TE Lvwg Erkenntnis 2021/8/25 LVwG-S-2545/001-2020

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Veröffentlicht am 25.08.2021
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Entscheidungsdatum

25.08.2021

Norm

GewO 1994 §74
GewO 1994 §366 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch seinen Richter Hofrat

Dr. Kindermann Zeilinger über die Beschwerde des A, geb. ***, ***, ***, vom 21. Dezember 2020 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 30. November 2020, Zl. ***, betreffend Bestrafung gemäß § 366 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO) wegen einer Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z 1 und Z 2 GewO,

zu Recht erkannt:

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 30. November 2020, Zl. ***, wurde über den Beschuldigten A wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall iVm § 74 Abs. 2 Z 1 und Z 2 GewO gemäß § 366 Abs. 1 GewO eine Geldstrafe in der Höhe von € 500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt und ihm die Tragung eines anteiligen Kostenbeitrages zum behördlichen Verfahren in Höhe von € 50,00 auferlegt.

In diesem Straferkenntnis vom 30. November 2020 wird dem Beschuldigten die Verwaltungsübertretung wie folgt angelastet:

„Sie haben es als Gewerbetreibender hinsichtlich der Ausübung des freien Handelsgewerbes und des Gewerbes Heben, Senken und Befördern von Lasten mittels Einsatz von mechanischen und maschinellem Einrichtungen unter Ausschluss der Beförderung mittels Kraftfahrzeugen im Standort ***, ***, zu verantworten, dass Sie zumindest seit 20.9.2019 auf eigene Rechnung und Gefahr, selbstständig, regelmäßig und in der Absicht einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen im Standort ***, ***, eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage in Form eines Lagerplatzes für Holz ohne gewerbebehördliche Genehmigung durch die Lagerung von Holz zum Zwecke des Verkaufs oder Weiterverarbeitung betrieben haben, ohne die hierfür erforderliche Genehmigung erlangt zu haben, da keine Betriebsanlagenbewilligung vorlag.

Auf dem Grst. Nr. ***, KG ***, werden großteils Alt- und Gebrauchthölzer in Form von Dachstuhl- und Bretterholz in diversen Längen und teils auch geschnürt zu Holzbünden im Freien gelagert.

Eine Betriebsanlagengenehmigung gem. § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung war erforderlich, da es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine örtlich gebundene Einrichtung handelt, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist und die geeignet ist, im Sinne des § 74 Abs. 2 Zi. 1 und Zi. 2 Gewerbeordnung einerseits das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, durch die Lagerung der Holzpakete im Verbund und gestapelt zu gefährden und andererseits auch geeignet ist, eine Belästigung der Nachbarn durch Lärm, Staub und Geruch infolge von Manipulationen durch einen Stapler, und andere Maschinen sowie durch das Verladen und Umlagern der Holzstücke herbeizuführen.“ (Fettdruck nicht im Original)

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 21.12.2020 wendet sich der Beschuldigte gegen diese Bestrafung und verweist zunächst auf eine der Beschwerde beigefügte Verhandlungsschrift zur GZ.LVwG-AV-686/001-2020 vom 10.09.2020 sowie auf in diesem Zusammenhang geführte Gespräche seines Vaters mit dem für das genannte Verfahren zuständigen Richter und dem zuständigen Bediensteten der belangten Behörde.

Soweit für die Behörde erwiesen sei, dass er einen Lagerplatz für Holz ohne die erforderliche Genehmigung betreibe, werde vorgebracht, dass das Holz für den Eigenbedarf bzw. für Heizzwecke gelagert worden sei. Ware hingegen, die für den Handel bzw. für gewerbliche Zwecke bestimmt sei, werde ausschließlich unter Dach gelagert, da es der Witterung nicht ausgesetzt werden dürfe, um nicht unverkäuflich zu sein.

Er übe Tätigkeiten im Sinne der 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung, Fassung vom 09.06.2020, aus. Jene Holzpakete, die in der Halle gelagert seien und zum Verkauf bestimmt seien, würden für die Verladung ins Freie gebracht und mittels Stapler verladen. Die von der Polizeiinspektion *** durchgeführten Kontrollen seien aufgrund von Anzeigen eines Herrn B vorgenommen worden, auch wenn er Tätigkeiten ausübe wie das unter die Genehmigungsfreistellungsverordnung fallende Verladen von Ware.

Davon unabhängig habe er bereits 2017 um eine Betriebsanlagengenehmigung angesucht, die er jedoch bis heute durch das Wirken des genannten Anzeigenlegers nicht erhalten habe. Aufgrund eines falschen Gutachtens sei letztlich sein Antrag um Betriebsanlagengenehmigung zurückgewiesen worden. In der Folge habe er die Landesstelle für Brandverhütung des Bundeslandes Niederösterreich ersucht, brandschutztechnische Rahmenbedingungen zu definieren, um Gefährdungen hintanzuhalten. Obwohl die Betriebsanlage aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht den Bestimmungen der OIB- Richtlinien unterliege, sei die Beurteilung danach erfolgt und die diesbezüglichen Empfehlungen umgesetzt worden. Da aktuell (coronabedingt und aufgrund der Jahreszeit) am Standort der Betriebsanlage keine Tätigkeiten ausgeführt würden, werde er erst im Jänner 2021 einen neuerlichen Antrag auf Betriebsanlagengenehmigung stellen. Bis zur Erteilung einer Genehmigung würde er sich der Sanierung weiterer Wohnungen bei seiner Liegenschaft in ***, ***, widmen.

In der Beschwerde ist weiters die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt worden.

Aufgrund dieses Beschwerdevorbringens hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 08.07.2021 und am 15.07.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der Beweis erhoben worden ist durch

?    Verlesung des Verwaltungsstrafaktes der belangten Behörde zur Zl. *** und durch

?    Befragung des C, geb. ***, (Vater des Beschwerdeführers), der in Vertretung des Beschuldigten am Verhandlungstermin 08.07.2021 teilgenommen hat, sowie durch

?    Einsichtnahme in die von der belangten Behörde übermittelte Lichtbildbeilage der Polizeiinspektion *** vom 21.6.2021 (Beilage ./A der Verhandlungsschrift) und durch

?    Verlesung des Berichtes der Polizeiinspektion *** vom 28.5.2021 (Beilage ./B der Verhandlungsschrift) sowie durch

?    Einsichtnahme in den von der belangten Behörde erlassenen Schließungsbescheid vom 01.07.2021, GZ ***, (Beilage ./C der Verhandlungsschrift) und durch

?    Einsichtnahme in das ergänzende Vorbringen der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 09.07.2021 und

?    in das von der belangten Behörde übermittelte und gegenüber dem Beschuldigten erlassene Straferkenntnis vom 01.06.2021, GZ ***.

Mit dem zuletzt genannten Schriftsatz der belangten Behörde vom 09.07.2021 ist aufgrund der Beweisaufnahme zum Verhandlungstermin 08.07.2021 das folgende ergänzende Vorbringen erstattet worden:

„Zunächst wird im Hinblick auf die am 08.07.2021 stattgefundene öffentliche mündliche Verhandlung mitgeteilt, dass gegen das im Verwaltungsstrafverfahren der belangten Behörde zu *** gegen den auch hier Beschuldigten ergangene Straferkenntnis vom 01.06.2021, zugestellt am 10.06.2021, bis dato keine Beschwerde einlangte und mit einer allenfalls noch gestern erfolgten Postaufgabe einer solchen angesichts der Äußerungen des Vaters des Beschuldigten nicht zu rechnen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass dieses Straferkenntnis, welches denselben Tatvorwurf wie im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren enthält, dies allerdings mit der Maßgabe, dass Tatzeitpunkt ausschließlich der 07.05.2021 ist, in Rechtskraft erwuchs. Sollte bis zur nächsten Verhandlung am 15.07.2021 doch noch eine (rechtzeitige) Beschwerde auf postalischem Wege einlangen, würde das Verwaltungsgericht hierüber gesondert verständigt.

Vor dem Hintergrund der anlässlich der Verhandlung am 08.07.2021 in Aussicht gestellten Annahme einer unzulässigen Doppelbestrafung oder -verfolgung im Falle der Rechtskraft dieses Straferkenntnisses, bringt die belangte Behörde ergänzend vor, dass es sich beim inkriminierten „Betreiben“ einer Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung iSd § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 um ein fortgesetztes Delikt im Sinne der einschlägigen Judikatur des VwGH handelt (vgl. etwa zur selben Tathandlung des Betreibens nach § 366 Abs. 1 Z. 3 leg cit LVwG NÖ 23.03.2020, LVwG-S-1063/001-2020).

In diesem Fall umfasst der Tatzeitraum dann, wenn ein solcher angeführt wird, alle Einzeltathandlungen bis zur Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (vgl. VwGH 28.01.1997, 96/04/0131). Das angefochtene Straferkenntnis vom 30.11.2020, welches als Tatzeitraum „seit 20.9.2019“ anführt, wurde laut dem bezughabenden Rückschein am 02.12.2020 zugestellt, sodass alle Einzeltathandlungen vom 20.09. bis zum 02.12.2020 mitumfasst sind. Eine Verlagerung des Tatendzeitraumes durch Beschwerdeerhebung auf den Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung zweiter Instanz wäre nach Rechtsauffassung der belangten Behörde ein unzulässiger Austausch der Sache vor dem Verwaltungsgericht bzw. eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfes. Dass in diesem Tatzeitraum keine Betriebsanlagengenehmigung für den Lagerplatz vorlag, ist unstrittig.

Von dieser „Abgeltungswirkung“ werden jedoch nachfolgende Tathandlungen wie eben etwa jene (nur) vom 07.05.2021 nicht erfasst, weshalb die nach Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses am 02.12.2020 gesetzten Akte einer neuerlichen Bestrafung unterzogen werden konnten (vgl. VwGH 24.09.2014, Ra 2014/03/0023; 14.09.2020, Ra 2020/02/0103).

Die belangte Behörde hält daher an Ihrer Rechtsauffassung fest, dass die beiden Bestrafungen in keinem einander ausschließenden Verhältnis stehen, und beantragt in Ansehung der Ergebnisse der Verhandlung vom 08.07.2021, in welcher der Vater des Beschuldigten den Tatvorwurf nicht zu entkräften vermochte, sohin die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde als unbegründet.“

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens ist von folgendem als erwiesen anzusehen den Sachverhalt auszugehen:

Der Beschuldigte übt befugt das freie Handelsgewerbe und das Gewerbe „Heben, Senken und Befördern von Lasten mittels Einsatz von mechanischen und maschinellen Einrichtungen unter Ausschluss der Beförderung mittels Kraftfahrzeugen“ im Standort ***, ***, aus.

Im Zusammenhang mit der Ausübung dieser Gewerbe werden im Kundenauftrag alte Dachstühle und Gebäude abgetragen und dabei Hölzer, die zur Sanierung von Dachgeschoßwohnungen dienen, ausgesucht und nach erfolgter Anlieferung und einem Abladen auf dem Lagerplatz in ***, ***, in der dort befindlichen Halle gelagert.

Diese Lagerung in der Halle erfolgt auf Grundlage der 2. Genehmigungsfreistellungs-verordnung, BGBl. II Nr. 80/2015.

Zur angelasteten Tatzeit, nämlich zumindest seit 20.9.2019, stellt sich die Situation auf dem in Rede stehenden Lagerplatz in Zusammenhang mit der vorstehend erwähnten Gewerbeausübung wie folgt dar:

Material, das für den Eigenbedarf vorgesehen ist bzw. für den Weiterverkauf nicht geeignet ist, wird für Heizzwecke an diesem Standort im Freien gelagert.

Mit jenem Holzmaterial, das zum Verkauf vorgesehen ist, wird wie folgt vorgegangen:

Wenn ein LKW zum Verladen und Abtransport dieser Holzpakete für einen bestimmten Tag vorgesehen ist, dann werden die entsprechenden Holzpakete zur Vorbereitung der Verladung am Vortag auf dem Lagerplatz aufgeschichtet, zumal diese Holzpakete eine gewisse Länge aufweisen und mit dem im Betrieb vorhandenen Frontgabelstapler nicht ohne weiteres durch das Hallentor transportiert werden können, weshalb es aus praktischen Gründen erforderlich ist, diese Holzpakete vorher auf den Lagerplatz hinaus zu transportieren, damit sie dann eben dort verladen und abtransportiert werden können.

Fallweise werden fertige Holzpakete bei der Firma D in *** im Gewerbepark gelagert, wenn der in der Halle nur begrenzt vorhandene Lagerplatz nicht mehr für weitere Lagerungen frei ist. Diese vor einem erfolgten Verkauf von der Firma D abgeholten Holzpakete werden für den Transport zum Käufer auf dem hier gegenständlichen Lagerplatz kurzfristig bis zur Abholung bzw. Eintreffen des LKWs zwischengelagert.

Eine Betriebsanlagengenehmigung für den in Rede stehenden Lagerplatz im Standort ***, ***, ist bis dato nicht erteilt worden.

Abgesehen vom hier angefochtenen Straferkenntnis mit dem oben wörtlich wiedergegebenen Tatvorwurf hat die belangte Behörde mit Datum „01.06.2021“ unter der GZ. *** ein weiteres Straferkenntnis gegen den Beschuldigten erlassen, welches denselben Tatvorwurf - abgesehen von der angelasteten Tatzeit, nämlich “am 7.5.2021“ – enthält und im Spruch wie folgt lautet:

„Sie haben es als Gewerbetreibender hinsichtlich der Ausübung des freien Handelsgewerbes und des Gewerbes Heben, Senken und Befördern von Lasten mittels Einsatz von mechanischen und maschinellem Einrichtungen unter Ausschluss der Beförderung mittels Kraftfahrzeugen im Standort ***, ***, zu verantworten, dass Sie am 7.5.2021 auf eigene Rechnung und Gefahr, selbstständig, regelmäßig und in der Absicht einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen im Standort ***, ***, eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage in Form eines Lagerplatzes für Holz sowie eine Lagerhalle für Holz ohne gewerbebehördliche Genehmigung durch die Lagerung von Holz zum Zwecke des Verkaufs oder der Weiterverarbeitung (Aufbereitung und Sortierung) betrieben haben, ohne die hierfür erforderliche Genehmigung erlangt zu haben, da keine Betriebsanlagenbewilligung vorlag.

Auf dem Grst. Nr. ***, KG ***, werden großteils Alt- und Gebrauchthölzer in Form von Dachstuhl- und Bretterholz in diversen Längen und teils auch geschnürt zu Holzbünden im Freien und in einer Lagerhalle auf Grundstück Nr. ***, KG ***, Holzbretter gelagert.

Eine Betriebsanlagengenehmigung gemäß § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung war erforderlich, da es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine örtlich gebundene Einrichtung handelt, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist und die geeignet ist, im Sinne des § 74 Abs. 2 Zi. 1 und Zi. 2 Gewerbeordnung einerseits das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, durch die Lagerung der Holzpakete im Verbund und gestapelt durch die Gefahr des Umfallens oder Herabfallens von Lagergut zu gefährden und andererseits auch geeignet ist, eine Belästigung der Nachbarn durch Lärm, Staub und Geruch infolge von Manipulationen durch den eingesetzten Stapler bei der Umlagerung der Althölzer und die Bearbeitung des Holzes durch andere Maschinen (z.B. Sägen) sowie durch das Verladen und Umlagern der Holzstücke herbeizuführen.“ (Fettdruck nicht im Original)

Dieses Straferkenntnis ist am 10.06.2021 dem Beschuldigten zugestellt worden und mit Ablauf des 08.07.2021 in Rechtskraft erwachsen.

Diese Feststellungen stützen sich auf folgende Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den Gewerbeberechtigungen des Beschuldigten ergeben sich ebenso wie Art der Nutzung des in Rede stehenden Lagerplatzes aus dem behördlichen Verwaltungsstrafakt und den Berichten der Polizeiinspektion ***. Die gewerbliche Nutzung des Lagerplatzes durch die Anlieferung von abgetragenen Dachstühlen und die Verbringung der Hölzer in die am Standort des Lagerplatzes situierte Halle ist vom Vertreter des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 08.07.2021 ebenso zugestanden worden wie der über den Lagerplatz abgewickelte Abtransport der für den Verkauf vorgesehenen Holzpakete.

Übereinstimmend ist sowohl von Beschuldigtenseite wie auch von Seiten der belangten Behörde die Erlassung des Straferkenntnisses von 01.06.2021, GZ. ***, ebenso bestätigt worden wie der Umstand, dass dieses Straferkenntnis am 10.06.2021 zugestellt wurde und mangels Erhebung eines Rechtsmittels zwischenzeitig (mit Ablauf des 08.07.2021) in Rechtskraft erwachsen ist.

In rechtlicher Hinsicht gelangen nachstehende Bestimmungen zur Anwendung:

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Gemäß § 74 Abs. 3 GewO besteht die Genehmigungspflicht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 GewO begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Gemäß § 10 VwGVG hat die Behörde oder das Verwaltungsgericht, wenn in einer Beschwerde neue Tatsachen Beweise, die der Behörde oder dem Verwaltungs-gericht erheblich scheinen, vorgebracht werden, hievon unverzüglich den sonstigen Parteien Mitteilung zu machen und ihnen Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist vom Inhalt der Beschwerde Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.

In rechtlicher Hinsicht war von folgenden Erwägungen auszugehen:

Dass es sich bei dem in Rede stehenden Lagerplatz bei der Tischlereibetriebsanlage im Standort ***, ***, der im Rahmen des vom Beschwerdeführer ausgeübten freien Handelsgewerbes und des Gewerbes „Heben, Senken und Befördern von Lasten mittels Einsatz von mechanischen und maschinellen Einrichtungen unter Ausschluss der Beförderung mittels Kraftfahrzeugen“ im angelasteten Tatzeitraum regelmäßig vornehmlich für Entladearbeiten von Holzpaketen von Lastkraftwagen, für die Zwischenlagerung von Holzpaketen und für die Beladung von Lastkraftwagen genutzt wird, um eine genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage handelt, ist schon durch den Umstand dokumentiert, dass bei der Gewerbebehörde um eine solche Genehmigung angesucht wurde und die Genehmigungspflicht im Verfahren auch nicht in Abrede gestellt wurde.

Auch der von der Behörde erlassene Schließungsbescheid gemäß § 360 Abs. 1 und 5 GewO vom 1.10.2019, ***, nimmt Bezug auf die gewerbliche Nutzung der in Rede stehenden Betriebsanlage; ebenso die Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 19.11.2020, ***, mit welcher ebenfalls die Schließung des gesamten Betriebes (Tischlereibetriebs-anlage zur Bearbeitung und Lagerung von Holz sowie Lagerungen auf dem Lagerplatz) angeordnet wurde.

Eine Genehmigungspflicht des Lagerplatzes ist schon aufgrund der dort vorgenommenen Manipulationsarbeiten (Entlade-und Beladearbeiten von LKWs) anzunehmen, da derartige Tätigkeiten geeignet sind, Nachbarn durch Lärm, Staub und Geruch zu belästigen.

Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung, nämlich eine gewerberechtlich genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die entsprechende gewerberechtliche Genehmigung betrieben zu haben, ist zur Tatzeit aufgrund der auf dem Lagerplatz wiederholt vorgenommenen Manipulations-tätigkeiten unbestritten gegeben gewesen. So hat der Vertreter des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8.7.2021 zu den auf dem Lagerplatz vorgenommenen Tätigkeiten unter anderem angegeben:

„Wenn mir die Lichtbildbeilage des Polizeiberichtes vom 21.06.2021 gezeigt wird, gebe ich dazu an, soweit hier praktisch Holzpakete sichtbar sind, ist das natürlich zutreffend, weil wir diese Holzpakete ja verkaufen. Es ist so, dass wenn ein LKW zum Verladen dieser Holzpakete kommt, dann werden die am Vortag zur Vorbereitung auf dem Lagerplatz aufgeschichtet; das ist für mich logisch, weil diese Holzpakete eine gewisse Länge haben. Wir haben zwar einen Frontgabelstapler, aber mit diesem kommt man nicht quer durch das Hallentor und daher ist es aus praktischen Gründen notwendig, dass diese Holzpakete im Vorfeld auf den Lagerplatz hinaustransportiert werden, damit sie dann dort verladen werden können.“

Dem Beschuldigten ist die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht anzulasten, war ihm doch offenbar bewusst, für den Betrieb des Lagerplatzes eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung zu benötigen. Dies ergibt sich unter anderem schon aufgrund des Umstandes, dass er bei der Gewerbebehörde um die erforderliche Genehmigung - wenngleich bisher erfolglos - angesucht hat.

Eine Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG ist dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren somit nicht ansatzweise gelungen.

Demnach ist die angelastete Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

Soweit durch die Bestimmung des § 10 VwGVG zum Ausdruck gebracht wird, dass im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht kein Neuerungsverbot besteht (anders im Revisionsverfahren vor dem VwGH, vgl. § 41 VwGG), können die Parteien bis zum Schluss einer durchgeführten Verhandlung neue Tatsachen vorbringen und neue Beweise (für neue und „alte“ Tatsachen) anbieten.

Dem entsprechend ist das zwischenzeitig ergangene und im verwaltungs-gerichtlichen Verfahren von Beschwerdeführerseite angesprochene weitere Straferkenntnis der belangten Behörde vom 01.06.2021, ***, in welchem derselbe Tatvorwurf für die Tatzeit 07.05.2021 erhoben wird und welches nach Erlassung am 10.06.2021 mit Ablauf des 08.07.2021 in Rechtskraft erwachsen ist, zu berücksichtigen gewesen.

Dies erfordert, zur Natur des vorgeworfenen Deliktes folgende rechtliche Ausführungen zu treffen:

Das gegenständlich angelasteter Betreiben einer genehmigungspflichtigen gewerblichen Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ist unter den Aspekten eines „fortgesetzten Deliktes“ zu sehen.

Unter der strafrechtlichen Figur des fortgesetzten Deliktes ist eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Dies bedeutet, dass nicht jede einzelne Handlung einer gesonderten Bestrafung zugänglich ist, sondern ausgehend von der Erfassungswirkung eines solchen fortgesetzten Deliktes alle Tathandlungen bis zur Erlassung des dieses Delikt ahndenden Strafbescheides mitumfasst sind.

Im vorliegenden Fall ist somit durch das rechtskräftige Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 01.06.2021, ***, dessen Tatvorwurf - abgesehen von der angeführten Tatzeit - mit dem Tatvorwurf im hier zu prüfenden Straferkenntnis ident ist, das damit pönalisierte Betreiben der hier in Rede stehenden genehmigungspflichtigen gewerblichen Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Einzelhandlungen bis zur Erlassung dieses Straferkenntnisses, d.h. bis zum 10.06.2021 (Tag der Erlassung des Straferkenntnisses), mitumfasst.

Mit der Verurteilung in diesem rechtskräftigen Straferkenntnis wird unabhängig von der dort genannten Tatzeit aufgrund der beschriebenen Erfassungswirkung bei einem fortgesetzten Delikt nicht nur ein allfälliges deliktisches Verhalten bis zur Erlassung des Straferkenntnisses, sondern das gesamte vor ihr liegende deliktische Verhalten (mit-) erfasst, (vgl. VwGH 06.11.1995, 95/04/0005; 07.09.1995, 94/09/0321; 22.09.1992, 92/06/0087, 24.09.2014, Ra 2014/03/0023, u. a.).

In diesen (Erfassungs-)Zeitraum fällt auch die im hier angefochtenen Straferkenntnis vom 30.11.2020 angelastete Tatzeit („zumindest seit 20.9.1019“).

Es war daher zur Vermeidung einer unzulässigen Doppelbestrafung der Beschwerde stattzugeben und im Hinblick auf die Rechtskraft des oben angeführten Straferkenntnisses und der damit bereits erfolgten Ahndung des in Rede stehenden deliktischen Verhaltens spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision war im gegenständlichen Fall nicht zuzulassen, weicht doch die gegenständliche Entscheidung nicht von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere zum ‚fortgesetzten Delikt‘ (vgl. zitierte Judikatur) ab. Des Weiteren haben sich im gegenständlichen Fall auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gestellt.

Schlagworte

Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Betriebsanlage; gewerbebehördliche Genehmigung Genehmigungspflicht;; Verfahrensrecht; Doppelbestrafungsverbot; fortgesetztes Delikt;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.2545.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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