TE OGH 2021/9/7 1Ob132/21z

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Veröffentlicht am 07.09.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch die Hintermeier Brandstätter Engelbrecht Rechtsanwälte OG, St. Pölten, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gerhard Rigler und Dr. Ulrike Grünling, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen Feststellung (Streitwert 13.100 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 10. Mai 2021, GZ 58 R 25/21f-21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 28. Jänner 2021, GZ 3 C 1121/19b-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ihre mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]            Der Kläger begehrt mit seiner – gemäß § 12 Abs 4 Energie-Control-Gesetz rechtzeitig nach Zustellung des Bescheids der Regulierungskommission der E-Control bei Gericht eingebrachten – Klage die Feststellung, dass der „Umspanner“ (Transformator) einer seiner Stromversorgung dienenden Trafostation im Eigentum der Beklagten steht. Er leitet daraus ab, dass – was ebenfalls festzustellen sei – seinem mit der Beklagten abgeschlossenen Strombezugsvertrag der Netznutzungstarif für die Netzebene 7 zugrundeliege.

[2]            Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass der Transformator im Eigentum des Klägers stehe und daher Netznutzungsentgelt für die Netzebene 5 zu zahlen sei.

[3]            Das Berufungsgericht bestätigte die der Klage stattgebende erstinstanzliche Entscheidung. Es ging davon aus, dass die Netzebene, auf welcher der Kläger von der Beklagten elektrische Energie bezieht, davon abhänge, in wessen Eigentum der – der Umwandlung von Mittelspannung in Niederspanung dienende – Transformator stehe. Da die Beklagte den ursprünglich im Eigentum des Klägers stehenden, defekten Transformator 2002 gegen den derzeit verwendeten – in ihrem Eigentum stehenden – Transformator austauschte und dieser mangels Titels sowie Modus nicht in das Eigentum des Klägers überging, beziehe dieser seitdem elektrische Energie (Niederspannung) auf der Netzebene 7. Dies entspreche auch der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung.

[4]       Die Revision sei zulässig, „zumal es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen über die Netzebene im Verhältnis zu § 4 Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2018 fehlt“.

[5]            Die von der Beklagten erhobene Revision ist nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.

Rechtliche Beurteilung

[6]            1. Das ElWOG 2010 unterscheidet – den Leistungen des Netzbetreibers entsprechend – verschiedene Entgeltkomponenten. Gemäß § 51 Abs 1 iVm Abs 2 Z 1 ElWOG ist vom Stromverbraucher für die Netznutzung – als Teil des Systemnutzungsentgelts – Netznutzungsentgelt zu zahlen. Damit werden dem Netzbetreiber die Kosten für Errichtung, Ausbau, Instandhaltung und Betrieb des Netzsystems abgegolten (§ 52 Abs 1 erster Satz ElWOG). Es ist das Entgelt dafür, dass der Endverbraucher das Netz des Netzbetreibers benutzen darf, um an seiner Anschlussstelle für Rechnung eines Lieferanten seiner Wahl Energie entnehmen zu dürfen (10 Ob 31/12z zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem ElWOG 1998). Gemäß § 51 Abs 3 ElWOG hat die Regulierungsbehörde die Systemnutzungsentgelte für Entnehmer und Einspeiser elektrischer Energie durch Verordnung zu bestimmen, wobei diese auf den Netzbereich sowie die Netzebene zu beziehen sind, an der die Anlage des Entnehmers oder Einspeisers angeschlossen ist. Für das Bundesgebiet bestehen insgesamt sieben Netzebenen, die sich durch das Spannungsniveau unterscheiden (§ 63 ElWOG). Nach § 4 Z 6 Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2018 („SNE-VO“) ist die für den Netznutzungstarif maßgebliche Netzebene von der „Eigentumsgrenze“ zwischen den Anlagen des Netzbenutzers und des Netzbetreibers abhängig. Entscheidend für die Kostenbelastung des Netzbenutzers ist demnach die Stelle seines Netzanschlusses (Netzanschlusspunkt; vgl 6 Ob 277/08s; Oberndorfer in Hauer/Oberndorfer, ElWOG [2007] 286 f sowie 312 f). Liegt die „Eigentumsgrenze“ im Niederspannungsnetz des Netzbetreibers, gilt gemäß § 4 Z 7 SNE-VO der Netznutzungstarif der Netzebene 7; steht der Umspanner von Mittel- zu Niederspannung (der Transformator) im Eigentum des Netzbenutzers, gilt jener der Netzebene 5 (§ 4 Z 9 SNE-VO).

[7]            2. Mit der in der Zulassungsbegründung als erheblich angesehenen Rechtsfrage zum Verhältnis einer Vereinbarung über die für den Netznutzungstarif maßgebliche Netzebene zu den diesbezüglichen Bestimmungen der SNE-VO setzt sich die Revisionswerberin nicht näher auseinander. Sie geht insbesondere nicht auf die hilfsweise Begründung des Berufungsgerichts ein, wonach in dem zwischen den Parteien 2001 abgeschlossenen Energieliefervertrag ein – nunmehr der Netzebene 7 entsprechender – Tarif für „Haushaltskunden“ vereinbart wurde. Insoweit zeigt sie dazu keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[8]            3. Auch auf die ausführliche Begründung des Berufungsgerichts, wonach es mangels „Traditionswillens“ der Parteien („dinglicher Einigung“; vgl RS0011124; Eccher/Riss in KBB6 § 425 ABGB Rz 1 mwN) am Modus für eine wirksame Übertragung des Eigentums am (ausgetauschten) Transformator von der Beklagten an den Kläger fehlt, sowie dessen (Hilfs-)Begründung, wonach auch kein Titel für eine solche Eigentumsübertragung besteht, geht die Revisionswerberin inhaltlich nicht näher ein. Sie behauptet dazu bloß abstrakt, dass das Eigentum am Transformator „durch Setzung des entsprechenden Modus“ übergegangen sei, gesteht aber selbst zu, dass über die Eigentumsverhältnisse beim Austausch des Transformators nicht gesprochen wurde und man sich dazu „keine Gedanken gemacht habe“. Warum der Kläger dann (derivativ) Eigentum am neuen Transformator erworben haben soll, erschließt sich – mangels Anhaltspunkten für einen Erwerbstitel und eine dingliche Einigung – daraus nicht.

[9]            4. Soweit die Revisionswerberin auf dem Standpunkt steht, der Kläger habe deshalb (originär) Eigentum am Transformator erworben, weil dieser mit der Trafostation fest verbunden wurde, übersieht sie, dass der Trafomast (der „hochbauliche Teil der Trafostation“), mit dem der Transformator verbunden wurde, unstrittig in ihrem Eigentum steht. Aus der im Rechtsmittel behaupteten Qualifikation der Trafostation als Gesamtsache ergäbe sich im Übrigen nur, dass sich – was hier nicht zu beurteilen ist – schuldrechtliche Verfügungen über diese im Zweifel auf alle Bestandteile beziehen, wobei der zur Erzielung einer sachenrechtlichen Wirkung erforderliche Modus für jede Einzelsache gesetzt werden muss (vgl nur Eccher/Riss in KBB6 § 302 ABGB Rz 2 mwN). Dass das Berufungsgericht eine wirksame – Eigentum des Klägers begründende – Tradition des Transformators verneinte, wird von der Revisionswerberin aber gerade nicht substanziiert bekämpft.

[10]            5. Ihrem Argument, dass durch den Austausch des Transformators die ursprünglich (im Jahr 1987) – allerdings mit einem früheren Eigentümer, dessen Bezugsvertrag bereits einige Zeit vor dem Eigentumserwerb des Klägers beendet wurde – „vereinbarte Eigentumsgrenze“ an der Anschlussanlage (als physische Verbindung zwischen der Anlage des Netzbenutzers mit dem Netzsystem; vgl 10 Ob 31/12z) nach dem Willen der Parteien nicht verändert werden sollte, ist zu entgegnen, dass es gemäß § 4 Z 6 SNE-VO für die Zuordnung des Anschlusses eines Netzkunden an eine bestimmte Netzebene nicht auf die – hier ohnehin bloß hypothetisch – „beabsichtigte Eigentumsgrenze“, sondern auf die tatsächliche sachenrechtliche Zuordnung ankommt (vgl 6 Ob 60/07b). Letztlich ist die Rechtsposition der Beklagten keine andere als in dem von ihr selbst gebildeten Beispielsfall, in dem sie mit Willen des Kunden – der hier nach der Vertragslage zu unterstellen ist – das Eigentum an einem schon vorhandenen Transformator übernommen hätte.

[11]           6. Dass ein Anschluss des Klägers auf der Netzebene 6 (Umspannung von Mittel- zu Niederspannung; § 63 Z 6 ElWOG) erfolgt sei und daher der für diese Netzebene geltende Netznutzungstarif zustehe, hat die Beklagte in erster Instanz nicht eingewandt. Ihr diesbezügliches Rechtsmittelvorbringen verstößt somit gegen das Neuerungsverbot.

[12]     7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass die Revision nicht zulässig ist. Er hat daher Anspruch auf Ersatz der Kosten seiner Revisionsbeantwortung.

Textnummer

E132763

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00132.21Z.0907.000

Im RIS seit

06.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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