TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/16 95/18/1089

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Veröffentlicht am 16.01.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 1995, Zl. 105.575/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. April 1995 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG ab.

Die Beschwerdeführerin sei kroatische Staatsangehörige und dürfe ohne Sichtvermerk in das Bundesgebiet einreisen. Sichtvermerksabkommen dienten der Erleichterung des Reiseverkehrs, nicht aber der Möglichkeit, im Ausland einen Wohnsitz zu begründen. In Fällen, in denen ein Fremder eine Bewilligung gemäß § 1 AufG benötige, könne die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes nur auf eine solche Bewilligung gestützt werden.

Am 20. August 1993 habe die Beschwerdeführerin im Wege der österreichischen Botschaft in Zagreb beim Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt und diesen mit der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Köchin begründet. § 5 Abs. 2 AufG besage, daß zum Zwecke der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eine Bewilligung nur erteilt werden dürfe, wenn das nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesarbeitsamt auf Anfrage durch die gemäß § 6 AufG zuständige Behörde festgestellt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden. Im Fall der Beschwerdeführerin habe das zuständige Landesarbeitsamt am 15. April 1994 die Unbedenklichkeit nicht bestätigt. Im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin ihren Antrag mit dem Aufenthaltszweck "selbständige Tätigkeit" modifiziert und Unterlagen vorgelegt, aus denen ersichtlich sei, daß sie seit 31. Jänner 1995 50 %-ige Gesellschafterin einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei.

Die Beschwerdeführerin sei aber nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage sichtvermerksfrei eingereist und habe ihren damit begonnen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Bereits seit dem Jahr 1993 habe sie ihren Hauptwohnsitz in Österreich begründet. Unbeschadet ihres Vorbringens sei bei der Beurteilung ihres Antrages daher allein maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden sollte. Im Beschwerdefall liege somit der genannte Sichtvermerksversagungsgrund vor. Auf die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerin - auch im Zusammenhang mit deren persönlichen Verhältnissen - sei angesichts dieses Sachverhaltes nicht mehr einzugehen gewesen. Daher könne auch eine Überprüfung dahingehend entfallen, ob es sich bei den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen betreffend die firmenrechtlichen Angelegenheiten der Ges.m.b.H. um ein Scheingeschäft handle, um den weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu ermöglichen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach Auffassung der belangten Behörde hat die Erstbehörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu Recht abgewiesen, weil dieser Maßnahme der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG entgegenstehe; ein solcher liege vor, wenn "der Sichtvermerk ... nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll."

2. § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG steht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Verlängerung eines mit einer sichtvermerksfreien Einreise begonnen Aufenthaltes in Österreich entgegen, wenn die betroffene Person nach Ablauf des Zeitraumes, für den sie zur sichtvermerksfreien Einreise und zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war, weiterhin in Österreich verbleibt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/0935, und vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0672).

Wesentlich dafür, daß die genannte Bestimmung nicht zum Tragen kommt, ist somit, daß der Antrag von der betroffenen Person im Ausland gestellt wird und diese den Ausgang des Verfahrens über diesen Antrag dort abwartet.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde keine Feststellung darüber getroffen, ob die Beschwerdeführerin nach der Stellung des Antrags vom Ausland aus dort verblieben ist. Eine solche Feststellung ist aber nach dem Gesagten entscheidungswesentlich und kann durch die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, daß die Beschwerdeführerin seit dem Jahr 1993 ihren Hauptwohnsitz in Österreich begründet habe, nicht ersetzt werden.

Der angefochtene Bescheid stellt im übrigen selbst fest, daß sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht in Österreich befand. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführerin - was als Indiz dafür zu werten ist, daß sie den Ausgang des Verfahrens im Ausland abgewartet hat -, nach Ausweis des Verwaltungsaktes der Erstbescheid nicht in Österreich, sondern im Ausland - im Wege seiner Behebung durch die Beschwerdeführerin - zugestellt worden ist; weiters läßt sich den Verwaltungsakten entnehmen, daß die Beschwerdeführerin bei der Erstellung von Urkunden betreffend ihre Beteiligung an einer Ges.m.b.H. in Wien nicht selbst, sondern durch einen Vertreter gehandelt hat.

Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, daß im Beschwerdefall der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG erfüllt sei und damit eine Aufenthaltsbewilligung nach § 5 Abs. 1 AufG nicht erteilt werden dürfe, ist daher nicht nachvollziehbar. Der festgestellte Sachverhalt bedarf somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung.

3. Aufgrund dessen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995181089.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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