TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/27 96/10/0193

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Veröffentlicht am 27.01.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §51e Abs1;
VStG §51e Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/10/0201 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/10/0194 E 27. Jänner 1997 96/10/0195 E 27. Jänner 1997 96/10/0196 E 27. Jänner 1997 96/10/0197 E 27. Jänner 1997 96/10/0198 E 27. Jänner 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerden des D in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, 1. (zu Zl. 96/10/0193) vom 22. Juli 1996, Zl. UVS-07/L/02/9/96, und 2. (zu Zl. 96/10/0201) vom 22. Juli 1996, Zl. UVS-07/L/02/10/96, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 1.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 1996, Zl. UVS-07/L/02/9/96, wurde dem Beschwerdeführer folgende Verwaltungsübertretung angelastet:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X-Warenhandelsgesellschaft m.b.H. und somit als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG 1991 zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit dem Sitz in W, O-Straße 300-306 in der weiteren Betriebsstätte in W, P-Straße 69, am 17.7.1995 nicht vorgesorgt hat, daß Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden, obwohl dies nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar war, indem verschiedene Sorten Gebäck, und zwar 8 Stück Salzstangerl, 20 Stück Semmeln, 12 Stück Kornbeisser, 2 Stück Baguette, 5 Stück Käseweckerl, 10 Stück Pariser Weckerl, lose in einem Gebäckspender mit 10 Entnahmeladen in Selbstbedienung feilgehalten wurden, wobei nach Öffnen der Öffnungsklappe die Kunden Zugriff auf das Gebäck haben, wodurch das Gebäck, da der Kunde möglicherweise mehrere Gebäckstücke berührt, um ein anderes entnehmen zu können, dem Betasten, Wühlen, Aussuchen, Anhusten und Anniesen ausgesetzt ist, wodurch wiederum Krankheitserreger übertragen werden können, was durch die Abgabe des Gebäcks durch Verkaufspersonal oder durch die Abgabe des Gebäcks in griffdichten Umhüllungen, die auch von Kunden nicht zu öffnen sind, oder durch die Abgabe des Gebäcks aus Entnahmeapparaten, die nur die Entnahme von Gebäck, nicht aber dessen Rückgabe bzw. dessen Zurücklassen nach Berührung ermöglichen, zu verhindern gewesen wäre."

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 des Lebensmittelgesetzes, BGBl. Nr. 86/1975 (LMG) verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

Mit einem weiteren im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 1996, Zl. UVS-07/L/02/10/96, wurde dem Beschwerdeführer eine weitere Übertretung des LMG zur Last gelegt. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat deckt sich mit Ausnahme der Tatzeit und des Tatortes und einiger für die rechtliche Beurteilung des Falles nicht relevanter Einzelheiten mit jener im oben dargestellten Bescheid.

Auch in diesem Fall wurde dem Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 LMG angelastet und über ihn eine Geldstrafe von S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.

In der Begründung beider Bescheide heißt es, aus dem erstinstanzlichen Strafakt sei ersichtlich, daß in den verfahrensgegenständlichen Filialen zu den in den erstinstanzlichen Straferkenntnissen angeführten Zeitpunkten bei einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung festgestellt worden sei, daß unverpacktes Gebäck in einem Gebäckspender feilgehalten worden sei, wobei nach Öffnen der Öffnungsklappen die Kunden Zugriff auf das Gebäck gehabt hätten. Dies werde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten; bestritten werde jedoch die Möglichkeit einer nachteiligen hygienischen Beeinflussung des Kleingebäckes, welches sich in einem Gebäckspender befinde. Die Gefahr einer nachteiligen hygienischen Beeinflussung der Lebensmittel bei dieser Form der Selbstbedienung sei jedoch offenkundig (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1983, Zl. 83/10/0076).

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zu gemeinsamer Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat über diese Beschwerden erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet die angefochtenen Bescheide ausschließlich deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde trotz eines diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe.

Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder auf Grund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist nach § 51e Abs. 1 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheide eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann nach § 51e Abs. 2 VStG eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt.

Der Beschwerdeführer hat eine mündliche Verhandlung ausdrücklich verlangt. Die belangte Behörde hat keine solche Verhandlung durchgeführt. Sie hat dadurch Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen.

Die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften führt nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Relevanz des Verfahrensmangels ist in der Beschwerde darzustellen. Dies gilt auch für die Außerachtlassung der Verfahrensvorschriften des § 51e VStG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1993, Zl. 92/02/0295, u.v.a.). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht in Ansehung der vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnisse vom 21. September 1995, Zl. 95/09/0124, und vom 26. Mai 1995, Zl. 93/17/0124, veranlaßt. Davon, daß ein rechtswidriges Unterbleiben der öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung in jedem Fall die Aufhebung des Berufungsbescheides nach sich ziehen müßte, ist der Verwaltungsgerichtshof auch in den vorzitierten Erkenntnissen nicht ausgegangen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1996, Zl. 96/03/0171).

Das Schicksal der Beschwerden hängt daher davon ab, ob es dem Beschwerdeführer gelungen ist, die Relevanz des in der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung gelegenen Verfahrensmangels ausreichend darzulegen.

Unter diesem Aspekt bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, er hätte bei der mündlichen Verhandlung durch den Antrag auf Vernehmung von Filialleitern den Nachweis erbringen können, daß er einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt habe, der auch für die Semmelspender zuständig gewesen sei.

Nach § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Nach § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Eine wesentliche Voraussetzung, um von einem "verantwortlichen Beauftragten" im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG sprechen zu können, ist die nachweisliche Zustimmung des Betreffenden zu seiner Bestellung. Die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten ist daher nur dann zulässig, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt. Der Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten zu seiner Bestellung kann zwar auch durch eine Zeugenaussage erbracht werden, dies aber nur dann, wenn dieses Beweismittel schon vor der Begehung der Tat vorhanden war. Nicht geeignet hingegen ist als Nachweis der Zustimmung sowie des Inhaltes und des Umfanges der Beauftragung eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 821 f, angeführte Rechtsprechung). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte bei der mündlichen Verhandlung durch den Antrag auf Vernehmung von Zeugen dargetan, daß er verantwortliche Beauftragte bestellt habe, ist daher ungeeignet, die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels darzulegen.

Die Relevanz des in der unterbliebenen mündlichen Verhandlung gelegenen Verfahrensmangels versucht der Beschwerdeführer auch mit der Behauptung zu belegen, er hätte in der Verhandlung vorgebracht, daß die mit der Konstruktion der neuen Gebäckspender - die nach der Beanstandung der alten angebracht wurden - beauftragte Firma von der Bundesanstalt für Lebensuntersuchung erst am 19. März 1996 ein amtliches Untersuchungszeugnis, welches die Konformität der neuen Gebäckspender mit den Anforderungen des § 20 LMG in seiner aktuellen Interpretation bestätige, erhalten habe. Zweifellos hätte sich dieses Vorbringen, das durch Vorlage der entsprechenden Urkunde hätte bewiesen werden können, auf den Ausspruch über das Verschulden des Beschwerdeführers ausgewirkt.

Die Frage, ob die neuen, nach der Beanstandung der alten Semmelspender angebrachten neuen Semmelspender gesetzeskonform sind, ist für die Frage des Verschuldens des Beschwerdeführers in bezug auf die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ohne jeden Belang. Sein Hinweis auf ein diesbezügliches Gutachten vermag daher der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen, da ein solches Vorbringen in einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde an seiner Strafbarkeit nichts zu ändern vermocht hätte.

Aus den dargestellten Erwägungen erweisen sich die Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996100193.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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