TE Vwgh Beschluss 2021/9/6 Ra 2020/14/0354

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Veröffentlicht am 06.09.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3R E19104000
E6J
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §5 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
EURallg
VwGG §33 Abs1
32013R0604 Dublin-III Art29 Abs1
32013R0604 Dublin-III Art29 Abs2
62016CJ0201 Shiri VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des A B, vertreten durch Mag. Martin Sauseng, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juli 2020, W123 2204395-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht einen Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) vollinhaltlich ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Weiters sprach es aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.

2        Dagegen brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein, in welcher er der Sache nach ausschließlich die Verletzung in seinem Recht auf Gewährung von internationalem Schutz geltend macht.

3        Nach Vorlage der Revision teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass der Revisionswerber das Bundesgebiet verlassen habe und am 2. August 2020 in Deutschland aufgegriffen worden sei. Er habe dann einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dem Wiederaufnahmeersuchen der deutschen Behörden nach der Dublin-III-Verordnung hätten die österreichischen Behörden am 5. August 2020 ausdrücklich zugestimmt. Es sei jedoch innerhalb der Überstellungsfrist keine Überstellung erfolgt, sodass die Zuständigkeit auf Deutschland übergegangen sei.

4        Dem Revisionswerber wurde vom Verwaltungsgerichtshof Gelegenheit gegeben, zu dieser Mitteilung und zur Frage Stellung zu nehmen, ob noch ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung über die vorliegende Revision besteht. Eine derartige Stellungnahme wurde nicht erstattet.

5        Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist die Revision, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, nach Anhörung des Revisionswerbers mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (VwGH 1.4.2021, Ra 2020/14/0286, mwN).

6        Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen. Der Verwaltungsgerichtshof ist, wenn er zur Erkenntnis gelangt, dass der Revisionswerber durch die angefochtene Entscheidung unabhängig von der Frage ihrer Gesetzmäßigkeit in seinem Recht nicht verletzt sein kann, zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht berufen (VwGH 30.7.2021, Ra 2020/01/0219 und 0220, mwN).

7        Dies gilt auch im vorliegenden Fall der freiwilligen Ausreise in einen anderen Mitgliedstaat samt dortiger Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz und Übergang der Zuständigkeit auf diesen Mitgliedstaat gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung (vgl. erneut VwGH 30.7.2021, Ra 2020/01/0219 und 0220).

8        Weil nämlich nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung die Zuständigkeit von Rechts wegen auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, sofern die Überstellung nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung festgelegten sechsmonatigen Frist durchgeführt wird (vgl. etwa VwGH 16.5.2019, Ra 2018/21/0173, mwN, unter Hinweis auf EuGH 25.10.2017, C-201/16, Shiri), hätte das Bundesverwaltungsgericht im Falle der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im fortgesetzten Verfahren die abweisende Entscheidung über den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz aufgrund der nunmehr gegebenen Zuständigkeit Deutschlands in eine Zurückweisung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 abzuändern.

9        Die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten käme hingegen nicht mehr in Betracht. Weil der Revisionswerber auch sonst nicht aufgezeigt hat, inwiefern er durch das angefochtene Erkenntnis weiterhin in seinen Rechten verletzt sei, ist von einem Wegfall seines rechtlichen Interesses an der Entscheidung über seine Revision auszugehen.

10       Die Revision war daher als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren unter sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

11       Ein Aufwandersatz findet gemäß § 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG nicht statt.

Wien, am 6. September 2021

Gerichtsentscheidung

EuGH 62016CJ0201 Shiri VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140354.L00

Im RIS seit

24.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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