TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/22 94/12/0164

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Veröffentlicht am 22.01.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs1;
GehG 1956 §20b Abs6 Z2;
GehG 1956 §20b;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dr. G in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten vom 4. Mai 1994, Zl. 158 313/158-VI.2/93, betreffend Fahrtkostenzuschuß nach § 20 b des Gehaltsgesetzes 1956, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Legationssekretär in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, in dem er seit 1. Oktober 1993 (wieder) Dienst verrichtet, nachdem er zuvor bei der österreichischen Botschaft in Washington tätig war.

Mit Antrag vom 29. September 1993 begehrte der Beschwerdeführer mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1993 die "Zuerkennung" eines Fahrtkostenzuschusses gemäß § 20 b des Gehaltsgesetzes 1956 (im folgenden GG) für die tägliche Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen seiner Wohnadresse (bei seinen Eltern) in Graz und seiner Dienststelle in Wien. Da er über keine Wohnung in Wien verfüge, müsse er zumindest vorläufig täglich von Graz nach Wien und retour pendeln.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 1993 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, der Beamte sei vom Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß ausgeschlossen, solange er aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, mehr als 20 km außerhalb seines Dienstortes wohne. Aus diesem Grund könne dem Antrag auf Fahrtkostenzuschuß nicht stattgegeben werden.

Der Beschwerdeführer gab der Dienstbehörde mit Schreiben vom 1. Dezember 1993 eine Tariferhöhung für die Strecke Graz-Wien-Liesing bekannt. Er ersuchte in diesem Zusammenhang im Hinblick auf seine Einberufung durch den Dienstgeber aus Washington und der Tatsache, daß er über keine Wohnung in Wien verfüge und vor seiner Versetzung nach Washington auch in Graz bei seinen Eltern polizeilich gemeldet gewesen sei, um Überprüfung seines ursprünglichen Antrages. Bei der zuständigen Personalabteilung der belangten Behörde sei aktenkundig, daß er um Erlangung einer in Anbetracht seiner finanziellen Situation finanzierbaren Wohnung in Wien bemüht sei. Sollte trotz Überprüfung seinem Antrag nicht entsprochen werden, ersuche er um bescheidmäßige Erledigung.

Mit "Änderungsmeldung" vom 28. Dezember 1993 teilte der Beschwerdeführer mit, er werde ab Jänner 1994 über eine Wohnung in Wien verfügen, die nach Anlieferung seines Übersiedlungstransportes ab 10. Jänner bezugsfertig sein werde. Ab diesem Zeitpunkt werde das tägliche Pendeln zwischen Graz und Wien und zurück nicht mehr erforderlich sein.

In der Folge wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Schreiben vom 25. April 1994 ein Bescheidentwurf zu seinem Antrag auf Fahrtkostenzuschuß übermittelt. Die im Bescheidentwurf vorgesehene Abweisung stützte sich im wesentlichen (offenbar in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers vom 1. Dezember 1993) darauf, daß allein die Vormerkung für eine Wohnung beim Dienstgeber als Nachweis für die unabweisliche Notwendigkeit einer Wohnsitznahme von mehr als 20 km außerhalb des Dienstortes nicht ausreiche. Aus der Natur des auswärtigen Dienstes ergebe sich, daß Bedienstete der belangten Behörde anläßlich ihrer Einberufung von einer Verwendung im Ausland immer wieder mit der Wohnungsfrage in Wien konfrontiert seien und sich auch ernsthaft um eine längerfristige oder auch nur temporäre Unterkunft in Wien bemühen müßten. Im Beschwerdefall fehle es aber - abgesehen von einem diesbezüglichen Antrag an die Personalabteilung - am ernsthaften Bemühen des Beschwerdeführers.

In seiner Stellungnahme vom 27. April 1994 brachte der Beschwerdeführer - soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles noch von Bedeutung ist - unter anderem im wesentlichen vor, er habe sich ab dem Zeitpunkt, zu dem sich seine Einberufung nach Wien abgezeichnet habe, um die Erlangung einer Wohnung in Wien und Umgebung bemüht. Unter anderem habe er sich um eine durch Rücktritt freigewordene BUWOG-Eigentumswohnung beworben. Ursprünglich sei er an zweiter Stelle gereiht gewesen. Durch einen weiteren Rücktritt sei er zum Zuge gelangt. Wie der Personalabteilung bekannt sei, habe es bei der Wohnungsübernahme Schwierigkeiten gegeben. Der Bezug der Wohnung sei vor Jänner 1994 nicht möglich gewesen. Neben der Option der BUWOG-Eigentumswohnungen habe er eine Reihe anderer Wohnmöglichkeiten auf dem Miet- und Eigentumswohnungssektor geprüft und zum Teil ernsthaft in Betracht gezogen. Er habe bereits von Washington aus Verwandte und Bekannte eingeschaltet. Diese Aktivitäten seien auch einer Reihe von Bediensteten der österreichischen Botschaft in Washington bekannt. Es sei aktenkundig, daß er zu (erheblichen) Unterhaltsleistungen an seine geschiedene Frau und seine beiden minderjährigen Töchter verpflichtet sei (wird näher ausgeführt), sodaß ihm von seinem Monatsnettoeinkommen lediglich S 5.500,-- verblieben. Seine durch Unterhaltspflichten und Rückzahlungen von Gehaltsvorschüssen stark reduzierte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hätte ihm angesichts des Niveaus der Wohnungskosten keine Wohnungsnahme in Wien erlaubt. Seine Eltern seien allerdings bereit gewesen, ihm bei der Eigentumswohnung (bei der es im Gegensatz zu einer Mietwohnung zur werterhaltenden Kapitalbildung des Einsatzes komme) finanziell auszuhelfen. Die laufenden Betriebskosten könne er aus Eigenem gerade noch bestreiten. Er habe weder Verwandte noch Bekannte in Wien und Umgebung, bei denen er auf Dauer Unterkunft hätte nehmen können. Auf Grund seiner Einberufung in die Zentrale sei daher die nächstgelegene Wohnmöglichkeit in Graz bei seinen Eltern gewesen. Seine Mietwohnung in Wien habe er vor seiner Auslandsverwendung an der Österreichischen Botschaft in Washington im Zuge der seinerzeitigen Übersiedlung 1990 aufgeben müssen. In der Folge führte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 20 b Abs. 6 Z. 2 GG aus, seine im Zuge der Scheidung eingetretene wirtschaftliche Notlage sei unter anderem auch durch die Gewährung eines Gehaltsvorschusses von der belangten Behörde anerkannt worden. Aus der Tatsache, daß die Natur des auswärtigen Dienstes häufige Versetzungen mit sich bringe, könne wohl nicht abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer diesen Umstand zu vertreten habe. Die Wohnungsnahme Anfang Jänner 1994 - knapp mehr als drei Monate nach seiner Rückkehr aus dem Ausland - dokumentiere sein ernstliches und letztlich erfolgreiches Bemühen um eine Wohnung in Wien. Zum Vorwurf, er habe sich nicht ernsthaft um eine Wohnung in Wien bzw. Umgebung bemüht, bot der Beschwerdeführer als Gegenbeweis die Einvernahme bestimmter Personen (Bedienstete der Österreichischen Botschaft in Washington sowie seine Eltern) an.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Mai 1994 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. September 1993 unter Berücksichtigung seiner weiteren Anträge vom 1. und 28. Dezember 1993 auf Zuerkennung eines Fahrtkostenzuschusses gemäß § 20 b GG ab. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens hielt sie in der Begründung zu den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 1993 und seinen aktenkundigen Bemühungen um eine Wohnung fest, daß die alleinige Vormerkung für eine Wohnung beim Dienstgeber als Nachweis für die unabweisliche Notwendigkeit einer Wohnsitznahme von mehr als 20 km außerhalb des Dienstortes nicht ausreiche. Zu den (in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 27. April 1994) erwähnten Bemühungen um eine Wohnmöglichkeit in Wien ab Kenntnis der Einberufung wies die belangte Behörde auf § 169 ("Einberufung") Abs. 8 des Handbuches für den österreichischen Auswärtigen Dienst hin. Danach werde allen entsandten Bediensteten nachdrücklich empfohlen, Vorsorge für eine Wohnmöglichkeit im Inland zu treffen, die ihnen grundsätzlich jederzeit für eine Dienstleistung in der Zentrale zur Verfügung stehe (vgl. § 55 BDG 1979), da sich die Notwendigkeit zur Rückkehr nach Österreich sowohl aus dienstlichen Gründen als auch familiären Umständen manchmal auch kurzfristig ergeben könne. Da der Beschwerdeführer - wenn auch mit finanzieller Hilfe seiner Eltern - in der Lage gewesen sei, die finanziellen Mittel zum Erwerb einer BUWOG-Eigentumswohnung aufzubringen, gehe die belangte Behörde davon aus, daß es für ihn ebenso möglich gewesen wäre, für die Überbrückung der Zeitspanne von etwas mehr als drei Monaten bis zum Bezug der Wohnung in Wien eine temporäre Unterkunft (Untermietzimmer, Appartmenthotelzimmer, Pension, Privatquartier) im Dienstort Wien bzw. bis zu 20 km außerhalb von Wien zu vertretbaren Kosten zu finden. Zu den an die geschiedene Ehefrau und die beiden Kinder zu leistenden Unterhaltszahlungen sei festzustellen, daß diese Zahlungen sicherlich ca. ein Drittel des derzeitigen Nettoeinkommens des Beschwerdeführers ausmachten. Der Beschwerdeführer hätte aber auch im Falle einer aufrechten Ehe für den Unterhalt der Familie zu sorgen gehabt; seine derzeitige finanzielle Lage sei daher keineswegs allein durch den Umstand der Scheidung verursacht worden. Da somit nicht davon ausgegangen werden könne, daß sich der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis 9. Jänner 1994 ernsthaft um eine Wohnung bzw. eine vorübergehende Unterkunft in Wien bzw. im Umkreis von 20 km vom Dienstort Wien entfernt bemüht habe und somit aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, mehr als 20 km außerhalb des Dienstortes Wien gewohnt habe, bestehe gemäß § 20 Abs. 6 Z. 2 lit. b GG kein Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20b Abs. 1 GG in der Fassung der 24. GG-Nov, BGBl. Nr. 214/1972, gebührt dem Beamten ein Fahrtkostenzuschuß, wenn

1. die Wegstrecke zwischen der Dienststelle und der nächstgelegenen Wohnung mehr als 2 km beträgt,

2. er diese Wegstrecke an den Arbeitstagen regelmäßig zurücklegt und

3. die notwendigen monatlichen Fahrtauslagen für das billigste öffentliche Beförderungsmittel, das für den Beamten zweckmäßigerweise in Betracht kommt, den Fahrtkostenanteil übersteigen, den der Beamte nach Abs. 3 selbst zu tragen hat.

Nach Abs. 6 dieser Bestimmung ist der Beamte vom Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß ausgeschlossen, solange er

1. Anspruch auf Leistungen nach den §§ 22 und 34 der Reisegebührenvorschrift 1955 hat oder

2. aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, mehr als 20 km außerhalb seines Dienstortes wohnt.

Gemäß § 55 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, hat der Beamte seinen Wohnsitz so zu wählen, daß er bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben nicht beeinträchtigt wird. Aus der Lage seiner Wohnung kann der Beamte, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, keinen Anspruch auf dienstliche Begünstigungen ableiten.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Fahrtkostenzuschuß nach § 20b GG durch unrichtige Anwendung dieser Norm (insbesondere des Abs. 6 Z. 2) sowie durch unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG; §§ 37, 39 und 60 AVG) verletzt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, § 20b Abs. 6 Z. 2 GG stelle auf das Wohnen, nicht aber die Beschaffung einer Unterkunft oder Zwischenunterkunft ab. Eine solche Verpflichtung sei weder dem Wortlaut des Gesetzes (arg.: "... wohnt") noch seinem Sinn zu entnehmen. Letzteres deshalb, weil es praktisch immer möglich sei, sich im Bereich der 20-km Zone eine Unterkunft zu beschaffen, dies zumindest dann, wenn auf die Zumutbarkeit nicht Bedacht genommen werde, wovon die belangte Behörde offenkundig ausgehe. Damit würde praktisch in keinem Fall ein Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß entstehen können. Auch die Verwaltungspraxis sowie die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellten auf die Anschaffung einer Wohnung ab. Keinesfalls könne die Unterlassung der Beschaffung einer temporären Unterkunft zum Ausschluß des Anspruches auf Fahrtkostenzuschuß nach § 20b Abs. 6 Z. 2 GG führen.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Ausschlußtatbestand nach § 20b Abs. 6 Z. 2 GG anzuwenden ist oder nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beamte ein Wohnen außerhalb der 20-km Zone (gerechnet vom Dienstort) dann nicht selbst zu vertreten, wenn - unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles - hiefür unabweislich notwendige Gründe vorliegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1992, 90/12/0260, und die dort genannte Vorjudikatur). Dies ist dann der Fall, wenn dem Beamten zu der von ihm gewählten Möglichkeit zur Begründung eines Wohnsitzes außerhalb der 20-km Zone keine zumutbare Handlungsalternative offensteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1992, 88/12/0123 =

Slg. N.F. Nr. 13.671/A, sowie vom 16. November 1994, 94/12/0264, und vom 17. Mai 1995, 93/12/0259). Ob dies der Fall ist, kann jeweils nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, die unter Mitwirkung des Beamten von der Dienstbehörde zu erheben sind und einer sorgfältigen (Gesamt)Würdigung durch die Dienstbehörde zu unterziehen sind. Eine zumutbare Handlungsalternative fehlt nicht nur in jenem Fall, in dem der Beamte mit seiner Wohnungswahl einer Rechtspflicht nachkommt. Schon in seiner bisherigen Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof familiäre Umstände als Motiv für einen nicht vom Beamten zu vertretenden Wohnsitzwechsel angesehen und desgleichen wirtschaftliche Gründe, wenn sie sich im Vermögen des Beamten auswirken (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1978, 80/78 = Slg. N.F. Nr. 9.682/A) sowie sozialen Gründen Bedeutung im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zuerkannt (vgl. dazu im einzelnen das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1992, Slg. 13.671/A).

Zwar trifft es zu, daß § 20b Abs. 6 Z. 2 GG das Zeitwort "wohnen" verwendet und auch sonst in dieser Bestimmung mehrfach von Wohnung die Rede ist (vgl. z.B. § 20b Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2; siehe auch § 55 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979).

Unter einer Wohnung im Sinne des § 20b Abs. 1 Z. 1 GG ist nach der bisherigen Rechtsprechung eine Raumeinheit (Räumlichkeit/en) zu verstehen, die dem Beamten als Eigentümer oder auf Grund eines anderen Rechtsverhältnisses (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. April 1972, 189/72 zu § 16a Abs. 1 lit. a GG in der Fassung vor der 24. GG-Novelle; übertragen auf § 20b GG mit hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1974, 1084/74) zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses zur Verfügung steht und die dazu auf Grund seiner sozialen Stellung und seiner Familienverhältnisse geeignet erscheint.

So hat die Rechtsprechung zum Beispiel ein 13,5 m2 großes von einem ledigen Beamten angemietetes Zimmer, eingerichtet mit einem Bett, einem Kasten und einem Tisch mit zwei Sesseln, in welchem aber weder eine Koch- und Waschgelegenheit, geschweige denn sonstige sanitäre Einrichtungen vorhanden waren, lediglich als Schlafstelle, nicht aber als Wohnung gewertet

(hg. Erkenntnis vom 5. September 1985, 84/12/0208).

Hingegen wurde ein von einer ledigen Beamtin, die nur für ihr Wohnungsbedürfnis zu sorgen hatte, gemietetes Objekt, bestehend aus Zimmer und Küche im Ausmaß von 30,81 m2 mit einfacher, aber zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses ausreichender Ausstattung als Wohnung angesehen (hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, 89/12/0187).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch die Auffassung, daß jedes Untermietzimmer dem Wohnbedürfnis eines ledigen ordentlichen Universitätsprofessors nicht dienlich sein könnte, in dieser allgemeinen Form als unzutreffend erkannt (hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1974, 1084/74).

Diese Judikatur kann lege non distinguente auch zur Auslegung der nach § 20b Abs. 6 Z. 2 GG in Betracht zu ziehenden Wohnungsmöglichkeit herangezogen werden, wobei unter diesem Gesichtspunkt auch auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Beschaffung dieser Wohnmöglichkeit für den betroffenen Beamten Bedacht zu nehmen sein wird.

Davon ausgehend kann es aber weder vom Gesetzeswortlaut noch vom Zweck der Norm her als unzulässig angesehen werden, die Möglichkeit der Beschaffung einer Unterkunft oder auch nur einer Zwischenunterkunft, die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid genannt wurden (Untermietzimmer, Appartmenthotelzimmer, Pension, Privatquartier), unter Berücksichtigung der obgenannten in der Person des Beamten gelegenen (sozialen, familiären und wirtschaftlichen) Umstände in die Zumutbarkeitsprüfung nach § 20b Abs. 6 Z. 2 GG miteinzubeziehen. Bei dieser Auslegung wird entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers die Bestimmung des § 20b leg. cit. keinesfalls ihres Anwendungsbereiches beraubt, kommt es doch entscheidend auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an.

Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, die belangte Behörde hätte sich nicht auf § 169 Abs. 8 des Handbuches für den österreichischen Auswärtigen Dienst stützen dürfen, weil diese Bestimmung keine Rechtsvorschrift darstelle; der dort zum Ausdruck gebrachte Gedanke habe keine gesetzliche Grundlage. Auslandsverwendungen dauerten oft viele Jahre; es widerspreche wohnrechtlichen, nationalökonomischen und privat-finanziellen Interessen, eine "Wohnungshortung" vorzunehmen.

Vorab ist darauf hinzuweisen, daß diese in Form eines internen Erlasses bestehende Richtlinie mangels gehöriger Kundmachung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren maßgebliche Rechtsquelle (Verordnung) darstellt (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1990, 89/12/0045). Im übrigen bleibt unklar, welche Bedeutung die belangte Behörde § 169 Abs. 8 des Handbuches und der dort enthaltenen "nachdrücklichen" Empfehlung in bezug auf die nach § 20b Abs. 6 Z. 2 GG anzustellende Zumutbarkeitsprüfung zugemessen hat. Da sie diese Bestimmung des Handbuches den Bemühungen des Beschwerdeführers um eine Wohnmöglichkeit in Wien (erst) ab dem Zeitpunkt seiner Kenntnis von seiner (beabsichtigten) Einberufung in die Zentrale nach Wien entgegenstellt, soll damit offenbar zum Ausdruck gebracht werden, der Beschwerdeführer hätte sich bereits ab dem (früheren) Zeitpunkt seiner Versetzung ins Ausland um eine inländische Wohnversorgung kümmern müssen. Aus der Sicht des Beschwerdefalles kann dahingestellt bleiben, ob § 169 Abs. 8 des Handbuches dem Beschwerdeführer als Weisung eine derartige Verpflichtung überhaupt auferlegt, ob sich eine solche Verpflichtung auch auf § 55 (Abs. 1 Satz 1) BDG 1979 stützen könnte, der in dieser Bestimmung des Handbuches zitiert wird, und ob sich eine Verletzung einer solchen Verpflichtung auf den Anspruch nach § 20b GG überhaupt auswirkt: Denn das Handbuch stellt bloß auf eine Wohnmöglichkeit im Inland ab und läßt jede Bezugnahme auf die nach § 20b Abs. 6 Z. 2 GG relevante 20-km Zone vermissen. Außerdem hat der Beschwerdeführer nach seiner Behauptung eine (vorübergehende) Wohnversorgung in der strittigen Zeit von Oktober 1993 bis Anfang Jänner 1994 bei seinen Eltern in Graz gefunden, von der nicht von vornherein gesagt werden kann, daß dies im Hinblick auf die Entfernung zur Dienststelle mit seiner Verpflichtung nach § 55 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 in offenkundigem Widerspruch steht, was auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht releviert wurde. Eine Pflicht zur Beibehaltung der im Zeitpunkt der Auslandsversetzung vorhandenen inländischen Wohnung, deren Verletzung den Ausschluß eines Rechtsanspruches auf Fahrtkostenzuschuß nach § 20b GG herbeiführt, hat die belangte Behörde nicht angenommen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe es unterlassen, zu ihrem Standpunkt, dem Beschwerdeführer wäre es möglich gewesen, innerhalb der 20-km Zone für die Überbrückung der Zeitspanne von etwas mehr als drei Monaten bis zum Bezug seiner Wohnung in Wien eine "temporäre Unterkunft" zu finden, die erforderlichen Erhebungen zu führen. Insbesondere äußere sie sich nicht zu den damit verbundenen Kosten. Eine finanzielle Hilfe der Eltern für den Erwerb der BUWOG-Eigentumswohnung sei unter dem Gesichtspunkt des § 20b GG völlig unerheblich. Die Dienstbehörde könne den Eltern des Beschwerdeführers nicht vorschreiben, wofür und wie sehr sie dem Beschwerdeführer finanzielle Hilfe zu leisten hätten. Auf Grund seiner in der Bescheidbegründung erwähnten Unterhaltsverpflichtung habe der Beschwerdeführer keine Mittel zur Verfügung gehabt, auch noch zusätzlich zu den Aufwendungen für die Anschaffung der Wohnung eine temporäre Unterkunft zu erwerben. Bei Vermeidung der aufgezeigten Mängel wäre sie zum Ergebnis gekommen, daß sich der Beschwerdeführer kostenmäßig keine zumutbare Wohnung für den strittigen Zeitpunkt im Dienstort bzw. in der 20-km Zone hätte beschaffen können.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Er hat im Verwaltungsverfahren in seiner letzten Stellungnahme vom 27. April 1994 unter konkreter Darlegung seiner finanziellen Lage und der unter Beweisanbot gestellten Behauptung, er habe sich erfolglos schon vor seiner Versetzung nach Wien von Washington aus um eine Wohnung in der 20-km Zone des Dienstortes Wien bemüht, geltend gemacht, daß der Tatbestand des § 20b Abs. 6 Z. 2 GG nicht gegeben sei.

Auf diese nach den Behauptungen des Beschwerdeführers gegebenen Besonderheiten des Einzelfalles ist die belangte Behörde jedoch im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen. So hat sie zum Beispiel nicht die finanzielle Gesamtsituation des Beschwerdeführers erhoben, die nicht nur durch die Unterhaltsleistungen, sondern auch durch die Rückzahlung von Gehaltsvorschüssen beeinflußt ist. Aus dem Erwerb der BUWOG-Eigentumswohnung durch den Beschwerdeführer allein kann kein Rückschluß gezogen werden, ihm wäre eine andere Wohnungsversorgungsmöglichkeit vorübergehend im fraglichen Zeitraum zumutbar gewesen, da deren Anschaffung unbestritten nur mit finanzieller Hilfe seiner Eltern möglich war. Es hätte festgestellt werden müssen, wie hoch der von den Eltern übernommene Finanzierungsanteil an dieser Wohnung gewesen ist. Erst wenn der finanzielle "Spielraum" des Beschwerdeführers (unter Berücksichtigung aller geldwerten Leistungen, auf die er einen Rechtsanspruch hat, und aller berechtigten Verpflichtungen, denen er nachzukommen hat) feststeht, könnte abschließend beurteilt werden, ob die Kosten einer der familiären und sozialen Situation des Beschwerdeführers entsprechenden Unterkunftsmöglichkeit, wie sie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid genannt hat, in der 20-km Zone, gerechnet vom Dienstort Wien aus, eine zumutbare Handlungsalternative zu der von ihm gewählten vorübergehenden Wohnungsnahme bei seinen Eltern in Graz darstellte oder nicht und sich der Beschwerdeführer darum hinreichend bemüht hat.

Abschließend wird darauf hingewiesen, daß im bisherigen Verfahren nicht geprüft wurde, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Dauer, die mit der Zurücklegung der von ihm angegebenen Strecke zwischen Graz und Wien verbunden ist, diese Strecke an den Arbeitstagen regelmäßig zurückgelegt hat oder nicht. Mangels entsprechender Erhebungen ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, das Zutreffen dieser Anspruchsvoraussetzung nach § 20 b Abs. 1 Z. 2 GG, die bisher nicht in Zweifel gezogen wurde, aus eigenem zu prüfen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der den (zu § 20 b Abs. 6 Z. 2 GG) aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994120164.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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