TE Vwgh Erkenntnis 1979/5/18 0507/79

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Veröffentlicht am 18.05.1979
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Index

Verwaltungsverfahren - VStG
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §19 Abs3
VStG §41 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Närr, Dr. Degischer und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Polizeirat Dr. Hofreiter, über die Beschwerde des Dr. iur. KH in W, gegen den Beschuldigten-Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. Jänner 1979, Zl. Pst 20663-S/78/PK H, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien - Polizeikommissariat Innere Stadt vom 29. September 1978, Zl. Pst-20662-S/78/PK H, wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 4. September 1978 von 7.35 Uhr bis 15.45 Uhr in Wien I, Mahlerstraße 14, mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw geparkt zu haben, obwohl an dieser Stelle ein durch Verbotstafeln gekennzeichnetes Halteverbot besteht, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen zu haben, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe 18 Stunden) verhängt worden ist.

Mit der weiteren Strafverfügung derselben Behörde vom selben Tag, Zl. Pst 20663-S/78/PK H, wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 5. September 1978 von 16.00 Uhr bis 16.30 Uhr in Wien I, Mahlerstraße 14, mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw geparkt zu haben, obwohl an dieser Stelle ein durch Verbotstafeln gekennzeichnetes Halteverbot besteht, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen zu haben, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe 18 Stunden) verhängt worden ist.

Gegen beide Strafverfügungen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch.

Mit Beschuldigten-Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. Oktober 1978 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, wegen beider Verwaltungsübertretungen „zur Vernehmung - mündlichen Verhandlung - am 15. November 1978 ... persönlich zu erscheinen oder einen mit der Sachlage vertrauten und schriftlich bevollmächtigten eigenberechtigten Vertreter zu entsenden“. Für den Fall des ungerechtfertigten Ausbleibens wurde die Durchführung des Strafverfahrens ohne Anhörung des Beschwerdeführers angedroht. Diesem Ladungsbescheid hat der Beschwerdeführer persönlich Folge geleistet.

Mit Beschuldigten-Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. Dezember 1978 wurde der Beschwerdeführer neuerlich aufgefordert, „am 10. 1. 1978“ (richtig wohl: 1979) wegen der am 4. September 1978 begangenen Verwaltungsübertretung vor der Behörde persönlich zu erscheinen oder einen mit der Sachlage vertrauten und schriftlich bevollmächtigten eigenberechtigten Vertreter zu entsenden. Für den Fall des ungerechtfertigten Ausbleibens wurde die Durchführung des Strafverfahrens ohne Anhörung des Beschwerdeführers angedroht.

Mit dem am 10. Jänner 1979 mündlich verkündeten Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Zl. Pst 20662-S/78/PK H, wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 4. September 1978 von „7.35 Uhr bis 15.45 Uhr in Wien I, Mahlerstraße 14, den Pkw W nnn in einem beschilderten Halteverbot abgestellt“ und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO begangen zu haben, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 100,-- (Ersatzarreststrafe 6 Stunden) verhängt worden ist. Dieses Straferkenntnis ist infolge Rechtsmittelverzichtes des Beschwerdeführers am 10. Jänner 1979 in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem am 16. Jänner 1979 durch Hinterlegung zugestellten Beschuldigten-Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. Jänner 1979, Zl. Pst 20663-S/78/PK H, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, wegen der Verwaltungsübertretung vom 4. September 1978 am 30. Jänner 1979 „zur Vernehmung - mündlichen Verhandlung“ zu erscheinen oder einen mit der Sachlage vertrauten und schriftlich bevollmächtigten eigenberechtigten Vertreter zu entsenden. Durch Anhaken der entsprechenden Passage im Formular wurde dem Beschwerdeführer angedroht, daß im Falle seines ungerechtfertigten Ausbleibens gemäß § 41 Abs. 3 AVG 1950 das Strafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt werden wird.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene, vom Beschwerdeführer, der die Voraussetzung des § 24 Abs. 2 VwGG 1965 erfüllt, selbst verfaßte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde vertretende Finanzprokuratur erwogen hat:

1) Der Beschuldigten-Ladungsbescheid ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid, gegen den zufolge § 19 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) kein Rechtsmittel zulässig ist, sodaß er unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann.

2) Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den gegenständlichen Ladungsbescheid in seinem Recht dadurch verletzt, daß er in einer Angelegenheit vorgeladen wurde, die bereits rechtskräftig abgeschlossen sei und daher kein taugliches Substrat für die belangte Behörde habe bilden können, ihn neuerlich zum gleichen Tatbestand in das Strafverfahren zu ziehen. Der Beschwerdeführer begründete diese Behauptung der Rechtswidrigkeit damit, daß die belangte Behörde den § 19 AVG 1950 unrichtig angewendet habe, da sie nach Abschluß eines Strafverfahrens in derselben Angelegenheit nicht neuerdings dasselbe Verfahren habe fortsetzen oder wieder einleiten dürfen, mit dem Ziel, offenbar wegen desselben Tatbestandes neuerlich eine Strafe zu verhängen, ihn dazu zu vernehmen und dabei anzudrohen, daß er eine zwangsweise Vorführung im Falle des Nichterscheinens bei der belangten Behörde zu gewärtigen habe; dies schon deshalb nicht, da er wegen derselben Tat nicht nochmals bestraft werden dürfe. Zu dem im Ladungsbescheid angegebenen Gegenstand habe ihn die belangte Behörde nicht mehr vorladen dürfen, da sein Erscheinen vor der Behörde dazu nicht nötig gewesen sei. Die belangte Behörde habe daher rechtswidrig gehandelt, wenn sie ihn aufgefordert habe, vor ihr zu erscheinen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer aus nachstehenden Erwägungen im Recht:

Gemäß § 40 Abs. 1 VStG 1950 hat die Behörde, wenn sie nicht schon auf Grund der Anzeige oder der darüber gepflogenen Erhebungen von der Verfolgung absieht, dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen. Zufolge Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Behörde den Beschuldigten zu diesem Zweck zur Vernehmung laden. Gemäß § 41 Abs. 1 VStG 1950 ist in der Ladung (§ 19 AVG 1950) des Beschuldigten die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, kurz und deutlich zu bezeichnen. Nach § 19 Abs. 1 AVG 1950 ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereiche ihren Aufenthalt (Sitz) haben, und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Abs. 3 dieser Gesetzesstelle bestimmt, daß derjenige, der nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung hat, der Ladung Folge zu leisten.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer bereits mit ihrem Ladungsbescheid vom 25. Oktober 1978 u.a. auch wegen der Verwaltungsübertretung vom 4. September 1978 „gemäß § 40 Abs. 2 und 41 des Verwaltungsstrafgesetzes .... aufgefordert, ....... zur Vernehmung - mündlichen Verhandlung - am 15. 11. 1978 ....... persönlich zu erscheinen .....“, wobei für den Fall des ungerechtfertigten Ausbleibens gemäß § 41 Abs. 3 VStG 1950 angedroht worden ist, daß das Strafverfahren ohne Anhörung des Beschwerdeführers durchgeführt werden wird. Dieser Ladung hat der Beschwerdeführer Folge geleistet und sohin von der ihm im Sinne des § 40 Abs. 1 VStG 1950 gebotenen Gelegenheit Gebrauch gemacht, sich zu rechtfertigen. Da die belangte Behörde sohin im Sinne dieser Bestimmung nicht mehr zu einer Ladung des Beschwerdeführers verpflichtet war, stellt sich die Frage, ob sie im Sinne des zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 19 Abs. 1 AVG 1950 berechtigt war, ein neuerliches Erscheinen des Beschwerdeführers für nötig zu erachten und damit im Sinne des Abs. 3 dieser Gesetzesstelle eine Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Erscheinen vor der Behörde oder zur Entsendung eines Vertreters zu begründen.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß eine solche Berechtigung der belangten Behörde schon deshalb nicht mehr bestand, weil das die Verwaltungsübertretung vom 4. September 1978 betreffende Strafverfahren mit dem am 10. Jänner 1979 mündlich verkündeten Straferkenntnis, das zufolge des vom Beschwerdeführer hiezu abgegebenen Rechtsmittelverzichtes rechtskräftig wurde, abgeschlossen war, sohin nicht neuerlich in derselben Sache am 11. Jänner 1979 (zugestellt am 16. Jänner 1979) ein Beschuldigten-Ladungsbescheid an den Beschwerdeführer ergehen durfte. Die belangte Behörde hat damit gegenüber dem Beschwerdeführer durch Zustellung des angefochtenen Ladungsbescheides zu Unrecht die Verpflichtung begründet, der Ladung Folge zu leisten oder einen informierten Vertreter zu entsenden und damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. das auch in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis vom 25. April 1978, Zl. 2878/76).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff leg. cit. in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am 18. Mai 1979

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1979000507.X00

Im RIS seit

11.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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