMF 3.9.2018).

Von den Patienten wird viel Geduld abverlangt, da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Gesundheitssektors sehr groß ist. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen fortschrittlicher Infrastruktur und qualifizierterem Personal einen besseren Ruf, ein Großteil der Bevölkerung kann sich diesen aber nicht leisten. In allen größeren Städten gibt es Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Fast alle gängigen Medikamente sind in Indien (meist als Generika westlicher Produkte) auf dem Markt erhältlich. Für den (relativ geringen) Teil der Bevölkerung, welcher sich in einem formellen Arbeitsverhältnis befindet, besteht das Konzept der sozialen Absicherung aus Beitragszahlungen in staatliche Kassen sowie einer Anzahl von – vom Arbeitgeber zu entrichtenden – diversen Pauschalbeträgen. Abgedeckt werden dadurch Zahlungen für Renten, Krankenversicherung, Mutterkarenz sowie Abfindungen für Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit (ÖB 9.2020).

Für 10.000 Inder stehen 0,8 praktizierende Ärzte (StBA 26.8.2019) und 0,5 Klinikbetten je tausend Einwohnern zur Verfügung (GTAI 23.4.2020). In ländlichen Gebieten ist der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden. Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen (WKO 10.2020).

Die staatliche Krankenversicherung erfasst nur indische StaatsbürgerInnen unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. (BAMF 3.9.2018).

Im September 2019 wurde mit der Einführung des indienweiten Pradhan Mantri Jan Arogya Abhiyaan begonnen (auch „Modicare“ genannt), einer Krankenversicherung, die insgesamt 500 Millionen Staatsbürger umfassen soll, welche sich ansonsten keine Krankenversicherung leisten können. Diese Krankenversicherung deckt die wichtigsten Risiken und Kosten ab. Dazu kommen noch verschiedene öffentliche Krankenversicherungen in einzelnen Unionsstaaten mit unterschiedlichem Empfänger- und Leistungsumfang (ÖB 9.2020). Eine private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und die Patienten müssen einen Großteil der Kosten selber zahlen. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personalausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN) (BAMF 3.9.2018).

In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 23.9.2020). Apotheken sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 3.9.2018). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 23.9.2020). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente sind staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 3.9.2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 18.3.2020

GTAI – German Trade and Invest (23.4.2020): Covid-19: Gesundheitswesen in Indien, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/covid-19-gesundheitswesen-in-indien-234420, Zugriff 15.5.2020

StBA – Stadistisches Bundesamt (26.8.2019): Indien: Statistisches Länderprofil, https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Laenderprofile/indien.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 19.3.2020

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

Rückkehr

Letzte Änderung: 23.10.2020

Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicher

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten