TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/23 W285 2238402-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2021
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Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §67
FPG §70 Abs3

Spruch


W285 2238402-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Rumänien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2020, Zahl: 1271604604-201188841, zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 18 Monate herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.11.2020 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde der Beschwerdeführerin kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Zuge einer polizeilichen Schwerpunktkontrolle am 26.11.2020 im Bundesgebiet bei der Ausübung der illegalen Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle betreten und nach dem Kärntner Prostitutionsgesetz zur Anzeige gebracht worden sei. Die Beschwerdeführerin sei als EWR-Bürgerin grundsätzlich zum sichtvermerkfreien Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, sie verfüge jedoch über keine Anmeldebescheinigung. Diese sei ausschließlich zum Zweck der Ausübung der illegalen Prostitution ins Bundesgebiet eingereist, um sich ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen; sie sei nicht im Besitz eines aktuellen Gesundheitszeugnisses und habe die Vorschriften des Kärntner Prostitutionsgesetzes, des Pandemiegesetzes und des Meldegesetzes missachtet. Dieses Verhalten stelle eine erhebliche, tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar, welches das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz der Volksgesundheit und Verhinderung schwerer ansteckender Krankheiten berühre. Die Beschwerdeführerin habe keine familiären oder privaten Bindungen in Österreich. Aufgrund ihres bisherigen Verhaltens und der damit einhergehenden negativen Zukunftsprognose sei die sofortige Ausreise der Beschwerdeführerin im Sinn der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten.

Gegen diesen, von der Beschwerdeführerin am 28.11.2020 übernommenen, Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch die damals bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation am 07.12.2020 Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei am 28.10.2020 nach Österreich eingereist, nachdem sie zuvor in Deutschland der legalen Prostitution nachgegangen wäre, um ihren dringend notwendigen Lebensunterhalt zu finanzieren. Infolge der pandemiebedingten Schließung einschlägiger Lokale sowohl in Deutschland als auch in Österreich habe die Beschwerdeführerin am 18.11.2020 begonnen, ihre Dienstleistungen auf einer Internetplattform anzubieten, ohne dass ihr die Illegalität bewusst gewesen wäre. Verwiesen wurde auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 07.05.2014, 2013/22/0233, und vom 07.12.2012, 2012/18/0098. Im gegenständlichen Fall gründe sich das erlassene Aufenthaltsverbot gegen die unbescholtene Beschwerdeführerin lediglich auf eine polizeiliche Betretung. Insgesamt sei aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin, welche beabsichtigt hätte, legal in Österreich als Prostituierte tätig zu sein und sich zur Rückkehr nach Rumänien bereit gezeigt hätte, nicht abzuleiten, dass diese weiterhin Prostitution ausüben werde, ohne ihrer Verpflichtung zur ärztlichen Untersuchung nachzukommen und es stelle ihr Verhalten keine gegenwärtige und tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen.

Am 03.12.2020 wurde die Beschwerdeführerin, über welche mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2020 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet worden war, auf dem Landweg nach Rumänien abgeschoben.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA am 30.12.2020 vorgelegt und sind am 08.01.2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

In einer zugleich übermittelten Stellungnahme vom 30.12.2020 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Beschwerdevorbringen aus, dass das Ausüben der illegalen Prostitution ohne Gesundheitszeugnis in Form der illegalen Wohnungsprostitution in Zeiten der Pandemie jedenfalls eine Gefährdung darstelle; das vorgebrachte mangelnde Bewusstsein über die Illegalität dieser Tätigkeit sei aufgrund der Vorerfahrung der Beschwerdeführerin in der legalen Prostitution sowie angesichts der ihr bekannten Schließung der offiziellen Bordelle in Deutschland und Österreich als Schutzbehauptung zu werten. Die sofortige Ausreise sei erforderlich gewesen, da aus den Angaben der Beschwerdeführerin abzuleiten sei, dass sie aus finanziellen Gründen weiterhin der illegalen Prostitution nachgegangen wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin führt die im Spruch ersichtlichen Personalien und ist rumänische Staatsangehörige (Kopie des rumänischen Personalausweises, AS 7).

Die Beschwerdeführerin reiste am 28.10.2020 von Deutschland kommend in das Bundesgebiet ein und hielt sich in der Folge durchgehend hier auf. Die Beschwerdeführerin erklärte, zwecks Ausübung der Prostitution ins Bundesgebiet eingereist zu sein, finanzielle Probleme zu haben und durch illegale Prostitution ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Spätestens seit dem 18.11.2020 ging sie im Bundesgebiet der illegalen Wohnungsprostitution nach ohne im Besitz eines Gesundheitsausweises gewesen zu sein. Angesichts der Schließung behördlich bewilligter Bordelle in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie hat die Beschwerdeführerin zu diesem Zweck gemeinsam mit einer weiteren Frau ein Appartement im Bundesgebiet angemietet. (Niederschrift der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.11.2020, AS 18 f; Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 26.11.2020, AS 4).

Die Beschwerdeführerin wurde am 26.11.2020 im Bundesgebiet im Zuge einer Schwerpunktkontrolle durch das Landeskriminalamt XXXX bei der Ausübung der illegalen Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle betreten und nach dem Kärntner Prostitutionsgesetz zur Anzeige gebracht (Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 26.11.2020, AS 1-6).

Von 28.10.2020 bis 03.11.2020 war die Beschwerdeführerin mit einem Nebenwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Ab dem 04.11.2020 bis zu ihrem Aufgriff am 26.11.2020 hielt sich die Beschwerdeführerin unangemeldet im Bundesgebiet auf. Am 27.11.2020 wurde über die Beschwerdeführerin die Schubhaft verhängt. Von 30.11.2020 bis 03.12.2020 war die Beschwerdeführerin in einem Polizeianhaltezentrum mit Hauptwohnsitz gemeldet (Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 21.01.2021). Am 03.12.2020 wurde diese auf dem Landweg nach Rumänien abgeschoben (Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister vom 21.01.2021).

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten (Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich vom 21.01.2021).

Die Beschwerdeführerin ging im Bundesgebiet nie einer erlaubten Erwerbstätigkeit nach und war nicht zur Sozialversicherung angemeldet.

Die ledige und kinderlose Beschwerdeführerin hat keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Ihre Familie lebt in Rumänien (Niederschrift der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.11.2020, AS 19).

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Rumänien sowie in Österreich beruhen auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin. Das Bundesverwaltungsgericht holte zudem Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und aus dem Strafregister der Republik Österreich ein.

Die Feststellung zur Ausübung der illegalen Prostitution im Bundesgebiet beruht auf den im Verwaltungsakt ersichtlichen und inhaltlich unbestritten gebliebenen Aktenteilen sowie den dahingehenden Angaben der Beschwerdeführerin, welche anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesamt ausdrücklich einräumte, in XXXX seit 18.11.2020 der illegalen Prostitution nachgegangen zu sein und über keinen Gesundheitsausweis verfügt zu haben.

Insgesamt ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin überhaupt keine Kenntnis darüber hatte, dass die Ausübung der Prostitution gesetzlichen Bestimmungen unterliegt, zu deren Einhaltung sie verpflichtet ist, zumal diese eigenen Angaben zufolge bereits im Vorfeld der Einreise in Deutschland der (legalen) Prostitution nachgegangen wäre, sodass ihr das grundsätzliche Bestehen gesetzlicher Rahmenbedingungen sowie insbesondere das Erfordernis eines Gesundheitsausweises hätte bekannt sein müssen; im Übrigen hat diese die illegale Wohnungsprostitution gerade deshalb ausgeübt, da behördlich bewilligte Bordelle im fraglichen Zeitpunkt aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie geschlossen gewesen sind und zu diesem Zweck gemeinsamen mit einer weiteren Frau ein Appartement über Booking.com gebucht, sodass auch insofern von einem Bewusstsein darüber, dass diese Vorgehensweise nicht im Einklang mit staatlichen Rahmenbedingungen steht, auszugehen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.“

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 Abs. 1 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1.       ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2.       er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Zu Spruchteil A):

Von der Beschwerdeführerin ist die Voraussetzung eines Aufenthalts im Bundesgebiet seit fünf bzw. zehn Jahren nicht erfüllt, daher kommt für diese der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014,
Ro 2014/21/0039).

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen,
BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr. 591/1993, (Prostitutionsverordnung) haben sich Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht treiben, vor Beginn dieser Tätigkeit sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen.

Die diesbezügliche Strafnorm ist § 12 Geschlechtskrankheitengesetz.

Gemäß 4 Abs. 2 AIDS-Gesetz haben neben den nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, und auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen vorgeschriebenen Untersuchungen sich Personen vor der Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen. Darüber hinaus haben sich Personen, die Tätigkeiten im Sinne des Abs. 1 ausüben, periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

§ 9 Abs. 1 AIDS-Gesetz lautet:

„Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen, wer

1.       entgegen § 4 Abs. 1 gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt;

2.       gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs. 2 zu unterziehen.“

Strafgerichtliche Verurteilungen liegen hinsichtlich der Beschwerdeführerin nicht vor. Sie ist jedoch im Bundesgebiet der Prostitution nachgegangen, ohne sich der hierfür erforderlichen amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin war im relevanten Zeitraum zudem unangemeldet und es stand die 463. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19 getroffen werden (COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – COVID-19-SchuMaV), in Geltung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat (zum Wiener ProstG) ausgeführt, dass ein Unterlassen der geforderten regelmäßigen ärztlichen Untersuchung eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet der die Prostitution regelnden Vorschriften sowie auf dem Gebiet des Gesundheitswesens darstellt. Unterlässt es eine Fremde, die der Prostitution nachgeht, sich den erforderlichen ärztlichen Untersuchungen zu unterziehen, so wird damit ein Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung ansteckender und zum Tod führender Krankheiten verletzt, sofern sich aus dem gesamten Fehlverhalten der Fremden ableiten lässt, dass sie weiterhin die Prostitution ausüben wird, ohne ihrer Verpflichtung zu einer amtsärztlichen Untersuchung nachzukommen, was grundsätzlich die Annahme einer Gefährdung iSd § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG idF FrÄG 2011 rechtfertige (VwGH 07.11.2012, 2012/18/0098; VwGH 15.04.2014, 2013/22/0233, mwN).

Darüber hinaus trifft es zu, dass Verstöße gegen Bestimmungen, die den Zweck haben, die Verbreitung von Aids zu verhindern, das Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung ansteckender und zum Tod führender Krankheiten berühren (VwGH 09.10.2001, 99/21/0125).

Es bedarf in Sinne des § 67 Abs. 1 FPG eines solchen persönlichen Verhaltens der Fremden, welches eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Die Beschwerdeführerin entzog sich durch ihr Verhalten nicht nur der behördlichen Kontrollmöglichkeit, sondern nahm auch von den sehr wesentlichen amtsärztlichen Untersuchungen Abstand. Ihr Verhalten ist daher - wenn auch nicht taxativ aufgezählt - dem § 67 FPG zuzuordnen. Dabei ist nochmals auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach mit dem Unterlassen der entsprechenden Untersuchungspflicht eine tatsächliche und erhebliche Gefahr im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG verbunden ist.

Die Beschwerdeführerin ist zum Zweck der Ausübung von Prostitution ins Bundesgebiet eingereist und finanzierte ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch diese Tätigkeit. Eigenen Angaben zufolge ging sie der Prostitution aus einer prekären finanziellen Lage heraus nach, um Geld zu ihrer in Rumänien lebenden Herkunftsfamilie schicken zu können, sodass begründet davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin ihr Verhalten auf umstimmte Zeit fortzusetzen beabsichtigte. Angesichts des von der Beschwerdeführerin gezeigten Verhaltens liegt es unter Berücksichtigung des von ihr genannten Aufenthaltszwecks und der finanziellen Situation nahe, dass diese die Prostitution weiterhin unter Umgehung der Gesetze ausüben wird, wodurch auch die Gegenwärtigkeit der Gefahr zu bejahen ist.

Der belangten Behörde ist sohin nicht entgegenzutreten, wenn diese im konkreten Verhalten der Beschwerdeführerin eine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erkennt.

Unter Bedachtnahme auf die Gesamtheit des von der Beschwerdeführerin gesetzten Verhaltens kann eine Prognosebeurteilung im Entscheidungszeitpunkt nicht für ein künftig zu erwartendes Wohlverhalten der Beschwerdeführerin sprechen.

Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin an ihrem Verbleib im Bundesgebiet mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet wurden nicht vorgebracht. Eine Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht liegt ebenfalls nicht vor, zumal die Beschwerdeführerin lediglich für die vergleichsweise kurze Dauer von einem Monat im Bundesgebiet aufhältig gewesen ist und ihr Aufenthalt ausschließlich zwecks Ausübung der illegalen Prostitution erfolgte. Darüberhinausgehende persönliche Interessen an einem Aufenthalt im Bundesgebiet wurden von der Beschwerdeführerin nicht genannt. Allfällige private Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet vermögen die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, das dem Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten und HIV dient, nicht zu überwiegen.

Zur verhängten Dauer des Aufenthaltsverbotes ist Folgendes anzuführen:

Es liegt angesichts der Ausübung der Prostitution unter Verletzung der diesbezüglichen Rahmenbedingungen während eines unangemeldeten Aufenthalts ein maßgebliches Fehlverhalten vor. Dieses Fehlverhalten ist jedoch wiederum vor den konkreten Umständen zu beurteilen: die Beschwerdeführerin hat sich nicht an die entsprechenden Normen und Regelungen zur Ausübung der Prostitution gehalten, zeigte sich jedoch anlässlich ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einsichtig und wirkte am Verfahren mit. Da ein lediglich kurzer Aufenthalt im Bundesgebiet vorlag, es sich um den ersten festgestellten Verstoß der Beschwerdeführerin gegen die Rechtsordnung handelte und eine rechtskräftige Bestrafung nicht aktenkundig ist, erweist sich die von der Behörde ausgesprochene (Maximal-)Dauer des Aufenthalts von fünf Jahren als zu hoch. Es besteht im Entscheidungszeitpunkt, wie dargelegt, eine Gefährdung. Vor dem konkreten Hintergrund war im Entscheidungszeitpunkt angesichts der gegenständlichen Umstände davon auszugehen, dass mit Ablauf der nunmehrigen kürzeren Zeitspanne keine Gefahr im Sinne des FPG mehr von der Beschwerdeführerin ausgeht.

Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides (Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung):

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn diese davon ausging, dass die sofortige Ausreise der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gelegen hat. Wie angesprochen, war die Beschwerdeführerin erst wenige Wochen zuvor zwecks Ausübung der (illegalen) Prostitution ins Bundesgebiet eingereist, besaß keine sonstigen Anknüpfungspunkte zu Österreich, war zuletzt unangemeldet hier aufhältig und erklärte selbst, dass sie sich anlässlich ihrer prekären finanziellen Lage zur Ausübung der Prostitution veranlasst sah. Insofern war eine Änderung des gesetzwidrigen Verhaltens aufgrund des konkreten Sachverhalts und der wirtschaftlichen Situation der Beschwerdeführerin nicht zu erwarten und davon auszugehen, dass sie beim Verbleib im Bundesgebiet weiterhin die gesetzlich verbotene Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle, unter hinzutretender Missachtung der Verpflichtung zu gesundheitlichen Untersuchungen, ausüben würde.

Ein die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen iSd. § 18 Abs. 5 BFA-VG rechtfertigender Sachverhalt ist weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren substantiiert vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen.

Aus diesem Grund war die sofortige Ausreise der Beschwerdeführerin geboten und die Beschwerde im Hinblick auf Spruchpunkt II. und III. des bekämpften Bescheides abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Beschwerdeführerin hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4
B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Vielmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Erstellung der Gefährdungsprognose der Beschwerdeführerin sowie auch bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und diese - soweit erforderlich - auch in der Entscheidungsbegründung zitiert. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

ärztliche Untersuchung Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall EWR-Bürger Gefährdungsprognose Herabsetzung illegale Prostitution Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Pandemie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W285.2238402.1.00

Im RIS seit

22.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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