TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/18 W222 2245438-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.08.2021
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Entscheidungsdatum

18.08.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §33 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W222 2245438-1/3E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Indien, vertreten durch BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, sowie § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, ist auf dem Luftweg von Belgrad kommend in XXXX gelandet und hat am 25.07.2021 im Zuge einer vorgelagerten Kontrolle gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dabei gab dieser an: „Ich bin Schriftführer bei einer Zeitung und habe einen Artikel gegen einen XXXX geschrieben. Dieser schickte Gauner zu mir, die mich umbringen wollen.“

Die ärztliche Untersuchung vom 26.07.2021 ergab, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Untersuchung als haftfähig anzusehen ist.

Bei der Erstbefragung am 26.07.2021 gab der Beschwerdeführer an, dass er zwölf Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Zeitungsreporter gearbeitet habe. Im Heimatland würde seine Eltern und sein Bruder sowie seine Ehefrau und seine Tochter leben leben. Er sei mit einem Flug von Belgrad nach Wien genommen. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer folgendes an:

„Ich habe einen Zeitungsbericht über XXXX geschrieben, bei dem XXXX und andere wichtige Personen involviert waren. Sie haben Leute geschickt um mich zu schlagen. Einmal haben einen Unfall verursacht, wobei ich schwer wurde. Außerdem wurde ich auch mit dem Umbringen bedroht. Aus diesem Grund habe ich mein Heimatland verlassen.

Ich suche hier um Asyl an.

Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er um sein Leben.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 02.08.2021 vor der Erstaufnahmestelle XXXX , gab der Beschwerdeführer an, dass er körperlich und geistig gesund sei, manchmal seien seine Herzschläge sehr schnell und er nehme deshalb Medikamente, die er schon in Indien genommen habe. Weiters gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

VP: Ich heiße XXXX und bin am XXXX in XXXX , Provinz Uttar Khand, Indien geboren.

LA: Sind Sie verheiratet? Wenn ja, wie lauten die Daten (Name, Geburtsdatum) Ihrer Gattin?

VP: Ja. Ihr Name ist XXXX und sie ist ca. 28 Jahre alt.

LA: Wo befindet sich Ihre Frau?

VP: Sie wohnt bei Ihren Eltern in Indien. Befragt, im Dorf XXXX , XXXX , District XXXX in Punjab/ Indien.

LA: Haben Sie Kinder? Wenn ja, wie viele? Nennen Sie den Namen und Geburtsdaten der Kinder.

VP: Ja eine Tochter namens XXXX , sie ist ca. 2 1/2 Jahre alt. Sie lebt mit meiner Frau bei deren Eltern.

LA: Haben Sie noch Angehörige in Ihrer Heimat Indien?

VP: Mein Vater XXXX , ca. 60 Jahre alt, meine Mutter XXXX , ca. 48 Jahre alt, meine Ehefrau XXXX , ca. 28 Jahre alt, meine Tochter XXXX , ca. 2 1/2 Jahre alt und mein Bruder XXXX , ca. 28 Jahre alt leben nach wie vor in Indien. Ein Bruder namens XXXX , ca. 30 Jahre alt lebt in Dubai.

LA: Wo genau halten sich Ihre Angehörigen aktuell auf?

VP: In Indien, Punjab, XXXX .

LA: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen in Indien den Lebensunterhalt?

VP: Mein Vater ist XXXX , er war ein XXXX . Mein Bruder ist arbeitslos.

LA: Bitte geben Sie so genau wie möglich die Adresse im Heimatland an, an der Sie zuletzt gelebt haben?

VP: In Indien, XXXX . Dort habe ich mich von XXXX .12.2020 bis XXXX .01.2021 aufgehalten. Befragt, ich habe bei meinem Onkel ms in einem Eigentumshaus gelebt.

LA: Wie lange haben Sie an dieser Adresse gelebt?

VP: Von XXXX .12.2020 bis XXXX .01.2021.

LA: Wovon lebten Sie dieses eine Monat bei Ihrem Onkel?

VP: Meine Familie hat mich unterstützt.

LA: Unter welchen Umständen und mit wem lebten Sie zuvor in Indien? (Haus, Wohnung, Miete, Eigentum ... ?)

VP: Ich lebte davor gemeinsam mit meinen Eltern in Indien, Punjab, XXXX . Es war auch ein Eigentumshaus. Befragt, meine Frau hat auch bei uns gewohnt, bis Dezember 2020.

LA: Wann, wie und mit wem hatten Sie zuletzt Kontakt in Ihrem Heimatland?

VP: Vor einer Woche habe ich mit meinem Bruder telefoniert. Befragt, normale Gespräche. Befragt, es ging um alltägliche Dinge.

LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche verwandtschaftlichen oder privaten Bezugspunkte?

VP: Nein.

LA: Welche Schul- und Ausbildung haben Sie?

VP: Ich war 12 Jahre in der Grundschule. Ich habe als Zeitungsreporter gearbeitet. Ich kann auch mit XXXX umgehen.

VP nach längerer Überlegung, ich habe XXXX gemacht. Befragt, ich habe XXXX in XXXX gemacht.

LA: Wovon haben Sie gelebt? Wo waren Sie beschäftigt? Waren Sie bis zu Ihrer Ausreise beruflich tätig?

VP: Ich habe als Zeitungsreporter gearbeitet. Ich habe für die XXXX geschrieben. Ich habe bis XXXX oder XXXX 2020 gearbeitet, Befragt, ich habe gekündigt.

LA: Möchten Sie irgendwelche Beweismittel/Dokumente/ärztliche Befunde etc. vorlegen? Haben Sie Dokumente bei sich?

VP: Ich habe auf meinem Handy einen Befund von einem Arzt, von dem Tag an dem ich angegriffen wurde.

VP wird die E-Mail-Adresse der Einlaufstelle bekannt gegeben und sofortige Übermittlung an das Postfach erfolgte (Fotokopie in englischer Sprache)

Anm.: Reisepass wurde lt. Angaben der VP aus dem Weg nach Österreich vernichtet und entsorgt, um hier um Asyl ansuchen zu können.

LA: Was haben Sie noch für Dokumente im Heimatland?

VP: Nein nichts. Befragt, es könnte sein, dass ich etwas wegen des Studiums zuhause habe, aber ich weiß es nicht.

LA: Können Sie sonst noch Berichte oder Befunde von Ärzten vorlegen, auch bezüglich Ihrer Einnahme von Tabletten wegen Ihres Herzens, was Sie zu Beginn der Einvernahme angaben?

VP: Nein.

LA: Wann haben Sie Ihren Entschluss zur Ausreise gefasst?

VP: Im November 2020.

LA: Nennen Sie mir den Weg Ihrer Ausreise? Wer hat das Ticket besorgt und wie?

VP: Ich bin am XXXX .01.2021 von Indien in die Ukraine geflogen und war dort für 5 Monate aufhältig. Von der Ukraine bin ich weiter nach Serbien für 1 Monat und anschließend weiter nach Österreich. Die Tickets habe ich vom Schlepper.

LA: War die Flucht schlepperunterstützt? (Wie viel hast es gekostet woher kam das Geld)

VP: Ja. Ca. 900.000,- INR das Geld kam von meiner Familie, woher keine Ahnung.

LA: Was haben Sie während Ihres Aufenthaltes in der Ukraine und in Serbien gemacht?

VP: Nichts.

LA: Wo und wovon lebten Sie?

VP: Ich habe in einem Heim gewohnt in beiden Ländern, meine Familie hat mir Geld geschickt.

LA: Wie erfolgte Ihre Ausreise legal oder illegal?

VP: Legal.

LA: Wie verlief die Ausreisekontrolle?

VP: Alles okay.

LA: Waren Sie sonst jemals im Ausland?

VP: Nein.

LA: Haben Sie bereits woanders um Asyl angesucht? (wenn ja, wann? — wo? Ausgang d. Verfahrens?)

VP: Nein.

LA: War Österreich jetzt Ihr Zielland?

VP: Nein, der Schlepper hat das für mich ausgesucht. Befragt, ich hatte kein Zielland.

LA: Bitte nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit, Volksgruppe und Religionszugehörigkeit.

VP: Ich bin indischer Staatsbürger, gehöre der Volksgruppe der Dalit an und bin Hindu.

LA: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppe oder Religionszugehörigkeit Probleme im Heimatland?

VP: Ja ich hatte wegen der Volksgruppe Probleme, wenn wir zur Polizei gingen ignorierten die unsere Anzeigen.

LA: Welche Stellung hat Ihre Kaste? Gab es Probleme mit den Behörden aufgrund der Kastenzugehörigkeit?

VP: Es ist eine der untersten Kasten. Nein es gab keine Probleme.

LA: Werden Sie gesucht im Heimatland oder gibt es einen Haftbefehl?

VP: Nein.

LA: Haben Sie im Heimatland strafbare Handlungen begangen, sind Sie vorbestraft / verurteilt oder waren Sie schon einmal in Haft oder Gefangenschaft?

VP: Nein.

LA: Kommen wir bitte jetzt nochmals zu allen Ihren Fluchtgründen. Sie haben schon etwas dazu angegeben. Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen? Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davonmachen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.

VP: Im Jahr XXXX habe ich angefangen als XXXX bei dem XXXX zu arbeiten. Im Jahr XXXX habe ich für XXXX als Zeitungsreporter gearbeitet. Im Jahr 2018 erfuhr ich über XXXX wo der XXXX und wichtige involviert waren. Im Jahr 2019 und 2020 habe ich XXXX über XXXX geschrieben. Nach dem XXXX Bericht wurde ich am XXXX angegriffen, ich wurde verletzt. Aus diesem Grund habe ich im XXXX 2020 gekündigt. Am XXXX war ich mit dem Motorrad im Dorf XXXX unterwegs als ein Auto mir reingefahren ist. Ich wurde verletzt und bewusstlos und wurde ins Spital gebracht. Es war ein absichtlicher Angriff gegen meine Person. Danach war ich bei der Polizei, die Polizei hat nichts unternommen. Ich war beim Dorfrat, erzählte denen alles. Sie waren dann gemeinsam mit mir bei der Polizeistation, auch da hat die Polizei meine Anzeige nicht aufgenommen. Nach 4 oder 5 Tagen verließ ich mein Dorf und ging zu meinem Onkel. In XXXX habe ich Drohanrufe erhalten, weil der XXXX sehr wichtig ist. Befragt, das ist alles.

LA: Das sind Ihre Fluchtgründe, weshalb Sie nun einen Asylantrag gestellt haben?

VP: Ja.

LA: Was ist am XXXX passiert?

VP: Ich war Mittagessen. Und ich wurde dann mit Stöcken geschlagen, dabei wurde mein Rücken verletzt. Befragt, es war gegen XXXX Uhr.

LA: Wer hat Sie mit Stöcken geschlagen?

VP: Mafiöse Leute haben mich geschlagen. Befragt, ich kenne die Personen nicht und kenne auch den Namen nicht.

LA: Wo ist der Vorfall passiert?

VP: In der Stadt XXXX . Dort habe ich gearbeitet.

LA: Wer hat davon mitbekommen, wer hat das gesehen?

VP: Es haben sehr viele Leute mitbekommen. Befragt, es sind dann 2 oder 3 Personen gekommen und haben mir geholfen.

LA: Haben Sie Verletzungen davon getragen?

VP: Ich wurde am Kreuz verletzt. Befragt, man sieht aktuell nichts mehr davon. Befragt, ich war beim Arzt aber ich habe keine Befunde.

LA: Kann man die Berichte, die Sie veröffentlich haben, noch irgendwo erhalten?

VP: Nein. Ich kann mich nicht erinnern an welchem Datum ich die geschrieben habe.

LA: Können Sie noch Fotos oder Kopien von den Berichten vorlegen? Können Sie irgendwie beweisen, dass Sie solche Berichte geschrieben haben?

VP: Nein. Ich kann sie auch nicht von dem Verlag verlangen, weil ich gekündigt habe.

LA: Wann genau haben Sie die Berichte veröffentlich?

VP: Im XXXX 2019, im XXXX 2020 und im XXXX 2020.

LA: Im XXXX veröffentlichten Sie also den letzten Artikel, danach nicht mehr?

VP: Ja.

LA: Wieso würden Sie XXXX Monate später deshalb angegriffen werden?

VP: Das weiß ich nicht. Ich habe zuvor schon Bedrohungen bekommen.

LA: Wieso gehen Sie davon aus, dass der Übergriff gegen Sie aufgrund von den Artikeln erfolgt?

VP: Weil ich sonst keine Feinde in Indien habe.

LA: Wer hat Sie bedroht?

VP: Die Leute vom XXXX haben mich bedroht.

LA: Wann war das? Wie erfolgten die Bedrohungen?

VP: Als ich die Berichte geschrieben habe. Telefonisch. Befragt, ich kann das nicht nachweisen.

LA: Wann wurden Sie zuletzt bedroht?

VP: Während meines Aufenthaltes in XXXX . Befragt, es waren Leute vom XXXX .

LA: Wie viel Tage vor der Ausreise war der Anruf?

VP: XXXX Tage.

LA: Was ist am XXXX passiert?

VP: Es ist ein Unfall passiert. Ich war mit dem Motorrad unterwegs. Ein Auto ist mir entgegengekommen und ist mir reingefahren. Befragt, es war ca. 16 Uhr. Befragt, ein Dorfbewohner hat mich dann ins Spital gebracht, er hat XXXX geheißen.

LA: Wann sind Sie im Spital eingetroffen?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Was ist der Grund für Ihre Annahme, dass der Unfall beabsichtigt war?

VP: Weil das Auto direkt in mich hineingefahren ist.

LA: Haben Sie bleibende Verletzungen erlitten?

VP: Nein.

LA: Wann sind Sie zu Ihrem Onkel gezogen?

VP: Am XXXX oder XXXX Dezember.

LA: Gab es sonst noch weitere Vorfälle, bis auf diese beiden?

VP: Nein.

LA: Gibt es sonst noch ein Vorbringen oder Vorfälle zu Ihrem Fluchtgrund?

VP: Nein.

LA: Wann waren Sie zuletzt bei der Polizei?

VP: Nach dem ersten Angriff am XXXX war ich bei der Polizei, das habe ich schon gesagt. Befragt, das war das einzige und letzte Mal.

LA: Sie befinden sich im Sondertransitbereich. Es besteht für Sie jederzeit die Möglichkeit freiwillig auszureisen.

VP: Okay.

LA an Rechtsberatung: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?

RB: Wissen Sie ob die Polizei Ermittlungen gestartet hat?

VP: Sie haben die Anzeige nicht entgegen genommen, weil er ein XXXX war.“

Mit Schreiben vom XXXX .08.2021 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an das UNHCR Büro in Österreich ersuchte das Bundesamt den UNHCR um Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 AsylG.

Mit Schreiben vom XXXX .08.2021 teilte der UNHCR mit: „Bezugnehmend auf Ihr Ersuchen vom XXXX .08.2021 erlauben wir uns, Ihnen mitzuteilen, dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nummer 30 des UNHCR – Exekutivkommitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden kann.“

Das Bundesamt hat mit dem angefochtenen Bescheid gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt, und ihm unter einem auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt.

Begründend wurde im angefochtenen Bescheid, neben umfangreichen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Indien, unter Darlegung näherer Erwägungen unter anderem Folgendes ausgeführt: „Sie waren nicht in der Lage, konkrete Angaben zu Ihrem Vorbringen darzulegen. Sie führten in den Befragungen oberflächliche und unterschiedliche Angaben zu Ihren Fluchtgründen an.

In den niederschriftlichen Befragungen vor der LPD am 25.07.2021 führten Sie als Grund für die Asylantragstellung an, dass Sie Schriftführer bei einer Zeitung seien und einen Artikel gegen einen XXXX geschrieben hätten. Dieser hätte „Gauner“ zu Ihnen geschickt, die Sie umbringen wollen würden (Bericht LPD, S. 2, vom 25.07.2021).

Im Rahmen Ihrer Erstbefragung am 26.07.2021 führten Sie aus, dass Sie einen Zeitungsbericht über XXXX geschrieben hätten, bei dem XXXX und andere wichtige Personen involviert gewesen wären. Diese hätten Leute geschickt um Sie zu schlagen. Einmal hätten diese einen Unfall verursacht, bei dem Sie schwer verletzt worden wären. Außerdem seien Sie mit dem Umbringen bedroht worden. Aus diesem Grund hätten Sie Ihr Heimatland verlassen.

Weitere Gründe für Ihre Asylantragstellung brachten Sie nicht vor.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führten Sie gesteigert Berichte (Anm. Mehrzahl) über XXXX , an welcher der XXXX und weitere wichtige Personen involviert gewesen wären und zwei Angriffe gegen Sie, jedoch mit unterschiedlichen Angaben ins Treffen.

Der erste Widerspruch zeigt sich, wenn man Ihre Gründe der Asylantragstellung vom Bericht der LPD, mit denen der Erstbefragung durch die Polizei vergleicht. Bei Ihrer ersten Befragung am 25.07.2021 führten Sie aus, dass Sie einen Artikel (Anm. Einzahl) gegen einen XXXX veröffentlicht hätten (vgl. Bericht LPD, S. 2, vom 25.07.2021). Vergleicht man diese Aussage mit der, der Erstbefragung in welcher Sie hingegen behaupteten einen Zeitungsbericht (Anm. Einzahl) über XXXX veröffentlicht hätten, in welcher der XXXX und andere wichtige Personen involviert gewesen wären (vgl. Erstbefragung, S. 7, vom 26.07.2021), wären dies zwei unterschiedliche Inhalte.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl steigerten Sie Ihr Fluchtvorbringen neuerlich und führten bei der Frage zu Ihren Fluchtgründen aus, dass Sie XXXX Berichte (Anm. Mehrzahl) über die XXXX , bei der der XXXX und andere wichtige Personen involviert gewesen wären, veröffentlich hätten (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 8, vom 02.08.2021).

Wenn Sie wirklich, was die erkennende Behörde nicht für Glaubhaft hält, diese Artikel verfasst hätten. So wäre es Ihnen mit Sicherheit in Erinnerung geblieben, wie viele Artikel und mit welchem Inhalt bzw. über wen Sie den Artikel verfasst hätten. Sie führten unterschiedliche Angaben zur Anzahl der von Ihnen angeblich verfassten Artikel bzw. Berichte aus.

Die Unglaubwürdigkeit Ihres Vorbringens unterstreichen Ihre Aussagen, auf die Frage der Einvernahme Leiterin, ob man die von Ihnen verfassten Artikel erhalten könne, ob Sie Fotos oder Kopien von diesen Berichten in Vorlage bringen können. Sie gaben an, dass man diese nicht mehr erhalten könne. Sie würden sich nicht erinnern, an welchem Datum Sie diese Artikel verfasst hätten. Es sei auch nicht möglich, diese vom Verlag zu verlangen, da Sie gekündigt hätten (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 9, vom 02.08.2021). Wären Sie aufgrund dieser von Ihnen ins Treffen gebrachten von Ihnen verfassten Artikeln/Berichten verfolgt worden, so hätten Sie diese als Beweismittel in Vorlage bringen können. Sie waren nicht in der Lage Beweismittel in Vorlage zu bringen, weder einen der Artikel/Bericht selbst, noch Kopien, noch einen anderen Nachweis, dass Sie diese verfasst hätten.

Die Angaben bei der Befragung zu den angeblich von Ihnen verfassten Artikel/Berichten hielten sich allgemein sehr vage. Zunächst führten Sie ins Treffen, dass Sie sich nicht an das Datum erinnern können, an welchem Sie diese Artikel verfasst hätten und auf Nachfrage, gaben Sie plötzlich an, dass Sie diese Artikel/Berichte im XXXX 2019, XXXX und XXXX 2020 veröffentlicht hätten (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 9, vom

02.08.2021).

Laut Ihren Angaben hätten Sie seit XXXX 2020 keinen Artikel mehr veröffentlicht (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 9, vom 02.08.2021).

Die Unglaubwürdigkeit Ihres Vorbringens zeigen Ihre divergierenden Aussagen zu dem Unfall. In der Erstbefragung gaben Sie an, dass es einmal einen Unfall gegeben hätte, welcher von Leuten verursacht worden wäre (vgl. Erstbefragung, S. 7, vom 26.07.2021). In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl steigerten Sie auch dieses Vorbringen, Sie gaben an, dass Sie zwei Mal angegriffen worden wären (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 8, vom 02.08.2021).

Der erste von Ihnen ins Treffen geführte Übergriff hätte am XXXX stattgefunden, XXXX Monate nachdem Sie den letzten Artikel veröffentlicht hätten. Die Frage, warum Sie XXXX Monate später deswegen angegriffen worden wären, konnten Sie nicht beantworten. Hierzu führten Sie erweiternd aus, dass Sie zuvor schon Bedrohungen erhalten hätten (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 9, vom 02.08.2021).

Vergleicht man diesbezüglich Ihre Angaben zum Fluchtgrund, erklärten Sie erst Drohanrufe erhalten zu haben. Zum Zeitpunkt dieser Drohanrufe hätten Sie sich bereits in XXXX bei Ihrem Onkel aufgehalten. Sie hätten vom XXXX .12.2020 bis XXXX .01.2021 bei Ihrem Onkel gelebt (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 5 und 8, vom 02.08.2021).

Ein zweiter Angriff gegen Sie, welchen Sie jedoch selbst als Unfall bezeichneten, hätte sich am XXXX ereignen sollen, als Sie mit dem Motorrad unterwegs gewesen wären. Ein Auto sei Ihnen entgegengekommen und hineingefahren (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 10, vom 02.08.2021).

Hierbei ergibt sich erneut, ein Widerspruch.

Bei Ihrem Fluchtgrund gaben Sie betreffend den Vorfall vom XXXX zusätzlich an bei der Polizei gewesen zu sein (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 8, vom 02.08.2021). Betrachtet man nun hingegen Ihre Aussage auf die Frage wann Sie zuletzt bei der Polizei gewesen wären, nämlich, dass Sie nach dem ersten Angriff am XXXX das einzige und letzte Mal bei der Polizei gewesen wären (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 10, vom 02.08.2021), liegt hier die zweite Widersprüchlichkeit zu einer Ihrer getätigten Aussage vor.

Obendrein zeigt sich in Verbindung mit Ihren Angaben zu Ihrem Umzug zu Ihrem Onkel eine Unstimmigkeit, da Sie zunächst behaupteten von XXXX an bei diesem gewohnt zu haben, in weiterer Folge jedoch erzählen am XXXX . oder XXXX . Dezember umgezogen zu sein (vgl. Einvernahmeprotokoll, S. 10, vom 02.08.2021).

In Vorlage brachten Sie zwei Schriftstücke als Fotokopie in englischer Sprache. Ein Schriftstück mit dem Titel „ XXXX “ des XXXX , Datum XXXX (Rest des Datums 2 Mal nicht ersichtlich), soll einen Krankenhausaufenthalt bestätigen. Dieses Schriftstück konnten Sie bereits während der Einvernahme vorlegen. Die Tatsache, dass Sie im Krankenhaus waren, lässt sich jedoch nicht als Nachweis über einen stattgefundenen Übergriff gegen Sie werten, da Sie zum einen selbst ausführten, dass es sich um einen Unfall gehandelt hätte und auch die erkennende Behörde kann hier nicht von einem geplanten Akt gegen Ihre Person ausgehen, zumal Ihre Angaben keinerlei Details zur Glaubhaftmachung der Umstände geliefert haben. Ein weiteres Dokument mit dem Titel „ XXXX “ des XXXX , soll eine Bestätigung über Ihre Tätigkeit als Reporter darstellen. Dieses Schriftstück brachten Sie am selben Tag, jedoch Stunden nach der Einvernahme in Vorlage. Anzumerken ist, dass auf diesem Schreiben ein Betrag von „ XXXX “ angeführt ist. Es lässt sehr den Anschein, dass man sich für Geld einiges bestätigen lassen kann. Wie bereits ausgeführt, konnten Sie keine Beweismittel, welche Ihre Tätigkeit als Zeitungsreporter und Verfasser von Artikeln/Berichten, in welchen Sie sich kritisch geäußert hätten in Vorlage bringen.

In der Gesamtschau waren Sie nicht in der Lage ein glaubhaftes Vorbringen zu Ihren zentralen Asylvorbringens darzulegen. Hätten die von Ihnen behaupteten Bedrohungen gegen Ihre Person tatsächlich stattgefunden, wären von Ihnen detaillierte und nachvollziehbare Angaben zu erwarten gewesen. Es kann nicht Aufgabe der Einvernahme Leiterin sein, jede Ihrer unzähligen vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es an Ihnen ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen.

In einer Gesamtwürdigung Ihres Vorbringens gelangt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Anbracht der aufgetretenen Widersprüche sowie der mangelnden Plausibilität der in Rede stehenden Angaben zur Ansicht, dass nicht glaubwürdig ist, dass Sie in Indien, bedroht worden wären. Diesbezüglich haben Sie eine individuelle Bedrohung oder Verfolgung nicht glaubhaft machen können.

Die Behörde kommt darüber hinaus zu dem Schluss, dass es Ihnen nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.

Da Ihren Fluchtgründen kein Glauben geschenkt wird und Sie problemlos mit Ihrem echten Reisepass das Land verlassen haben, ist bei einer Einreise nach Indien nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen.

Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Sie aufgrund einer Asylantragstellung bei einer Rückkehr mit Schwierigkeiten zu rechnen haben.

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in Indien derzeit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrschte, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre.In Anlehnung an die vorstehenden Ausführungen ist in Ihrem Fall hervorzuheben, dass Sie in Ihren Heimatländern keine aktuell drohende Verfolgung zu erwarten haben, wie bereits im gegenständlichen Bescheid ausgeführt wurde. Somit ist eine essentielle Voraussetzung für das oben angeführte wirtschaftliche Existenzminimum –ein verfolgungssicherer Ort- erfüllt.

Was nun die zweite Voraussetzung –die Erwerbsfähigkeit- betrifft, ist anzumerken, dass es sich in Ihrem Fall um einen arbeitsfähigen Mann handelt. Daher ist zusammenfassend jedenfalls davon auszugehen, dass Sie im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sein werden, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht über anfängliche Schwierigkeiten hinaus in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Aufgrund der vorstehenden Überlegungen geht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zweifelsfrei davon aus, dass Sie in Ihrem Heimatland keiner existenziellen Notlage ausgesetzt sind, nachdem Sie dort keine Verfolgung zu befürchten haben, Erwerbsfähigkeit gegeben ist und sich auch aus der allgemeinen Lage in Ihrem Heimatland nicht ergibt, dass praktisch jede dorthin zurückkehrende Person in eine Existenzgefährdende Lage gerät.

Es besteht kein Behandlungsbedarf wegen einer lebensbedrohenden Erkrankung. Sie sind gesund und benötigen keinerlei Behandlungsmethoden oder sonstige medizinische Betreuung, welche in Österreich und nicht in Indien vorhanden wären. Die laut Ihren Angaben zu verwendenden Medikamente betreffend Ihres Herzens haben Sie bereits eingenommen, bevor Sie Ihr Heimatland Indien verlassen haben.

Aus diesen Gründen waren die entsprechenden Feststellungen bezüglich der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr zu treffen.“

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus dem Bundesstaat Punjab und hat am 25.07.2021 am Flughafen XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er verfügt über eine 12jährige Grundschulausbildung. In Indien leben seine Eltern, seine Ehefrau und seine Tochter sowie ein Bruder.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

COVID-19

?        Letzte Änderung: 21.05.2021

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugangs zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID-19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession (PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader- Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).

Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).

Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19 Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner Pharmaindustrie, als "Apotheke der Welt" durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).

Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinuistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen regierung eine "praktizierte Sorglosigkeit". Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, "Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei", wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeionschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staalichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).

Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-reportindia.pdf, Zugriff 18.1.2021

?        FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/health/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-modi-covid-lockdown-night-curfewmaharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengaluru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021

?        GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-anzeicheneiner-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021

?        HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutanten-undhimmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien ? PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/in-the-pandemicindias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-changes/, Zugriff 22.3.2021

?        TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress, http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021

Politische Lage

?        Letzte Änderung: 21.05.2021

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 27.4.2021; vgl. AA 23.9.2020). Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik (BICC 1.2021).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 30.3.2021). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 30.3.2021).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 30.3.2021). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 1.2021a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 1.2021a).

Die Verfassung garantiert Rede- und Meinungsfreiheit (USDOS 30.3.2021). Unabhängigen Medien drücken eine große Bandbreite von Meinungen und Ansichten ohne Einschränkungen aus (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Allerdings haben die Angriffe auf die Pressefreiheit unter der Regierung Modi zugenommen (FH 3.3.2021).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis "National Democratic Alliance (NDA)", mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS [Rashtriya Swayamsevak Sangh], fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 1.2021a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion New Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Bei Regionalwahlen in vier indischen Bundesstaaten und einem Unionsterritorium hat die konservative Regierungspartei BJP von Premierminister Modi offenbar keine Zugewinne erzielt. In Westbengalen liegt die BJP deutlich hinter der Regionalpartei All India Trinamool Congress (TMC) von Chefministerin Mamata Banerjee. Auch in Assam, Tamil Nadu, Kerala und Puducherry fanden Wahlen statt. Nur in Assam konnte die BJP an der Macht festhalten, aber auch dort erzielte sie – wie in den anderen Bundesstaaten – keine Zugewinne. Der Wahlkampf fand inmitten der Corona-Pandemie zum Teil mit riesigen Wahlkundgebungen statt. Viele Experten sehen darin die Ursache für den dramatischen Anstieg der Infektionszahlen im Land. Modi hatte sich im Wahlkampf besonders in Westbengalen engagiert, das an der Grenze zu Bangladesch liegt und eine starke muslimische Minderheit hat. Die BJP versprach, hunderttausende Muslime auszuweisen, die vor Jahrzehnten aus Bangladesch nach Indien geflohen sind (DS 3.5.2021).

Trotz der Annäherung an die USA und der zunehmenden Spannungen mit China betont Indien weiterhin seine strategische Autonomie. Diese beinhaltet auch den Anspruch auf eine eigenständige Rolle im Kontext der geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA im Indo-Pazifik. So haben Indien und China in den letzten Jahren auch immer wieder kooperiert, zum Beispiel in der Shanghaier Orga-nisation für Zusammenarbeit. Innerhalb der Quad hat sich Indien für ein

inklusives Verständnis des Indo-Pazifiks ausgesprochen, das im Unterschied zu den Vorstellungen der USA bislang immer die Einbeziehung Chinas beinhaltete (SWP 7.2020). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist weiterhin ein strategisches Ziel Indiens (GIZ 1.2021a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (11.2.2021): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 6.5.2021

?        BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 23.3.2021

?        CIA - Central Intelligence Agency (27.4.2021): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/the-worldfactbook/countries/india/#people-and-society, Zugriff 6.5.2021

?        DS Der Standard (3.5.2021): Indien: Regionalwahl-Schlappe für Modi inmitten steigender Corona-Zahlen, https://www.derstandard.at/story/2000126330932/indienregionalwahl-schlappe-fuer-modi-inmittensteigender-corona-faelle, Zugriff 6.5.2021

?        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

?        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 6.5.2021

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2021a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.5.2021

?        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien ? Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, https://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf, Zugriff 11.5.2021

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

?        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff am 6.5.2021

Sicherheitslage

?        Letzte Änderung: 28.05.2021

Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner der EU und der Vereinigten Staaten (BICC 1.2021).

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 1.2021a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 1.2021). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (bpb 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 1.2021).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021) und der von separatistischen Gruppen bedrohte Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (im Punjab wurden 2020 insgesamt 18 Vorfälle im Zusammenhang mit Terrorismus registriert (SATP 3.5.2021a). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 3.3.2021). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 3.3.2021).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 812 Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 940 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2019 kamen 621 Menschen durch Terrorakte. 2020 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 591 Tote. 2021 wurden bis zum 3. Mai insgesamt 164 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 3.5.2021b).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z.B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Bauernproteste, die sich gegen die von der indischen Regierung verabschiedeten Gesetze zur Liberalisierung des Agrarsektors richten, dauern seit Monaten an. Widerstand hat sich vor allem bei Sikhs im Punjab – dem Brotkorb Indiens - formiert. Inzwischen protestieren aber auch Bauern in anderen Teilen des Landes. Als im Januar 2021 die Proteste in New Delhi gewalttätig wurden, antwortete die Regierung mit harten Maßnahmen. Da bei den Protesten viele Sikhs beteiligt sind und u.a. eine Sikh-Flagge im Roten Fort in Delhi gehisst wurde, unterstellt die indische Regierung eine Beteiligung der Khalistan-Bewegung an den Protesten (BAMF 22.3.2021).

Indien und Pakistan

Indien und Pakistan teilen sprachliche, kulturelle, geografische und wirtschaftliche Verbindungen, doch sind die Beziehungen der beiden Staaten aufgrund einer Reihe historischer und politischer Ereignisse in ihrer Komplexität verstrickt und werden durch die gewaltsame Teilung Britisch-Indiens im Jahr 1947, dem Jammu & Kashmir-Konflikt und die zahlreichen militärischen Konflikte zwischen den beiden Nationen bestimmt (EFSAS o.D.).

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 1.2021; vgl. BBC 23.1.2018, DFAT 10.12.2020). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten "Line of Control (LoC)" haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).

Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 1.2021). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 1.2021). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14. Februar 2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019, WP 26.2.2019).

Modi nutzte den Konflikt mit Pakistan zur politischen Mobilisierung im Wahlkampf 2019. Dadurch wurde die pakistanfeindliche Stimmung in Indien so stark angeheizt, dass eine erneute Annäherung Indiens an Pakistan immer schwieriger wird. Seit der Veränder

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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