TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/27 93/17/0167

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Veröffentlicht am 27.01.1997
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Index

L37304 Aufenthaltsabgabe Fremdenverkehrsabgabe Nächtigungsabgabe
Ortsabgabe Gästeabgabe Oberösterreich;
L37404 Kurabgabe Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §58;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art144 Abs3;
FremdenverkehrsabgabeG OÖ 1969 §3 Abs2 litb;
GebG 1957 §12 Abs1;
KurtaxenG OÖ §4 Abs1 litb;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und Senatspräsident Dr. Puck sowie die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 24. Jänner 1992, Zl. Wi(Ge) - 5737/5 - 1992/Pö/Neu, betreffend Vorschreibung von Fremdenverkehrsabgaben für den Zeitraum November 1988 bis Oktober 1989 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde E, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 11. Jänner 1990 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber S und den namentlich genannten "weiteren Mitgesellschaftern" F, C (Beschwerdeführerin), H und G jun. für den Zeitraum vom 1. November 1988 bis 31. Oktober 1989 die Fremdenverkehrsabgabe nach dem O.ö. Fremdenverkehrsabgabegesetz 1969, LGBl. Nr. 7/1970 i.d.g.F. (im folgenden: Oö FrVerkAbgG 1969) in Verbindung mit der Fremdenverkehrsabgabeordnung der Gemeinde E vom 9. September 1980 in der Fassung der Gemeinderatsbeschlüsse vom 22. Dezember 1988 und vom 28. Februar 1989 (im folgenden: FrVerkAbgO) mit insgesamt S 83.136,-- fest. Nach Abzug des darauf entrichteten Betrages von S 43.380,-- wurde ein Abgabenrückstand von S 39.756,-- zur Zahlung vorgeschrieben. Nach dem Spruch dieses Bescheides seien im Betrieb der Bescheidadressaten im genannten Zeitraum insgesamt

20.862 Nächtigungen zu verzeichnen gewesen, von denen

2.610 Nächtigungen gemäß § 2 FrVerkAbgO als "abgabefrei" anerkannt würden; weiters seien 2.793 Nächtigungen von Personen über 15 Jahren (im Zeitraum 1. November 1988 bis 31. Jänner 1989) mit jeweils S 4,--, 13.682 Nächtigungen von Personen über 15 Jahren (im Zeitraum 1. Februar 1989 bis 31. Oktober 1989) mit jeweils S 5,-- und 1.777 Nächtigungen von Personen zwischen 6 und 15 Jahren mit jeweils S 2,-- in Ansatz gebracht worden. Begründend heißt es in diesem Bescheid, daß die der Gemeinde im Abgabenzeitraum übermittelten Meldeblätter der Berechnung zugrunde gelegt worden seien und eine Bescheiderlassung deshalb erforderlich geworden sei, weil die Abgabe nicht am Fälligkeitstag entrichtet worden sei.

Dagegen erhoben "S und Mitgesellschafter" mit Schriftsatz vom 8. Februar 1990, welcher lediglich von S unterfertigt ist, Berufung. Darin wurde sinngemäß vorgebracht, die Berufungswerber würden von Organen der Gemeinde schikanös überprüft; sie hätten eine Liste gefordert, aus der sie die Errechnung der vorgeschriebenen S 83.136,-- nachvollziehen könnten, die jedoch vom Bürgermeister nicht vorgelegt worden sei. Die Einhebung einer "Fremdenverkehrsabgabe" sei verfassungswidrig.

1.2. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. April 1990 wurde unter Spruchpunkt a) der Berufung der Berufungswerber S, F, H und G jun. Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters in diesem Umfang aufgehoben. Unter Spruchpunkt b) wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid hinsichtlich der Beschwerdeführerin in vollem Umfang aufrecht erhalten. Begründend führte die Berufungsbehörde im wesentlichen aus, daß nur die Beschwerdeführerin Konzessionsinhaberin des gegenständlichen Gastgewerbebetriebes sei und demnach die Haftung des Quartiergebers gemäß § 4 FrVerkAbgO nur sie treffe.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die belangte Behörde und führte im wesentlichen aus, daß offenbar in allen Fällen, in denen nur die Anzahl der Personen auf dem Meldeblatt angegeben gewesen sei, diese als Personen gewertet worden seien, die das 15. Lebensjahr überschritten hätten. Vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei die Beschwerdeführerin nicht in Kenntnis gesetzt worden, es wäre sonst leicht nachzuweisen gewesen, daß weit mehr abgabefreie Nächtigungen vorgelegen seien. Die 2.610 abgabefreien Nächtigungen seien auch nicht aufgeschlüsselt worden. Darüberhinaus sei die FrVerkAbgO vom 22. Dezember 1988 gesetzwidrig gewesen, da diese - im Widerspruch zu § 3 Oö FrVerkAbgG 1969 - für Personen zwischen 6 und 15 Jahren eine Abgabe von S 2,50 vorgesehen habe. Weiters seien sicherlich alle Miteigentümer auch Quartiergeber, da dies nicht von der Innehabung der Konzession abhänge.

1.3. Mit dem Bescheid vom 25. Juni 1990 (im folgenden: erster Vorstellungsbescheid) gab die Oberösterreichische Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführerin Folge, behob den Bescheid des Gemeinderates und verwies die Angelegenheit an die Gemeinde zur neuerlichen Entscheidung. Die Vorstellungsbehörde stellte fest, daß auf einem Teil der Meldeblätter eine Unterteilung in Kinder und Erwachsene vorgenommen worden sei und sich auf mehreren Meldeblättern der Vermerk befinde, es handle sich dabei um Seminarteilnehmer. Zwar habe die Gemeinde davon ausgehen können, daß es sich bei jenen Gästemeldungen von Reisegruppen, auf denen das Alter der Reisenden nicht angegeben gewesen sei, um Personen gehandelt habe, die das 15. Lebensjahr bereits vollendet hätten, soweit allerdings in der Gästemeldung selbst eine Angabe enthalten gewesen sei, nach der zweifelhaft erscheinen hätte müssen, daß alle Reisenden das 15. Lebensjahr bereits vollendet hätten, wäre die Gemeinde zu ergänzenden Ermittlungen im Sinne eines Ergänzungsauftrages gemäß § 123 Abs. 1 Oö LAO verpflichtet gewesen. Ein solcher Fall sei bei drei Meldeblättern hinsichtlich der Reisegruppe "F.-Reisen" mit dem Vermerk "Jugendliche" gegeben.

Diese Verpflichtung sei aber auch hinsichtlich der Meldungen mit dem Vermerk "Seminar" anzunehmen. Im Akt der Gemeinde befinde sich eine Auflistung von 23 Nächtigungsgruppen (Seminare), für die die Gemeinde keine Abgabe vorgeschrieben habe, für die übrigen Seminarmeldungen sei hingegen eine Abgabenpflicht angenommen worden. Unter einem Seminar sei eine vorwiegend von Unternehmern durchgeführte Veranstaltung zu verstehen, die der beruflich fachlichen Einschulung bzw. Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter dienen soll. Für die Beurteilung, ob der Besuch eines solchen Seminars der Berufsausbildung diene, sei im wesentlichen das Seminarprogramm und dessen Ablauf heranzuziehen. Es reiche der bloße Vermerk im Gästebuch nicht aus, um das Vorliegen des Abgabenbefreiungstatbestandes nach § 3 Abs. 2 lit. b Oö FrVerkAbgG 1969 nachzuweisen, die Abgabenbehörde hätte aber vor der Vorschreibung einer an sie abzuführenden Abgabe hinsichtlich der Meldungen von Seminarteilnehmern die Beschwerdeführerin im Sinne des § 123 Abs. 1 Oö LAO zu näheren Angaben etwa über das Seminarprogramm und dessen Ablauf auffordern müssen.

Soweit die Beschwerdeführerin die Gesetzwidrigkeit der Verordnung vom 22. Dezember 1988 geltend mache, sei sie dadurch in keinen subjektiven Rechten verletzt worden, weil für den gesamten Abgabenzeitraum für Nächtigungen von Personen zwischen 6 und 15 Jahren lediglich eine Abgabenhöhe von S 2,-- berücksichtigt worden sei.

Im Hinblick auf die notwendigen Sachverhaltsergänzungen hinsichtlich der "F.-Reisegruppen" sowie der Nächtigungen von Seminarteilnehmern sei jedoch der Bescheid zu beheben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen gewesen.

1.4. Nach einer Anfrage der mitbeteiligten Gemeinde übermittelte die Beschwerdeführerin die Seminarunterlagen zu einem arbeitsmarktpolitischen Weiterbildungsseminar für AMS-Mitarbeiter und teilte zu den F.-Reisegruppen mit, daß "auf keinem dieser drei (Melde-)Blätter der niedrige Satz durch den Hinweis auf Kinder verlangt" worden sei. Da es sich nicht um Kinder handle, sei es nicht einzusehen, warum sie - wie in der Anfrage verlangt - Listen über Geburtsdaten und Namen vorlegen solle.

In einem weiteren Schreiben, forderte die Gemeinde die Beschwerdeführerin - unter Beilage einer Liste der (nach Ansicht der Gemeindebehörden) von der Abgabe befreiten und der nicht befreiten Seminare - erneut auf, hinsichtlich der Nächtigung von Seminarteilnehmern ein Seminarprogramm und dessen Ablauf vorzulegen.

Mit Ersatzbescheid vom 4. Juli 1991 setzte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Fremdenverkehrsabgabe für den streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber der Beschwerdeführerin mit S 91.036,-- fest. Nach der Aufschlüsselung im Spruch dieses Bescheides ergibt sich die genannte Summe aus folgenden Grundlagen: 742 abgabenbefreite Schulschikursnächtigungen, 232 abgabenbefreite Nächtigungen von Kindern unter 6 Jahren, 1.777 Nächtigungen von Kindern zwischen 6 und 15 Jahren (a S 2,--), 3037 Nächtigungen von Personen ab dem 15. Lebensjahr (a S 4,--) und 15.038 weiteren Nächtigungen ebensolcher Personen (a S 5,--). Begründend führte der Gemeinderat dazu aus, daß sich die Verrechnung der Abgabe im Hinblick auf die F.-Reisegruppen nach erfolgtem Ermittlungsverfahren als richtig erwiesen hätte und verwies auf das Antwortschreiben der Beschwerdeführerin. Betreffend die Abgabe von Seminarteilnehmern werde bemerkt, daß Schulungen im Rahmen der allgemeinen Erwachsenenbildung nicht unter die Begriffe "Berufsausbildung" bzw. "Schulbesuch" fielen. Nach einer Mitteilung der Vorstellungsbehörde sei unter Berufsausbildung nur die berufliche Ausbildung im engeren Sinne (insbesondere im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes), nicht aber Fortbildung im Rahmen von Tagungen, Seminaren, Kongressen u. ä. zu verstehen.

In der dagegen erneut erhobenen Vorstellung zeigte die Beschwerdeführerin auf, daß sich seit dem ersten Verfahren offenbar die Ansicht der Gemeinde und der Vorstellungsbehörde hinsichtlich der Abgabenbefreiung für Seminare geändert hätte. Es seien nunmehr auch Berufstätige und in Ausbildung befindliche Berufstätige belastet worden. Es sei keine einzige Nächtigung der Berufstätigkeit, Berufsausbildung und der Arbeitslosigkeit zugerechnet worden. Weiters nimmt die Beschwerdeführerin auf ein der Vorstellung beigelegtes Schreiben des Landesarbeitsamtes Oberösterreich bezug, aus dem hervorgeht, daß es sich bei den Teilnehmern an den Seminaren dieses Veranstalters um Personen aus dem Bereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Landesarbeitsamtes Oberösterreich und des Landesinvalidenamtes Oberösterreich handle, die zu Berufsausbildungszwecken (Ablegung der Dienstprüfung, sonstige berufliche Weiterbildung) dem Seminarhotel zur Absolvierung der erforderlichen Kurse und Seminare dienstzugeteilt worden seien, wobei das Landesarbeitsamt als Lehrgangsbehörde für ganz Österreich für Bedienstete des gehobenen Dienstes im Bereich des Bundesministeriums fungiere. Im übrigen wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen aus der ersten Vorstellung.

1.5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der (neuerlichen) Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde eingehend aus, daß das Tatbestandsmerkmal "Berufsausbildung" auf die gesetzlich vorgesehenen Ausbildungsformen, insbesondere die Berufsausbildung im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes, einzuschränken sei. Diese Ansicht werde auch im Ausschußbericht zum O.ö. Tourismusabgabe-Gesetz 1991 vertreten. Danach sei unter Berufsausbildung nur die berufliche Ausbildung im engeren Sinn, nicht aber Fortbildung im Rahmen von Tagungen, Seminaren, Kongressen u.ä. zu verstehen. Wenn auch nach der vorliegenden Bestätigung des Landesarbeitsamtes im Hotel der Beschwerdeführerin etwa Dienstausbildungskurse abgehalten worden seien und den Teilnehmern der Besuch dieser Kurse als Dienst angerechnet worden sei, stelle dies im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage doch keinen Aufenthalt zur Berufsausbildung dar. Es könne im Hinblick auf den Kurs- bzw. Seminarcharakter dieser Veranstaltungen darin für die Teilnehmer auch keine Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit erblickt werden. Damit lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Fremdenverkehrsabgabe nicht vor.

1.6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Aus Anlaß dieser Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof (B 332/92-8 vom 29. September 1992), die Wortfolge ", für Personen vom vollendeten 6. Lebensjahr bis zum vollendeten

15. Lebensjahr von S 2,50 je Nächtigung" in § 1 der FrVerkAbgO der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. September 1980 i.d.F. des Beschlusses des Gemeinderates vom 22. Dezember 1988 von Amts wegen zu prüfen. Dies mit der Begründung, die Festsetzung der Abgabe mit S 2,50 für den genannten Personenkreis widerspreche der Anordnung des § 3 Abs. 1 Oö FrVerkAbgG 1969, wonach diese Abgabe je Nächtigung S 2,-- nicht übersteigen dürfe.

Mit Erkenntnis vom 23. März 1993, V 95/92, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß der Zahlenteil ",50" in der genannten Wortfolge gesetzwidrig, im übrigen aber die in Prüfung gezogene Wortfolge nicht gesetzwidrig war.

Mit Erkenntnis vom selben Tag, B 332/92-10, wies der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde als unbegründet ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis unter anderem aus, die Beschwerdeführerin sei - indem die Vorstellungsbehörde den Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde bestätigt habe, mit welchem der Beschwerdeführerin nicht S 2,50, sondern nur S 2,-- vorgeschrieben worden seien - durch die (hinsichtlich des Zahlenteiles ",50" gesetzwidrige) Verordnung nicht in ihren Rechten verletzt worden. Der angefochtenen Bescheid könne sich nunmehr in unbedenklicher Weise auf die als bereinigt anzusehende Rechtslage (also ohne den als gesetzwidrig festgestellten Zahlenteil ",50") stützen. Aus Anlaß der Beschwerde seien beim Verfassungsgerichtshof keine (weiteren) Normbedenken entstanden. Der belangten Behörde könne auch nicht der Vorwurf eines willkürlichen Verhaltens, das in die Verfassungssphäre eingreife, gemacht werden.

1.7. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die beschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Befreiung von der Vorschreibung einer Fremdenverkehrsabgabe nach den Befreiungstatbeständen des § 3 Abs. 2 lit. b und c

Oö FrVerkAbgG 1969 und in ihrem Recht darauf verletzt, daß nicht ihr allein als "Quartiergeber" i.S.d. § 4 Abs. 2 leg. cit. die Abgabe vorgeschrieben werde.

1.8. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

2.0 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 1 Oö FrVerkAbgG 1969 werden die Fremdenverkehrsgemeinden ermächtigt, zur Deckung des Aufwandes für die Förderung des Fremdenverkehrs auf Grund eines Beschlusses des Gemeinderates eine Fremdenverkehrsabgabe zu erheben.

§ 3 leg. cit. lautet auszugsweise:

"Ausmaß der Abgabe, Befreiung

(1) Die Abgabe darf fünf Schilling je Nächtigung, für Personen vom vollendeten sechsten Lebensjahr bis zum vollendeten fünfzehnten Lebensjahr zwei Schilling je Nächtigung, nicht übersteigen.

(2) Von der Entrichtung der Abgabe sind befreit:

a)

Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr;

b)

Personen, die sich zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit, zur Berufsausbildung oder zum Schulbesuch im Gemeindegebiet aufhalten;

              c)              ..."

Gemäß § 4 Abs. 1 Oö FrVerkAbgG 1969 kann die Gemeinde die Abgabenschuldner verpflichten, die Abgabe an die den Nächtigungsplatz zur Verfügung stellende Person (Quartiergeber) zu entrichten. § 4 Abs. 2 leg. cit. bestimmt in diesem Falle, daß der Quartiergeber verpflichtet ist, die Abgabe vom Abgabenschuldner für die Gemeinde einzuheben, hierüber Aufzeichnungen zu führen, die eingehobenen Abgaben mit der Gemeinde abzurechnen und sie vollständig an die Gemeinde abzuführen. Der Quartiergeber haftet nach dieser Bestimmung für die Entrichtung der Abgabe mit dem Abgabenschuldner zur ungeteilten Hand.

Von der Ermächtigung des § 1 leg. cit. hat die mitbeteiligte Gemeinde durch die Verordnung ihres Gemeinderates vom 8. September 1980 Gebrauch gemacht. § 1 dieser Verordnung setzt die Fremdenverkehrsabgabe mit S 4,-- je Nächtigung, für Personen vom vollendeten 6. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr mit S 2,-- je Nächtigung fest. Gemäß § 2 lit. b FrVerkAbgO sind Personen, die sich zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit, zu Berufsausbildung oder zum Schulbesuch im Gemeindegebiet aufhalten, gemäß § 2 lit. c dieser Verordnung sind Arbeitslose von der Entrichtung der Fremdenverkehrsabgabe befreit. § 4 Z. 1 FrVerkAbgO verpflichtet die Abgabenschuldner, die Abgabe an die den Nächtigungsplatz zur Verfügung stellende Person (Quartiergeber) zu entrichten.

Mit Beschluß vom 22. Dezember 1988 änderte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde § 1 der FrVerkAbgO insofern, als danach die Fremdenverkehrsabgabe S 5,-- je Nächtigung, für Personen vom vollendeten 6. Lebensjahr bis zum vollendeten

15. Lebensjahr S 2,50 betrug. Diese am 1. Februar 1989 in Kraft getretene Fassung wurde mit Beschluß des Gemeinderates vom 28. Februar 1989 (in Kraft getreten am 24. März 1989) neuerlich geändert und die Fremdenverkehrsabgabe für Personen vom vollendeten 6. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr wieder mit S 2,-- je Nächtigung festgesetzt. Für diese Personengruppe ist im Beschwerdefall auch für den Geltungszeitraum der FrVerkAbgO i.d.F. der Verordnung vom 22. Dezember 1988 von der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, V 95/92, als bereinigt anzusehenden Rechtslage (S 2,--) auszugehen.

2.2. Im ersten Rechtsgang wurden - wie sich durch einen Vergleich mit dem Ersatzbescheid des Gemeinderates feststellen läßt - von den Gemeindeabgabenbehörden noch 1636 Nächtigungen im Rahmen abgabenbefreiter Seminare anerkannt. Dabei handelte es sich laut einer im Akt befindlichen Liste unter anderen um Seminare des Landesarbeitsamtes Oberösterreich, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Vereines für Bewährungshilfe. Demgegenüber wurden die Seminargruppen verschiedener Gewerkschaften, Gemeinden, SP-Organisationen und Joga-Seminare als abgabepflichtig eingestuft.

In der Begründung des ersten Vorstellungsbescheides vertrat die Vorstellungsbehörde die Rechtsansicht, daß für die Beurteilung, ob der Besuch eines Seminars der Berufsausbildung diene, das Seminarprogramm und dessen Ablauf heranzuziehen sei. Die Vorstellungsbehörde hob den letztinstanzlichen Gemeindeabgabenbescheid unter anderem deshalb auf, weil die Abgabenbehörde vor der Vorschreibung einer Abgabe hinsichtlich der Nächtigung von Seminarteilnehmern den Sachverhalt ergänzen und die Beschwerdeführerin zu näheren Angaben über Programm und Ablauf der Seminare auffordern hätte müssen.

Der Ersatzbescheid des Gemeinderates - der alle Nächtigungen von Seminarteilnehmern der Fremdenverkehrsabgabe unterwarf - entsprach dem ersten Bescheid der Vorstellungsbehörde deshalb nicht, weil er es nach seiner Begründung von vornherein ausschloß, eine Fortbildung im Rahmen eines Seminars als "Berufsausbildung" zu qualifizieren. Wohl war im ersten Vorstellungsbescheid eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, nämlich eine mangelhafte Ermittlung des Sachverhaltes, festgestellt worden, dies jedoch auf der Grundlage der bestimmt umschriebenen Rechtsanschauung, daß Veranstaltungen, die der beruflich fachlichen Einschulung bzw. Aus- und Weiterbildung dienen, sehr wohl zur "Berufsausbildung" zu zählen seien, wenn sich dies aus dem Seminarprogramm und dessen Ablauf ergebe. Die Vorstellungsbehörde hat nun in ihrem zweiten, hier bekämpften Bescheid ihren früheren Standpunkt verlassen und den Bescheid des Gemeinderates, der ihrem ersten Vorstellungsbescheid widersprach, nicht behoben.

Nun sind aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowohl die Gemeinde (vgl. § 102 Abs. 5 O.ö. Gemeindeordnung 1979) als in der Folge auch die Vorstellungsbehörde und der Verwaltungsgerichtshof an die die Aufhebung tragenden Gründe eines kassatorischen aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Zl. 1430/69, sowie die hg. Erkenntnisse vom 6. Juli 1990, Zl. 88/17/0059, und vom 5. Dezember 1991, Zl. 89/17/0245).

Diese Bindung an die den Spruch tragenden Gründe im Umfang der dort ausdrücklich geäußerten Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde tritt auch dann ein, wenn diese Rechtsansicht verfehlt ist; die Bindungswirkung läßt eine Erörterung der Frage, ob die Ansicht der Vorstellungsbehörde der objektiven Rechtslage entspricht, nicht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1990, Zl. 90/05/0040).

Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis vom 22. November 1996, Zl. 95/17/0012, unter Ablehnung der Kritik von Hecht, ÖJZ 1996, 734 ff., dargelegt hat, ergibt sich die Bindung der Vorstellungsbehörde und des Verwaltungsgerichtshofes schon daraus, daß den Parteien ein subjektives Recht auf Einhaltung der der Gemeindeinstanz überbundenen, tragenden Rechtsansicht zusteht (vgl. Azizi, ZfV 1976, 142).

Mag also die Vorstellungsbehörde im angefochtenen, zweiten Vorstellungsbescheid hinsichtlich des Abgabenbefreiungstatbestandes "Berufsausbildung" (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl. 92/17/0136) auch von der objektiv richtigen Rechtsansicht ausgegangen sein, so hat sie doch die geschilderte Bindungswirkung mißachtet und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

2.3. Mit dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde unterliege einem Rechtsirrtum, wenn sie darauf verweise, daß in der Teilnahme an einem Kurs oder Seminar keine Ausübung einer beruflichen Tätigkeit erblickt werden könne, zeigt die beschwerdeführende Partei eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. September 1993, Zl. 90/17/0110 (ergangen zum O.ö. Kurtaxengesetz, LGBl. Nr. 43/1970, dessen § 4 Abs. 1 lit. b mit § 3 Abs. 2 lit. b Oö FrVerkAbgG 1969 wörtlich übereinstimmt), zum Begriff des Aufenthaltes "zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit" dargetan hat, ist unter dem Aufenthalt einer Person zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit auch der in Erfüllung einer Dienstpflicht gelegene Aufenthalt eines öffentlich Bediensteten zur Teilnahme an Qualifikations- und Fortbildungsveranstaltungen zu verstehen. Der Verwaltungsgerichtshof führte im zitierten Erkenntnis weiter aus, daß auch die pflichtgemäße Teilnahme an Fortbildungskursen und -seminaren als Form der Ausübung der beruflichen Tätigkeit zu beurteilen sei.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann auch im Beschwerdefall der Rechtsansicht der belangten Behörde, daß schon im Hinblick auf den Kurs- bzw. Seminarcharakter der gegenständlichen Veranstaltungen in der Teilnahme keine Ausübung einer beruflichen Tätigkeit erblickt werden könne, nicht beigetreten werden. Ein derart enger Berufsbegriff findet auch im § 3 Abs. 2 lit. b Oö FrVerkAbgG 1969 keine Deckung. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Teilnahme eines Arbeit- bzw. Dienstnehmers an Fortbildungskursen und -seminaren dann zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit zu zählen ist, wenn für ihn eine arbeits- bzw. dienstrechtliche Pflicht zur Teilnahme besteht. Die der Vorstellungsbehörde von der Beschwerdeführerin vorgelegte Bestätigung des Landesarbeitsamtes Oberösterreich legt solches jedenfalls hinsichtlich der Seminare dieses Veranstalters nahe. Da es die Vorstellungsbehörde, ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsansicht, unterlassen hat, selbst Feststellungen zu dieser Frage zu treffen oder den letztinstanzlichen Gemeindebescheid zu beheben, hat sie ihren Bescheid mit einer weiteren Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

2.4. Im übrigen ist festzuhalten, daß in keinem Stadium des Verwaltungs- und Vorstellungsverfahrens überprüft wurde, ob die Berufung (Schriftsatz vom 8. Februar 1990) der "S und Mitgesellschafter", welche lediglich von der namentlich genannten Person und ohne Hinweis auf ein Vollmachtsverhältnis zur namentlich nicht genannten Beschwerdeführerin unterfertigt ist, auch der Beschwerdeführerin zuzurechnen war. Wäre dies nicht der Fall, so wären die Berufungsbescheide des Gemeinderates und in der Folge die Vorstellungsbescheide auch dadurch mit Rechtswidrigkeit belastet.

2.5. Für das fortgesetzte Verfahren wird weiters darauf hingewiesen, daß überdies festzustellen sein wird, ob der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Gastgewerbebetriebs (Hotel), dessen Konzessionsinhaberin sie unbestritten ist, auch wirklich die Eigenschaft des "Quartiergebers" im Sinne des § 4 Oö FrVerkAbgG 1969 ALLEIN zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1991, Zl. 89/17/0165 zum vergleichbaren Begriff des "Unterkunftgebers" nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz, LGBl. Nr. 23/1976).

2.6. Der angefochtene Bescheid war aus den unter 2.2. und 2.3. dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war der Beschwerdeführerin für den schon vor dem Verfassungsgerichtshof für den Fall der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gestellten und ausgeführten Aufhebungsantrag (§ 12 Abs. 1 des Gebührengesetzes) zuzusprechen (drei Ausfertigungen der für den Verwaltungsgerichtshof bestimmten Beschwerde a S 120,--). Dementsprechend ist ein Beschwerdeführer in einem solchen Fall hinsichtlich des Kostenersatzes an Stempelgebühren nicht schlechter gestellt, als er es im Falle einer Beschwerdeergänzung der abgetretenen, jedoch noch nicht ausgeführten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wäre. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen; insbesondere stand für den schon der Verfassungsgerichtshofbeschwerde beigeschlossenen angefochtenen Bescheid ein Ersatz der Beilagengebühr nicht zu.

2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 48/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungZulässigkeit der Vorstellung Parteistellung und Rechtsansprüche der Parteien (außer der Gemeinde) im VorstellungsverfahrenStempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes DiversesBindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinVorstellung gemäß B-VG Art119a Abs5Verwaltungsgerichtsbarkeit Erschöpfung des Instanzenzuges im Sinne des B-VG Art131 Abs1Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1993170167.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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