TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/30 93/09/0277

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Veröffentlicht am 30.06.1994
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §13;
AuslBG §14;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der K-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 12. Mai 1993, Zl. IIIe 6702 B/984 245, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei, die einen Gastgewerbebetrieb führt, beantragte am 22. Februar 1993 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die tschechische Staatsangehörige T für die Tätigkeit als Schankgehilfin. Es sollte eine Teilzeitbeschäftigung sein bei einem monatlichen Bruttolohn von S 3.900,--.

Mit Bescheid vom 15. März 1993 lehnte das zuständige Arbeitsamt Tulln die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 leg. cit. vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung brachte die beschwerdeführende Partei vor, sie habe schon des öfteren versucht, vom Arbeitsamt Hilfspersonal zu bekommen, aber nie das "Richtige" erhalten. Insbesondere "an der Arbeitszeit" von Mittwoch bis Samstag sei kein Interesse vorhanden gewesen. Da die beschwerdeführende Partei bereits gewerbliches Hilfspersonal aus der "Tschechei" angestellt habe, versuche sie ein zweites "Mädchen" zu beschäftigen - ebenfalls für 10 Tage im Monat. Ein weiteres Problem ergebe sich durch die schlechte Anbindung des Betriebes an das öffentliche Verkehrsnetz und die damit gegebenen ungünstigen Zufahrtsmöglichkeiten für das jeweilige Hilfspersonal. Für den Betrieb beginne jetzt das Saisongeschäft und als eher kleiner Betrieb könne sie sich nur stundenweise Arbeitskräfte leisten. Die beschwerdeführende Partei wolle zwar weiter arbeiten und nicht zusperren, sehe dafür aber ohne Personal keine Möglichkeit. Die "Mädchen" hätten außerdem die Möglichkeit, bei der beschwerdeführenden Partei zu wohnen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Im Rahmen der Darstellung der Rechtslage wies die belangte Behörde darauf hin, daß die für 1993 gemäß § 13a Z. 3 AuslBG festgestellte Landeshöchstzahl seit Jänner dieses Jahres überschritten sei und der Vermittlungsausschuß aus arbeitsmarktpolitischen und gesamtwirtschaftlichen Erwägungen keine einhellige Befürwortung zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ausgesprochen habe. Begründend führte die belangte Behörde aus, im durchgeführten Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß die beschwerdeführende Partei dem Arbeitsamt aufgrund eines fehlenden Vermittlungsauftrages für eine Schankgehilfin keine Möglichkeit gegeben habe, eine inländische oder gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG zu bevorzugende ausländische Arbeitskraft zur Vorstellung zu bringen. Einer der Grundsätze des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sei "die Schutzfunktion gegenüber der ausländischen Arbeitskraft". Nach dem Antrag werde die ausländische Arbeitskraft teilzeitbeschäftigt, wofür ein monatliches Bruttoentgelt von S 3.900,-- geboten werde. Bei den in Österreich bestehenden Lebenshaltungskosten sei mit diesem Einkommen die Existenz der ausländischen Arbeitskraft keinesfalls gesichert, weshalb öffentliche Interessen der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung entgegenstünden. Daher könnten auch die Berufungseinwendungen keine andere Entscheidung erwirken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

§ 4 Abs. 6 AuslBG sieht für den Fall der Überschreitung der Landeshöchstzahlen ein erschwertes Bewilligungsverfahren vor, bei dem neben den Voraussetzungen u.a. des § 4 Abs. 1 noch weitere Kriterien erfüllt sein müssen.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung derBeschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die belangte Behörde hat im Spruch des angefochtenen Bescheides lediglich § 4 Abs. 6 AuslBG zitiert, ist in der Begründung aber nicht näher auf die Z. 2 bis 4 dieser Gesetzesstelle eingegangen. Aus der Begründung geht vielmehr hervor, daß die Versagung der beantragten Beschäftigungsbewilligung ausschließlich auf § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt wurde. Im Beschwerdefall erübrigen sich daher weitere Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages der beschwerdeführenden Partei im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG. Es ist daher ausschließlich zu prüfen, ob die Versagung auf § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt werden konnte oder nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1994, 93/09/0278, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde begründete das Vorliegen dieses Versagungstatbestandes zunächst damit, daß wegen eines fehlenden Vermittlungsauftrages keine inländischen bzw. bevorzugten ausländische Arbeitskräfte hätten vermittelt werden können. Bereits damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weil das Ziel der Arbeitsmarktverwaltung von Amts wegen durch das Arbeitsamt anzustreben ist und es daher zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung keines (besonderen) Vermittlungsauftrages bedarf (siehe beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, 93/09/0374, und vom 21. April 1994, 93/09/0483).

Abgesehen davon, daß der zweite Tatbestand des § 4 Abs. 1 AuslBG (Entgegenstehen wichtiger öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen) nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann heranzuziehen ist, wenn feststeht, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die beantragte Beschäftigung zuläßt - dies blieb, wie erwähnt, im Beschwerdefall zu Unrecht ungeprüft -, ist auch die hiezu im angefochtenen Bescheid getroffene Begründung rechtlich unzutreffend.

Bei der Ermittlung des Sinngehaltes der unbestimmten Gesetzesbegriffe des zweiten Tatbestandes des § 4 Abs. 1 leg. cit. ist auf jene normativ konkretisierten Tatbestände des Ausländerbeschäftigungsgesetzes selbst zurückzugreifen, die mit § 4 Abs. 1 in Zusammenhang stehen. Dabei handelt es sich vor allem um die Bestimmungen der §§ 4 Abs. 3, 13 und 14 AuslBG (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginnend mit dem Erkenntnis vom 8. September 1987, Slg. 12518/A; 20. Oktober 1988, Slg. 12799/A, sowie ferner vom 31. Mai 1990, 90/09/0003 und 90/09/0021, und vom 21. Oktober 1993, 93/09/0144). Aus § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG (danach darf die Beschäftigungsbewilligung weiters nur erteilt werden, wenn die Gewähr gegeben erscheint, daß der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält) ist jedoch abzuleiten, daß die Verwaltungsbehörden nur die Einhaltung arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Normen (als Prognoseentscheidung für die diesbezügliche Zuverlässigkeit des Arbeitgebers) im Verfahren zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu prüfen haben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0406). Erwägungen, ob der Arbeitnehmer mit einer vorgesehenen, arbeitsrechtlich zulässigen Entlohnung seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, fallen nicht darunter. Sie wären auch insofern nicht stichhältig, als beispielsweise die Möglichkeit besteht, den Lebensunterhalt aus mehreren Teilzeitbeschäftigungen zu finanzieren oder ansonsten für die Existenzsicherung zu sorgen (im Beschwerdefall wären etwa offenbar freie Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestanden).

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall daher § 4 Abs. 1 AuslBG unrichtig ausgelegt.

Der angefochtene Bescheid mußte daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Kostenausspruch stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. § 59 Abs. 1 VwGG sowie mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090277.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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