TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/9 W268 2241872-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.2021
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Entscheidungsdatum

09.06.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §114 Abs1
FPG §114 Abs3
FPG §114 Abs4 Fall1
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W268 2241872-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris Gachowetz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides vom 23.03.2021, Zl. XXXX , des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsbürger, wurde am 22.07.2020 bei dem Versuch mit einem gemieteten Fahrzeug, in dem sich zehn weitere Personen befanden, über Ungarn in das Bundesgebiet einzureisen, einer Grenzkontrolle unterzogen und aufgrund des Verdachtes auf Schlepperei durch die Beamten der Grenzkontrolle vorläufig festgenommen. Am selben Tag wurde mit Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt die Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer verhängt.

2. Am 23.09.2020 wurde der Beschwerdeführer durch ein Organ des Bundesamtes zur Prüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreisverbotes niederschriftlich einvernommen.

3. Am 13.11.2020 wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt, GZ XXXX , zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 17 Monaten verurteilt. Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 04.03.2021, XXXX , wurde die verhängte Freiheitsstrafe auf 20 Monate erhöht.

4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes vom 23.03.2021 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist (Spruchpunkt III), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV), einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

5. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

6. Gegen Spruchpunkt VI des Bescheides (Einreiseverbot) wurde fristgerecht am 19.04.2021 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die BBU GmbH vorgelegt. Es wurde beantragt, das Einreiseverbot ersatzlos zu beheben, in eventu das Einreiseverbot auf das Staatsgebiet Österreich zu beschränken, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang der Anfechtung zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Darin führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, das Bundesamt hätte bei der Prüfung bzw. Bemessung des Einreiseverbotes das Privatleben des BF in anderen Mitgliedstaaten nicht ausreichend berücksichtigt. Durch das Einreiseverbot wäre der Beschwerdeführer gehindert, seine mehrjährige Arbeit in Polen wiederaufzunehmen, was angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in der Ukraine ein großes Problem für ihn darstellen würde. Die Behörde habe auch keine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des BF vorgenommen und die von ihm ausgehende Gefährdung nicht im erforderlichen Ausmaß geprüft. Da er Ersttäter sei, sei davon auszugehen, dass die Erfahrung der Freiheitstrafe ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten werde und sei eine darüberhinausgehende Gefährlichkeit des BF nicht anzunehmen. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zum Ergebnis kommt, dass die Dauer von sechs Jahren angebracht sei.

7. Die Beschwerdevorlage langte am 27.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde in Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer trägt die im Spruch ersichtlichen Personalien. Er ist Staatsangehöriger der Ukraine und im Besitz eines ukrainischen Reisepasses mit Gültigkeit bis 05.12.2024.

Der Beschwerdeführer reiste am 22.07.2020 zum Zweck der Begehung des Tatbestandes der Schlepperei in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde an der Grenze festgenommen.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz oder auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt.

Der Beschwerdeführer war in Österreich nie aufrecht gemeldet und verfügt im Bundesgebiet über keine familiären, beruflichen oder sozialen Kontakte.

Der Beschwerdeführer spricht Russisch als Muttersprache und zudem Ukrainisch und Polnisch.

Der Beschwerdeführer arbeitete vor seiner Festnahme vier Jahre in Polen als Elektrikergehilfe und war im Besitz eines polnischen Arbeitsvisums. Seine Urlaube verbrachte er in der Ukraine, wo er mit seiner Lebensgefährtin, seiner Stieftochter und seiner Schwiegermutter in einem Haushalt lebt. In der Ukraine leben zudem der Halbbruder und die Nichte des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 13.11.2020, XXXX wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Ziffer 2 und Abs. 4 erster Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 17 Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 22. und 22. Juli 2020 in Halbturn und Ungarn als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise von zehn syrischen Staatsangehörigen in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union gefördert hat, indem er diese nach dem Übertritt der rumänisch-ungarischen Grenze von Fußschleppern übernahm und als Lenker eines PKWs nach Österreich brachte. Bei der Strafbemessung wurde erschwerend die mehrfache Deliktsqualifikation und mildernd das Geständnis des Angeklagten sowie sein ordentlicher Lebenswandel gewertet. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien, XXXX , vom 04.03.2021 wurde die verhängte Freiheitsstrafe auf 20 Monate erhöht und ergänzend als erschwerend gewertet, dass die Mindestanzahl an geschleppten Fremden, die die Qualifikation des § 114 Abs. 3 Z 2 FPG vorsieht, um mehr als das Dreifache überschritten wurde und dass sich drei der Fremden über eine längere Strecke geduckt im Kofferraum verstecken mussten, worin ein qualvoller Zustand im Sinne des § 33 Z 6 StGB liegt. Zudem wurde festgehalten, dass dem Geständnis des Angeklagten angesichts der Ermittlungen und Zeugenaussagen bei der Strafbemessung nur marginales Gewicht zukommt.

Der Beschwerdeführer befindet sich aktuell in Strafhaft.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers sowie dessen gültigen ukrainischen Reisepass beruhen auf dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere der darin beiliegenden Kopie des Reisepasses (AS 45).

Die Feststellungen bezüglich der Einreise, seiner Festnahme, seiner strafgerichtlichen Verurteilung, seines Haftaufenthaltes sowie dem Umstand, dass er im Bundesgebiet keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, beruhen auf dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere der Berichterstattung der LPD Burgenland vom 23.07.2020 (AS 3) und den Urteilen des Landesgerichts Eisenstadt vom 13.11.2020, XXXX und des Oberlandesgerichts Wien vom 04.03.2021, XXXX (AS 87ff).

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine familiären, beruflichen oder sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet hat und hier auch nie über einen gemeldeten Wohnsitz verfügt hat, dass er mit seiner Familie in der Ukraine lebt und in Polen als Elektrikergehilfe tätig war sowie die Feststellungen zu seinen Sprachkenntnissen, gründen auf dessen Aussagen im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt (AS 49-53). Die Feststellung zu seinem polnischen Arbeitsvisum gründet auf den Angaben in der Beschwerdeschrift sowie der übermittelten Kopie des Visums (AS 162).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Beschwerde gegen das verhängte Einreiseverbot (Spruchpunkt VI. des Bescheides):

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 1).

Gemäß § 53 Abs. 4 FPG beginnt die Frist des Einreiseverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

Im gegenständlichen Fall verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer ein sechsjähriges Einreiseverbot und stützte sich dabei auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG.

Der Beschwerdeführer hat das Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 2 und Abs. 4 erster Fall FPG begangen und wurde infolge dessen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Höhe von 20 Monaten verurteilt. Damit ist der Einreiseverbotstatbestand der Ziffer 1 des § 53 Abs. 3 FPG erfüllt, der die Verhängung eines befristeten Einreiseverbotes von einer Dauer bis zu zehn Jahren rechtfertigt.

Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert gemäß § 53 Abs. 1 FPG das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Bei der Bemessung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftat und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230). Ebenso ist bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes die Dauer der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme eines Wegfalls der sich durch das bisherige Fehlverhalten manifestierten Gefährlichkeit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Außerdem ist auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Zl. Ra 2016/21/0109).

Angesichts des gesetzten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers gefährdet sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dies insbesondere, da der Beschwerdeführer ausschließlich zur Begehung einer Straftat – nämlich der Schlepperei – in das Bundesgebiet eingereist ist, um sich so ein Nebeneinkommen zu verschaffen.

An der Verhinderung von Schlepperei besteht ein großes öffentliches Interesse und kommt der Bekämpfung von Schlepperei aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auch aus unionsrechtlicher Sicht ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 13.02.2020, Fe 2019/01/0001 mwN).

Der Beschwerdeführer hat sich hierbei einer kriminellen Vereinigung angeschlossen, um sich an dem Schicksal Fremder zu bereichern und sich dabei nicht um deren Sicherheit gekümmert, sondern diese auf zu engem Raum und teils in qualvollen Zustand transportiert.

Aufgrund des qualifizierten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes, besteht daher kein Zweifel, dass vom Beschwerdeführer eine massive Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Schlepperei ausgeht.

Es kann aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bloß zur Begehung des Verbrechens der Schlepperei in das Bundesgebiet eingereist ist, nicht von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden. Insbesondere die vom Landesgericht Eisenstadt festgestellte mehrfache Deliktsqualifikation sowie die festgestellten – und vom Oberlandesgericht Wien ergänzten – Erschwerungsgründe erhöhen nach Ansicht der erkennenden Richterin den Unrechtsgehalt der Straftat.

Bei der Bemessung des Einreiseverbotes kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückzuziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich (und im gegenständlichen Fall zu Polen) einzubeziehen (vgl. VwGH 07.11.2012, Zl. 2012/18/0057).

Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet kein schützenswertes Privat- oder Familienleben aufweist und sein Lebensmittelpunkt in der Ukraine liegt, wo er mit seiner Lebensgefährtin und deren Familie zusammenlebt und wo auch seine Verwandten leben. Das Einreiseverbot greift somit nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer weist jedoch wirtschaftliche Anknüpfungspunkte in Polen auf, da er dort die letzten vier Jahre vor seiner Festnahme als Elektrikergehilfe gearbeitet hat. Da das Einreiseverbot nicht nur für Österreich, sondern für alle Mitgliedstaaten gilt und der Beschwerdeführer hierdurch für die Dauer des Einreiseverbotes daran gehindert wäre, seine Erwerbstätigkeit in Polen wiederaufzunehmen, greift das Einreiseverbot gegenständlich in das Privatleben des Beschwerdeführers ein.

Den Interessen des Beschwerdeführers an der Fortsetzung seines (beruflichen) Privatlebens im Schengenraum stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen und der Verhinderung von Schlepperei gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251 u. v.a.) und besteht darüber hinaus ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Bekämpfung von Schlepperei (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 13.02.2020, Fe 2019/01/0001 mwN).

Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und dem hohen Stellenwert der genannten öffentlichen Interessen überwiegen diese gegenständlich das Interesse des Beschwerdeführers, nach seiner Haftentlassung seine Erwerbstätigkeit in Polen wiederaufzunehmen.

Das von der belangten Behörde angeordnete Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erweist sich somit dem Grunde nach als gerechtfertigt.

Im gegenständlichen Fall sind auch keine Umstände zutage getreten, die eine Reduzierung der festgelegten Dauer von sechs Jahren nahelegen würden, sondern erscheint diese angesichts der Art und Schwere der Tat und der sich daraus ergebenden Wiederholungsgefahr vielmehr erforderlich, um der von dem Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung für die Ordnung und Sicherheit wirksam entgegenzutreten.

Wenn im Rahmen der Beschwerdeerhebung in eventu beantragt wird, dass das Einreiseverbot nur für Österreich und nicht für alle Mitgliedsstaaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, erlassen werden möge, so ist der Beschwerdeseite entgegen zu halten, dass es für die beantragte Einschränkung des räumlichen Geltungsbereiches des Einreiseverbotes auf Österreich keine gesetzliche Grundlage gibt (vgl. VwGH vom 03.09.2015, Ra 2015/21/0054).

Gemäß Art. 11 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie steht es im Übrigen jedem Mitgliedsstaat zu, einen Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung für Drittstaatsangehörige auszustellen, gegen die ein Einreiseverbot eines anderen Mitgliedstaates besteht. (Filzwieser et al, Kommentar Asyl und Fremdenrecht, NWV Wien/Graz, Seite 1137 mit Verweis auf VwGH v. 13.09.2012 Zl. 2011/23/0413)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

3.2.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.2.2. Im Fall des Beschwerdeführers liegt der für die getroffene rechtliche Beurteilung maßgebliche Sachverhalt vor und hat sich kein Hinweis ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Verhandlung zu erörtern. Auch in Zusammenschau mit dem Beschwerdevorbringen ergab sich keine Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erneut zu erörtern. Somit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots (siehe VwGH 29.05.2018, Ra 2018/20/0259). Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Angemessenheit Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Schlepperei Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W268.2241872.1.00

Im RIS seit

15.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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