TE Vfgh Erkenntnis 2021/6/17 G223/2020 (G223/2020-8)

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Veröffentlicht am 17.06.2021
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
EStG 1988 §19 Abs1
ASVG §143a
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit des Fehlens einer Ausnahme vom Zuflussprinzip für die einkommensteuerrechtliche Erfassung von Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld mangels Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums; Verstoß gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Leistungsfähigkeitsprinzip durch die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von Nachzahlungen von (bescheidmäßig festgesetzten) Pensionen und von Rehabilitationsgeld

Spruch

I. Die Wortfolge "von Pensionen" in §19 Abs1 Z2 erster Teilstrich Bundesgesetz vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988), BGBl Nr 400/1988, idF BGBl I Nr 112/2011 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2022 in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Die aufgehobene Wortfolge ist in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.

V. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

VI. Im Übrigen wird der zweite Eventualantrag abgewiesen.

VII. Der Hauptantrag und der erste Eventualantrag werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesfinanzgericht, die Wortfolge "von Pensionen" in §19 Abs1 Z2 Einkommensteuergesetz 1988 (in der Folge: EStG 1988) idF BGBl I 112/2011, in eventu die Wortfolge "von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird" in §19 Abs1 Z2 leg cit, in eventu §19 Abs1 leg cit zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die mit dem Hauptantrag angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

1. §19 Abs1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 lautet:

"7. ABSCHNITT

Zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben

§19. (1) Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Abweichend davon gilt:

1. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.

2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen:

– Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird,

– Nachzahlungen im Insolvenzverfahren sowie

– Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des §3 Abs4, mit Ausnahme der in §3 Abs2 genannten Bezüge.

3. Bezüge gemäß §79 Abs2 gelten als im Vorjahr zugeflossen. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß §84 an das Finanzamt zu übermitteln."

2. §69 Abs2 EStG 1988 idF BGBl I 30/2017 lautet:

"Lohnsteuerabzug in besonderen Fällen

§69. […]

(2) Bei Auszahlung von Bezügen aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung sowie aus einer Kranken- oder Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen gemäß §25 Abs1 Z1 litc und e, bei Auszahlung von Rehabilitationsgeld gemäß §143a ASVG und bei Auszahlung von Wiedereingliederungsgeld gemäß §143d ASVG sind 25% Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge 30 Euro täglich übersteigen. Wird ein 13. bzw 14. Bezug zusätzlich ausgezahlt, hat ein vorläufiger Lohnsteuerabzug von diesen Bezügen zu unterbleiben. Zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren haben die Versicherungsträger bis zum 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§84) auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel gesondert als sonstiger Bezug gemäß §67 Abs1 auszuweisen."

3. §143a ASVG idF BGBl I 59/2018 lautet auszugsweise:

"3a. Unterabschnitt

Rehabilitationsgeld

§143a. (1) Personen, für die auf Antrag bescheidmäßig festgestellt wurde, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach §255b (§273b, §280b) erfüllt sind, haben ab dem Stichtag (§223 Abs2) für die Dauer der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) Anspruch auf Rehabilitationsgeld. Das weitere Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) ist vom Krankenversicherungsträger jeweils bei Bedarf, jedenfalls aber nach Ablauf eines Jahres nach der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes oder der letzten Begutachtung, im Rahmen des Case Managements zu überprüfen, und zwar unter Inanspruchnahme des Kompetenzzentrums Begutachtung (§307g). Die Feststellung, ob Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht (§255b, §273b, §280b), sowie dessen Entziehung (§99) erfolgt durch Bescheid des Pensionsversicherungsträgers."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Einkommensteuerbescheid vom 27. Juni 2019 setzte das zuständige Finanzamt Wien 2/20/21/22 die Einkommensteuer der Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht für das Jahr 2018 – auf Grund eines Einkommens gemäß §2 Abs2 EStG 1988 iHv € 22.633,36 und auf Grund der Neuberechnung der Steuer gemäß §41 Abs4 EStG 1988 auf sonstige Bezüge iSd §67 Abs1 und 2 EStG 1988 sowie unter Anrechung von einbehaltener Lohnsteuer iHv € 1.357,80 – mit € 1.811,– fest. Bei der Ermittlung des Einkommens gemäß §2 Abs2 EStG 1988 sowie der Summe der sonstigen Bezüge wurden im Einkommensteuerbescheid die – zur Gänze aus Rehabilitationsgeld gemäß §143a ASVG resultierenden – Einkünfte anhand der Summe der im Jahr 2018 an die Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht erfolgten Zuflüsse (basierend auf den Lohnzetteln der Wiener Gebietskrankenkasse) ermittelt. Den im Jahr 2018 erfolgten Zuflüssen an Rehabilitationsgeld an die Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht lag zur Hälfte ein Anspruch für das Jahr 2017 und zur anderen Hälfte ein Anspruch aus dem Jahr 2018 zugrunde.

1.2. In der gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 an das Bundesfinanzgericht erhobenen Beschwerde vom 3. Juli 2019 machte die Beschwerdeführerin geltend, dass in den im Jahr 2018 erfolgten Auszahlungen eine durch das Arbeits- und Sozialgericht zugesprochene Nachzahlung von Rehabilitationsgeld für das Jahr 2017 enthalten gewesen sei.

1.3. Die belangte Behörde erließ am 7. Oktober 2019 gemäß §262 BAO eine Beschwerdevorentscheidung.

1.4. Dagegen brachte die Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht am 21. Oktober 2019 einen Vorlageantrag ein.

1.5. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Bundesfinanzgericht Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des §19 Abs1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 entstanden.

2. Das Bundesfinanzgericht legt seine Bedenken wie folgt dar:

2.1. Zur Zulässigkeit des Hauptantrages:

Hinsichtlich der Zulässigkeit des (Haupt-)Antrages verweist das Bundesfinanzgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0025), nach der der Steuergesetzgeber das Rehabilitationsgeld dem Krankengeld gleichgestellt habe, sodass das Rehabilitationsgeld iSd §143a ASVG dem §25 Abs1 Z1 litc EStG 1988 ("Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung") und nicht dem §25 Abs1 Z3 lita EStG 1988 ("Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung") zu subsumieren sei. Im Antrag werde "von der Richtigkeit dieser Ansicht des VwGH ausgegangen".

Indem das Rehabilitationsgeld nicht als Pension (§25 Abs1 Z3 lita EStG 1988) einzustufen sei, könnten Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld die Voraussetzung des §19 Abs1 Z2 erster Teilstrich EStG 1988 idF BGBl I 112/2011, wonach es sich um Nachzahlungen "von Pensionen" handeln müsse, nicht erfüllen. Demgegenüber seien die anderen Voraussetzungen des §19 Abs1 Z2 erster Teilstrich EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 hinsichtlich des anspruchsmäßig auf das Jahr 2017 entfallenden Teiles als erfüllt anzusehen: Die Hälfte der Auszahlungen von Rehabilitationsgeld an die Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht im Jahr 2018 sei auf Grund eines Anspruchs für das Jahr 2017 erfolgt und stelle daher eine Nachzahlung dar. Der – zum Teil rückwirkende – Weiterbezug des Rehabilitationsgeldes über den 31. Dezember 2016 hinaus gehe auf einen am 12. Jänner 2018 vor dem Arbeits- und Sozialgericht geschlossenen Vergleich zurück, welcher – nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes – einem bescheidmäßigen Abspruch gleichzuhalten sei. Zudem gehe der Weiterbezug des Rehabilitationsgeldes über den 31. Dezember 2016 hinaus auf die bescheidmäßige Erledigung der Pensionsversicherungsanstalt vom 26. Jänner 2018 zurück. Für den Fall der Aufhebung der beantragten Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof habe das Bundesfinanzgericht die Bestimmung des §19 Abs1 Z2 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 auf den Beschwerdefall anzuwenden. Die Aufhebung würde zu einer Verringerung der Einkommensteuer 2018 um € 679,– führen.

2.2. Zur Zulässigkeit des ersten Eventualantrages:

Der erste Eventualantrag auf Aufhebung der Wortfolge "von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird" in §19 Abs1 Z2 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 gehe im Wesentlichen von denselben Prämissen wie der Hauptantrag aus. Der Antrag werde für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof die im Hauptantrag vertretene Ansicht, dass über den Bezug der in Rede stehenden Zahlung von Rehabilitationsgeld bescheidmäßig abgesprochen worden sei, nicht teile.

2.3. Zur Zulässigkeit des zweiten Eventualantrages:

Der Hauptantrag und der erste Eventualantrag basierten auf der Annahme, dass die zur Aufhebung beantragten Wortfolgen mit anderen Teilen des §19 Abs1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 hinsichtlich des Anfechtungsumfanges jeweils nicht untrennbar verbunden seien. Jedoch habe gerade der erste Satz des §19 Abs1 EStG 1988 zur Folge, dass im Anlassfall die anspruchsmäßig das Jahr 2017 betreffenden, im Jahr 2018 zugeflossenen Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld im Veranlagungsjahr 2018 zusammengeballt mit den anspruchsmäßig das Jahr 2018 betreffenden Zahlungen der Einkommensteuer zu unterziehen seien. Bei einer Aufhebung von §19 Abs1 erster Satz EStG 1988 wären nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes die anspruchsmäßig das Jahr 2017 betreffenden Nachzahlungen an Rehabilitationsgeld "nach dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie aus Sachlichkeitsüberlegungen" im Jahr 2017 der Einkommensteuer zu unterziehen. Jedoch würde nach Aufhebung nur des ersten Satzes der verbleibende Rest des §19 Abs1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 einen unverständlichen "legislativen Torso" darstellen, weshalb mit dem zweiten Eventualantrag die Aufhebung des gesamten §19 Abs1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 beantragt werde.

2.4. Zur Darlegung der Bedenken:

2.4.1. Die Bedenken des Bundesfinanzgerichtes ob der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes resultieren aus der – im Vergleich zur Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht – höheren Besteuerung des Einkommens, und zwar einerseits aus der Ungleichbehandlung des in einem Veranlagungsjahr zusammengeballten Zuflusses von Nachzahlungen an Rehabilitationsgeld, je nachdem, ob (wie in dem der Entscheidung VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0025 zugrunde liegenden Fall) durch das Arbeitsmarktservice Vorschüsse gewährt worden seien, sowie andererseits aus der ungleichen Behandlung des – gestützt auf Ansprüche aus einem früheren Veranlagungsjahr – nachträglich erfolgten Zuflusses von Rehabilitationsgeld gegenüber der Behandlung des nachträglichen Zuflusses anderer, nachträglich ausgezahlter Transferleistungen (Pensionen, Insolvenz-Entgelt) und Subventionen. Bei diesen anderen, nachträglich ausgezahlten Beträgen sei es nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zum "üblichen Regelungskonzept" geworden, eine anspruchsbezogene zeitliche Zuordnung vorzunehmen. Die Nachzahlung von Rehabilitationsgeld weiche in unsystematischer Weise hievon ab.

Die Stammfassung des §19 Abs1 EStG 1988, BGBl 400/1988, habe nur eine einzige Ausnahme vom Zuflussprinzip enthalten (betreffend regelmäßig wiederkehrende Einnahmen). Mit dem Abgabensicherungsgesetz 2007, BGBl I 99/2007, sei eine weitere Ausnahme (betreffend Bezüge gemäß §79 Abs2 EStG 1988) "aus Praktikabilitätsgründen" iZm der Einkünfteermittlung und der Lohnverrechnung geschaffen worden. Daneben seien durch Novellen des §19 Abs1 EStG 1988 mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 142/2000 (ua betreffend Nachzahlungen von Pensionen), dem Abgabenänderungsgesetz 2005, BGBl I 161/2005 (betreffend Nachzahlungen im Insolvenzverfahren), dem Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl I 76/2011 (betreffend Nachzahlungen, über die bescheidmäßig abgesprochen werde sowie Zahlungen, die aus öffentlichen Mitteln iSd §3 Abs4 EStG 1988 getätigt würden) sowie dem Budgetbegleitgesetz 2012, BGBl I 112/2011 (betreffend die Einschränkung der Ausnahme für Nachzahlungen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen werde, auf Nachzahlungen von Pensionen sowie die Einschränkung der Ausnahme für Zahlungen aus öffentlichen Mitteln auf solche, die Förderungen und Zuschüsse darstellten) weitere Ausnahmen vom Zuflussprinzip normiert worden, die nicht durch Praktikabilitätsüberlegungen iZm der Einkünfteermittlung und Lohnverrechnung motiviert gewesen seien, sondern mittels einer anspruchsbezogenen zeitlichen Zuordnung der Einnahmen die progressionserhöhende Zusammenballung von zu versteuernden Einnahmen in einem Veranlagungsjahr verhindern sollten.

Abgesehen von der – nicht näher begründeten und deshalb ohne ersichtliche sachliche Rechtfertigung erfolgten – Novelle durch das Budgetbegleitgesetz 2012, BGBl I 112/2011, lasse sich aus den Novellierungen zu §19 Abs1 EStG 1988 folgendes Regelungskonzept ableiten: Nachzahlungen (verspätete Auszahlungen) von Transferleistungen (Sozialleistungen, Subventionen) sollten nicht im Zuflusszeitpunkt als Einnahmen mit einem daraus resultierenden progressionserhöhenden Effekt gelten. Vielmehr sollten sie als Einnahmen jenes Veranlagungszeitraumes gelten, für den der der Zahlung zugrunde liegende Anspruch bestehe. Dadurch könne vermieden werden, dass im Veranlagungsjahr, für das der Anspruch bestehe, keine oder geringe Einkünfte zu versteuern seien und das im Einkommensteuertarif verankerte steuerfreie Existenzminimum in jenem Veranlagungsjahr "ungenützt" bleibe.

2.4.2. Der Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht seien für die Monate Jänner 2017 bis Dezember 2018 jeweils zwischen € 1.047,76 und € 1.160,02 brutto an Rehabilitationsgeld zugestanden. Angesichts der geringen Höhe der monatlichen Bezüge bestünde aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes das Bedenken, dass durch die Vorschreibung von Einkommensteuer für das Jahr 2018 iHv € 1.811,– der Wesensgehalt des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) berührt werde. Im Falle der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof wäre die Einkommensteuer für das Jahr 2018 mit minus € 679,– festzusetzen. Durch die geltende Rechtslage ergebe sich für die Beschwerdeführerin vor dem Bundesfinanzgericht somit für 2018 eine Gesamtbelastung von € 2.490,–. Beziehe man die für 2017 entgehende Steuervorschreibung iHv minus € 679,– ein, betrage die Gesamtbelastung € 3.169,–.

3. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer meritorischen Äußerung abgesehen.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.3. Die Bedenken des Bundesfinanzgerichtes richten sich gegen näher bezeichnete Wortfolgen des §19 Abs1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011. Diese Vorschrift regelt die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und ordnet in ihrem im ersten Satz an, dass Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. In weiterer Folge werden in den Ziffern 1 bis 3 Abweichungen von diesem Grundtatbestand normiert. Der erste Satz steht damit zu den übrigen Teilen des §19 Abs1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis.

1.4. Das Bundesfinanzgericht erachtet es als unsachlich, dass Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelten, für das der Anspruch besteht bzw für das sie getätigt werden, für Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld jedoch keine solche Ausnahme vom Zuflussprinzip vorgesehen ist, und verweist auf die damit einhergehenden progressionserhöhenden Effekte. Vor dem Hintergrund seiner Bedenken geht das antragstellende Gericht im Hauptantrag sowie im ersten Eventualantrag davon aus, dass sich die behauptete Unsachlichkeit durch die Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen der als zu eng erachteten Ausnahmebestimmung des §19 Abs1 Z2 erster Teilstrich EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 beseitigen ließe.

1.5. Im vorliegenden Fall stehen Regel und Ausnahme in einem untrennbaren Zusammenhang. Vor dem Hintergrund, dass es Sache des Verfassungsgerichtshofes ist, darüber zu befinden, auf welche Weise – träfen die Bedenken zu – die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann, erweisen sich der Hauptantrag und der erste Eventualantrag als zu eng gefasst und daher als unzulässig. Hingegen ist der zweite Eventualantrag auf Aufhebung des gesamten §19 Abs1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.2.1. Nach §19 Abs1 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (Zuflussprinzip). Davon abweichend bestimmt §19 Abs1 Z2 EStG 1988 Fälle, in denen Zahlungen in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelten, für das der Anspruch entsteht bzw für das sie getätigt werden. Dies gilt nach der taxativen Aufzählung des §19 Abs1 Z2 leg cit für Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, ferner für Nachzahlungen im Insolvenzverfahren sowie für bestimmte Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln.

2.2.2. Zweck der Regelung des §19 Abs1 Z2 EStG 1988 ist es, im Fall von Nachzahlungen negative Belastungswirkungen des progressiven Einkommensteuertarifs zu vermeiden:

Bei Pensionszahlungen, über die bescheidmäßig abzusprechen ist, kann eine Erfassung der Nachzahlung im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses auf Grund der Progressionswirkungen beim Anspruchsberechtigten verglichen mit einer laufenden Erfassung zu steuerlichen Nachteilen führen, wenn die Nachzahlung mehrere Kalenderjahre betrifft. In solchen Fällen berücksichtigt dieser Tatbestand des §19 Abs1 Z2 EStG 1988 neben den progressionsbedingten Nachteilen aus dem zusammengeballten Zufließen von Einkünften insbesondere den Umstand, dass der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses auf Grund der behördlichen Entscheidung über den Anspruch nicht in der Disposition des Steuerpflichtigen liegt (vgl RV 1212 BlgNR 24. GP, 17).

2.2.3. Eine Regelungstechnik, die für solche Nachzahlungen von Pensionen vom tatsächlichen Zuflusszeitpunkt abweichend auf das Jahr abstellt, für das der Anspruch besteht, bewirkt zunächst, dass die Steuerbelastung und damit die Nettoerwartung des Einkünftebeziehers nicht durch negative – von Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs abhängige – Progressionseffekte beeinträchtigt wird. Eine solche Zielsetzung erscheint aber gerade im Hinblick auf den Charakter von Pensionsleistungen sachlich begründet: Zu beachten ist, dass das Einkommen, das zur Abdeckung des existenziellen Grundbedarfs dient, durch den Nullsteuersatz für Einkommen bis € 11.000,– von der Einkommensbesteuerung gänzlich freigestellt ist (sogenanntes steuerliches Existenzminimum). Die Erfassung im Jahr der Entstehung des Anspruchs gewährleistet damit aber, dass auch im Fall einer Nachzahlung die Wirkungen des steuerlichen Existenzminimums für Einkommensteile, die auf das Jahr der Anspruchsentstehung entfallen, nicht geschmälert werden.

2.2.4. Vergleichbare Erwägungen liegen der Regelung für Nachzahlungen von Insolvenzausfallsgeld zugrunde: Da die Nachzahlungen des Insolvenzausfallsgeldes typischerweise zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, als die entfallenen Einnahmen zugeflossen wären, und auch mehrere Kalenderjahre betreffen können, würde eine Besteuerung im Zeitpunkt der Nachzahlung regelmäßig zu Progressionsverschärfungen auf Grund eines zusammengeballten Zufließens der Einnahmen führen. Auch in diesen Fällen liegt der Zuflusszeitpunkt nicht in der Disposition des Einkünftebeziehers. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer im Jahr der Nachzahlung vielfach bereits Erwerbseinkünfte aus einem nach der Insolvenz begründeten Dienstverhältnis beziehen wird. Im Fall einer Besteuerung im Zeitpunkt der Nachzahlung hätte der Arbeitnehmer somit allein auf Grund von Umständen, die die Dauer eines Insolvenzverfahrens bestimmen, negative Progressionseffekte zu gewärtigen, ohne dass die Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums im Jahr, für das der Anspruch besteht, gewährleistet wäre.

2.3. Mit einer Regelung, die die einkommensteuerrechtliche Erfassung von Nachzahlungen eines Rehabilitationsgeldes gemäß §143a ASVG im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses anordnet, verletzt somit aber der Gesetzgeber den Gleichheitssatz:

2.3.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

2.3.2. Wenngleich davon auszugehen ist, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Zuflussprinzips des §19 Abs1 EStG 1988 ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt, verletzt er das aus dem Gleichheitssatz erfließende Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn allein wegen des tatsächlichen Zuflusses eine Besteuerung zu erfolgen hat, ohne dass das steuerliche Existenzminimum in Fällen, in denen der Zeitpunkt des Zuflusses vom Steuerpflichtigen seiner Art nach nicht beeinflusst werden kann, hinreichend Berücksichtigung findet (vgl auch in diesem Sinn VfSlg 18.031/2006 zur Mehrbedarfsrente).

2.3.3. Der Gesetzgeber hat – wie das Bundesfinanzgericht zutreffend festhält – das Rehabilitationsgeld mit der Begründung, dass das an die Stelle einer befristeten Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension getretene Rehabilitationsgeld durch den Krankenversicherungsträger geleistet wird und es zudem funktional als eine Fortsetzung des Krankengeldbezuges anzusehen ist, in §69 Abs2 EStG 1988 idF BGBl I 13/2014 dem Krankengeld gleichgestellt (vgl AA-14 25. GP). Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld iSd §143a ASVG sind somit nicht als Nachzahlungen von Pensionen iSd §19 Abs1 Z2 erster Teilstrich EStG 1988 zu qualifizieren (vgl VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0025) und daher nach der geltenden Rechtslage gemäß §19 Abs1 EStG 1988 im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses steuerlich zu erfassen.

2.3.4. Der Verfassungsgerichtshof vermag im gegebenen Zusammenhang keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld anders als Nachzahlungen von Pensionen einkommensteuerlich im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses zu erfassen: Ebenso wie im Fall der Nachzahlung einer Pension, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, kann im Fall der Nachzahlung von Rehabilitationsgeld, dessen Bezug auf einem Bescheid oder einem gleichzuhaltenden gerichtlichen Vergleich beruht, die Erfassung im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses dazu führen, dass das steuerliche Existenzminimum im Jahr, für das der Anspruch besteht, vom Steuerpflichtigen nicht ausgeschöpft werden kann.

2.3.5. Der Umstand, dass in Fällen, in denen Vorschüsse auf Rehabilitationsgeld ausbezahlt werden, diese nachteiligen Effekte nicht eintreten, da diese Vorschüsse im Jahr des Zuflusses als Einnahmen zu erfassen und im Jahr der Nachzahlung auf diese in Anrechnung und als Werbungskosten von dieser in Abzug zu bringen sind, zeigt die Unsachlichkeit der bestehenden Rechtslage, führt sie doch dazu, dass ein Steuerpflichtiger, der keine Vorschüsse erhält, steuerlich höher belastet wird als ein Steuerpflichtiger, der für die Existenzsicherung notwendige Vorschüsse erhält. Eine solche Regelung, die das steuerliche Existenzminimum nicht hinreichend berücksichtigt, verletzt aber den Gleichheitsgrundsatz.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 16.929/2003, 16.989/2003, 17.057/2003, 18.227/2007, 19.166/2010, 19.698/2012, 20.356/2019).

Vor dem Hintergrund der Bedenken ergibt sich die Unsachlichkeit der in Rede stehenden Regelung aus der unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung von Nachzahlungen von (bescheidmäßig festgesetzten) Pensionen und (auf einem Bescheid oder einem gleichzuhaltenden gerichtlichen Vergleich beruhenden) Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld. Zur Herstellung eines Rechtszustandes, gegen den die im Antrag dargelegten Bedenken nicht bestehen, genügt es, die Wortfolge "von Pensionen" in §19 Abs1 Z2 erster Teilstrich EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 aufzuheben.

V. Ergebnis

1. Die Wortfolge "von Pensionen" in §19 Abs1 Z2 erster Teilstrich EStG 1988 idF BGBl I 112/2011 verstößt daher gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

4. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlasst, von der ihm durch Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobene Wortfolge in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist.

5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Einkommensteuer, Rehabilitation, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Fristsetzung, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / Prüfungsumfang, Einkünfte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:G223.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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