TE Bvwg Beschluss 2021/4/13 W147 2236344-2

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Veröffentlicht am 13.04.2021
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Entscheidungsdatum

13.04.2021

Norm

AVG §18 Abs3
AVG §56
B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
EU-QuaDG §1
EU-QuaDG §3 §6
LMSVG §4
LMSVG §47
LMSVG §48
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35
VwGVG §9 Abs1

Spruch


W147 2236344-1/3E

W147 2236344-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Eingaben der XXXX , vertreten durch Mag. Jakob Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Otto-Bauer-Gasse 4, betreffend Eintragungen in sechs Kontrollbescheinigung (Sichtvermerk) anlässlich der Einfuhr ökologischer/biologischer Erzeugnisse aus Drittländern, wobei die Sachen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden, konkret über

1.       die „Maßnahmenbeschwerde“ vom 23. Oktober 2020 gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Grenzkontrollstelle Wien-Schwechat, Grenzärztlicher Dienst Flughafen, A-1300 Schwechat (Wien Flughafen) bzw. das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (nunmehr: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz),

2.       die „Beschwerden“ vom 23. Oktober 2020 gegen sechs Bescheide der Grenzkontrollstelle Wien-Schwechat, Grenzärztlicher Dienst Flughafen, A-1300 Schwechat (Wien Flughafen) bzw. das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (nunmehr: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), womit die Verweigerung des Sichtvermerks in Feld 20 der Kontrollbescheinigungen (COI), nämlich in COI.UA.2019.0004390, COI.UA.2019.0004391, COI.UA.2019.0004392, COI.UA.2019.0004393, COI.UA.2019.0004394, COI.UA.2019.0004395, bekanntgegeben wurden, sowie

3.       die Anträge vom 23. Oktober 2020 auf Genehmigung und Freigabe des Bio Rapssamen mit dem Certificate of Inspection (COI) zu den Nummern COI.UA.2019.0004390, COI.UA.2019.0004391, COI.UA.2019.0004392, COI.UA.2019.0004393, COI.UA.2019.0004394, COI.UA.2019.0004395, als Bioprodukt verbunden mit der Vermarktung als solches bzw. den Sichtvermerk in Feld 20 auszustellen, sowie

4.       den Antrag vom 23. Oktober 2020 auf Ersatz der entstandenen Kosten,

beschlossen:

A.1. Die Maßnahmenbeschwerde vom 23. Oktober 2020 wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, in Verbindung mit § 31 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, als unzulässig zurückgewiesen.

A.2. Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, in Verbindung mit § 31 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, mangels Vorliegens von Bescheiden als unzulässig zurückgewiesen.

A.3. Die Anträge vom 23. Oktober 2020 auf Genehmigung und Freigabe des Bio Rapssamen mit dem Certificate of Inspection (COI) zu den Nummern COI.UA.2019.0004390, COI.UA.2019.0004391, COI.UA.2019.0004392, COI.UA.2019.0004393, COI.UA.2019.0004394, COI.UA.2019.0004395, als Bioprodukt verbunden mit der Vermarktung als solches bzw. den Sichtvermerk in Feld 20 auszustellen, werden zurückgewiesen.

A.4. Der Antrag auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, abgewiesen.

B. Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Ein näher bestimmtes Unternehmen mit Sitz in der Ukraine als „Ausführer“ und „Produzent“ übermittelte der beschwerdeführenden Partei als „Einführer“ sowie „erster Empfänger in der Union“ im Dezember 2019 Rapssamen im Ausmaß von ungefähr 132 Tonnen für die Importkontrolle zur Veterinärgrenzkontrolle des Flughafens Wien. Für diesen hatte die „Organic Standard - UA-BIO-108“ mit Sitz in Kiew sechs Kontrollbescheinigungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 der Kommission vom 8. Dezember 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates hinsichtlich der Regelung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus Drittländern (im Folgenden: Durchführungs-VO 1235/2008) für „organische Rapssamen“ ausgestellt.

Diese verfahrensgegenständlichen Kontrollbescheinigungen wurden im Original beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Anbringung eines Sichtvermerks eingereicht.

2. Mit E-Mail vom 27. Mai 2020 wurde der beschwerdeführenden Partei seitens des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (Sektion IX Öffentliche Gesundheit, Lebensmittel-, Medizin- und Veterinärrecht, Abteilung IX/B/13 – Lebensmittelsicherheit und Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz; Kontrolle, Hygiene und Qualität) nach fachlicher und rechtlicher Überprüfung mitgeteilt, dass die Ware nicht der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 entspreche und keinen Biostatus aufweise. Begründend wurde soweit für das gegenständliche Verfahren relevant zusammengefasst ausgeführt, dass die Ware auf verplombten LKWs in Big Bags angeliefert, beprobt und danach durch die beschwerdeführende Partei von den LKWs in ein Silo überführt worden sei. Die Öffnung der Sendung stelle einen Verstoß gegen Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 dar, der den Biostatus betreffe, und stimme dies mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 nicht überein.

3. Mit dem zu W147 2236344-1 protokollierten Schriftsatz vom 23. Oktober 2020, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingebracht, erhob die beschwerdeführende Partei eine „Maßnahmenbeschwerde gemäß Artikel 132 Abs 2 B-VG“ (folgend: „Maßnahmenbeschwerde“) gegen sechs „Bescheide“ der belangten Behörde, jeweils zugestellt am 15. Oktober 2020, „womit die Verweigerung des Sichtvermerks in Feld 20 der Kontrollbescheinigungen gemäß dem Anhang zur Verordnung (EG) 1235/2008 bekanntgegeben wurde“, nämlich die Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004390, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004391, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004392, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004393, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004394, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004395. Die beschwerdeführende Partei äußerte sich darin dahingehend, dass sie Öle für die Lebensmittelindustrie herstelle. Sie verarbeite diverse landwirtschaftliche Erzeugnisse zu Öl, darunter auch Rapssamen. Diesen importiere sie als biologische Ware aus dem EU-Ausland zur Verarbeitung in Österreich.

Dem gegenständlichen Sachverhalt würden sechs Lieferungen von Rapssamen aus der Ukraine in sogenannten Big Bags zugrunde liegen, welchen eine von der ukrainischen zuständigen Stelle für die Zertifizierung von Bioware (Organic-Standard – UA-BIO-108) ausgestellte Kontrollbescheinigung (Certificate of Inspection – COI) beigefügt worden sei. Eine derartige Sendung könne nach Artikel 13 der VO 1235/2008 in die Union und in den zollrechtlichen freien Verkehr überführt werden, wenn der betreffenden zuständigen Behörde des Mitgliedstaats ein Original der Kontrollbescheinigung vorgelegt werde, die Sendung durch die betreffende zuständige Behörde des Mitgliedstaats geprüft werde, die Kontrollbescheinigung von ihr mit einem Sichtvermerk versehen werde und die Nummer der Kontrollbescheinigung in der Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angegeben werde. Die betreffende Sendung werde durch die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedsstaates, in dem die Sendung in den zollrechtlichen Verkehr in der Union überführt werde, geprüft und werde die Kontrollbescheinigung von der zuständigen Behörde mit einem Sichtvermerk versehen.

Ein Sichtvermerk auf den sechs Kontrollbescheinigungen sei verweigert worden und sei damit die Überführung der Ware in den freien Warenverkehr als Bioprodukt verweigert, nicht aber die Ware als solches zurückgewiesen worden.

Gegen diese Nichtausstellung des Sichtvermerkes in sechs Fällen richte sich die Beschwerde.

Die Kontrollbescheinigung sei als Bescheid zu qualifizieren. Der Bescheid habe den Inhalt, dass die Ware nicht als biologische Ware in der Union in Verkehr gebracht werden könne.

Könnte die Auslieferung nicht als biologisches Produkt, sondern nur als konventionelles Produkt erfolgen, wäre dies mit einem Verlust des Marktwertes von rund XXXX verbunden. Ein ähnlich gelagerter Fall sei beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gewesen. Diesem Fall sei zugrunde gelegen, dass die belangte Behörde auf der Kontrollbescheinigung vermerkte: „Kann als konventionell freigegeben werden“. Das Bundesverwaltungsgericht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass von einem Bescheid auszugehen sei. Gegen dieses Erkenntnis habe die Finanzprokuratur ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und habe moniert, dass ein Akt unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliege.

Die beschwerdeführende Partei erhebe die vorliegende Maßnahmenbeschwerde aus advokatorischer Vorsicht und werde ebenso eine Bescheidbeschwerde bei der belangten Behörde eingebracht.

Zur Rechtzeitigkeit führte die beschwerdeführende Partei aus, dass ihr die Kontrollbescheinigungen am 15. Oktober 2020 zugestellt worden seien.

Die beschwerdeführende Partei stellte die Anträge (wörtlich wiedergegeben):

„Das Bundesverwaltungsgericht möge

1.       Gem § 28 Abs 6 VwGVG den angefochtenen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklären und aufheben;

2.       Die Einfuhr von Bio-Rapssamen mit dem Certificate of Inspection mit den Nummern

i.       Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004390

ii.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004391

iii.    Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004392

iv.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004393

v.       Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004394

vi.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004395

der Ökokontrollstelle Organic Standard aus der Ukraine, ausgestellt zu Gunsten der Beschwerdeführerin als Importeurin und Erstempfängerin (Feld 11 und 12 der Kontrollbescheinigung) entsprechend dem Anhang V der VO (EG) Nr 1235/2008 als Bioprodukt verbunden mit der Freigabe der Vermarktung als solches genehmigen;

in eventu

3.       Der belangten Behörde auftragen, die

i.       Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004390

ii.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004391

iii.    Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004392

iv.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004393

v.       Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004394

vi.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004395

mit dem Sichtvermerk in Feld 20 auszustellen;

jedenfalls

4.       Gem § 24 Abs 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

jedenfalls

5.       Gem § 35 VwGVG erkennen, das Bundesministerium für Arbeit, Soziales du Konsumentenschutz ist schuldig, der Beschwerdeführerin durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandene Kosten im gesetzlichen Ausmaß zH des ausgewiesenen Vertreters binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.“

4. Mit weiterem zu W147 2236344-2 protokollierten Schriftsatz vom 23. Oktober 2020, beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am 28. Oktober 2020 postalisch eingelangt, erhob die beschwerdeführende Partei „Beschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG“ (folgend: „Beschwerde“) gegen die sechs Bescheide der belangten Behörde, jeweils zugestellt am 15. Oktober 2020, „womit die Verweigerung des Sichtvermerks in Feld 20 der Kontrollbescheinigungen gemäß dem Anhang zur Verordnung (EG) 1235/2008 bekanntgegeben wurde“, nämlich die Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004390, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004391, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004392, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004393, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004394, Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004395.

Inhaltlich gab die beschwerdeführende Partei das bisherige Vorbringen der Maßnahmenbeschwerde wieder, nämlich dass ein Sichtvermerk auf den sechs Kontrollbescheinigungen verweigert worden sei und damit die Überführung der Ware in den freien Warenverkehr als Bioprodukt verweigert, nicht aber die Ware als solches zurückgewiesen worden sei. Gegen diese Nichtausstellung des Sichtvermerkes in sechs Fällen richte sich die Beschwerde. Die Kontrollbescheinigung sei als Bescheid zu qualifizieren. Der Bescheid habe den Inhalt, dass die Ware nicht als biologische Ware in der Union in Verkehr gebracht werden könne.

Die beschwerdeführende Partei stellte die Anträge (wörtlich wiedergegeben):

„a) gem § 24 Abs 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die beantragten Zeugen zu laden und einzuvernehmen;

b) gem § 28 Abs 2 VwGVG den Sichtvermerk in Feld 20 der Kontrollbescheinigungen gemäß dem Anhang zur Verordnung (EG) 1235/2008 zu erteilen, womit die Ware als biologische Ware eingeführt werden kann und zwar hinsichtlich der Kontrollbescheinigungen

i.       Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004390

ii.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004391

iii.    Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004392

iv.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004393

v.       Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004394

vi.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004395

in eventu

c) gem § 28 Abs 4 VwGVG Die Bescheide der belangten Behörde, womit der Sichtvermerk in Feld 20 der Kontrollbescheinigungen gemäß dem Anhang zur Verordnung (EG) 1235/2008 und zwar zur

i.       Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004390

ii.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004391

iii.    Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004392

iv.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004393

v.       Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004394

vi.      Kontrollbescheinigung COI.UA.2019.0004395

verweigert wurde, aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurück zu verweisen.“

5. Die Beschwerdevorlage des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 10. November 2020 langte am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein und legte das Bundesministerium eine Zusammenfassung des Sachverhaltes samt ihrer Rechtsansicht, nämlich zum Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor. Aus der Beschwerdevorlage ist weiters ersichtlich (ELAK-Auszug vom 10. November 2020), dass die Beschwerde an den Leiter des Grenzkontrolldienstes und weitere Mitarbeiter diverser Abteilungen des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Information übermittelt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1. Die „Organic Standard – UA-BIO-108“ mit Sitz in Kiew, Ukraine, stellte am 29. November 2019 sechs Kontrollbescheinigungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 mit den Seriennummern „COI.UA.2019.0004390, COI.UA.2019.0004391, COI.UA.2019.0004392, COI.UA.2019.0004393, COI.UA.2019.0004394, COI.UA.2019.0004395“ für „organische Rapssamen“ (Nr. „12059000“ nach der Kombinierten Nomenklatur – CN Code) und der Lot-Nr. „2019/067R“, in 22 Säcken, mit einem Nettogewicht von 22000 kg aus. In den Kontrollbescheinigungen wird durch XXXX (autorisierte Person) für die „Organic Standard“ mit Unterschrift erklärt, dass diese Kontrollbestätigungen aufgrund der gemäß Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 durchgeführten Prüfungen ausgestellt und die gegenständlichen Erzeugnisse in Einklang mit Erzeugungs- und Kontrollregeln für die ökologische/biologische Produktion gewonnen wurden, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 als gleichwertig gelten.

2. Die Kontrollbescheinigungen weisen als „Produzent“ und „Ausführer“ die „Agroecology PE“ mit Sitz in XXXX , Ukraine, aus. Als „Einführer“ sowie „erster Empfänger in der Union“ wird die beschwerdeführende Partei angeführt.

Die ausgestellten Kontrollbescheinigungen führen ebenso an, dass die Erzeugnisse mittels Straßentransports in die Europäische Union (laut den Frachtbriefen vom 27. November 2019 [CMR #177067, #177068, #177069, #177070, #177071] und vom 15. November 2019 [CMR #177073]) eingeführt wurden.

3. Die Kontrollbescheinigungen wurden beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Original zur Versehung mit einem Sichtvermerk eingereicht.

4. Mit E-Mail vom 27. Mai 2020 wurde der beschwerdeführenden Partei von XXXX , Sachbearbeiterin Lebensmittelrecht und Lebensmittelkennzeichnung, und XXXX , Abteilungsleiterin der Abt. IX/B/13 (Lebensmittelsicherheit und Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz; Kontrolle, Hygiene und Qualität) der Sektion IX des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mitgeteilt, dass die Ware keinen Biostatus aufweise.

5. In weiterer Folge wurden die sechs Kontrollbescheinigungen am 15. Oktober 2020 unverändert an die beschwerdeführende Partei rückübermittelt.

6. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2020 erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG. Diese langte am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2020 erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG. Die Beschwerdevorlage samt dazugehörigen Akten langten am 10. November 2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere den von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Rechtsmittelschriftsätzen samt den beigeschlossen Beilagen (Kontrollbescheinigungen, E-Mail vom 27. Mai 2020, Beschwerde-Beilagen ./1 bis ./7).

Da die Beschwerde vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz dem Bundesverwaltungsgericht ohne Stellungnahme bzw. Einwände gegen etwaige Beilagen des Beschwerdeschriftsatzes vorgelegt wurde, sieht das erkennende Gericht keine Veranlassung, an deren Echtheit zu zweifeln.

Dass die Kontrollbescheinigungen an die beschwerdeführende Partei am 15. Oktober 2020 – ohne Sichtvermerk rückübermittelt wurden, ergibt sich aus den Beschwerdeschriftsätzen und wird auch im Rahmen der Beschwerdevorlage nicht bestritten.

Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei dahingehend informiert wurde, dass der Ware kein Biostatus zukomme, ist der E-Mail vom 27. Mai 2020 (je Beilage ./7 der Beschwerden) zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1 Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Artikel 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 und des IV. Teiles, sowie im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

§ 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG lauten wortwörtlich:

"(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist."

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 4 Abs. 3 des Bundesgesetzes über Sicherheitsanforderungen und weitere Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG) hat der Bundesminister für (derzeit:) Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Antrags- und Meldeverfahren betreffend die in Anlage Teil 1 genannten Unionsvorschriften zu vollziehen.

Der Gesetzgeber beabsichtigte die Vollziehung unmittelbar durch eine Bundesbehörde im Sinne des Art. 102 Abs. 2 B-VG (siehe dazu auch die Gesetzesmaterialien zu § 3 Abs. 6 EU-QuaDG in ErläutRV 777 BlgNr 25. GP, 12, unter Hinweis auf die „Warensendungen aus dem Ausland“). Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG kommt die Zuständigkeit zur Behandlung gegenständlicher Streitigkeiten somit dem Bundesverwaltungsgericht zu.

3.1.2. Verfahrensverbindung:

Dem entscheidenden Richter wurden gemäß der Geschäftsverteilung 2020 des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtssachen sowohl die Maßnahmenbeschwerde (anhängig zur Verfahrenszahl W147 2236344-1) und – als Annexsache – die Bescheidbeschwerde (anhängig zur Verfahrenszahl W147 2236344-2), wobei beide Rechtsmittel denselben Gegenstand betreffen, zugewiesen. Angesichts der unzweifelhaft gegebenen Verfahrenseffizienz sind diesen Rechtssachen gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2b AVG verbunden zu führen (vgl. dazu VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058).

3.1.3. Zur Parteistellung der beschwerdeführenden Partei:

Im Weiteren geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass jene Person, welcher die Rolle als „Einführer“ und / oder „Erster Empfänger“ samt den diesen zukommenden Verantwortlichkeiten gemäß den Verordnungen (EG) Nr. 834/2007, 889/2008 und 1235/2008 zukommt, zur Erhebung einer Beschwerde gemäß § 130 Abs. 1 Z 1 B-VG sowie einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG legitimiert ist. Die grundsätzliche Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Partei ist gegeben.

3.1.4. Zur belangten Behörde:

3.1.4.1. Die beschwerdeführende Partei bezeichnete in dem Rubrum ihrer Beschwerdeschriftsätze neben der „Grenzkontrollstelle Wien Schwechat“ auch das „Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz“ als jeweils „belangte Behörde“.

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 9 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dazu wiederum zu entnehmen, dass dann, wenn als belangte Behörde unmissverständlich – und damit nicht vom Verwaltungsgerichtshof umzudeutend – eine Behörde als Prozessgegner bezeichnet wurde, welche den angefochtenen Bescheid nicht erlassen hatte, die Beschwerde ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückzuweisen ist. Weiters jedoch auch, dass die belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, allerdings nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden kann, sondern auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt.

Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist.

Bei der Auslegung von Parteianbringen kommt es auf das aus diesen erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dem Geist des AVG ist ein übertriebener Formalismus fremd, weswegen auch bei der Auslegung von Parteianbringen im Sinne des § 13 AVG kein streng formalistischer Maßstab anzulegen ist (Hinweis E vom VwGH 9. September 2015, 2013/03/0120, mwN).

So ist in Zusammenschau der Beschwerdevorbringen und der Beschwerdeanträge sowie auch den dieser angeschlossenen Beilagen und dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes zu den ähnlich gelagerten Verfahren der beschwerdeführenden Partei für das Bundesverwaltungsgericht mit ausreichender Klarheit erkennbar, dass sich die erhobenen Beschwerden grundsätzlich gegen – hoheitlich gesetzte – Handlungen des Grenztierarztes/der Grenztierärztin richten (Verweigerung der Ausstellung des Sichtvermerkes in Feld 20 der Kontrollbescheinigungen).

3.1.4.2. Das nach der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 als Antrags- bzw. Meldeverfahren gemäß § 4 Abs. 4 in Verbindung mit Anlage Teil 1 LMSVG geführte Verfahren zum Versehen einer Kontrollbescheinigung mit einem Sichtvermerk, welches – jedenfalls bei Ablehnung oder nur eingeschränktem Versehen – wie im Folgenden dargelegt wird - mittels Bescheids zu enden hat, erfordert Ermittlungen von Amts wegen einerseits und erlaubt – bzw. erfordert – die Mitwirkung der antragstellenden bzw. die Meldung auf Erlangung eines Sichtvermerks für die Kontrollbescheinigung erstattenden Partei andererseits.

Aus der zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt ergangenen aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt für das Bundesverwaltungsgericht auch, dass die – zweifellos hoheitlichen – Handlungen bzw die Weigerung der Ausstellung eines Sichtvermerks des/der zuständigen Grenztierarztes/Grenztierärztin (eine wirksame Bestellung zum jeweiligen Zeitpunkt des Setzens dieser Handlungen durch den oder die jeweils zuständige[n] Bundesminister[in] voraussetzend) zuzurechnen sind (siehe dazu VwGH 22. Oktober 2020, Ro 2019/10/0038-4):

„24 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem verwendeten Rundsiegel und dem weiteren Stempel, dass der Grenztierarzt der Veterinärgrenzkontrollstelle Wien-Flughafen den Sichtvermerk ausgestellt hat. Ein Hinweis darauf, dass der Grenztierarzt für eine andere Behörde eingeschritten wäre, findet sich weder in den Stempeln, noch in der Fertigungsklausel, noch im sonstigen Text. Von einer Erkennbarkeit, dass der Grenztierarzt den Bescheid nicht im eigenen Namen erlassen hat, sondern für eine andere Behörde tätig wurde, kann somit nicht gesprochen werden (vgl. VwGH 3.10.1996, 96/06/0111).

25 Da dem Grenztierarzt die Stellung einer Behörde jedenfalls insoweit zukommt, als ihm gemäß § 48 Abs. 4 LMSVG die Vorschreibung von Kontrollkosten obliegt, kann auch nicht von einem nichtigen Akt (durch eine „Nichtbehörde“) gesprochen werden.“.

Der zuständige Grenztierarzt ist (bzw. wäre) die belangte Behörde im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 VwGVG (vgl. etwa VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003, Rn. 36, m.w.N.), sofern tatsächlich ein mit Beschwerde bekämpfbarer Hoheitsakt erlassen worden ist.

3.1.5. Zur Rechtsqualität der angefochtenen „Bescheide“ bzw „Maßnahmen“:

Art. 130 B-VG regelt jene Zuständigkeiten, die den Verwaltungsgerichten zukommen. Die Z 1 bis Z 4 des Abs. 1 bestimmen den Beschwerdegegenstand (nämlich Bescheid, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Verletzung der Entscheidungspflicht und Weisung) und legen den Prüfungsmaßstab fest.

Die (Vor-)Frage des Vorliegens eines anfechtbaren Hoheitsaktes, somit eines tauglichen Prozessgegenstandes, bildet den Gegenstand dieses Verfahrens.

3.1.5.1. Zur Maßnahmenbeschwerde:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar das heißt ohne vorangegangenen Bescheid in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als „Zwangsgewalt“, zumindest aber als spezifisch verstandene Ausübung von „Befehlsgewalt“ gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. zu allem VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124, und VwGH 20.12.2016, Ra 2015/03/0048, zuletzt VwGH 07.09.2020, Ro 2020/01/0010).

3.1.5.2. Zur Bescheidbeschwerde:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Erledigung dann als Bescheid zu qualifizieren, wenn sie von einer Verwaltungsbehörde gegenüber individuell bestimmten Personen erlassen wird und eine konkrete Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat, ob sie nun unter Einhaltung der von den Verwaltungsvorschriften für die Bescheiderlassung aufgestellten Voraussetzungen erlassen worden ist oder nicht (zB VfSlg. 8744/1980, 9244/1981, 9444/1982, 11.077/1986, 11.415/1987, 12.321/1990, 12.753/1991, 14.152/1995; vgl überdies z.B. VfSlg. 10.119/1984; 18.218/2007).

3.1.5.3. Obiter ist zu erwähnen:

Akte schlichter Hoheitsverwaltung sind nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung beschwerdefähig (vgl. T. Müller, Rechtsschutz gegen schlichte Hoheitsakte - zugleich eine Besprechung von VfGH 16.10.2016, E 560/2016, JRP 2018, 76).

In Ermangelung einer (einfach-)gesetzlichen Ermächtigung scheidet das Vorliegen eines Aktes der schlichten Hoheitsverwaltung jedenfalls aus und ist nicht weiter in Prüfung zu ziehen.

3.2. Rechtliche Grundlagen:

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetzes (EU-QuaDG), BGBl. I Nr. 130/2015 in der Fassung BGBl. I Nr. 78/2017, lauten auszugsweise:

„Anwendungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz dient der Durchführung folgender Rechtsakte der Europäischen Union samt deren Änderungs- und Durchführungsvorschriften:

1. Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91, ABl. Nr. L 189 vom 20.7.2007 S. 1,

[...]

Kontrollsystem

§ 3. (1) Der Landeshauptmann ist, sofern in den folgenden Absätzen nicht anderes geregelt ist, die für die amtlichen Kontrollen zuständige Behörde gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004.

[...]

(6) Die Kontrolle von Sendungen bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus biologischer Produktion aus Drittstaaten ist durch von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bestellte Organe gemäß § 47 Abs. 3 LMSVG durchzuführen. Mit der Kontrolle von Sendungen können weitere Stellen beauftragt werden. Beauftragungen sind vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen in geeigneter Weise auf seiner Homepage zu veröffentlichen. Beauftragte Stellen unterliegen der Aufsicht durch die Organe gemäß § 47 Abs. 3 LMSVG und sind an deren Weisungen und Anordnungen gebunden.“

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2018, lauten auszugsweise:

„Meldung von Warensendungen

§ 47. (1) Sind Waren auf Grund von Rechtsakten der Europäischen Kommission einer verstärkten Kontrolle bei der Einfuhr aus Drittstaaten gemäß § 49 Abs. 4 zu unterziehen, so haben die Unternehmer die Zollbehörden und das Bundesministerium für Gesundheit vorab rechtzeitig über Art und Ankunftszeit der Sendung zu verständigen.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen die Einzelheiten der Vorabinformation kontrollpflichtiger Sendungen mit Verordnung festlegen.

(3) Die Kontrolle bei der Einfuhr aus Drittstaaten ist durch vom Bundesminister für Gesundheit bestellte Organe, die für die Grenzkontrolle besonders geschult sind, auszuüben. Die fachliche Aufsicht ist vom Bundesminister für Gesundheit wahrzunehmen. Bei der dienstlichen Tätigkeit haben diese Organe ein Dienstabzeichen sichtbar zu tragen.

Maßnahmen bei der Einfuhr

§ 48. [...]

(3) Wenn Waren aus Drittstaaten auf Grund von Rechtsakten der Europäischen Union nur nach Maßgabe verstärkter Kontrollen in der Europäischen Union in Verkehr gebracht oder nach Kontrollen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 vom 8. Dezember 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates hinsichtlich der Regelung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus Drittländern, ABl. Nr. L 334 vom 12. Dezember 2013, in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden dürfen, sind die daraus resultierenden Kosten vom Anmelder im Sinne der zollrechtlichen Vorschriften zu bezahlen. Die Kosten der Untersuchung sind nach Maßgabe eines Tarifs gemäß § 66 zu berechnen und können im Verwaltungsweg eingebracht werden.

(4) Die aus den verstärkten Kontrollen resultierenden Kosten gemäß Abs. 3 sind anlässlich der Kontrolle von den Organen gemäß § 47 Abs. 3 dem Anmelder mit Bescheid vorzuschreiben. Der Anmelder hat die Kosten beim Zollamt, das der Grenzkontrollstelle örtlich zugeordnet ist, zu erlegen; erst dann darf die Sendung von der Zollstelle überlassen werden. Werden die Kosten nicht sogleich beim Zollamt erlegt, so darf abweichend davon die Sendung auch dann von der Zollstelle überlassen werden, wenn ein Zahlungsaufschub gemäß Art. 110 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. Nr. L 269 vom 10. Oktober 2013, bewilligt ist. Die Kosten sind von den Zollämtern zu vereinnahmen und zugunsten des Bundesministeriums für Gesundheit zu verrechnen. Wenn die Kosten nicht sogleich beim Zollamt erlegt werden, so ist der Bescheid, mit dem die Kosten vorgeschrieben werden, dem Empfänger der Sendung zuzustellen. Der Absender und der Empfänger der Sendung haften als Gesamtschuldner für die Kosten. Für die Vorschreibung, Einhebung und zwangsweise Einbringung sind das AVG und das VVG anzuwenden.“

Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (VO 882/2004), zuletzt geändert mit der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1587 der Kommission vom 22. Oktober 2018, lautet:

„Artikel 54 Maßnahmen im Fall eines Verstoßes

(1) Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Sie berücksichtigt dabei die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers mit Blick auf Verstöße.

(2) Dazu können gegebenenfalls folgende Maßnahmen gehören:

a) Verhängung von Gesundheitsschutz- oder anderen Maßnahmen, die als notwendig erachtet werden, um die Sicherheit von Futtermitteln oder Lebensmitteln oder die Einhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz zu gewährleisten;

b) Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens und der Ein- oder Ausfuhr von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren;

c) Überwachung und, falls erforderlich, Anordnung der Rücknahme, des Rückrufs und/oder der Vernichtung der Futtermittel oder Lebensmittel;

d) Genehmigung zur Verwendung des Futtermittels oder Lebensmittels für andere als die ursprünglich vorgesehenen Zwecke;

e) Betriebsaussetzung oder Schließung des ganzen oder eines Teils des betreffenden Unternehmens für einen angemessenen Zeitraum; f) Aussetzung oder Entzug der Zulassung des Betriebs;

g) Maßnahmen gemäß Artikel 19 in Bezug auf Sendungen aus Drittländern;

h) sonstige Maßnahmen, die von der zuständigen Behörde für angemessen erachtet werden.

(3) Die zuständige Behörde unterrichtet den betreffenden Unternehmer oder einen Vertreter

a) schriftlich über ihre Entscheidung über Maßnahmen nach Absatz 1 und die Gründe hierfür;

b) über sein Widerspruchsrecht gegen derartige Entscheidungen sowie über geltende Verfahren und Fristen.

(4) Gegebenenfalls teilt die zuständige Behörde ihre Entscheidung auch der zuständigen Behörde des versendenden Mitgliedstaats mit.

(5) Alle infolge der Durchführung dieses Artikels anfallenden Kosten sind von dem betreffenden Futtermittel- und Lebensmittelunternehmer zu tragen.“

3.2.3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (VO 834/2007), in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013, lauten:

„Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: [...]

n) 'zuständige Behörde': die für die Durchführung amtlicher Kontrollen im Bereich der ökologischen/biologischen Produktion gemäß dieser Verordnung zuständige zentrale Behörde eines Mitgliedstaats oder jede andere Behörde, der diese Zuständigkeit übertragen wurde, gegebenenfalls auch die entsprechende Behörde eines Drittlandes;

o) 'Kontrollbehörde': eine öffentliche Verwaltungsorganisation eines Mitgliedstaats, der die zuständige Behörde ihre Zuständigkeit für die Inspektion und die Zertifizierung im Bereich der ökologischen/biologischen Produktion gemäß dieser Verordnung ganz oder teilweise übertragen hat, gegebenenfalls auch die entsprechende Behörde eines Drittlandes oder die entsprechende Behörde, die ihre Tätigkeit in einem Drittland ausübt; p) 'Kontrollstelle': ein unabhängiger privater Dritter, der die Inspektion und die Zertifizierung im Bereich der ökologischen/biologischen Produktion gemäß dieser Verordnung wahrnimmt, gegebenenfalls auch die entsprechende Stelle eines Drittlandes oder die entsprechende Stelle, die ihre Tätigkeit in einem Drittland ausübt;

[...]

Artikel 30

Maßnahmen bei Verstößen und Unregelmäßigkeiten

(1) Bei Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung stellt die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle sicher, dass in der Kennzeichnung und Werbung für die gesamte von der Unregelmäßigkeit betroffene Partie oder Erzeugung kein Bezug auf die ökologische/biologische Produktion erfolgt, wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Vorschrift, gegen die verstoßen wurde, sowie zu der Art und den besonderen Umständen der Unregelmäßigkeit steht.

Bei Feststellung eines schwerwiegenden Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung untersagt die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle dem betreffenden Unternehmer die Vermarktung von Erzeugnissen mit einem Bezug auf die ökologische/biologische Produktion in der Kennzeichnung und Werbung für eine mit der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats vereinbarte Dauer.

(2) Die Informationen über Unregelmäßigkeiten oder Verstöße, die den ökologischen/biologischen Status eines Erzeugnisses beeinträchtigen, müssen umgehend zwischen den betroffenen Kontrollstellen, Kontrollbehörden, zuständigen Behörden und Mitgliedstaaten ausgetauscht und gegebenenfalls der Kommission mitgeteilt werden.

[...]“

3.3. Zu Spruchteil A.1. Zurückweisung der „Maßnahmenbeschwerde“:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

Prozessgegenstand – also das bekämpfte Verwaltungsgeschehen – der erhobenen Maßnahmenbeschwerde sind gemäß der dahingehend unzweifelhaften Anfechtungserklärung des Rechtsmittels (siehe hiezu Punkt II. des Rechtsmittelschriftsatzes) jene Handlungen der belangten Behörde (wortwörtlich), „6 Bescheide der belangten Behörde, jeweils zugestellt am 15. Oktober 2020, womit die Verweigerung des Sichtvermerks im Feld 20 der Kontrollbescheinigungen gemäß dem Anhang zur Verordnung (EG) 1235/2008 bekanntgegeben wird“ (zum Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde etwa 17.09.2019, Ra 2019/14/0290, Rn. 41). Ausschließlich diese Handlungen sind vom Bundesverwaltungsgericht zu beurteilen (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0287, Rn. 16, m.w.N.).

Die beschwerdeführende Partei führt zur Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde in den jeweiligen Pkt. II.1. ihres Beschwerdeschriftsatzes auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass die Kontrollbescheinigungen als Bescheid(e) zu qualifizieren seien.

Sie verweist dabei zur Rechtsnatur auf die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Entscheidung vom 26. August 2019 zu Zl. W270 2213399-1/13E und hielt in ihrer Beschwerde auch fest, dass die Maßnahmenbeschwerde aus Gründen advokatorischer Vorsicht erhoben worden sei.

Zur Form des bekämpften Verwaltungsakts war in diesem Zusammenhang zu erwägen:

In den Rn. 27 ff seines Beschlusses vom 22. Oktober 2020, Ro 2019/10/0038, – mit diesem wurde eine Revision der (damaligen) Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz mangels Legitimation zur Erhebung einer solchen gegen die erwähnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2019 zu Zl. W270 2213399-1/13E zurückgewiesen – erwog der Verwaltungsgerichtshof u.a. Folgendes:

„27 Im Zweifelsfall ist nach ständiger Rechtsprechung außerdem anhand der Gesetzeslage zu klären, in welcher Rechtsform die getroffene Erledigung zu erfolgen hatte; da im Zweifel vom gesetzeskonformen Vorgehen der Behörde auszugehen ist, bestimmt in diesem Fall der Rückgriff auf das Gesetz die Beurteilung, wie die Behörde im Einzelfall (tatsächlich) vorgegangen ist (vgl. VwGH 12.12.2008, 2007/12/0059; 28.1.2009, 2008/05/0191). Weder das LMSVG noch das QuaDG noch darauf beruhende Verordnungen sehen nähere Bestimmungen über die Vorgangsweise im Fall der (teilweisen) Nichtentsprechung der Waren bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus biologischer Produktion aus Drittstaaten vor. Aus Art. 54 Abs. 3 der VO 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz ergibt sich allerdings, dass die zuständige Behörde den betreffenden Unternehmer oder einen Vertreter schriftlich über ihre Entscheidung über Maßnahmen nach Absatz 1 leg. cit. (als solche kommen auch Maßnahmen nach Art. 30 der spezielleren VO 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen in Betracht) und die Gründe hierfür, über sein Widerspruchsrecht gegen derartige Entscheidungen sowie über geltende Verfahren und Fristen zu unterrichten hat.

28 Bei der Umsetzung von Unionsrecht in nationales Recht ist von der doppelten rechtlichen Bedingtheit der der Umsetzung dienenden gesetzlichen Vorschriften auszugehen, und zwar so, dass nicht nur die umzusetzende unionsrechtliche Vorgabe, sondern auch die österreichischen verfassungsrechtlichen Vorschriften vom Gesetzgeber beachtet und eingehalten werden müssen (vgl. die in VwGH 16.4.2004, 2001/10/0156, 2002/10/0212, 2001/10/0081 [VwSlg 16335A] zitierte Judikatur des VfGH). Wie vom Verfassungsgerichtshof zudem schon mehrfach ausgesprochen wurde, bringt das Rechtsstaatsprinzip das Gebot mit sich, die behördliche Festlegung von Rechtsfolgen an eine Form zu knüpfen, die einen verfassungsgesetzlich vorgesehenen Rechtsschutz sowie eine inhaltliche Überprüfung des entsprechenden Aktes ermöglicht (vgl. VfGH 11.10.2006, G 138/05 ua, V 97/05 ua [VfSlg 17.967]; 10.12.2009, B 937/08 [VfSlg 18.941]; 12.12.2012, G 75/12 [VfSlg 19.728]).

29 Bezüglich individueller Verwaltungsakte, die von österreichischen Verwaltungsbehörden auf der Grundlage von unmittelbar anzuwendenden Rechtsvorschriften des Unionsrechts gesetzt werden, folgt aus dem (insbesondere im Erkenntnis VfSlg 17.967) Gesagten, dass für eine Verwaltungsbehörde, die eine unionsrechtliche Verordnung vollzieht, nur die Rechtsformen offenstehen, die ihr bei der Vollziehung innerstaatlicher Gesetze zur Verfügung stehen. Das Bundesverfassungsrecht kennt als individuelle, hoheitliche, an einen Rechtsunterworfenen adressierte Verwaltungsakte den Bescheid und den Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl. zu allem VwGH 13.9.2016, Ro 2014/03/0062). Daher hat die zuständige Behörde iSd Art. 2 lit. n bzw. Kontrollbehörde iSd Art. 2 lit. o VO 834/2007, soweit sie bei der Durchführung insbesondere der in der VO 834/2007 vorgeschriebenen Maßnahmen zur Setzung von Hoheitsakten ermächtigt ist, auf dem Boden der gesetzlichen Vorschriften die ihr obliegenden Hoheitsakte grundsätzlich in Form von Bescheiden und Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu setzen.

30 In Anbetracht der Anordnung des Art. 54 Abs. 3 der VO 882/2004 über die Mitteilung der begründeten Entscheidung an den Betroffenen und dessen verpflichtende Belehrung über sein Widerspruchsrecht sowie das anzuwendende Verfahren und geltende Fristen wäre die nach der österreichischen Rechtsordnung zu wählende Rechtsform ohne Zweifel jene des Bescheides.

31 Da das innerstaatliche Recht auch keine - etwa aufgrund eines Kontrollberichtes des Grenztierarztes ergehende - Bescheiderlassung einer anderen Behörde kennt, ist die vom Grenztierarzt vorgenommene Eintragung in der Kontrollbescheinigung als Bescheid zu qualifizieren.“

Überträgt man die vom Verwaltungsgerichtshof im dargestellten Beschluss eingenommene Sichtweise, so ist davon auszugehen, dass „Entscheidungen“ der Anordnung des Art. 54 Abs. 3 der VO 882/2004 – jedenfalls, wenn dem Begehren des Antragstellers nicht vollständig Rechnung getragen wird – durch die jeweils für den Vollzug in Österreich zuständige Behörde grundsätzlich in Form eines Bescheids zu treffen sind.

Auch ist der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu entnehmen, dass ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (nur) dann vorliegt, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – das heißt ohne vorangegangenen Bescheid – in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als „Zwangsgewalt“, zumindest aber als – spezifisch verstandene – Ausübung von „Befehlsgewalt“ gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (zu alledem etwa VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124, Rn. 14, m.w.N.; vgl. auch VfSlg. 18212/2007, wonach der Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch versehen sein muss).

In Anbetracht dieser Rechtsprechungslinie sind die prozessgegenständlichen Handlungen nicht als Zwangsgewalt einzustufen, mangelt es ihnen doch schon an der Androhung einer – bei Nichtbefolgung – unverzüglich einsetzenden physischen Sanktion. Auch bei objektiver Betrachtung ist aus dem Handeln der belangten Behörde kein unmittelbarer Befolgungsanspruch bei sonst drohender, unmittelbarer und zwangsweiser Durchsetzung zu erkennen. Dies insbesondere auch nicht, wenn man berücksichtigt, dass die Sichtvermerke auf den Formularen nicht wie von der beschwerdeführenden Partei beantragt erteilt wurden.

Aus alledem folgt, dass die bekämpften Handlungen der belangten Behörde, nämlich das Unterlassen der Ausstellung eines Sichtvermerks auf sechs Kontrollbescheinigungen nicht als Akt unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren sind.

Die erhobene Maßnahmenbeschwerde war daher gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen.

3.4. Zu Spruchteil A.2. Zurückweisung der „Bescheidbeschwerden“:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gegenstand dieser Bescheidbeschwerdeverfahren kann nur ein Bescheid sein (vgl. VwGH 01.09.2015, Ra 2015/03/0060). Bescheide nach § 56 AVG sind individuelle, hoheitliche Erledigungen der Verwaltungsbehörde, durch die in bestimmten Verwaltungssachen in einer förmlichen Weise über Rechtsverhältnisse materiellrechtlicher oder formellrechtlicher Art abgesprochen wird, sei es, dass Rechtsverhältnisse festgestellt, sei es, dass sie gestaltet werden. Die näheren Vorschriften, welche Bestandteile ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufzuweisen hat, finden sich in §§ 58 ff AVG; darunter ist insbesondere auch das Erfordernis genannt, dass jeder Bescheid als solcher zu bezeichnen ist und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat. Nach der ständigen Rechtsprechung ist das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid für die Qualifikation einer Erledigung als Bescheid dann unerheblich, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (für die Wertung als Bescheid ist ein strenger Maßstab anzulegen). In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung (also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung) Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist somit die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Für die Beurteilung als Bescheid sind die objektiven Merkmale eines Schriftstückes maßgebend und nicht die subjektive Absicht der Behörde, von der das Schriftstück ausgegangen ist. Sofern es daher an der für einen Bescheid vorgeschriebenen Form mangelt, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den (objektiv erkennbaren) Willen hatte, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer Verwaltungsangelegenheit vorzunehmen (vgl. VwGH 22.9.1988, 87/08/0262, VwSlg 12778 A/1987; VwGH 30.6.2006, 2006/03/0029, mwN).

Die beschwerdeführende Partei bringt zur Zulässigkeit ihrer (Bescheid-)Beschwerde auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass die Kontrollbescheinigungen – und das Nichtausstellen des Sichtvermerks als Bescheide zu qualifizieren wären, die somit zum Inhalt hätten, dass die Ware nicht als biologische Ware in der Union in den Verkehr gebracht werden könne (siehe Punkt II.1. der Bescheidbeschwerde). Diese Rechtsansicht ist zwar grundsätzlich zutreffend, jedoch nicht im vorliegenden Fall:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung, die die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Be

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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