TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/16 W222 2245236-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.08.2021
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Entscheidungsdatum

16.08.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §33 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W222 2245236-1/4E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Indien, vertreten durch BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, sowie § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, ist auf dem Luftweg von Belgrad kommend in XXXX gelandet und hat am 19.07.2021 im Zuge einer vorgelagerten Kontrolle gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dabei gab dieser an: „Wenn ich in Indien bleibe, werde ich umgebracht.“

Die ärztliche Untersuchung vom 20.07.2021 ergab, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Untersuchung als haftfähig anzusehen ist.

Bei der Einvernahme am 20.07.2021 gab der Beschwerdeführer an, dass er zwölf Jahre die Grundschule besucht habe. Im Heimatland würde seine Mutter leben. Sein Vater lebe im Oman. Er habe 3 bis 4 Monate in Belgrad gelebt und habe am 19.07.2021 den Direktflug von Belgrad nach Wien genommen. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer folgendes an:

„Am XXXX ging ich gemeinsam mit einem Freund zu den Bauernprotesten. Die Situation dort ist eskaliert und mein Freund wurde von der Polizei mitgenommen und geschlagen. Meine Mutter rief mich an und sagte mir, dass ich nicht mehr nach Hause zurückkehren soll, weil mich die Polizei sucht. Da ich nicht von der Polizei gefunden wurde, wird meine Mutter noch immer belästigt von der Polizei. Da mein Leben nicht mehr in Sicherheit war, musste ich flüchten. Ich möchte hier um Asyl ansuchen.

Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin! Ich habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung.“

Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er um sein Leben.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 27.07.2021 vor der Erstaufnahmestelle XXXX , gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht in ärztlicher Behandlung stehe, keine Medikamente nehme und körperlich und geistig gesund sei. Weiters gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

„VP: Mein Name ist XXXX und ich wurde am XXXX in XXXX , Bezirk XXXX geboren.

LA: Sind Sie verheiratet? Wenn ja, wie lauten die Daten (Name, Geburtsdatum) Ihrer Gattin?

VP: Nein, befragt ich bin ledig.

LA: Haben Sie Kinder? Wenn ja, wie viele? Nennen Sie den Namen und Geburtsdaten der Kinder.

VP: Nein.

LA: Haben Sie noch Angehörige in Ihrer Heimat Indien?

VP: Mein Vater XXXX , ca. 45 Jahre alt – er lebt in XXXX /Oman, meine Mutter XXXX , ca. 40 Jahre lebt in Indien.

LA: Haben Sie Onkel und Tanten in Indien?

VP: Ja, die habe ich. Die wohnen getrennt von uns in Indien. Auf Nachfrage, die leben in verschiedenen Dörfern im Punjab.

LA: Was macht Ihr Vater im Oman? (Aufenthaltsstatus?)

VP: Er arbeitet dort. Auf Nachfrage, er arbeitet dort seit den letzten 25-26 Jahren. Auf Nachfrage, er lebt legal dort. Er hat ein Arbeitsvisum. Auf Nachfrage, er kommt alle paar Jahre uns besuchen in Indien.

LA: Wo genau halten sich Ihre Angehörigen aktuell auf?

VP: Indien, Punjab (Provinz), XXXX , XXXX .

LA: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen in Indien den Lebensunterhalt?

VP: Mein Vater schickt sein Gehalt zur Mutter.

LA: Bitte geben Sie so genau wie möglich die Adresse im Heimatland an, an der Sie zuletzt gelebt haben?

VP: Indien, Punjab (Provinz), XXXX , XXXX , von Geburt bis ich zu dem Freund meines Onkels ging.

Zuletzt lebte ich 2 ½ Monate im Bezirk XXXX , in XXXX gewohnt. Auf Nachfrage, ein Freund meines Onkels wohnt dort, dort habe ich gewohnt.

LA: Unter welchen Umständen und mit wem lebten Sie in Indien? (Haus, Wohnung, Miete, Eigentum …?)

VP: In unserem Eigentumshaus, gemeinsam mit meiner Mutter. Nur mit ihr habe ich dort gewohnt.

LA: Wann, wie und mit wem hatten Sie zuletzt Kontakt in Ihrem Heimatland?

VP: Mit niemanden habe ich in Indien telefoniert. Ich habe mit meinem Vater telefoniert, vor 2 Tage. Auf Nachfrage, er fragte mich ob es mir gut geht.

LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche verwandtschaftlichen oder privaten Bezugspunkte?

VP: Nein.

LA: Welche Schul- und Ausbildung haben Sie?

VP: 12 Jahre Grundschule. Auf Nachfrage, ich habe keine Berufsausbildung. Ich habe regelmäßig in einem Sikh Tempel aus unserem Heiligen Buch vorgelesen. Auf Nachfrage im Tempel in unserem Dorf.

LA: Wovon haben Sie gelebt? Wo waren Sie beschäftigt? Waren Sie bis zu Ihrer Ausreise beruflich tätig?

VP: Ich habe nie gearbeitet. Mein Vater hat sein Gehalt geschickt.

LA: Möchten Sie irgendwelche Beweismittel/Dokumente/ärztliche Befunde etc. vorlegen? Haben Sie Dokumente bei sich?

VP: Nein.

LA: Haben Sie einen Reisepass?

VP: Ich hatte einen indischen Reisepass vom Schlepper bekommen. Den Reisepass habe ich im Flugzeug zerrissen. Auf Nachfrage, es war mein Foto darin und meine Daten, aber den Pass hat der Schlepper 2 Tage vor meiner Ausreise bekommen, ich nehme an, dass er gefälscht war.

LA: Warum vernichten Sie einen gefälschten Pass?

VP: Es stand meine Adresse darauf. Der Schlepper hat gesagt, ich soll es vernichten.

LA: Was haben Sie noch für Dokumente im Heimatland?

VP: Nein.

LA: Wann haben Sie Ihren Entschluss zur Ausreise gefasst?

VP: Als ich in XXXX war, habe ich beschlossen, das Land zu verlassen. Ich glaube es war März 2021.

LA: Nennen Sie mir den Weg Ihrer Ausreise. Wer hat das Ticket besorgt und wie?

VP: Ich bin von Indien Delhi nach Dubai, 3 Monate in Serbien, dann direkt nach Österreich. Auf Nachfrage, der Flug wäre weiter in die Ukraine gegangen.

Mein Onkel hat einen Freund und der hat einen Freund, der hat die Reise organisiert.

LA: War die Flucht schlepperunterstützt? (Wie viel hast es gekostet woher kam das Geld)

VP: Ja, ich habe 600 000,- Rupien bezahlt. Auf Nachfrage, mein Vater hat es bezahlt.

LA: Wie erfolgte Ihre Ausreise legal oder illegal?

VP: Legal. Bis nach Serbien war es legal.

LA: Wie verlief die Ausreisekontrolle?

VP: Alles okay. Auf Nachfrage, ich habe den Pass und die Tickets hergezeigt. Ich hatte ein Touristenvisum für Dubai.

LA: Waren Sie sonst jemals im Ausland?

VP: Nein.

LA: Haben Sie bereits woanders um Asyl angesucht? (wenn ja, wann? – wo? Ausgang d. Verfahrens?)

VP: Nein.

LA: War Österreich jetzt Ihr Zielland?

VP: Nein. Mein Vater hat es beschlossen.

LA: Weshalb gingen Sie nicht zu Ihrem Vater in den Oman?

VP: Es ist nicht leicht ein Visum für den Oman zu bekommen. Man bekommt es nicht so schnell.

LA: Bitte nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit, Volksgruppe und Religionszugehörigkeit?

VP: Ich bin indischer Staatsbürger, gehöre der Volksgruppe der JAT an und bekenne mich dem Sikhismus.

Anm. VP sitzt ohne Turban

LA: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppe oder Religionszugehörigkeit Probleme im Heimatland?

VP: Wegen der Volksgruppe nicht, aber wegen der Religion XXXX .

LA: Welche Probleme?

VP: Wir waren in Delhi und am XXXX wie diese Flagge auf der XXXX angebracht worden ist. Hatten ich und meine Freunde ein T-Shirt an, wo vorne stand XXXX und auf der Rückseite stand XXXX . Die Polizei hat Bilder von uns gemacht und ein Freund wurde festgenommen.

VP zeigt ein Foto worauf er ersichtlich ist – VP wird aufgefordert die Details zu zeigen, wann das Foto entstanden ist. Dies kann er nicht.

Emailadresse wird bekannt gegeben – Übersendung bis morgen Vormittag.

LA: Werden Sie gesucht im Heimatland oder gibt es einen Haftbefehl?

VP: Nein. Es gibt aber ein Gesetz, wo die Polizei einen einfach festnehmen kann. Auf Nachfrage, das Gesetz heißt TADA.

LA: Was bedeutet TADA – diese Abkürzung?

VP: Ich weiß nur 2 Freunde wurden mitgenommen.

LA: Frage wiederholt!

VP: Leider fällt mir der Name nicht ein.

LA: Haben Sie im Heimatland strafbare Handlungen begangen, sind Sie vorbestraft / verurteilt oder waren Sie schon einmal in Haft oder Gefangenschaft?

VP: Nein.

Anm. VP wirkt nervös, er spielt mit seinen Fingern und dreht sich mit dem Schreibtischstuhl.

Die Plexiglaswand wackelt sehr oft, da VP daran stößt.

LA: Kommen wir bitte jetzt nochmals zu allen Ihren Fluchtgründen. Sie haben schon etwas dazu angegeben. Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen? Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davonmachen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.

VP: Am XXXX habe ich am Bauernprotest teilgenommen. An dem Tag haben wir vorgehabt unsere Flagge an der XXXX anzubringen. Am XXXX kehrte ich zurück nach Hause und ging weiter zu meiner Tante in der Stadt XXXX . In der Nacht vom XXXX war die Polizei bei uns zu Hause. Mein Freund war zu Hause und wurde mitgenommen. Meine Familie erfuhr davon und sagte mir, ich soll nicht nach Hause kommen. 2 Monate blieb ich außerhalb meines Dorfes. Ich dachte mir die Polizei wird aufhören mich zu suchen. Aber ich hörte immer wieder, dass sie mich suchen. Deshalb habe ich mein Land verlassen. Auf Nachfrage, die waren ja bei mir zu Hause. Mein Freund wurde mitgenommen. Meine Mutter wurde gefoltert und gefragt, wo ich bin. Da die Polizei noch immer nach mir sucht und mein Onkel hat beschlossen und die Ausreise organisiert. Das war es.

LA: Warum haben Sie an den Bauernprotesten teilgenommen?

VP: Es wurde uns gesagt, aus jedem Dorf mussten Personen dorthin gehen. Es war nicht verpflichtend. Wir sind ja alle Bauern.

LA: Sie haben in der Erstbefragung und auch in der jetzigen EV zu Ihrer beruflichen Tätigkeit, keine Angaben gemacht, dass Sie in der Landwirtschaft tätig waren. Sie führten ins Treffen, dass Sie keiner Tätigkeit nachgegangen sind und vom Gehalt Ihres Vaters gelebt haben.

VP: Wir haben keine große Landwirtschaft nur eine kleine und ich arbeite dort. Auf Nachfrage, mein Onkel arbeitet dort.

LA: Was haben Sie in der Erstbefragung zu Ihrem Fluchtgrund angegeben?

VP: Dieselben Gründe.

LA: Wann wurde Ihr Freund von der Polizei mitgenommen worden?

VP: Am XXXX am Abend. Auf Nachfrage, mein Mutter hat es mir gesagt, er wohnt in der Nachbarschaft. Auf Nachfrage, meine Mutter hat mich angerufen. Ich war bei meiner Tante in XXXX . Auf Nachfrage, ich war zu diesem Zeitpunkt nur zu Besuch bei ihr.

LA: Am XXXX , waren dort viele Leute? Wo hielten Sie sich auf?

Von wo aus marschierten Sie los?

VP: Es war ein Traktormarsch, ich war auf einem Traktor aus unserem Dorf und fuhr von der XXXX bis zur XXXX . Auf Nachfrage, ich hielt mich in der Mitte der Menschen auf. ES waren ca. zweihunderttausend Menschen dort.

LA: Wie konnte man gerade Sie unter den tausenden Menschen finden?

VP: Wir haben Videos und Fotos gemacht. Wir waren 8 -9 Personen mit dem T-Shirt. Und auf dem Traktor und auf dem Anhänger hatten wir eine XXXX .

LA: Wo sind die Videos?

VP: Ich habe keines mehr. Die Freunde, die die Videos gemacht haben, mit denen bin ich nicht mehr in Kontakt.

LA: Ist es nicht verboten, wenn man die XXXX trägt?

VP: Ja, es ist verboten.

LA: Warum hätten Sie es dann gemacht?

VP: In Punjab, ist es erlaubt, aber außerhalb ist es ein Problem.

LA: Bezüglich des Fotos, welches Sie in Vorlage gebracht haben, es ist nicht ersichtlich, ob dieses bei den Protesten gemacht wurde oder in Punjab, ein Foto mit „Freunden“. Deswegen wollte ich die Details, wann das Foto entstanden ist.

VP: Es ist vom XXXX man sieht den Anhänger.

LA: Ich kann mich auch vor irgendeinen Anhänger stellen und ein Foto machen!

VP: Ich war dort.

LA: Das sind Ihre Fluchtgründe, weshalb Sie nun einen Asylantrag gestellt haben?

VP: Ja.

LA: Ihre Mutter lebt jetzt ganz alleine in deren Eigentumshaus?

VP: Ja.

LA: Gibt es sonst noch ein Vorbringen oder Vorfälle zu Ihrem Fluchtgrund?

VP: Nein.

LA: Sie befinden sich im Sondertransitbereich. Es besteht für Sie jederzeit die Möglichkeit freiwillig auszureisen.

VP: Anm. Schweigen. In Serbien bekommt man kein Asyl.

LA an Rechtsberatung: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?

RB: Nein, Danke.

LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass Ihnen die Einreise in das Bundesgebiet NICHT gestattet wird.

Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR – Zustimmung von UNHCR - Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren – Beschwerdemöglichkeit an Bundesverwaltungsgericht – abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes – Zurückweisung der VP durch LPD - aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren - keine Zustimmung von UNHCR – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland – oder Stattgebung der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland.

VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch BBU, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt.

LA: Haben Sie diese Vorgehensweise verstanden?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas ergänzen?

VP: Nein.

LA: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

VP: Ich habe die Dolmetscherin gut verstanden.

LA: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

VP: Ja.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Es hat alles gepasst.“

Mit Schreiben vom XXXX .07.2021 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an das UNHCR Büro in Österreich ersuchte das Bundesamt den UNHCR um Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 AsylG.

Mit Schreiben vom XXXX .08.2021 teilte der UNHCR mit: „Bezugnehmend auf Ihr Ersuchen vom XXXX .07.2021 erlauben wir uns, Ihnen mitzuteilen, dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nummer 30 des UNHCR – Exekutivkommitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden kann.“

Das Bundesamt hat mit dem angefochtenen Bescheid gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt, und ihm unter einem auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt.

Begründend wurde im angefochtenen Bescheid, neben umfangreichen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Indien, unter Darlegung näherer Erwägungen unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Sie waren nicht in der Lage, konkrete Angaben zu Ihrem Vorbringen darzulegen. Sie führten in den Befragungen oberflächliche und unterschiedliche Angaben zu Ihren Fluchtgründen an.

Im Rahmen Ihrer Erstbefragung am 20.07.2021 führten Sie aus, dass Sie gemeinsam mit einem Freund zu den Bauernprotesten am XXXX gegangen wären. Die Situation sei eskaliert und Ihr Freund sei von der Polizei mitgenommen und geschlagen worden. Ihre Mutter hätte Sie angerufen und Ihnen mitgeteilt, dass Sie nicht mehr nach Hause zurückkehren sollen, da die Polizei Sie suchen würde. Da die Polizei Sie nicht finden hätte können, würde Ihre Mutter von der Polizei noch immer belästigt werden. Da Ihr Leben nicht mehr sicher wäre, hätten Sie flüchten müssen.

Weitere Gründe für Ihre Asylantragstellung brachten Sie nicht vor.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führten Sie die Teilnahme Ihrer Person an dem Bauernprotest gemeinsam mit dem Freund, jedoch mit unterschiedlichen Angaben aus.

In der Erstbefragung führten Sie an, dass die Situation an dem Bauernprotest dort am XXXX eskaliert wäre und Ihr Freund von der Polizei mitgenommen und geschlagen worden wäre.

In der Einvernahme gaben Sie an, dass Sie am XXXX in Ihr Heimatdorf zurückgekehrt wären. Sie seien jedoch zu Ihrer Tante in die Stadt XXXX gegangen. In dieser Nacht, wäre die Polizei bei Ihnen zu Hause gewesen. Ihr Freund sei bei sich zu Hause gewesen und sei mitgenommen worden (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 8, vom 22.07.2021).

Hätte es diesen Vorfall wirklich gegeben, wo Ihr Freund von der Polizei wirklich mitgenommen und geschlagen worden wäre, so hätten Sie sich an den Zeitpunkt der „Mitnahme“ des Freundes genau erinnern können. Sie führten in der Erstbefragung und in der Einvernahme unterschiedliche Angaben zu diesem von Ihnen ins Treffen gebrachten Vorfall aus. Somit lässt es sehr den Anschein, dass dieser Vorfall niemals stattgefunden hat.

Sie führten aus, dass Sie in Indien keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind. Sie wurden durch Ihren Vater, welcher im Oman beruflich tätig ist, finanziell unterstützt. Sie erwähnten mit keinem Wort in der Erstbefragung als auch zu Beginn der Einvernahme, dass Sie in der Landwirtschaft tätig waren. Somit lässt sich auch nicht feststellen, welchen Grund Sie gehabt hätten um an den Bauernprotesten teilzunehmen. Sie führten im Laufe der Einvernahme kurz aus, dass Sie bzw. Ihre Mutter eine kleine Landwirtschaft hätte, welche jetzt vom Onkel betreut werden würde (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 8, vom 22.07.2021).

Zur Unterstreichung Ihres Vorbringens – der Teilnahem an dem Bauernprotest - brachten Sie ein Foto in Vorlage, welche Sie und eine Gruppe von jungen Männern zeigt, mit orangen Tüchern in der Hand und Sie tragen alle dieselben T-Shirts, auf der Rückseite der T-Shirts würde „ XXXX “ stehen. Dies ist auf dem Foto nicht ersichtlich. Was man sehen kann sind kleine Kinder im Hintergrund, welche ein Gewehr halten und eine Frau.

Sie wurden von der Einvernahme Leiterin aufgefordert die Details des Fotos zu zeigen, gemeint die Details, wo ersichtlich ist wann das Foto (Datum) aufgenommen wurde.

Sie waren nicht in der Lage die Details zu zeigen, wann das Foto aufgenommen wurde (vgl. Einvernahmeprotokoll, S.7, vom 22.07.2021).

Es hätte keine Verfolgung oder Bedrohung aufgrund Ihrer Volksgruppe gegeben, jedoch aufgrund der Religion „ XXXX “ schon. Diesbezüglich bezogen Sie sich auf dieses von Ihnen in Vorlage gebrachte Foto, da die Polizei Fotos von ihnen allen gemacht hätte und ein Freund festgenommen worden sei (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 7, vom 22.07.2021).

Hier stellt sich die Frage, weshalb fertig die Polizei vorher Fotos von der ganzen Gruppe an und nimmt danach nur eine Person fest.

Wenn Sie wirklich an diesem Bauernprotest teilgenommen hätten und sogar T-Shirts mit dem Schriftzug „ XXXX “ getragen hätten, was die erkennende Behörde nicht glaubt. Weshalb hat Sie die Polizei nicht vor Ort festgenommen bzw. die gesamte Gruppe. Außerdem führten Sie in der Erstbefragung an, dass Sie und ein Freund an dem Bauernprotest teilgenommen hätten und nicht eine ganze Gruppe. Wären Sie wirklich mehr Personen gewesen, so hätten Sie sich daran erinnern können. Da Sie nicht in der Lage waren, die Details des Fotos darzulegen, wann dieses von Ihnen und den anderen aufgenommen worden wäre. Gaben Sie an, dass dieses am XXXX aufgenommen worden wäre. Sie hätten sogar Videos und Fotos von Ihrer Teilnahme an diesem Bauernprotest angefertigt. Jedoch würden Sie keine Videos und Fotos mehr haben, die Freunde, welche die Fotos und Videos angefertigt hätten, zu denen würden Sie keinen Kontakt mehr haben (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 9, vom 22.07.2021).

Es lässt sehr den Anschein, dass Sie sich einer konstruierten Geschichte im Zusammenhang mit den derzeitigen Bauernprotesten in Indien bedient haben.

Befragt, ob es einen Haftbefehl gegen Ihre Person geben würde, verneinten Sie. Es würde jedoch ein Gesetz geben, wo einem die Polizei einfach festnehmen könnte. Dieses Gesetz bezeichneten Sie mit „ XXXX “. Sie wurden von der Einvernahme Leiterin befragt, was die Abkürzung „ XXXX “ bedeutet. Sie waren nicht in der Lage zu benennen, was diese Abkürzung bedeutet. Sie würden nur wissen, dass 2 Freunde mitgenommen worden wären (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 7, vom 22.07.2021).

Wie bereits ausgeführt, hätte die Polizei Sie wirklich festnehmen wollen, dann hätte die Polizei dies längstens getan. Sie gaben an, dass an dem Bauernprotest zweihunderttausend Menschen anwesend gewesen wären. Sie hätten sich in der Mitte der Menschenmassen aufgehalten (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 9, vom 22.07.2021).

Sie waren nicht in der Lage darzulegen, weshalb man gerade Sie unter den tausenden Menschen identifizieren hätte können.

Hätte es wirklich ein Interesse an Ihrer Person gegeben, was die erkennende Behörde nicht glaubt, so wären Sie bereits vor Ort festgenommen worden.

Es lässt sehr den Anschein, dass Sie die derzeitigen Bauernproteste zum Vorwand nahmen um sich eine Fluchtgeschichte zurechtzulegen. Sie waren nicht in der Lage glaubhaft darzulegen, dass Sie aufgrund einer Teilnahme an einem Bauernprotest am XXXX verfolgt werden.

Sie haben eine lange Reise hinter sich durch mehrere Länder und einem längeren Aufenthalt in Serbien von 3-4 Monaten, es ist nicht verständlich, weshalb Sie nicht in Serbien bereits um Schutz angesucht haben.

Sie waren nicht in der Lage glaubhaft darzulegen, dass man Sie in Indien verfolgen bzw. bedrohen würde.

Ihre Ausreise aus Indien erfolgte auf legalem Wege, ohne Probleme bei der Ausreisekontrolle. Wären Sie wirklich gesucht worden, so hätten Sie Indien nicht auf legalem Weg über den Flughafen und der Ausreisekontrolle verlassen können.

In der Gesamtschau waren Sie nicht in der Lage ein glaubhaftes Vorbringen zu Ihren zentralen Asylvorbringens darzulegen. Hätten die von Ihnen behaupteten Bedrohungen gegen Ihre Person tatsächlich stattgefunden, wären von Ihnen detaillierte und nachvollziehbare Angaben zu erwarten gewesen. Es kann nicht Aufgabe der Einvernahme Leiterin sein, jede Ihrer unzähligen vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es an Ihnen ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen.

In einer Gesamtwürdigung Ihres Vorbringens gelangt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Anbracht der aufgetretenen Widersprüche sowie der mangelnden Plausibilität der in Rede stehenden Angaben zur Ansicht, dass nicht glaubwürdig ist, dass Sie in Indien, bedroht worden wären. Diesbezüglich haben Sie eine individuelle Bedrohung oder Verfolgung nicht glaubhaft machen können.

Die Behörde kommt darüber hinaus zu dem Schluss, dass es Ihnen nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.

Da Ihren Fluchtgründen kein Glauben geschenkt wird und Sie problemlos mit Ihrem echten Reisepass das Land verlassen haben, ist bei einer Einreise nach Indien nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Sie aufgrund einer Asylantragstellung bei einer Rückkehr mit Schwierigkeiten zu rechnen haben.

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in Indien derzeit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrschte, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre.

In Anlehnung an die vorstehenden Ausführungen ist in Ihrem Fall hervorzuheben, dass Sie in Ihren Heimatländern keine aktuell drohende Verfolgung zu erwarten haben, wie bereits im gegenständlichen Bescheid ausgeführt wurde. Somit ist eine essentielle Voraussetzung für das oben angeführte wirtschaftliche Existenzminimum –ein verfolgungssicherer Ort- erfüllt.

Was nun die zweite Voraussetzung –die Erwerbsfähigkeit- betrifft, ist anzumerken, dass es sich in Ihrem Fall um einen arbeitsfähigen jungen Mann, mit 12 Jahren Schulbildung handelt. Sie wären durch Ihren Vater finanziell unterstützt worden, welcher im Oman beruflich tätig ist.

Daher ist zusammenfassend jedenfalls davon auszugehen, dass Sie im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sein werden, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht über anfängliche Schwierigkeiten hinaus in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Aufgrund der vorstehenden Überlegungen geht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zweifelsfrei davon aus, dass Sie in Ihrem Heimatland keiner existenziellen Notlage ausgesetzt sind, nachdem Sie dort keine Verfolgung zu befürchten haben, Erwerbsfähigkeit gegeben ist und sich auch aus der allgemeinen Lage in Ihrem Heimatland nicht ergibt, dass praktisch jede dorthin zurückkehrende Person in eine Existenzgefährdende Lage gerät.

Es besteht kein Behandlungsbedarf wegen einer lebensbedrohenden Erkrankung. Sie sind gesund und benötigen keinerlei Behandlungsmethoden oder sonstige medizinische Betreuung, welche in Österreich und nicht in Indien vorhanden wären.

Aus diesen Gründen waren die entsprechenden Feststellungen bezüglich der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr zu treffen.“

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus dem Bundesstaat Punjab und hat am 19.07.2021 am Flughafen XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In Indien leben seine Mutter und Onkeln und Tanten. Sein Vater lebt und arbeitet im Oman und unterstützt die Familie finanziell.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

COVID-19

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800

Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die

Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

•        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.10.2020): https://www.bamf.de/Sh aredDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnoteskw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blo b=publicationFile&v=4 , Zugriff 12.10.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

•        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirts chaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wir tschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

Politische Lage

Letzte Änderung: 23.10.2020

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 5.10.2020; vgl. AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 8.2020a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA9.2020a). Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2020a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 8.2020a).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic

Alliance (NDA)“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-

Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die

United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore

(East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des

Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 8.2020a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW

27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion Neu Delhi musste die Partei des

Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi

(AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Großmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (BICC 7.2020). Ein ständiger Sitz im UNSicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 8.2020a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (BICC 7.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ec oi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abs chiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_2 3.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

•        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi .net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_a syl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_201

9%29%2C_19.07.2019.pdf , Zugriff 15.10.2020

•        AA – Auswärtiges Amt (9.2020a): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertig es-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff

15.10.2020

•        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_I ndien.pdf , Zugriff 20.10.2020

•        CIA - Central Intelligence Agency (5.10.2020): The World Factbook – India, https://www. cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 15.10.2020

•        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

•        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in

Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindusund-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien,

Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 15.10.2020

•        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

•        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschefmodi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

•        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

•        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

•        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-pro-

ject-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

•        USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.11.2020

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung

(GIZ 8.2020a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 7.2020). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 7.2020).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020) und der und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (SATP 8.10.2020). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die

Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 4.3.2020). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es

weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 4.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. 2020 wurden bis zum 1.11. insgesamt 511 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP

1.11.2020).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Indien und Pakistan

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 12.2019; vgl. BBC 23.1.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten „Line of Control (LoC)“ haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).

Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 12.2019). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 12.2019). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14.2.2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ

26.2.2019, WP 26.2.2019).

Indien und China

Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Zusammenstöße entlang der „Line of Actual Control (LAC)“, der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin forderten am 15.6.2020 in den ersten Vorfällen seit 45 Jahren mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC 3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise (SWP 7.2020; vgl. Wagner C. 2020). Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in den letzten Monaten gesehen werden (SWP 7.2020). Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr als 3.400 Kilometer langen Grenze (FAZ 27.2.2020; vgl. SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 7.2020).

Zwar hat der amerikanisch-chinesische Handelskrieg die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen, dennoch fühlt sich Indien von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan,

Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020). Bestimmender Faktor des indischen Verhältnisses zu China ist das immer wieder auch in Rivalität mündende Neben- und Miteinander zweier alter Kulturen, die heute die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt sind. Das bilaterale Verhältnis ist von einem signifikanten Ungleichgewicht zu Gunsten Chinas gekennzeichnet (BICC 7.2020).

Indien und Bangladesch

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines

Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 8.2020a). Darüber hinaus bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 7.2020).

Indien und Sri Lanka

Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis, das durch den mittlerweile beendeten Bürgerkrieg auf Sri Lanka zwischen der tamilischen Minderheit und singhalesischen Mehrheit stark beeinflusst wurde. Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ

8.2020a).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ec oi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abs chiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_2

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•        BBC - British Broadcasting Corporation (3.7.2020): Locals remain anxious amid India-

China border stand-off, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-53020382 , Zugriff

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•        BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile – Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384 , Zugriff 29.1.2019

•        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_I ndien.pdf, Zugriff 20.10.2020

•        BPB - Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (12.12.2017): Konfliktporträt:

Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien , Zugriff 18.3.2020

•        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaf fe-verletzt-den-pakistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 6.8.2019

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - India, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025925.html , Zugriff 10.3.2020

•        FIDH – International Federation for Human Rights (23.6.2020): China/India/Pakistan: Deescalate tensions along border lines and seek peaceful resolution of disputes, 23.6.2020 https://www.fidh.org/en/region/asia/india/china-india-pakistan-de-escalate-tensions-alon g-border-lines-and-seek , Zugriff 22.7.2020

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/ , Zugriff 15.10.2020

•        KO – Kaschmir Observer (25.6.2020): Indian, Pakistani Troops Trade Fire In North Kashmir, https://kashmirobserver.net/2020/06/25/indian-pakistani-troops-trade-fire-in-north-k ashmir/ , Zugriff 22.7.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

•        Piazolo, Michael (2008): Macht und Mächte in einer multipolaren Welt. Springer Verlag. Seite 201

•        SATP - South Asia Terrorism Portal (8.10.2020): Data Sheet -. Punjab, Yearly Fatalities, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-punjab, Zugriff 12.10.2020

•        SATP - South Asia Terrorism Portal (1.11.2020): Data Sheet - India Yearly Fatalities: 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india, Zugriff 3.11.2020

•        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, Juli 2020

https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf , Zugriff 22.7.2020

•        SZ- Süddeutsche Zeitung (26.2.2019): Indien bombardiert pakistanischen Teil Kaschmirs, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509 , Zugriff 6.8.2019

•        Wagner, C. (2020). The Indian-Chinese confrontation in the Himalayas: a stress test for India’s strategic autonomy.

(SWP Comment, 39/2020). Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches

Institut für Internationale Politik und Sicherheit. https://doi.org/10.18449/2020C39, Zugriff 22.10.2020

•        WP – The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-i ndian-fighter-jets-crossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/9 01f3000-3979-11e9-a06c-3ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709 , Zugriff

6.8.2019

Punjab

Letzte Änderung: 23.10.2020

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 9.2020).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Es gibt Anzeichen von konzertierten Versuchen militanter Sikh-Gruppierungen im Ausland gemeinsam mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI, die aufständische Bewegung in Punjab wiederzubeleben. Indischen Geheimdienstinformationen zufolge werden Kämpfer der Babbar Khalsa International (BKI), einer militanten Sikh-Organisation in Pakistan von islamischen Terrorgruppen wie Lashkar-e-Toiba (LeT) trainiert, BKI hat angeblich ein gemeinsames Büro mit der LeT im pakistanischen West-Punjab errichtet. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der aufständischen Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 9.2020). Im Punjab haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 11.3.2020; vgl. BBC 20.10.2015). Die Menschenrechtslage im Punjab stellt sich nicht anders als im übrigen Indien dar. Jüngste Berichte internationaler Menschenrechts-NGOs (Amnesty International, Human Rights Watch), aber auch jene des US State Department enthalten keine gesonderten Informationen zum Punjab (ÖB 9.2020).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana weiterhin ein Problem dar (USDOS 11.3.2020).

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.). Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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