TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/9 LVwG-AV-1041/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2021
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Entscheidungsdatum

09.07.2021

Norm

FSG 1997 §8
FSG 1997 §24 Abs1
FSG 1997 §24 Abs4
ZustG §7
ZustG §17 Abs1
ZustG §17 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Mag. Schnabl über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 11.03.2021, GZ. ***, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung nach dem Führerscheingesetz (FSG), zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021, GZ. ***, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bis spätestens 28.02.2021 einen entsprechenden Befund eines Facharztes für Innere Medizin und einen Befund eines Facharztes für Psychiatrie vorzulegen, damit der Amtsarzt ein ärztliches Gutachten

über die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken der Kraftfahrzeuge der Klassen AM und B erstellen könne.

Begründend führte dazu die Bezirkshauptmannschaft Horn zusammengefasst aus, dass einem Bericht der Polizeiinspektion *** vom 03.01.2020 zufolge Bedenken bestehen würden, ob beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch gegeben seien. Der Beschwerdeführer sei daher vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Gmünd mit Schreiben vom 21.01.2020 zu einer amtsärztlichen Untersuchung vorgeladen und am 05.02.2020 untersucht worden. Dabei habe der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Gmünd zur Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens die Vorlage eines entsprechenden Befundes eines Facharztes für Innere Medizin und eines Befundes eines Facharztes für Psychiatrie für notwendig erachtet. Diese Unterlagen habe der Beschwerdeführer bis dato nicht vorgelegt, woraufhin auf Grund dessen der Amtsarzt ersucht habe, die Vorlage mittels Bescheides vorzuschreiben. Auf Grund der Verlegung des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers nach *** sei dieses Gutachten nunmehr vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Horn zu erstellen.

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 11.03.2021, GZ. ***, wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge AM und B bis zur Vorlage des vom Amtsarzt geforderten Facharztbefundes für Innere Medizin und eines Befundes eines Facharztes für Psychiatrie entzogen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde ausgeschlossen.

Begründend führte dazu die Bezirkshauptmannschaft Horn zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 aufgefordert worden wäre, bis spätestens 28.02.2021 Facharztbefunde für Innere Medizin und Psychiatrie vorzulegen. Da die Befundvorlage nicht rechtzeitig erfolgt sei, habe nunmehr dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung entzogen werden müssen. Um zudem zu verhindern, dass jemand am Straßenverkehr teilnehme, der die vom Amtsarzt geforderten Befunde nicht beibringe und so sich der Überprüfung seiner gesundheitlichen Eignung entziehe, sei die vorzeitige Vollstreckung dieses Bescheides im Interesse der Verkehrssicherheit und somit im öffentlichen Interesse wegen Gefahr im Verzug dringend geboten.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In seiner gegen diese beiden Bescheide erhobenen Beschwerde vom 04.05.2021 beantragte der Beschwerdeführer bezogen auf den Bescheid vom 11.03.2021 eindeutig erkennbar dessen ersatzlose Aufhebung.

Begründend führte dazu der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe erst am 30.04.2021 durch Übermittlung der Bescheide von seinem Makler Herrn B erfahren habe, zumal er seit Anfang Februar in Polen sei und bis zum Ende des Lockdowns und seiner Arthrosetherapie wieder nach Österreich zurückkehre. Der Beschwerdeführer fühle sich insgesamt von Behörden und Polizei ungerecht behandelt, so auch die verfahrenseinleitende Meldung der Polizei vom Februar 2020 betreffend. Der Beschwerdeführer habe den Termin beim Amtsarzt am 05.02.2020 wahrgenommen und habe der Amtsarzt ihm mitgeteilt, dass er für seine Untersuchung seinerseits Untersuchungen vom Internisten und Psychiater benötige. Der Amtsarzt habe auch darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer dagegen zur Wehr setzen könne, wenn er die schriftliche Aufforderung bekomme.

Die psychische Gesundheit des Beschwerdeführers sei bereits gerichtlich und durch einen Psychologen festgestellt worden. Eine schriftliche Aufforderung vom Amtsarzt habe der Beschwerdeführer in weiterer Folge nicht bekommen.

Tatsächlich seien gegenüber dem Beschwerdeführer ärztliche Fehlbehandlungen passiert, wogegen er sich zur Wehr setze, was man zum Anlass genommen habe, den Beschwerdeführer als psychisch krank zu beurteilen. Insgesamt hoffe der Beschwerdeführer auf eine neue Untersuchung und eine gerechte Lösung.

Mit weiterem Schreiben vom 07.05.2021 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass beide Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 und vom 11.03.2021 rechtswidrig seien, weil der Beschwerdeführer keine schriftliche Aufforderung von der Bezirkshauptmannschaft Gmünd erhalten habe. Auch die nunmehrige Vermutung, dass der Beschwerdeführer zum Lenken von Fahrzeugen nicht mehr geeignet sei, sei eine Verleumdung. Es sei gerichtlich und psychologisch bereits festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer gesund sei.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 11.05.2021 legte die Bezirkshauptmannschaft Horn dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Verwaltungsakt zur GZ. *** mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde vor, dies mit der Mitteilung, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung kein Gebrauch gemacht werde.

Mit Schreiben vom 20.05.2021 forderte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Beschwerdeführer auf, bekanntzugeben, welches Schriftstück ihm am 30.04.2021 konkret übermittelt wurde, bekanntzugeben, seit wann sich der Beschwerdeführer konkret in Polen befinde, ob er nach wie vor dort aufhältig sei, ob sein dortiger Aufenthalt dort durchgehend gewesen sei und wann er wieder nach Österreich zurückkehre, bekanntzugeben, ob und wann ihm der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 tatsächlich zugekommen sei und für sein gesamtes Vorbringen sämtliche ihm zur Verfügung stehenden geeigneten Nachweise zu ermitteln bzw. Beweisanträge zu stellen.

Mit Schreiben vom 04.06.2021 brachte dazu der Beschwerdeführer vor, dass er am 30.04.2021 von Herrn B zwei Schriftstücke, nämlich beide Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 und 11.03.2021, erhalten habe. Er sei seit Anfang Februar durchgehend in Polen und werde nach Österreich erst nach dem Ende seiner Kur zurückkommen. Dazu legte der Beschwerdeführer ein Konvolut von Unterlagen vor.

Mit weiterem Schreiben vom 06.06.2021 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen vor und beschwerte sich der Beschwerdeführer über die an ihn aus seiner Sicht ungerechtfertigt ergangenen Angriffe der Behörden, sowie darüber, dass man als Querulant und psychisch krank gelte, wenn man sich dagegen wehre. Er ersuche jetzt um eine gerechte Beurteilung und betonte abermals, einen Bescheid von der Bezirkshauptmannschaft Gmünd nie erhalten zu haben.

Mit Schreiben vom 11.06.2021 leitete das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich diese Schreiben und Unterlagen des Beschwerdeführers der Bezirkshauptmannschaft Horn zur Wahrung deren rechtlichen Gehörs weiter, dies unter Einräumung einer Frist bis zum 29.06.2021, dazu ergänzend Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 29.06.2021 nahm die Bezirkshauptmannschaft Horn dahingehend Stellung, dass der bisherige Verfahrensgang laut Aktenlage nochmals wiedergegeben wurde.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Bezirkshauptmannschaft Horn vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einholung der angesprochenen Stellungnahmen des Beschwerdeführers und der Bezirkshauptmannschaft Horn.

4.   Feststellungen:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021, GZ. ***, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bis spätestens 28.02.2021 einen entsprechenden Befund eines Facharztes für Innere Medizin und einen Befund eines Facharztes für Psychiatrie gemäß § 24 Abs. 4 FSG vorzulegen, damit der Amtsarzt ein ärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen AM und B erstellen kann.

Dieser Bescheid wurde an die Adresse ***, ***, adressiert und mangels Antreffens des Beschwerdeführers beim Zustellversuch am 09.02.2021 mit Beginn der Abholfrist am 10.02.2021 beim zuständigen Postamt in *** hinterlegt.

Der Beschwerdeführer ist seit 27.11.2020 und auch bis dato an eben dieser Adresse hauptwohnsitzgemeldet, jedoch tatsächlich bereits seit Anfang Februar 2021 bis dato durchgehend in Polen aufhältig.

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 11.03.2021, GZ. ***, wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen AM und B bis zur Vorlage des vom Amtsarzt geforderten Facharztbefundes für Innere Medizin und eines Befundes eines Facharztes für Psychiatrie entzogen, da der Beschwerdeführer die Befundvorlage entsprechend des nach Ansicht der Behörde rechtskräftigen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 nicht rechtzeitig vorgelegt habe.

Auch dieser Bescheid wurde an die Adresse in *** adressiert und wurde der Bescheid am 15.03.2021 mangels Antreffens des Beschwerdeführers mit Beginn der Abholfrist am 16.03.2021 beim zuständigen Postamt in *** wiederum hinterlegt.

Nachdem von einem Bekannten des Beschwerdeführers diese Bescheide abgeholt und dem Beschwerdeführer nach Polen geschickt wurden, erlangte der Beschwerdeführer erst am 30.04.2021 von eben diesen Bescheiden erstmalig Kenntnis. Mit Telefax vom 04.05.2021 an die Bezirkshauptmannschaft Horn erhob der Beschwerdeführer daraufhin gegen beide Bescheide jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde.

5.   Beweiswürdigung:

Sämtliche Feststellungen betreffend die angesprochenen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Horn und deren jeweiligen Zustellversuchen bzw. deren Hinterlegung ergeben sich aus den entsprechenden Bescheiden selbst sowie den jeweils diesen angeschlossenen und im Verwaltungsakt erliegenden Zustellnachweisen.

Unstrittig ist und ergibt sich auch aus der eingeholten Auskunft aus dem Zentralen Melderegister, dass es sich um die jeweilige Zustelladresse der Bescheide um die damalige und auch heutige hauptwohnsitzgemeldete Adresse des Beschwerdeführers handelt.

Vom Beschwerdeführer wurde nunmehr eingewendet, dass er beide Bescheide erst am 30.04.2021 durch Übersendung eines Bekannten erhalten habe, zumal sich der Beschwerdeführer seit Anfang Februar 2021 durchgehend und bis dato in Polen aufhalte, demnach an seiner hauptwohnsitzgemeldeten Wohnadresse in *** seit Anfang Februar 2021 nicht mehr aufhältig gewesen wäre. Dazu wurden im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Fragen an den Beschwerdeführer übermittelt, die von diesem schlüssig und nachvollziehbar und insbesondere mit der sonstigen Aktenlage übereinstimmend in Sinne seines bisherigen Beschwerdevorbringens beantwortet wurden.

Im Konkreten konnte der Beschwerdeführer bei keinem der Zustellversuche beider Bescheide an der hauptwohnsitzgemeldeten Wohnadresse angetroffen werden und ergibt sich aus einem Bericht der Polizeiinspektion *** vom 24.04.2021, dass von der Polizei mehrmals seit Ende März 2021 an der angeführten Adresse Nachschau gehalten wurde und die Erhebungen ergeben haben, dass der Beschwerdeführer eben seit längerem in seinem Heimatland Polen aufhältig ist. Ebendies wurde auch von der Bezirkshauptmannschaft Horn zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt, insbesondere von der belangten Behörde auch nicht im Beschwerdeverfahren im Rahmen der ergänzenden Stellungnahme vom 29.06.2021 bestritten. In dieser Stellungnahme wurde lediglich der bisherige Verfahrensgang nochmals entsprechend der Aktenlage wiedergegeben, nicht aber auf die Fragestellungen des erkennenden Gerichtes an den Beschwerdeführer und deren Beantwortung eingegangen. Es war somit den diesbezüglichen glaubhaften und mit der Aktenlage vollständig in Übereinstimmung stehenden Ausführungen des Beschwerdeführers zu folgen.

6.   Rechtslage:

Folgende Bestimmungen sind im gegenständlichen Beschwerdeverfahren von Relevanz:

§ 7 Abs. 4 erster Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG):

„(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. (…)“

§ 2 Z 1, 3 und 4 Zustellgesetz (ZustellG):

„Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

         1.       „Empfänger“: die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person;

         (…)

         3.       „Zustelladresse“: eine Abgabestelle (Z 4) oder elektronische Zustelladresse (Z 5);

         4.       „Abgabestelle“: die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;

(…)

§ 7 ZustellG:

„Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

§ 13 Abs. 1 ZustellG:

„(1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.“

§ 17 Abs. 1 bis 3 ZustellG:

„(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.“

§ 3 Abs. 1 Führerscheingesetz (FSG):

„(1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

         1.       das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),

         2.       verkehrszuverlässig sind (§ 7),

         3.       gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

         4.       fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und

         5.       den Nachweis erbracht haben, in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall oder, für die Lenkberechtigung für die Klasse D, in Erster Hilfe unterwiesen worden zu sein.“

§ 8 Abs. 1 und 2 FSG:

„(1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen. Die militärärztliche Feststellung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einer oder mehrerer Gruppe(n) gilt für die Dauer von 18 Monaten ab ihrer Ausstellung auch als solches ärztliches Gutachten.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.“

§ 24 Abs. 1 und 4 FSG:

„(1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

         1.       die Lenkberechtigung zu entziehen oder

         2.       die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A1, A2, A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

         1.       um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

         2.       um eine Entziehung der Klasse A mangels gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs. 3 Z 7 besitzt.

(…)

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.“

7.   Erwägungen:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes und der zitierten gesetzlichen Bestimmungen in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:

Voraussetzung für eine „Formalentziehung“ gemäß § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG ist unter anderem, dass der Betreffende der festgesetzten Frist der Aufforderung, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, keine Folge leistet. Zweck dieser Bestimmung ist es, in weiterer Folge die notwendige Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG zu gewährleisten, wenn Bedenken bestehen, ob die gesundheitliche Eignung des Betreffenden im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 3 FSG noch gegeben ist.

Die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG setzt jedoch insbesondere die Rechtskraft des Bezug habenden Aufforderungsbescheides voraus und ist demnach vor einer Entziehung einer Lenkberechtigung nach dieser Gesetzesstelle lediglich zu prüfen, ob der betreffende Aufforderungsbescheid in Rechtskraft erwachsen ist und – nach Ablauf der in diesem Bescheid festgesetzten Frist – bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides die Aufforderung befolgt wurde oder nicht. Die Rechtmäßigkeit des rechtskräftigen Aufforderungsbescheides selbst kann im Entziehungsverfahren nicht mehr überprüft werden (siehe dazu VwGH 15.05.2007, 2006/11/0272 mwN).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nun dazu, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Aufforderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 10.02.2021 unter seiner hauptwohnsitzgemeldeten Adresse zugestellt wurde, dies wie ebenso der hier angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 11.03.2021 ebenso durch Hinterlegung am 15.03.2021 mit Beginn der Abholfrist am 16.03.2021 zugestellt wurde. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich aber auch, dass der Beschwerdeführer bereits seit Anfang 2021 nicht mehr an eben dieser hauptwohnsitzgemeldeten Adresse aufhältig war und ist, sondern in Polen lebt.

Eine Hinterlegung hat gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz die Wirkung der Zustellung, dies jedoch nur unter der Voraussetzung des § 17 Abs. 1 Zustellgesetz, wonach der Zusteller Grund zur Annahme haben muss, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. „Abgabestelle“ im Sinne des § 2 Z 4 Zustellgesetz ist unter anderem die Wohnung, wobei unter einer „Wohnung“ jene Räumlichkeit zu verstehen ist, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt. Der dazu erforderliche regelmäßige Aufenthalt des Empfängers ist dabei nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerseits subjektiv geboten haben, sowie ohne Rücksicht auf die Absichten des Empfängers. Eine „Wohnung“ wird durch das Faktum des (regelmäßigen) Bewohntwerdens begründet (vgl. VwGH 26.11.2008, 2005/08/0089).

Zumal sich der Beschwerdeführer eben seit Anfang Februar 2021 und somit auch zum Zeitpunkt beider Zustellversuche der beiden Bescheide nicht und demnach auch nicht regelmäßig in seiner Wohnung und demnach an der Zustelladresse aufgehalten hat, erweisen sich beide Zustellungen beider hier relevanten Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 und 11.03.2021 als rechtswidrig.

Gemäß § 7 Zustellgesetz gilt jedoch, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, dennoch die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Ebendies geschah unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes erst am 30.04.2021, womit zu diesem Zeitpunkt die Zustellung beider Bescheide als erfolgt anzunehmen ist und daher rechtswirksam wurde. Dies bedeutet allerdings nicht nur, dass die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 04.05.2021 gegen den hier angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 11.03.2021 als rechtzeitig im Sinne des § 7 Abs. 3 VwGVG anzusehen ist, sondern vor allem auch, dass der Aufforderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 bis heute nicht in Rechtskraft erwachsen ist, wurde doch mit der Beschwerde vom 04.05.2021 eben auch dieser Bescheid in Beschwerde gezogen.

Dies hat allerdings zur Folge, dass mangels rechtskräftigen Aufforderungsbescheides nicht die Entziehung der Lenkberechtigung erfolgen konnte und sich aus diesem Grund der Bescheid vom 11.03.2021 als rechtswidrig erweist.

Es war somit dieser Bescheid spruchgemäß ersatzlos aufzuheben.

Festzuhalten ist, dass hinsichtlich der Beschwerde vom 04.05.2021 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 05.02.2021 eine gesonderte Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zur
GZ. LVwG-AV-855/001-2021 ergehen wird.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG abzusehen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war. Zudem wurde auch von keiner der Parteien die Durchführung einer Verhandlung beantragt. Eine mündliche Erörterung hätte auch im Übrigen eine weitere Klärung der Rechtssache gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht erwarten lassen und standen einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Europäischen Union entgegen.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der gegenständlichen Entscheidung kommt insbesondere keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Lenkberechtigung; Entziehung; gesundheitliche Eignung; amtsärztliche Untersuchung; Verfahrensrecht; Zustellung; Hinterlegung; Rechtskraft;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1041.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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