TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/23 94/09/0265

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Veröffentlicht am 23.01.1997
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 Z2 litc idF 1990/450;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der W-Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 17. August 1994, Zl. IIe 6702 B/1 234 984, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 16. Februar 1994 den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen F. für die berufliche Tätigkeit als "Monteur" (laut den Angaben im Antragsformular seien spezielle Kenntnisse oder Ausbildung für Innenausbau erforderlich).

Mit Bescheid vom 18. März 1994 wies die zuständige Arbeitsmarktbehörde erster Instanz den Antrag gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In einem als Berufung gewerteten Schriftsatz vom 22. März 1994 machte die beschwerdeführende Partei geltend, sie brauche F. als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, weil sie zehn "Helfer" aufgenommen habe und diese eingeschult werden müßten. F. habe auf der Baustelle bereits eine Musterarbeit zufriedenstellend durchgeführt. Die beschwerdeführende Partei sei bereit, noch weitere "Trockenausbauer" einzustellen, und es liege auch ein dementsprechender Vermittlungsauftrag vor.

In einer "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 26. Mai 1994 teilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei u.a. mit, daß nach Überschreitung der Landeshöchstzahl Beschäftigungsbewilligungen nur unter Beachtung der Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG erteilt werden dürften. Im Antrag werde angegeben, daß spezielle Kenntnisse, nämlich für "Innenausbau" erforderlich seien. Für den beantragten Ausländer sei kein Qualifikationsnachweis erbracht worden. Es sei klärungsbedürftig, weshalb vom Arbeitsamt zugewiesene Personen einen Lehrabschluß nachweisen müssen, "der beantragte Ausländer jedoch verfügt über keinerlei Kenntnisse bzw. Qualifikationen". Es werde um nähere Beschreibung der Tätigkeit ersucht, bzw. um Angabe, welcher Lehrabschluß dafür erforderlich sei ("Innenausbauer" sei kein Lehrberuf). Seit der Antragstellung habe die beschwerdeführende Partei durch die vom Arbeitsamt vermittelten Personen ihre Zahl an Arbeitern um ca. 60 Prozent erhöht. Es sei anzunehmen, daß die vermittelten Personen über die gewünschten Qualifikationen verfügt hätten, da sie ansonsten kaum eingestellt worden wären. F. könne jedoch nur als Hilfkraft angesehen werden, weil kein Nachweis für irgendwelche Kenntnisse, Ausbildungen oder Praxis vorliege. Wieso eine ausländische Arbeitskraft, die keinerlei Qualifikationen habe, als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen von inländischen Dienstnehmern bezeichnet werden könne, "wenn Sie bereits 9 qualifizierte Kräfte einstellen konnten bzw. könnten", sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar.

Eine konkrete Beantwortung diese Vorhaltes erfolgte nach der Aktenlage nicht. Es befindet sich in den Akten allerdings ein an das Arbeitsamt Krems gerichtetes Schreiben vom 13. Juni 1994, in dem die beschwerdeführende Partei bekanntgab, daß sie F. als Ersatz für Herrn A einstelle, welcher am 22. April 1994 ausgeschieden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. August 1994 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge. Die für das Bundesland Niederösterreich festgesetzte Landeshöchstzahl 1994 von 31.000 sei zur Zeit überzogen und es komme für das gegenständliche Verfahren somit § 4 Abs. 6 AuslBG zur Anwendung. Die belangte Behörde habe der beschwerdeführenden Partei den Sachverhalt mit Schreiben vom 26. Mai 1994 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die 14-tägige Frist habe am 10. Juni 1994 geendet, ohne daß eine Stellungnahme erfolgt sei. Im Schreiben vom 13. Juni 1994 werde mitgeteilt, daß F. als Ersatz für den ausgeschiedenen ausländischen Arbeitnehmer A einzustellen sei. Die belangte Behörde habe diesen Sachverhalt geprüft und dazu festgestellt, daß seit dem Ausscheiden des A am 22. April 1994 mindestens sechs Arbeitskräfte eingestellt worden seien (Marjan S. am 5. Mai 1994, Maxim S. am 10. Mai 1994, Markus M. am 16. Mai 1994, Salko B. am 30. Mai 1994, Mirsad M. am 30. Mai 1994 und Franz F. am 27. Juni 1994). Die freigewordene Stelle habe somit wieder besetzt werden können. Darüber hinaus habe trotz Aufforderung durch die belangte Behörde kein besonders wichtiger Grund gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 3 AuslBG glaubhaft gemacht werden können. Über die im § 4 Abs. 6 AuslBG festgesetzten erschwerten Bedingungen zur Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung nach Überschreiten der Landeshöchstzahl sei die beschwerdeführende Partei bereits mit Bescheid der ersten Instanz in Kenntnis gesetzt worden. Eine einhellige Befürwortung habe der Regionalbeirat der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nicht abgegeben. Da keine der Voraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG erfüllt sei, hätten auch die Berufungseinwendungen zu keiner anderen Entscheidung führen können.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die beschwerdeführende Partei sei in ihrem Recht verletzt, einen ausländischen Arbeitnehmer "in unserem Betrieb in Österreich beschäftigen zu dürfen".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 i.d.F. der ab 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 314/1994, die übrigen Bestimmungen i. d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die beschwerdeführende Partei hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 leg. cit. (insbesondere die Überschreitung der Landeshöchstzahl) nicht bestritten. Sie bringt in der Beschwerde aber vor, der angefochtene Bescheid sei deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet, weil auf ihr Vorbringen betreffend das Erfüllen des Tatbestandes des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG (F. als dringender Ersatz für den ausgeschiedenen A) nicht ausreichend Bedacht genommen worden sei.

"Ersatz" bedeutet ganz allgemein eine Person, die anstelle einer nicht mehr vorhandenen oder nicht mehr geeigneten Person eingestellt werden soll. Es ist das Recht jeden Arbeitsgebers, sofern er nicht gegen zwingende Bestimmungen verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1994, 93/09/0465 und vom 22. Juni 1995, 93/09/0455).

Die beschwerdeführende Partei hat in dem Schreiben vom 13. Juni 1994 geltend gemacht, daß sie F. als Ersatz für eine ausgeschiedene ausländische Arbeitskraft einstellen werde, und damit auch zum Ausdruck gebracht, daß sie F. - ungeachtet seiner tatsächlich näheren Qualifikationen - als geeignet ansah, die Anforderungen an den Arbeitsplatz des ausgeschiedenen Ausländers zu erfüllen.

Wenn die belangte Behörde offenbar der Meinung war, daß der Arbeitsplatz des ausgeschiedenen Ausländers auch durch andere von der beschwerdeführenden Partei aufgenommenen Arbeitnehmer hätte besetzt werden können, hätte sie der beschwerdeführenden Partei dazu Parteiengehör gewähren müssen. Ausgehend davon stellt das Beschwerdevorbringen, bei den im angefochtenen Bescheid genannten Arbeitskräften habe es sich (mangels Qualifikation) nicht um "adäquate Ersatzkräfte" gehandelt, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof keine unzulässige Neuerung dar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. August 1996, 95/09/0229).

Da die von der beschwerdeführenden Partei bekämpften Feststellungen - die für die Begründung der Ablehnung der Beschäftigungsbewilligung entscheidungswesentlich waren - somit nicht in einem (unter Wahrung des Parteiengehörs im Sinne von § 45 Abs. 3 AVG) rechtlich einwandfreien Verfahren getroffen wurden, steht noch nicht fest, ob der Arbeitsplatz des ausgeschiedenen Ausländers wieder besetzt wurde oder die beantragte Ersatzkraft (§ 4 Abs. 6 lit. c AuslBG) vom Beschwerdeführer dringend benötigt wird. Der Sachverhalt bedarf daher noch in wesentlichen Punkten der Klärung in einem mängelfreien Verfahren.

Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 4 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG aufzukommen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1996, 95/09/0261). Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren von S 60,--, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war (vgl. § 28 Abs. 5 VwGG).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994090265.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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