TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/2 I408 2241409-1

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Veröffentlicht am 02.08.2021
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Entscheidungsdatum

02.08.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §129
StGB §287
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I408 2241409-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Lettland, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.03.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung erließ die belangte Behörde gegen den mehrfach vorbestraften, mittellosen und in Haft befindlichen Beschwerdeführer mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 03.03.2021 ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilt ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).

Über seine bevollmächtigte Rechtsvertretung bekämpfte der Beschwerdeführer diese Entscheidung am 02.04.2021 in vollem Umfang, insbesondere mit dem Hinweis, dass eine persönliche Einvernahme durch die belangte Behörde unterblieben sei.

Die im Hinblick auf eine verspätete Beschwerdeeinbringung eingeleiteten Erhebungen haben ergeben, dass der Bescheid am 04.03.2021 der Poststelle der JA XXXX zugestellt wurde, es konnte aber nicht nachgewiesen werden, dass die Aushändigung an den Beschwerdeführer noch am selben Tag erfolgte. Damit erweist sich die Beschwerde als fristgerecht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der 35-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Lettland. Seine Identität ist über einen lettischen Personalausweis (AS 24) nachgewiesen.

Der Beschwerdeführer weist 15 Vorstrafen in Lettland, Deutschland und Italien auf. So wurde er seit dem Jahr 2006 wegen Diebstählen mit verschiedenen Qualifikationen zu Geldstrafen und teils mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

In Österreich verfügte der Beschwerdeführer nur vom 01.09.2016 bis zum 30.11.2016 über einen gemeldeten Obdachlosenwohnsitz. Darüber hinaus weist der Beschwerdeführer nur Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten ab 07.01.2021 auf.

Am 20.03.2020 wurden er bei einer Personenkontrolle in Wien aufgegriffen. Er gab dabei an, in einer Obdachlosenunterkunft zu wohnen und konnte bzw. wollte keine Angaben zu seinem Aufenthalt in Österreich machen.

Am 17.04.2020, XXXX informierte die Staatsanwaltschaft Wien die belangte Behörde von der Anklagerhebung wegen versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB).

Am 23.04.2020 wurde der Beschwerdeführer in Wien bei einem Ladendiebstahl (Lebensmittel im Wert von € 51,53) aufgegriffen. Dabei gab er eine Anschrift an, an der er nicht gemeldet war. Dem dazu ergangenen polizeilichen Abschluss-Bericht vom 24.06.2020 ist zu entnehmen, dass auch eine Aufenthaltsermittlung durch das Bezirksgericht XXXX , XXXX besteht (AS 150).

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 20.05.2020 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Da von ihm keine Wohnsitzmeldung vorlag, erfolgte die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG (AS 60).

Am 23.06.2020, XXXX erfolgte eine neuerliche Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wien über eine Anklagerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB).

Am 24.07.2020 wurde der Beschwerdeführer in Wien im Zuge einer polizeilichen Personenkontrolle an einem hinlänglich bekannten Drogenumschlagplatz aufgegriffen und in weiterer Folge in Schubhaft genommen (AS 72). In diesem Zusammenhang erfolgte am selben Tag eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde (AS 90).

Am 27.07.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag für unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe (AS 130) und kehrte mit einem bezahlten Flug am 29.07.2020 nach Lettland zurück (AS 154).

Am 03.01.2021 wurde der Beschwerdeführer in Wien bei dem Diebstahl einer Flasche Wodka in einer Tankstelle aufgegriffen. Im Rahmen seiner polizeilichen Einvernahme gab er dazu an, seit 2014 von der Polizei schon mehrfach bei Diebstählen erwischt worden zu sein. Wenn er Durst nach Wodka habe oder andere Sachen benötige, dann nehme er sich ein bisschen, das bringe ja keinen um (AS 168 ff).

Unmittelbar vor diesem Vorfall hatte der Beschwerdeführer schon Kontakt mit der örtlichen Polizeidienststelle, weil er schlafend und betrunken in einer offenen Lagerhalle aufgegriffen worden war (AS 181).

Noch am selben Tag wurde dem Beschwerdeführer ein Parteiengehör zur geplanten Ausweisung und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes persönlich ausgehändigt. Dabei sind zahlreiche Lebensmitteldiebstähle beginnend im Feber 2014 sowie Feber und Mai 2016, alle fünf in Tirol begangen und ab 27.03.2020 - sieben Tage nach der eingangs angeführten Personenkontrolle - im Wiener Raum (AS 156 ff) aufgelistet.

Am 06.01.2021 entwendete der Beschwerdeführer in alkoholisiertem Zustand aus einem verschlossenen Kellerabteil eine Sektflasche, die er gleich konsumierte und dabei verhaftet wurde.

Nach Verständigung von der Anklagerhebung wurde dem Beschwerdeführer am 28.01.2021 nochmals Parteiengehör zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gewährt. Auch auf dieses reagierte der Beschwerdeführer nicht.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 18.02.2021, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Einbruchsdiebstahls im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 iVm §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB und wiederholten, teils versuchten, Diebstählen nach §§ 127, 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Damit umfasst sind acht Diebstähle aus 2014 in Tirol und vier Diebstähle ab 2020 in Wien. Erschwerend wurden dabei u.a. der sehr rasche Rückfall, die zahlreichen Tatwiederholungen und seine zahlreichen einschlägigen Vorstrafen im Ausland gewertet. Mildernd berücksichtigte das Strafgericht Geständnis, teils geringen Schaden und teilweisen Versuch (AS 211).

Seit 07.01.2021 befindet sich der Beschwerdeführer in Haft und verbüßt dort die verhängte Freiheitsstrafe.

In Österreich ging der Beschwerdeführer bisher weder legal einer Beschäftigung nach noch verfügt er hier über private oder familiäre Anknüpfungspunkte.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich aus den zahlreichen im Behördenakt einliegenden und mit der jeweiligen Aktenseite angeführten behördlichen Dokumenten und den vom erkennenden Richter eingeholten Abfragen aus Strafregister, ZMR und AJ-WEB.

Diese Unterlagen erschließen ein eindeutiges und unmissverständliches Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers und lassen keinen Zweifel zu, dass er sich zu keinem Zeitpunkt legal in Österreich aufhielt und hier nur über zahlreiche Straftaten in Erscheinung getreten ist.

Ergänzend wurde ein Auszug aus dem Europäischen Strafregister-Informationssystem (ECRIS) eingeholt und ergeben sich daraus zweifelsfrei die Verurteilungen des Beschwerdeführers in Lettland, Deutschland und Italien.

Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nie einer legalen Beschäftigung nachging, geht aus dem eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug hervor.

Private oder familiäre Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich wurden zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens behauptet, sondern gab er vielmehr im Beschwerdeschriftsatz an, seinen Lebensmittelpunkt in Lettland zu haben und in Zukunft allenfalls als Tourist oder zum Zwecke einer Ausbildung zum LKW-Fahrer nach Österreich kommen zu wollen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Vorab ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer hinreichend die Möglichkeit geboten wurde, sich zur Sache zu äußern und allfällige Beweismittel in Vorlage zu bringen. Verfahrensgegenständlich wurde er zweimal im Wege des Parteiengehörs dazu aufgefordert. Der Beschwerdeführer wurde dadurch in die Lage versetzt, seine Rechte geltend zu machen (VwGH 18.01.2001, 2000/07/0090).

Zur in der Beschwerde behaupteten Verletzung des Parteiengehörs ist festzuhalten, dass allein der Umstand, dass die Behörde den Beschwerdeführer nicht persönlich einvernommen hat, das Parteiengehör nicht verletzt, wenn sie dem Recht auf Parteiengehör auf andere geeignete Weise entspricht. Aufgrund der Verständigungen vom Ergebnis der Beweisaufnahme hatte der Beschwerdeführer die Gelegenheit, in diesem Verfahren Stellung zu nehmen. Zudem ist auch aufgrund der ihm im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu äußern, von einer Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen, zumal der angefochtene Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0069). Dass der Beschwerdeführer diese Möglichkeit nicht genutzt und im Beschwerdeschriftsatz kein sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet hat, ist ihm selbst zuzurechnen und ändert daher nichts an der Tatsache, dass sein Recht auf Parteiengehör gewahrt wurde. Hinzu kommt, dass über die im Behördenakt befindlichen Unterlagen ein zweifelsfreies Bild vom Beschwerdeführer gewonnen werden kann.

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Als Staatsangehöriger Lettlands ist der Beschwerdeführer EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 26.11.2020, Ra 2020/21/0104).

Da der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt in Ausübung seines Freizügigkeitsrechtes legal in Österreich aufhältig war und hier nur im Zuge von Straftaten in Erscheinung getreten ist, ist im gegenständlichen Fall der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter bis vierter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) anzuwenden.

Bereits die belangte Behörde hat das ausgesprochene Aufenthaltsverbot nicht (bloß) auf die Tatsache seiner Verurteilung und der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist (vgl. VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0116) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Dabei hob sie zu Recht hervor, dass der Beschwerdeführer mangels Aufenthaltsmeldung vor die Behörden nie greifbar war, hier zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging und sich offenbar nur zur Begehung von Straftaten in Österreich aufgehalten hat. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer auch außerhalb Österreichs straffällig wurde und eine entsprechend massive Vorstrafenbelastung aufweist. In ihrer Prognoseentscheidung ging die belangte Behörde davon aus, dass auch aufgrund der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers ein siebenjähriges Aufenthaltsverbot erforderlich sei, um sich zum einen außerhalb Österreichs finanziell zu konsolidieren sowie seine Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung entsprechend zu ändern.

Aufgrund der vom Beschwerdeführer laufend begangenen Straftaten im Vermögensbereich, verbunden mit seiner Mittelosigkeit und seinem unsteten Aufenthalt, geht durch einen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Eigentumskriminalität besteht (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 ua.).

Die zahlreichen Vorverurteilungen des Beschwerdeführers im Ausland belegen unzweifelhaft die gravierende kriminelle Energie des Beschwerdeführers und eine daraus ableitbare hohe Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch seinen Verbleib im Bundesgebiet. Dabei fällt entscheidend ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer aus dem polizeilichen Einschreiten bei seinen Straftaten, den erlittenen Freiheitsstrafen im Ausland und den bereits erfolgten fremdenrechtlichen Maßnahmen offenbar nichts gelernt hat. Vielmehr konnte ihn auch seine erfolgte freiwillige Ausreise im Vorjahr nicht zu einem Umdenken bewegen, sondern kehrte er nur kurze Zeit später unter Umgehung fremden- und melderechtlicher Bestimmungen nach Österreich zurück und setzte sein delinquentes Verhalten fort. Dies ist jedoch - anders als im Beschwerdeschriftsatz vermeint wird - unter dem Aspekt unionsrechtlicher Freizügigkeitsrechte nicht zu akzeptieren.

Durch den derzeitigen Haftaufenthalt ist die Zeit jedenfalls noch zu wenig weit fortgeschritten, um dem Beschwerdeführer einen allenfalls gegebenen - im Verfahren aber nicht einmal ansatzweise dokumentierten - positiven Gesinnungswandel zu attestieren (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276).

Auch die gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmende Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen kann nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen, zumal der Beschwerdeführer keinerlei private, familiäre oder sonstige Anknüpfungen an Österreich hat, sondern vielmehr lediglich zur Begehung strafbarer Handlungen in das Bundesgebiet eingereist ist.

Bei Abwägung aller relevanten Umstände sind die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes somit höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers. Das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten ist als schwerwiegend und geeignet, die öffentlichen Interessen maßgeblich zu gefährden, anzusehen, sodass ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und dies auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG zulässig ist.

Was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich diese innerhalb des dem Bundesamt zur Verfügung stehenden Rahmens. So sieht § 67 Abs. 2 FPG die Erlassung eines bis zu zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes vor und erscheint die gewählte Dauer von sieben Jahren angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers keineswegs als zu lang. Insbesondere wird berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem nunmehrigen Anlassfall zahlreiche einschlägige Vorverurteilungen in mehreren europäischen Staaten zu teils mehrjährigen Haftstrafen aufwies. Dies zeigt offensichtlich, dass der Beschwerdeführer aus seinem Fehlverhalten nicht gelernt hat, ihm die Rechtsordnungen Lettlands, Deutschlands, Italiens und insbesondere die österreichische offenbar gleichgültig sind und ihn weder Verurteilungen noch daraus resultierenden Freiheitsstrafen von der Begehung weiterer Straftaten im österreichischen Bundesgebiet abgehalten haben. Auch wenn sich das von der belangten Behörde verhängte Aufenthaltsverbot in der Dauer von sieben Jahren im oberen Bereich des zulässigen Maßes bewegt, erweist sich dieses als nicht ungerechtfertigt, insbesondere, weil aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit seiner Mittellosigkeit eine neuerliche Begehung gleichgelagerter Straftaten zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes geradezu als wahrscheinlich anzusehen ist. Zudem erachtete auch das Strafgericht eine unbedingte Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren für geboten, um den Beschwerdeführer hinkünftig von gleichgelagerten Straftaten abzuhalten. Aufgrund dieser Überlegungen war die Dauer des Aufenthaltsverbotes von neun Jahren nicht zu beanstanden, zumal dem auch weder private noch familiäre Interessen in Österreich entgegenstehen.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus und hat er anhand seines Gesamtfehlverhaltens unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Anschluss an seinen Haftaufenthalt im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, weshalb die Beschwerde im Ergebnis vollumfänglich abzuweisen war.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Selbst bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten kann für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern (vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0430). In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet (vgl. VwGH 11.05.2021, Ra 2020/14/0449). Da somit kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vorlag, konnte die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Diebstahl Durchsetzungsaufschub EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung Ladendiebstahl öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Unionsbürger Verhältnismäßigkeit Vermögensdelikt Wiederholungsgefahr Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2241409.1.00

Im RIS seit

22.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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