TE Vwgh Beschluss 2021/9/8 Ra 2021/20/0324

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/20/0325
Ra 2021/20/0326
Ra 2021/20/0327

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des R Y, 2. der R Z, 3. der E Y, und 4. des A Y, alle in E, alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen Spruchpunkt A) I. der am 21. Oktober 2020 mündlich verkündeten und mit 29. März 2021 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts, 1. W251 2201042-1/22E, 2. W251 2201047-1/22E, 3. W251 2001040-1/21E und 4. W251 2200986-1/21E, jeweils betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern der in den Jahren 2012 und 2015 geborenen weiteren revisionswerbenden Parteien. Alle sind Staatsangehörige von Afghanistan. Sie stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 1. Jänner 2016 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden je vom 12. Juni 2018 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte jeweils fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit den am 21. Oktober 2020 durch mündliche Verkündung erlassenen Erkenntnissen, soweit mit den angefochtenen Bescheiden den revisionswerbenden Parteien die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten versagt worden war, ab. Allerdings wurde den Beschwerden insofern stattgegeben, als der Drittrevisionswerberin und dem Viertrevisionswerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 sowie dem Erstrevisionswerber und der Zweitrevisionswerberin gemäß § 34 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 21. Oktober 2021 erteilt wurde. Die weiteren in den Bescheiden vom 12. Juni 2018 enthaltenen, von der Versagung von subsidiärem Schutz rechtlich abhängenden Aussprüche wurden ersatzlos behoben. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig sei.

4        Die Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof gegen die Versagung der Zuerkennung von Asyl gerichteten Beschwerden wurde von diesem mit Beschluss vom 22. Juni 2021, E 1910-1913/2021-5, abgelehnt und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die revisionswerbenden Parteien machen zur Zulässigkeit ihrer Revisionen geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend von Amts wegen ermittelt. Es habe die Richtigkeit des Fluchtvorbringens nicht durch Recherche im Herkunftsstaat überprüft. Die von ihm den Entscheidungen zugrunde gelegten Berichte zur Lage im Heimatland der revisionswerbenden Parteien seien veraltet gewesen.

9        Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 15.3.2021, Ra 2021/20/0043, mwN). Die revisionswerbenden Parteien zeigen nicht auf, weshalb dies in den vorliegenden Fällen gegeben wäre.

10       Im Übrigen entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein allgemeines Recht auf fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht (vgl. etwa VwGH 25.5.2021, Ra 2021/20/0163, mwN).

11       Weiters muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes immer dann, wenn - wie hier - in einer Revision Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 4.8.2021, Ra 2021/20/0180, mwN). Diesen Anforderungen werden die Revisionen mit der bloß allgemeinen Rüge der Verfahrensmängel in der Zulassungsbegründung nicht gerecht. Der Verweis auf die Revisionsgründe vermag die erforderliche gesonderte Darlegung der Zulässigkeit der Revisionen nicht zu ersetzen (vgl. nochmals VwGH Ra 2021/20/0180, mwN).

12       Der Vollständigkeit halber sei aber auch erwähnt, dass auch in den Revisionsgründen die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht dargetan wird.

13       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führt nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, dazu, dass ihr deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. etwa VwGH 11.2.2021, Ra 2021/20/0026 bis 0029, mwN). Dass im Fall der Zweitrevisionswerberin eine solche Änderung vorläge, die zur Gewährung von Asyl hätte führen können, geht aber aus den Ausführungen der revisionswerbenden Parteien nicht hervor.

14       Im Zusammenhang mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die im Revisionsverfahren vorzunehmende Überprüfung der angefochtenen Erkenntnisse - mangels Vorliegens einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Verletzung von Verfahrensvorschriften - auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts stattzufinden hatte (§ 41 erster Satz VwGG) und sich daher für diese Überprüfung der Zeitpunkt der Erlassung dieser Erkenntnisse (21. Oktober 2020) - insbesondere auch die damit festgestellte, zu dieser Zeit gegebene Situation im Herkunftsland - als maßgeblich dargestellt hat (vgl. VwGH 9.2.2021, Ra 2020/19/0185).

15       Von den revisionswerbenden Parteien werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200324.L00

Im RIS seit

24.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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