TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/6 W151 2242542-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2021
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Entscheidungsdatum

06.09.2021

Norm

AuslBG §12a
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W151 2242540-1/11E

W151 2242542-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris Kohl, MCJ als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Dr. Sandra HUBER und den fachkundigen Laienrichter Sascha ERNSZT als Beisitzer über den Vorlageantrag vom 07.05.2021 der XXXX , vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt, in Verbindung mit den Beschwerden betreffend Nichtzulassung zu einer Beschäftigung als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG der Arbeitnehmerin XXXX , geb. am XXXX , StA Iran, gegen die Beschwerdevorentscheidungen des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 22.04.2021, GZ. XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerdevorentscheidungen werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerden gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 07.01.2021, XXXX werden abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (im Folgenden: BF 1), geb. am XXXX , Staatsangehörige des Iran, stellte am 17.11.2020 beim Amt der Wiener Landesregierung (MA 35) einen Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft in Mangelberufen gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 NAG. Aus der dem Antrag angeschlossenen Arbeitgebererklärung geht hervor, dass die XXXX (im Folgenden auch BF 2) beabsichtigte, die BF 1 als IT-Technikerin EDV für 40 Wochenstunden mit einer Entlohnung von € 2.700 zu beschäftigten.

2. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 07.01.2021, XXXX , wurde der Antrag abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund der Tatsache, dass von Mai 2020 bis zur Antragstellung keine Geschäftstätigkeit aufgenommen worden sei, die Gewähr nicht gegeben erscheine, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalten könne.

3. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid rechtswidrig wäre, da die BF 1 55 Punkte erreiche. Die Ablehnung wäre nur erfolgt, weil die angeforderten Dokumente nicht fristgerecht vorgelegt worden wären. Die Entlohnung entspreche den kollektivvertraglichen Bestimmungen, die mutmaßliche Annahme, die Lohn- und Arbeitsbedingungen würden nicht eingehalten, wären nicht nachvollziehbar und zutreffend. Das Unternehmen habe bereits eine Steuernummer und einen UID-Bescheid und wäre bereits ein Online-Shop eröffnet worden. Für die laufende Wartung, Erweiterung, Design und Support werde die beantragte IT-Fachkraft dringend benötigt. Entsprechende finanzielle Rücklagen wären vorhanden.

Die BFs legten weiters einen Auszug eines Bankkontos lautend auf Herrn XXXX , welches mit 09.04.2021 ein HABEN-Saldo von € 18.212,98 ausweist, vor. Weiters wurde ein Businessplan der BF 2 vorgelegt, welcher von einem zu erwartenden Gewinn von € 205.684,00 im ersten Geschäftsjahr, somit 2020 und von € 308.526,00- im zweiten Geschäftsjahr, 2021 ausgeht. Auch wurde eine Gewinn- und Verlustrechnung aus 2020 der BF 2 mit einem Bilanzverlust von € 1.533,00 und des Einzelunternehmens XXXX mit einen Bilanzgewinn von € 14.851,51 vorgelegt.

4. Nach einem durchgeführten Beschwerdevorprüfungsverfahren erließ das AMS am 22.04.2021 eine Beschwerdevorentscheidung in der sie die Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung abwies, dass einerseits die bekanntgegebene Entlohnung nicht der zustehenden kollektivvertraglichen Entlohnung entspreche, andererseits die Gesamtschau der vorgelegten Unterlagen keinen anderen Schluss zulassen würden, als dass kein ernstgemeintes Arbeitsangebot vorliege, kein Arbeitsplatz für die Tätigkeit einer IT-Spezialistin im Unternehmen besetzt werden solle, die Einhaltung der kollektivvertraglichen Entlohnung nicht gewährleistet sei, der Businessplan nur für das AMS erstellt worden sei und nicht einer tatsächlichen Geschäftsidee entsprungen sei. Die Antragstellung scheine nur darauf abzuzielen, der Gattin des Alleingesellschafters einen Aufenthaltstitel in Österreich zu beschaffen und auch den eigenen Aufenthalt abzusichern.

5. Infolge des dagegen erhobenen Vorlageantrages vom 04.05.2021 wurde die Beschwerde sowie der Bezug habende Verwaltungsakt am 19.05.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Einem gerichtlichen Auftrag nachkommend legten die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.06.2021 Unterlagen zum anzuwendenden Kollektivvertrag und den vom Dienstgeber zu tragenden Lohnkosten vor.

7. Das Schreiben vom 09.06.2021 wurde dem AMS im Parteiengehör übermittelt, die hierzu mit Schreiben vom 14.06.2021 Stellung nahm.

8. Einem gerichtlichen Auftrag nachkommend legten die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 19.07.2021 Gewinn- und Verlustrechnungen für das 1. und 2. Quartal 2021 für die BF 2 und des Einzelunternehmens XXXX vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Abweisung der Beschwerden:

Frau XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörige des Iran, stellte am 17.11.2020 beim Amt der Wiener Landesregierung (MA 35) einen Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft in Mangelberufen gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 NAG.

Laut einer aktualisierten Arbeitgebererklärung vom 05.05.2021 soll die BF 1 bei der XXXX , der BF 2, für die berufliche Tätigkeit "IT Spezialist, Entwerfen und aktualisieren die Online-Shop“ für eine brutto Entlohnung (ohne Zulagen) von € 3.094,00 pro Monat bei einer Wochenstundenanzahl von 38,5 Stunden unbefristet beschäftigt werden.

Die BF 2 ist seit 19.07.2019 im Firmenbuch unter FN XXXX eingetragen und verfügt über eine dementsprechende Gewerbeberechtigung und Umsatzsteuernummer.

Zum Nachweis der Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften legten die BFs folgendes vor:

a.       Betreffend der Privatperson XXXX und dessen Einzelunternehmen:

1.       Auszug eines Bankkontos lautend auf Herrn XXXX , welches mit 09.04.2021 einen Habensaldo von € 18.212,98 ausweist,

2.       Gewinn- und Verlustrechnung aus 2020 des Einzelunternehmens XXXX mit einen Bilanzgewinn von € 14.851,51,

3.       Gewinn- und Verlustrechnung aus 2021 des Einzelunternehmens XXXX mit einen Bilanzgewinn von € 32.389,32.

b.       Betreffend die BF 2 als Arbeitgeberin der BF1, die zur Einhaltung der lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften verpflichtet ist:

1.       Businessplan der BF 2, welcher von einem zu erwartenden Gewinn von € 205.684,00 im ersten Geschäftsjahr, somit 2020 und von € 308.526,00 im zweiten Geschäftsjahr, 2021 ausgeht,

2.       Gewinn- und Verlustrechnung aus 2020 der BF 2 mit einem Bilanzverlust von € 1.533,00,

3.       Gewinn- und Verlustrechnung aus 2021 der BF 2 mit einem Bilanzgewinn von € 14.895,63.

Aus dem Businessplan folgt, dass die BF 2 folgende Mitarbeiter beschäftigt: 4 Fahrer geringfügig und 14 weitere teils voll-, teil nichtvollzeitbeschäftigte Mitarbeiter. Für diese sind ebenfalls die lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einzuhalten.

Laut der im gegenständlichen Verfahren maßgeblichen Arbeitgebererklärung vom 05.05.2021 soll die BF 1 bei der XXXX für die berufliche Tätigkeit "IT Spezialist, Entwerfen und aktualisieren die Online-Shop“ für eine brutto Entlohnung (ohne Zulagen) von € 3.094,00 pro Monat bei einer Wochenstundenanzahl von 38,5 Stunden beschäftigt werden.

Ausgehend von einem Bruttomonatsgehalt von € 3.094,00 treffen die Dienstgeberin folgende Lohnkosten:

?        Dienstnehmerkosten von (Brutto) € 3.094,00 (mtl.) € 3.094,00 (13. Bezug) € 3.094,00 (14. Bezug) sohin jährlich € 43.316,00.

Bestehend aus:

Sozialversicherung: € 560,63 (mtl.) € 529,69 (13. Bezug) € 529,69 (14. Bezug) sohin € 7.786,94 (jährlich)

Lohnsteuer: € 441,16 (mtl.) € 116,66 (13. Bezug) € 153,86 (14. Bezug) sohin € 5.564,44 (jährlich)

Netto: € 2.092,21 (mtl.) € 2.447,65 (13. Bezug) € 2.410,45 (14. Bezug) sohin € 29.964,62 (jährlich)

?        Dienstgeberabgaben von insgesamt € 929,45 (mtl.) € 913,98 (jeweils 13./14. Bezug) sohin jährlich € 12.981,36.

Bestehend aus:

Sozialversicherung: € 656,86 (mtl.) € 641,39 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 9.165,10 (jährlich)

Familienlastenausgleichsfonds: € 120,67 (mtl.) € 120,67 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 1.689,38 (jährlich)

Zuschlag Dienstgeberbeitrag: € 11,76 (mtl.) € 11,76 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 164,64 (jährlich)

Kommunalsteuer: € 92,82 (mtl.) € 92,82 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 1.299,48 (jährlich)

Betriebliche Vorsorgekasse: € 47,34 (mtl.) € 47,34 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 662,76 (jährlich)

Insgesamt belaufen sich die Lohnkosten damit auf monatlich € 4.023,45; zzgl. 13./14. Bezug von jeweils € 4.007,98; sohin jährlich auf insgesamt € 56.297,36.

Die Pflicht zur Einhaltung der lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften trifft ausschließlich die potentielle Arbeitgeberin und können die Verpflichtungen nicht auf Dritte, hier das Einzelunternehmen oder die Privatperson der Herrn XXXX überwälzt werden oder von diesen übernommen werden. Alle oben genannten Unterlagen, die sich unter a. 1. bis 3. finden und das Einzelunternehmen oder die Privatperson der Herrn XXXX betreffen, scheiden daher zur Beurteilung aus. Auch führt dieses Vorbringen zu keiner Änderung des Ergebnisses, einerseits, da es sich bei der Spareinlage nur um eine zeitlich punktuelle Bescheinigung handelt, die sich jederzeit ändern kann. Weiters reichen auch die ausgewiesenen Bilanzgewinne des Einzelunternehmens aus 2020 und 2021 bei weitem nicht aus, die jährlichen Lohnkosten der BF1 (und/oder allfälliger weiterer Mitarbeiter) zu decken.

Zur Beurteilung, ob die BF 2 in der finanziellen Lage ist, die lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalten zu können, ist daher nur jene finanzielle und wirtschaftliche Situation heranzuziehen, die sich auf diese bezieht, da die GmbH die potentielle Arbeitgeberin ist:

Aber auch aus den, die BF 2 betreffenden Unterlagen folgt, dass keine Gewähr gegeben ist, dass diese als potentielle Arbeitgeberin der BF 1 die geforderten lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalten kann, da sie nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügt:

Der vorgelegte Businessplan der BF 2 geht von einem zu erwartenden Gewinn von € 205.684,00 im ersten Geschäftsjahr, somit 2020 und von € 308.526,00 im zweiten Geschäftsjahr, 2021 aus. Die prognostizierten Gewinne sind jedoch vor dem Hintergrund der vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen 2020 und 2021 als völlig unrealistisch zu beurteilen, sodass diesem für die zu beurteilende Frage keine Aussagekraft zukommt.

Auch die vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen führen zum Ergebnis, dass die BF 2 nicht in der finanziellen und wirtschaftlichen Lage ist, die lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einzuhalten: 2020 weist noch einen Bilanzverlust aus. 2021 weist bis Ende Juni einen geringen Gewinn aus (€ 14.895,63), der selbst unter der Annahme der Verdoppelung bis Jahresende 2021 nicht in der Höhe der jährlichen von ihr als Dienstgeberin zu entrichteten Lohn- und Sozialversicherungsabgaben von € 56.297,36 für die BF 1 ausreicht.

Es ist somit keine Gewähr gegeben, dass die XXXX die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalten kann.

1.2. Zur Behebung der Beschwerdevorentscheidungen:

Mit Bescheiden des AMS vom 07.01.2021, XXXX , wurde der Antrag der BF 1 auf Zulassung als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG abgewiesen. Die Beschwerden gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 07.01.2021 wurden per E-Mail am 10.02.2021 um 19:55 an das AMS übermittelt. Die zehnwöchige Entscheidungsfrist begann daher am 10.02.2021 zu laufen und endete am 21.04.2021. Die mit 22.04.2021 datierte und den Beschwerdeführern am 26.04.2021 zugestellte Beschwerdevorentscheidung erging somit durch eine unzuständige Behörde.

Die Beschwerdevorentscheidungen vom 22.04.2021 waren wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 14 Abs. 1 iVm § 27 iVm § 28. Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Antragstellung, zum Alter und Staatsbürgerschaft der BF 1 sowie zu der beabsichtigten Beschäftigung ergeben sich aus dem übermittelten Verwaltungsakt.

Die Feststellung, dass die BF 2 seit 19.07.2019 im Firmenbuch unter FN XXXX eingetragen, folgt aus dem gerichtseitig erhobenen Firmenbuchauszug.

Die Feststellung, dass die BF 2 über eine Gewerbeberechtigung und Umsatzsteuernummer verfügt, folgt aus der diesbezüglichen unbedenklichen Aktenlage.

Die (der) festgestellte(n) Jahresgewinne/verlust folgen/folgt aus den von den BFs vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung zum Inhalt des Businessplans ergibt sich aus dem mit Eingabe an die belangte Behörde vom 13.04.2021 von den BFs übermittelten Businessplan.

Die Feststellung zum Kontostand des Herrn XXXX ergibt sich aus dem mit Eingabe an das BVwG vom 09.06.2021 vorgelegten Kontoauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) I. Behebung der Beschwerdevorentscheidungen wegen Unzuständigkeit:

Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde frei, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG den angefochtenen Bescheid aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

Die Frist zur Erlassung dieser Beschwerdevorentscheidung beträgt im Ausländerbeschäftigungsrecht gemäß § 20g Abs. 3 AuslBG zehn Wochen, gerechnet ab dem Einlangen der Beschwerde.

Die Entscheidungsfrist beginnt mit Einlangen der (ersten) Beschwerde und ist gewahrt, wenn der Verfahrenspartei vor Ablauf der zwei Monate zugestellt wurde. Mit Ablauf der Entscheidungsfrist erlischt die Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (vgl. Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VwGVG § 14, Rz 5).

Gegenständlich wurden die Beschwerden gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 07.01.2021 per E-Mail am 10.02.2021 um 19:55 an das AMS übermittelt. Die zehnwöchige Entscheidungsfrist begann daher am 10.02.2021 zu laufen und endete am 21.04.2021. Die mit 22.04.2021 datierte und den Beschwerdeführern am 26.04.2021 zugestellte Beschwerdevorentscheidung erging somit durch eine unzuständige Behörde.

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen waren daher die angefochtenen Beschwerdevorentscheidungen vom 22.04.2021 wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 14 Abs. 1 iVm § 27 iVm § 28. Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

Die Beschwerdevorentscheidung tritt durch den Vorlageantrag mangels einer gesetzlichen Regelung nicht außer Kraft, was vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigt war (vgl. RV 2009, BlgNR 24 GP 5), sondern derogiert dem Ausgangsbescheid endgültig und wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (dazu ausführlich VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Da mit vorliegender Entscheidung allerdings die Beschwerdevorentscheidungen ersatzlos ex tunc behoben werden, da die Behörde bereits mit 21.04.2021 unzuständig war, ist der angefochtene Bescheid nicht derogiert und dieser in Folge anhand der Beschwerde iSd § 28 Abs. 2 VwGVG zu prüfen (siehe unten zu A.II.).

Zu A) II. Abweisung der Beschwerde

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) lauten i.d.g.F.:

§ 4 Abs. 1:

„Voraussetzungen

§ 4.

(1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und

1. …

2.       die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält,

3. …“

§ 12a leg. cit:
„Fachkräfte in Mangelberufen

§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie
1.         eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,
2.         die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,
3.         für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und

sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.“

§ 20d:

„Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“, Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine „Blaue Karte EU“ und ausländische Künstler den Antrag auf eine „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde – je nach Antrag – schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung
1.         als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12
2.         als Fachkraft gemäß § 12a,
3.         als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,
4.         als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),
5.         als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine „Blaue Karte EU“) oder
6.         als Künstler gemäß § 14

erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) bis (5) […]“

In der Sache folgt daraus:

Die belangte Behörde begründete die Abweisung des gegenständlichen Antrages im Wesentlichen damit, dass die Gewähr nicht gegeben erscheint, dass die Arbeitgeberin die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalten könne.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 AuslBG muss die Gewähr gegeben sein, dass ein Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohn- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die gesetzlichen, satzungsmäßigen und kollektivvertraglichen Bestimmungen sowie jene der Arbeitsverfassung und des Arbeitnehmerschutzes, einhält. Weiters wird die erforderliche Gewähr im Hinblick auf § 8 nur dann gegeben sein, wenn der Ausländer nicht zu schlechteren Lohn- und Arbeitsbedingungen beschäftigt wird, als sie für die Mehrzahl der bezüglich Leistung und Qualifikation vergleichbaren inländischen Arbeitnehmer des Betriebes gelten (Deutsch/Nowotny/ Seitz, Ausländerbeschäftigungsgesetz, 2. Auflage, § 4 AuslBG Rz 19).

Das zu den Tatbestandsvoraussetzungen gehörende rechtserhebliche Tatbestandsmerkmal des "Gegebenerscheinens der Gewähr" bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohnrechtlichen und arbeitsrechtlichen (die seit der Novelle BGBl 1988/231 auch die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften mitumfassen) Vorschriften, insbesondere der gesetzlichen, satzungsgemäßen und kollektivvertraglichen Bestimmungen sowie jener der Arbeitsverfassung und des Arbeitnehmerschutzes, als zweifelhaft erscheinen lassen (VwGH vom 06.06.2001, Zl. 98/09/0016).

Laut einer aktualisierten Arbeitgebererklärung vom 05.05.2021 soll die BF 1 bei der XXXX , der BF 2, für die berufliche Tätigkeit "IT Spezialist, Entwerfen und aktualisieren die Online-Shop“ für eine brutto Entlohnung (ohne Zulagen) von € 3.094,00 pro Monat bei einer Wochenstundenanzahl von 38,5 Stunden unbefristet beschäftigt werden.

Die BF 2 ist seit 19.07.2019 im Firmenbuch unter FN XXXX eingetragen und verfügt über eine dementsprechende Gewerbeberechtigung und Umsatzsteuernummer.

Zum Nachweis der Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften legten die BFs folgendes vor:

a.       Betreffend der Privatperson XXXX und dessen Einzelunternehmen:

1.       Auszug eines Bankkontos lautend auf Herrn XXXX , welches mit 09.04.2021 einen Habensaldo von € 18.212,98 ausweist,

2.       Gewinn- und Verlustrechnung aus 2020 des Einzelunternehmens XXXX mit einen Bilanzgewinn von € 14.851,51,

3.       Gewinn- und Verlustrechnung aus 2021 des Einzelunternehmens XXXX mit einen Bilanzgewinn von € 32.389,32.

b.       Betreffend die BF 2 als Arbeitgeberin der BF1, die zur Einhaltung der lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften verpflichtet ist:

1.       Businessplan der BF 2, welcher von einem zu erwartenden Gewinn von € 205.684,00 im ersten Geschäftsjahr, somit 2020 und von € 308.526,00 im zweiten Geschäftsjahr, 2021 ausgeht,

2.       Gewinn- und Verlustrechnung aus 2020 der BF 2 mit einem Bilanzverlust von € 1.533,00,

3.       Gewinn- und Verlustrechnung aus 2021 der BF 2 mit einem Bilanzgewinn von € 14.895,63.

Aus dem Businessplan folgt, dass die BF 2 folgende Mitarbeiter beschäftigt: 4 Fahrer geringfügig und 14 weitere teils voll-, teil nichtvollzeitbeschäftigte Mitarbeiter. Für diese sind ebenfalls die lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einzuhalten.

Laut der im gegenständlichen Verfahren maßgeblichen Arbeitgebererklärung vom 05.05.2021 soll die BF 1 bei der XXXX für die berufliche Tätigkeit "IT Spezialist, Entwerfen und aktualisieren die Online-Shop“ für eine brutto Entlohnung (ohne Zulagen) von € 3.094,00 pro Monat bei einer Wochenstundenanzahl von 38,5 Stunden beschäftigt werden.

Ausgehend von einem Bruttomonatsgehalt von € 3.094,00 treffen die Dienstgeberin folgende Lohnkosten:

?        Dienstnehmerkosten von (Brutto) € 3.094,00 (mtl.) € 3.094,00 (13. Bezug) € 3.094,00 (14. Bezug) sohin jährlich € 43.316,00.

Bestehend aus:

Sozialversicherung: € 560,63 (mtl.) € 529,69 (13. Bezug) € 529,69 (14. Bezug) sohin € 7.786,94 (jährlich)

Lohnsteuer: € 441,16 (mtl.) € 116,66 (13. Bezug) € 153,86 (14. Bezug) sohin € 5.564,44 (jährlich)

Netto: € 2.092,21 (mtl.) € 2.447,65 (13. Bezug) € 2.410,45 (14. Bezug) sohin € 29.964,62 (jährlich)

?        Dienstgeberabgaben von insgesamt € 929,45 (mtl.) € 913,98 (jeweils 13./14. Bezug) sohin jährlich € 12.981,36.

Bestehend aus:

Sozialversicherung: € 656,86 (mtl.) € 641,39 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 9.165,10 (jährlich)

Familienlastenausgleichsfonds: € 120,67 (mtl.) € 120,67 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 1.689,38 (jährlich)

Zuschlag Dienstgeberbeitrag: € 11,76 (mtl.) € 11,76 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 164,64 (jährlich)

Kommunalsteuer: € 92,82 (mtl.) € 92,82 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 1.299,48 (jährlich)

Betriebliche Vorsorgekasse: € 47,34 (mtl.) € 47,34 (jeweils 13./14. Bezug) sohin € 662,76 (jährlich)

Insgesamt belaufen sich die Lohnkosten damit auf monatlich € 4.023,45; zzgl. 13./14. Bezug von jeweils € 4.007,98; sohin jährlich auf insgesamt € 56.297,36.

Die Pflicht zur Einhaltung der lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften trifft ausschließlich die potentielle Arbeitgeberin und können die Verpflichtungen nicht auf Dritte, hier das Einzelunternehmen oder die Privatperson der Herrn XXXX überwälzt werden oder von diesen übernommen werden. Alle oben genannten Unterlagen, die sich unter a. 1. bis 3. finden und das Einzelunternehmen oder die Privatperson der Herrn XXXX betreffen, scheiden daher zur Beurteilung aus. Auch führt dieses Vorbringen zu keiner Änderung des Ergebnisses, einerseits, da es sich bei der Spareinlage nur um eine zeitlich punktuelle Bescheinigung handelt, die sich jederzeit ändern kann. Weiters reichen auch die ausgewiesenen Bilanzgewinne des Einzelunternehmens aus 2020 und 2021 bei weitem nicht aus, die jährlichen Lohnkosten der BF1 und/oder allfälliger weiterer Mitarbeiter zu decken.

Zur Beurteilung, ob die BF 2 in der finanziellen Lage ist, die lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalten zu können, ist daher nur jene finanzielle und wirtschaftliche Situation heranzuziehen, die sich auf diese bezieht, da die GmbH die potentielle Arbeitgeberin ist.

Aber auch aus den, die BF 2 betreffenden Unterlagen folgt, dass keine Gewähr gegeben ist, dass diese als potentielle Arbeitgeberin der BF 1 die geforderten lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalten kann, da sie nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügt:

Der vorgelegte Businessplan der BF 2 geht von einem zu erwartenden Gewinn von € 205.684,00 im ersten Geschäftsjahr, somit 2020 und von € 308.526,00 im zweiten Geschäftsjahr, 2021 aus. Die prognostizierten Gewinne sind jedoch vor dem Hintergrund der vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen 2020 und 2021 als völlig unrealistisch zu beurteilen, sodass diesem für die zu beurteilende Frage keine Aussagekraft zukommt.

Auch die vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen führen zum Ergebnis, dass die BF 2 nicht in der finanziellen und wirtschaftlichen Lage ist, die lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einzuhalten: 2020 weist noch einen Bilanzverlust aus. 2021 weist bis Ende Juni einen geringen Gewinn aus (€ 14.895,63), der selbst unter der Annahme der Verdoppelung bis Jahresende 2021 nicht in der Höhe der jährlichen von ihr als Dienstgeberin zu entrichteten Lohn- und Sozialversicherungsabgaben von € 56.297,36 für die BF 1 ausreicht.

Es ist somit keine Gewähr gegeben, dass die XXXX die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält.

Die Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet und waren spruchgemäß abzuweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerden hinreichend geklärt erschien.

Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6. Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. z.B. die VwGH-Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/08/0044, und vom 19. November 2004, Zl. 2000/02/0269). Des Weiteren hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 28. September 2010, 2009/05/0160).

Solche Umstände, die ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen, liegen auch im gegenständlichen Fall vor.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beschwerdevorentscheidung Entscheidungsfrist ersatzlose Behebung Fachkräfteverordnung finanzielle Mittel finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Geschäftstätigkeit Rot-Weiß-Rot-Karte Sozialversicherung Unzuständigkeit Verspätung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W151.2242542.1.00

Im RIS seit

21.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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