TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/16 L508 2243300-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.06.2021

Norm

AVG §59 Abs1
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


L508 2243300-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara Herzog im Verfahren über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

1. Mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2021, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wider die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Pakistan gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Ferner wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG 2005 keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehen würde (Spruchpunkt IV.)und wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung schließlich gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Im Rahmen der Begründung zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, dass der weitere Verbleib der Beschwerdeführerin eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Die Beschwerdeführerin halte sich illegal in Österreich auf und sei trotz Ablauf Ihres Visums illegal in Österreich verblieben und bis dato trotz Aufforderung nicht ausgereist. Vom 07.10.2020 bis 11.01.2021 habe sie keine Meldeadresse aufgewiesen und im Verborgenen gelebt. Das Verhalten der Beschwerdeführerin, nämlich das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben in Österreich, stelle eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, weshalb die sofortige Ausreise erforderlich sei.

2. Mit Verfahrensanordnungen vom 05.05.2021 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben und die Beschwerdeführerin darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie zur Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgesprächs verpflichtet sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

4. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt des BFA langte am 14.06.2021 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

5. Der vorstehende Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und ist unstrittig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

1. Rechtslage und Judikatur:

1.1. Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist (Z. 1), wenn der Drittstaatsangehörige zuwider einem Einreiseverbot in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist (Z.2) oder wenn Fluchtgefahr besteht (Z. 3).

1.2. Die Entscheidung über die Zu- oder Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 13.12.2017, Ro 2017/19/0003).

1.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden nicht, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007).

Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).

2. Zum gegenständlichen Verfahren:

2.1. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass es zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden nicht genügt, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind. Vgl. mwN VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053, sowie zum Kriterium der Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise nach § 52 Abs 6 FPG VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007.

2.1.1. Das belangte Bundesamt stützt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs. 2 Z. 1 FPG 2005. Nach der eingangs zitierten Rechtsprechung erfordert die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind.

Das belangte Bundesamt wirft der Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang vor, dass sie sich nunmehr, nachdem die Gültigkeit ihres Visums am 21.11.2020 geendet habe und der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (nach Beschwerdeerhebung) rechtskräftig am 12.02.2021 abgewiesen worden sei, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und dass sie darüber hinaus vom 07.10.2020 bis 11.01.2021 keine Meldeadresse aufgewiesen und im Verborgenen gelebt habe. Weitere Gründe, weshalb die sofortige Ausreise der Beschwerdeführerin im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, werden im angefochtenen Bescheid nicht dargetan.

Dem steht gegenüber, dass bis zur Erlassung des hier angefochtenen Bescheides keine Rückkehrentscheidung wider die Beschwerdeführerin ergangen ist. Zusammenfassend verbleibt, dass die Beschwerdeführerin seitens des belangten Bundesamtes des rechtswidrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit dem 22.11.2020 verdächtigt wird, wobei eine rechtskräftige dahingehende Entscheidung nicht vorliegt und erst im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu klären sein wird.

Die Behörde hat nun aber nicht dargetan, welche besonderen Umstände im konkreten Fall gegeben sind, die die Erforderlichkeit der sofortigen Ausreise der Beschwerdeführerin im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu begründen vermögen.

Es bedürfte im Sinn der eingangs dargestellten Rechtsprechung besonderer Umstände und einer besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der weitere Aufenthalt der Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart gefährdet, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens erforderlich ist (VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360). Solche besonderen Umstände wie etwa Straffälligkeit, Gewaltbereitschaft, eine qualifizierte Verweigerung der gebotenen Mitwirkung oder Mittellosigkeit werden allerdings weder im angefochtenen Bescheid aufgezeigt, noch können sie dem Akteninhalt entnommen werden.

Zusammenfassend zeigt das belangte Bundesamt mit dem von ihm erhobenen Sachverhalt keine besonderen Gründe im Sinn der eingangs zitierten Rechtsprechung auf, weshalb die Aufenthaltsbeendigung sofort ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG zu erfolgen hatte. Aus dem Sachverhalt ist auch keine Fluchtgefahr im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 3 BFA-VG abzuleiten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass im gegenständlichen Fall einer der sonstigen Tatbestände des § 18 Abs. 1 oder 2 BFA-VG heranzuziehen wäre.

Wie bereits dargelegt, erfordert die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG allerdings das Vorliegen besonderer Umstände. Indem die belangte Behörde gestützt auf § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannte, ohne dass sie besondere Umstände, die die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise begründen könnten, ermittelt oder das Vorliegen derartiger Umstände ansonsten dargetan hätte, hat sie den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht ermittelt bzw., sollte die Behörde davon ausgegangen sein, derartige Umstände seien nicht entscheidungserheblich, die Rechtslage verkannt.

In jedem Fall erweist sich der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG gegenständlich als rechtswidrig und war Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides aufgrund der vorstehenden Ausführungen ersatzlos zu beheben. Der Beschwerde kommt somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

2.2. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt V. spruchreif war und die Trennung – auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für die Beschwerdeführerin– auch zweckmäßig erscheint. Über die Beschwerde gegen die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird gesondert entschieden werden.

2.3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da der für die Erlassung des gegenständlichen Teilerkenntnisses maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und seitens des belangten Bundesamtes keine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt wurde.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgeht. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage wie im gegenständlichen Fall eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung besondere Umstände Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L508.2243300.1.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten