TE Vwgh Beschluss 2021/9/24 Ro 2019/08/0018

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Veröffentlicht am 24.09.2021
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Index

60/03 Kollektives Arbeitsrecht

Norm

ArbVG §9

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der G GmbH in P, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in 4020 Linz, Museumstraße 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2019, Zl. G312 2128415-1/14E, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung eines Bescheides der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse - die revisionswerbende Partei, Beiträge zur Sozialversicherung, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge samt Verzugszinsen in der Höhe von insgesamt € 224.406,60 nachzuentrichten.

2        Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der auch in der Judikatur des Obersten Gerichtshofes offen gelassenen Frage vor, ob auf Krankentransporte mit Personenkraftwägen („einfacher Krankentransport“) der Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW (Taxi) anzuwenden sei.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse hat - nach Einleitung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht - eine Revisionsbeantwortung erstattet.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. VwGH 25.3.2019, Ro 2018/08/0014, mwN).

8        Soweit die Revision im Wesentlichen die Zulässigkeitsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts wiederholt, ist ihr zu entgegnen, dass die Revision die Richtigkeit der in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Grundsätze, von denen das Bundesverwaltungsgericht auch im hier zu entscheidenden Fall ausgegangen ist, nicht in Zweifel zieht. Ausgehend von diesen Grundsätzen und von der Annahme, dass die Durchführung sogenannter qualifizierter Krankentransporte dem Betrieb der revisionswerbenden Partei das Gepräge gibt, kommt es jedoch auf die Frage, ob auf Krankentransporte mit Personenkraftwägen („einfacher Krankentransport“) der Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW (Taxi) anzuwenden sei, nicht an (vgl. zum Ganzen den Beschluss VwGH 30.3.2021, Ro 2019/08/0017, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird).

9        Dass dem Bundesverwaltungsgericht bei der zuletzt genannten Annahme eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt, zumal es bei der Beantwortung der Frage, welcher Fachbereich einem Mischbetrieb im Sinn des § 9 ArbVG das wirtschaftliche Gepräge gibt, nicht nur auf einzelne Aspekte wie etwa Umsatz, Gewinn, Betriebsmitteleinsatz, Ertragskomponenten, Zahl der Arbeitnehmer oder Zusammensetzung des Kundenkreises ankommt, sondern eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist, in die auch die wirtschaftliche Funktion des einen Fachbereichs für den anderen Fachbereich einzubeziehen ist (vgl. das zu einer demselben Dachverband wie die revisionswerbende Partei angehörenden gemeinnützigen GmbH ergangene Urteil OGH 30.10.2018, 9 ObA 16/18w). Im vorliegenden Fall durfte das Bundesverwaltungsgericht bei dieser Gesamtbetrachtung insbesondere auch die für den Auftritt gegenüber (potentiellen) Kunden maßgebliche Wahrnehmung als Rettungsdienst berücksichtigen. Das dabei erzielte Ergebnis kann zumindest nicht als unvertretbar angesehen werden (vgl. dazu auch VwGH 27.4.2021, Ro 2021/08/0001 und 0002).

10       Dem Revisionsvorbringen, der Spruch des mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigten Bescheides sei angesichts eines Verweises auf weitere Unterlagen, die der revisionswerbenden Partei nicht zur Kenntnis gebracht worden seien, nicht hinreichend bestimmt, ist zu entgegnen, dass die Revision selbst etwa auf das Erkenntnis VwGH 22. Februar 2001, 2000/07/0254, und die dort referierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinweist, der zufolge der Spruch eines Bescheides, mit dem eine Verpflichtung auferlegt wird, so bestimmt gefasst sein muss, dass einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen, ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten Ersatzvornahme ergehen kann. Mit dem durch das angefochtene Erkenntnis bestätigten Bescheid wurde die revisionswerbende Partei zu ziffernmäßig festgesetzten Nachzahlungen verpflichtet; lediglich zur genauen Aufschlüsselung der Beträge wurde auf näher bezeichnete Unterlagen verwiesen. Davon, dass das angefochtene Erkenntnis dem Revisionswerber hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Nachzahlung keine überprüfbare Möglichkeit geben würde, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, kann keine Rede sein. Der behauptete Spruchfehler liegt daher nicht vor.

11       Schließlich bringt die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, der Sachverhalt werfe „erhebliche Fragen im Zusammenhang mit den Satzungserklärungen der Kollektivverträge des ÖRK [Österreichischen Roten Kreuzes]“ auf. „Insbesondere“ sei „ungeklärt, wie der in der Satzung normierte fachliche Anwendungsbereich zu verstehen“ sei. Zudem seien „die Satzungserklärungen“ angewendet worden, obwohl diese nicht mehr in Geltung gestanden seien. Zu all diesen Fragen fehle eine höchstrichterliche Rechtsprechung.

12       Die Revision bringt mit diesen vagen Formulierungen in der (für die Darlegung des Vorliegens von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen - vgl. etwa VwGH 18.12.2020, Ra 2017/08/0007, mwN) gesonderten Zulässigkeitsbegründung nicht ausreichend konkret vor, zu welchen Rechtsfragen eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Dessen ungeachtet ist auch im hier angesprochenen Zusammenhang auf das Urteil OGH 30. Oktober 2018, 9 ObA 16/18w, und die dortigen Ausführungen zur Anwendbarkeit der gesatzten Kollektivverträge des Österreichischen Roten Kreuzes auf eine demselben Dachverband wie die revisionswerbende Partei angehörende gemeinnützige GmbH zu verweisen.

13       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Von der Durchführung der in der Revision beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 24. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019080018.J00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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