TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/13 94/09/0203

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Veröffentlicht am 13.02.1997
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §13;
AuslBG §14;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z4;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1990/450;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Vereines "XY" in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien (nunmehr Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien) vom 31. Mai 1994, Zl. IIc/6702 B/15253, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei (ein Verein zur Hilfeleistung für Menschen in der Dritten Welt) stellte den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den äthiopischen Staatsangehörigen G. für die berufliche Tätigkeit als "Übersetzer und Vortragstätigkeit". Als Bruttostundenlohn waren S 100,-- vorgesehen und als spezielle Kenntnisse "Sprache:

amharisch, Kenntnis über Geschichte, Kultur, Religion, Landverhältnisse Äthiopien" gefordert.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 4. Mai 1994 gemäß § 4 Abs. 3 Z. 4 und § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Zur Ablehnung nach § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG führte das Arbeitsamt in der Begründung aus, aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, daß die stundenweise Entlohnung nicht dem Kollektivvertrag für Angestellte entspreche. Es erscheine daher nicht die Gewähr gegeben, daß "diese Vorschriften eingehalten werden". Die Ablehnung nach § 4 Abs. 6 AuslBG begründete die Behörde erster Instanz damit, daß im gegenständlichen Verfahren der Vermittlungsausschuß die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet habe; darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung vom 11. Mai 1994 machte die beschwerdeführende Partei geltend, G. sei deswegen stundenweise "angeführt" worden, weil er als geringfügig Beschäftigter angestellt werden solle und die monatlichen Gesamtstunden eventuell variierten. Sollte wider den Auskünften bezüglich der Entlohnung "etwas nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen", werde ersucht, dies vor einer erneuten Ablehnung mitzuteilen, da ein derartiger Fehler "selbstverständlich sofort" korrigiert werde. Zur Ablehnung nach § 4 Abs. 6 AuslBG sei auszuführen, daß G. als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers (Herrn T.) frei gewordenen Arbeitsplatzes benötigt werde. Auch sei die beschwerdeführende Partei im Bereich der Wohlfahrtspflege und auch im Gesundheitssektor tätig. Es sei weiters zu berücksichtigen, daß die beschwerdeführende Partei nur einen Äthiopier einstellen könne, weil die äthiopische Hauptsprache Amharisch sonst kaum jemand beherrsche.

Mit dem nunmehr angefochenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge. Nach Darstellung der Rechtslage (und der Überschreitung der Landeshöchstzahl 1994) wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellt, G. solle mit einem Bruttostundenlohn von S 100,-- für eine Beschäftigungsdauer von fünf bis acht Wochenstunden (dies entspreche unter Zugrundelegung einer Beschäftigung von acht Wochenstunden einem monatlichen Bruttolohn von höchstens S 3.464,--) beschäftigt werden. Mit der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen Ausländer solle diesem die Möglichkeit geboten werden, mit den aus seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit erwirtschafteten Einkünften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder zumindest einen wesentlichen Beitrag zu diesem zu leisten. Die angebotene Entlohnung - die zwar der zu erbringenden Arbeit entsprechen möge - sei keinesfalls ausreichend zur Deckung des Lebensunterhaltes. Durch die Geringfügigkeit der Gehaltszahlung sei der durch die Erteilung eine Beschäftigungsbewilligung zu erzielende wirtschaftliche Zweck nicht erfüllt, weshalb gemäß § 4 Abs. 1 AusBG das gesamtwirtschaftliche Interesse der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung entgegenstehe. Weiters sei aufgrund der Überschreitung der Landeshöchstzahl zu prüfen, ob im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 ein besonders wichtiger Grund vorliege oder nach § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung erforderten. In der Berufung werde vorgebracht, G. werde als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch das Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes benötigt und die Beschäftigung des beantragten Ausländers erfolge im Bereich der Wohlfahrtspflege, weshalb die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c und d AuslBG erfüllt seien. Auch "wenn die zuvor zitierten Voraussetzungen zutreffen", sei ein besonders wichtiger Grund nur erfüllt, wenn an einer Beschäftigung des Ausländers ein qualifiziertes Interesse bestehe, das über das betriebsbezogene Interesse an der Arbeitskräftebedarfsabdeckung hinausgehe. Durch die beabsichtigte Beschäftigung von G. lediglich bei einem "maximalen monatlichen Bruttolohn von S 3.464,--" für eine Teilzeitbeschäftigung werde aber kein öffentliches oder gesamtwirtschaftliches Interesse begründet bzw. liege auch kein besonders berücksichtigungswürdiger Grund zur Erteilung der Beschäftigungsbewilligung vor. Daher seien die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG nicht erfüllt.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Bereits das Zutreffen einer dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Die belangte Behörde hat den Antrag im Bereich des § 4 Abs. 1 AuslBG ausschließlich wegen des zweiten Tatbestandes des § 4 Abs. 1 AuslBG (Entgegenstehen wichtiger öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen) abgelehnt.

Bei der Ermittlung des Sinngehaltes der unbestimmten Gesetzesbegriffe des zweiten Tatbestandes des § 4 Abs. 1 leg. cit. ist auf jene normativ konkretisierten Tatbestände des Ausländerbeschäftigungsgesetzes selbst zurückzugreifen, die mit § 4 Abs. 1 in Zusammenhang stehen. Dabei handelt es sich vor allem um die Bestimmungen der §§ 4 Abs. 3, 13 und 14 AuslBG (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginnend mit dem Erkenntnis vom 8. September 1987, Slg. 12518/A; 20. Oktober 1988, Slg. 12799/A, sowie ferner vom 31. Mai 1990, 90/09/0003 und 90/09/0021, und vom 21. Oktober 1993, 93/09/0144). Aus § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG (danach darf die Beschäftigungsbewilligung weiters nur erteilt werden, wenn die Gewähr gegeben erscheint, daß der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält) ist jedoch abzuleiten, daß die Verwaltungsbehörden nur die Einhaltung arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Normen (als Prognoseentscheidung für die diesbezügliche Zuverlässigkeit des Arbeitgebers) im Verfahren zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu prüfen haben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0406). Erwägungen, ob der Arbeitnehmer mit einer vorgesehenen, arbeitsrechtlich zulässigen Entlohnung seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, fallen nicht darunter. Sie wären auch insofern nicht stichhältig, als beispielsweise die Möglichkeit besteht, den Lebensunterhalt aus mehreren Teilzeitbeschäftigungen zu finanzieren oder ansonsten für die Existenzsicherung zu sorgen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, 93/09/0277).

Wenn die belangte Behörde ihre Ablehnung nach § 4 Abs. 1 AuslBG ausschließlich darauf stützte, daß die angebotene Entlohnung keinesfalls ausreichend zur Deckung des Lebensunterhaltes sei, hat sie nach der zitierten Rechtsprechung den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

§ 4 Abs. 6 in der im Beschwerdefall geltenden Fassung (Z. 1 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die beschwerdeführende Partei hat die Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG (insbesondere das Überschreiten der Landeshöchstzahl 1994) nicht bestritten. Sie hat aber im Verfahren Gründe vorgebracht, die ihrer Ansicht nach ausreichend waren, die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung wegen des Vorliegens von besonders wichtigen Gründen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c und d AuslBG zu rechtfertigen.

Die belangte Behörde hat das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei im angefochtenen Bescheid nicht bestritten, gelangte allerdings schon deshalb zur Abweisung des Antrages, weil sie die Meinung vertrat, es bedürfe auch bei Vorliegen eines Grundes nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d AuslBG darüber hinaus eines "qualifizierten Interesses" an der Beschäftigung des Ausländers. Auch insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Liegt nämlich einer der in § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG als "besonders wichtig" demonstrativ aufgezählten Gründe vor, dann bedarf es darüber hinaus keines "qualifizierten Interesses" des Arbeitgebers an der Einstellung des in seinem Antrag auf Beschäftigungsbewilligung genannten Ausländers mehr (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1994, 94/09/0173, und vom 24. Mai 1995, 93/09/0437).

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG aufzukommen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994090203.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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