TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/21 96/05/0231

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Veröffentlicht am 21.01.1997
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4 idF 8200-12;
BauO NÖ 1976 §92;
BauO NÖ 1976 §93;
BauO NÖ 1976 §98;
BauONov NÖ 10te 1994 8200-12;
BauRallg;
GewO 1994 §74;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Ferdinand R, 2. der Hermine R, 3. des Dr. Ferdinand R und

4. der Hedwig R, sämtliche in Z, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Juli 1996, Zl. R/1-V-96026/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister, 2. J Gesellschaft mbH in Z, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--, der Stadtgemeinde Z Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- und der J-GmbH Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die zweitmitbeteiligte Partei betreibt auf dem im "Bauland-Kerngebiet" liegenden, 2722 m2 großen Grundstück Nr. 4 der Liegenschaft EZ 49, KG Z, H-Straße 13, eine Bäckerei mit Verkaufslokal. An der H-Straße grenzt im Süden an dieses Grundstück das Grundstück Nr. .3/1, inneliegend der Liegenschaft EZ 48, KG Z, mit der Ordnungsnummer 15, welches im Süden an die S-Straße grenzt und vom vorbezeichneten Grundstück der zweitmitbeteiligten Partei auch im Osten umschlossen ist.

Mit Eingabe vom 1. Juni 1994 beantragte die zweitmitbeteiligte Partei die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Tiefkühllagers in der Größe von 7,73 m x 5,20 m auf dem Grundstück Nr. 4.

Die Beschwerdeführer erhoben als Eigentümer des Grundstückes H-Straße 15 gegen das beantragte Bauvorhaben der zweitmitbeteiligten Partei Einwendungen, "weil der Bäckereibetrieb Firma J für das Bauland-Kerngebiet einen Umfang erreicht, der offensichtlich der Widmung nicht entspricht". Das örtlich zumutbare Ausmaß an Lärm- und Geruchsbelästigung dürfe nicht überstiegen werden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Z vom 19. September 1995 wurde die beantragte Baubewilligung "unter Zugrundelegung des Betriebstypengutachtens sowie des Gutachtens des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung" unter Auflagen erteilt und die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden teilweise zurück- und teilweise abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Gemeinde vom 12. Jänner 1996 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Juli 1996 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Für das gegenständliche Bauvorhaben sei eine Betriebsanlagengenehmigung gemäß §§ 74 ff GewO 1994 erforderlich. Eine solche Bewilligung sei mit Bescheid der BH Wien-Umgebung vom 29. Jänner 1996 erteilt worden. Die Einwendungen hinsichtlich der befürchteten Belästigung durch Lärm, Staub und Geruch durch das bewilligte Bauvorhaben seien in einem Verfahren nach der Gewerbeordnung 1994 zu erheben. Im Hinblick auf die mit der 10. Novelle zur NÖ Bauordnung 1976 im § 118 Abs. 9 als letzten Satz eingefügte Einschränkung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn hätten sich die Baubehörden mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer "überhaupt nicht mehr auseinanderzusetzen gehabt". Die Einholung diverser Gutachten hätte sich demnach erübrigt. Das zu bebauende Grundstück befinde sich im "Bauland-Kerngebiet". Das gegenständliche Bauvorhaben (Herstellung eines Kühllagerraumes) entspreche dem örtlichen Raumordnungsprogramm. Auch aus dem von der Baubehörde erster Instanz eingeholten Betriebstypengutachten ergebe sich, daß gegen die Errichtung eines Tiefkühllagers im derzeit vorgegebenen Innenhofgebäude des zu bebauenden Grundstückes aus technischer Sicht sowie im Vergleich mit anderen Betrieben bei der derzeit vorliegenden Flächenwidmung kein Einwand bestehe, weil die bei vier Vergleichsbetrieben gemessenen Lärm-, Luft- und Geruchsemissionen der nächsten Umgebung zumutbar seien. Auch der medizinische Sachverständige habe bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen keine Gefahr für die Gesundheit der Anrainer durch das bewilligte Bauvorhaben gesehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid "in dem uns zustehenden Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens gemäß § 45 AVG sowie in unserem Recht auf Einhaltung des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes verletzt". Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Das der Beschwerde zugrundeliegende Bauansuchen betrifft die Errichtung eines Tiefkühllagers im Rahmen der auf dem zu bebauenden Grundstück bereits errichteten und betriebenen gewerblichen Betriebsanlage im Sinne des § 74 GewO 1994 (Bäckereibetrieb). Das hier zu beurteilende Bauvorhaben bedarf daher auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung im Sinne der §§ 74 ff GewO 1994.

Die (Rechtsmittel-)Behörde hat im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist". Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Dieser Rechtsprechung liegt die Rechtsauffassung zugrunde, daß die Frage, welches Recht von der Behörde anzuwenden ist, eine Auslegungsfrage jener Bestimmungen ist, die den zeitlichen Anwendungsbereich zum Gegenstand haben. Eine solche Regelung kann explizit, z.B. in einer Übergangsbestimmung, erfolgen. Sie kann sich aber auch aus dem Regelungsgegenstand der Norm, um deren Anwendung es geht, implizit ergeben, etwa wenn auf einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum abgestellt wird. Ergibt sich hieraus keine Lösung (im Sinne der Anwendung einer im Entscheidungszeitpunkt der Behörde nicht mehr in Geltung stehenden Rechtsnorm bzw. nicht mehr geltenden Rechtslage), gilt die Zweifelsregel, daß das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 96/05/0163).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist davon auszugehen, daß im gegenständlichen Beschwerdefall die maßgebende Rechtslage jene im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Gemeinde vom 12. Jänner 1996 war. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die 10. Bauordnungsnovelle in Kraft (wirksam ab 21. September 1994). Mit dieser Novelle, LGBl. 8200-12, wurde dem Abs. 9 des § 118 folgender Satz angefügt:

"Wenn ein Bauvorhaben außer der baubehördlichen auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedarf, werden die subjektiv-öffentliche Rechte nur durch die Bestimmung gemäß Z. 4 begründet."

Z. 4 des § 118 Abs. 9 leg. cit. normiert subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn hinsichtlich der Bebauungsweise, der Bebauungshöhe und der Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung. In bezug auf diese Umstände haben die Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens aber keine Einwendungen erhoben. Auch der in der Beschwerde umschriebene Beschwerdepunkt bezieht sich nicht auf solche Einwendungen.

Seit der 10. Bauordnungsnovelle kann somit der Anrainer nunmehr in einem nach der NÖ BO abzuführenden Baubewilligungsverfahren dann, wenn das Bauvorhaben auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedarf, nicht mehr die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes fordern, zumal aus den in der Z. 4 des § 118 Abs. 9 BO aufgezählten Tatbestandsmerkmalen kein Immissionsschutz für den Anrainer abgeleitet werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0235).

Auf die im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen betreffend die behaupteten Immissionsbelastungen wäre daher aufgrund der anzuwendenden Rechtslage schon von der Berufungsbehörde nicht mehr einzugehen gewesen. (Dies ändert jedoch nichts daran, daß die Baubehörden Anträge gemäß §§ 92 und 93 BO einem Prüfungsverfahren gemäß § 98 BO zu unterziehen haben.)

Im Hinblick auf die im Beschwerdefall anzuwendende Rechtslage können die Beschwerdeführer daher mit ihren Beschwerdeausführungen keine vom Beschwerdepunkt umfaßte Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid aufzeigen.

Vermag aber der Beschwerdeführer eine Verletzung eines ihm zustehenden subjektiven-öffentlichen Rechtes nicht aufzuzeigen, dann schlägt dies auch auf die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften durch, weil Verfahrensfehler eine Rechtsverletzung nur bewirken können, wenn sie sich auf ein verletzbares materielles Recht beziehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 96/05/0135, mwN).

Auch mit dem Vorbringen in der Beschwerde, der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Z vom 19. September 1995 entspräche nicht den Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 AVG, vermögen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat nämlich hiezu im angefochtenen Bescheid ohne Rechtsirrtum ausgeführt, daß der Bürgermeister gemäß § 42 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 eine Ermächtigung zur Unterfertigung von Bescheiden in seinem Auftrag an Abteilungsleiter erteilen könne. Auf dem erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid sind sowohl die leserliche Unterschrift als auch der Name des genehmigenden Abteilungsleiters (hier: des Bauamtsleiters) angeführt. Auch für den Verwaltungsgerichtshof ist ein Verstoß gegen § 18 Abs. 4 AVG nicht erkennbar.

Die sohin unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996050231.X00

Im RIS seit

30.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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