TE Vwgh Beschluss 2021/9/23 Ra 2021/14/0241

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Veröffentlicht am 23.09.2021
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Index

24/02 Jugendgerichtsbarkeit
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §2 Abs3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs3
FlKonv Art1 AbschnC Z5
JGG §19

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Wissam Barbar, Rechtsanwalt in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 99/2/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2021, W129 2224472-1/17E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Dem Revisionswerber, einem aus Tschetschenien stammenden russischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid vom 7. Jänner 2004 vom (damals zuständigen) Bundesasylamt Asyl durch Erstreckung gemäß § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 - abgeleitet von seinem Vater - gewährt.

2        Mit Bescheid vom 13. September 2019 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem - inzwischen mehrfach straffällig gewordenen - Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und festgestellt werde, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Die Behörde erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und legte eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Aberkennung des Status des Asylberechtigten und der Nichtzuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten sowie der Nichterteilung eines Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen als unbegründet ab. Im Übrigen gab es der Beschwerde statt und erklärte „eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig“ und erteilte dem Revisionswerber gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist der Status eines Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist. Darunter fällt auch der Wegfall der Umstände, auf Grund deren ein Fremder als Flüchtling anerkannt worden ist (Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK). Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 (in der Fassung seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. Nr. 122/2009) kann einem Fremden, der straffällig iSd § 2 Abs. 3 AsylG 2005 geworden ist, der Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 auch nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Zuerkennung aberkannt werden.

8        Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe die Aberkennung insbesondere mit seiner Verurteilung aus dem Jahr 2015 begründet, obwohl sich unter Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2020, 2001/01/0494, ergebe, dass eine Aberkennung bei länger zurückliegenden Verurteilungen nur dann gerechtfertigt sei, wenn eine negative Zukunftsprognose vorliegen würde, die im gegenständlichen Fall nicht geprüft worden sei.

9        Der Revision ist zu entgegnen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Aberkennung des Asylstatus ausschließlich mit einem der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 begründet hat, weswegen das diesbezügliche Revisionsvorbringen ins Leere geht. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das Gericht neben dem Endigungsgrund des Wegfalls der Umstände, die seinerzeit zur Asylgewährung geführt hätten, auch nicht zusätzlich auf die Verurteilung gestützt, sondern hat in seiner rechtlichen Beurteilung lediglich und zutreffend ausgeführt, dass im Hinblick auf die Straffälligkeit des Revisionswerbers die Aberkennung des Schutzstatus gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 auch nach der Frist von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgen könne.

10       Soweit die Revision im Zusammenhang mit der Aberkennung des Status des Asylberechtigten § 5 Z 10 JGG ins Treffen führt, kann es hier sein Bewenden haben, dem entgegen zu halten, dass die letzte vom Revisionswerber gesetzte Straftat, die zur letzten strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, keine Jugendstraftat (vgl. § 1 Z 3 JGG) war. Schon im Hinblick auf diese Verurteilung liegt eine Straffälligkeit im Sinn des § 2 Abs. 3 AsylG 2005 vor, die gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 auch nach fünf Jahren zulässt (vgl. VwGH 18.11.2020, Ra 2020/14/0387). Auch aus dem eindeutigen Wortlaut des § 19 JGG (Sonderbestimmung für Straftaten junger Erwachsener) ergeben sich keine abweichenden Regelungen für das Vorliegen einer Straffälligkeit im Sinn des AsylG 2005.

11       Die Revision bringt weiters vor, dass die „Wegfall der Umstände“-Klausel, im Unterschied zu allen anderen Aberkennungstatbeständen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005, nicht gesondert für einen Familienangehörigen zu prüfen sei. Bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zukomme, sei der Wegfall solcher Umstände von vornherein nicht denkbar. Der Revisionswerber habe niemals eigene „Umstände“ geltend gemacht.

12       Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision, dass es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, wonach es bei der Aberkennung nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK des einem Familienangehörigen im Familienverfahren (oder nach früheren Asylgesetzen durch Asylerstreckung) zuerkannten Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände darauf ankommt, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und es diese daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Diese Frage hat die Behörde (im Beschwerdeverfahren: das Verwaltungsgericht) ohne Bindung an eine allfällige diesbezügliche Entscheidung im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus des Familienangehörigen selbständig zu beurteilen (vgl. erneut VwGH 18.11.2020, Ra 2020/14/0387; grundlegend VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0059, mwN).

13       Das Bundesverwaltungsgericht ist auf Basis entsprechender Feststellungen zum Ergebnis gekommen, dass die Umstände, auf Grund derer die Bezugsperson - im vorliegenden Fall der Vater des Revisionswerbers - als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, und dass auch hinsichtlich des Revisionswerbers die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen, sodass diesem der Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK zu entziehen ist. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist darin auch angesichts der Revisionsausführungen nicht zu erkennen.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 23. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140241.L00

Im RIS seit

15.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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