TE Bvwg Beschluss 2021/7/22 W145 2241004-1

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Veröffentlicht am 22.07.2021
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Entscheidungsdatum

22.07.2021

Norm

ASVG §18a
AVG §10 Abs2
AVG §13 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17

Spruch


W145 2241004-1/13E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den an XXXX , SVNR XXXX , gerichteten Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 10.02.2021, HVBA XXXX , beschlossen:

A)       

Die Beschwerde wird gemäß § 10 Abs. 2 iVm § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Bescheid vom 10.02.2021 gab die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: belangte Behörde) dem Antrag von XXXX (im Folgenden: Bescheidadressatin) auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes XXXX (geboren am XXXX .1973, verstorben am XXXX .2002) gemäß § 18 a ASVG ab 01.02.1994 bis 31.10.2002 statt. Für die Zeit vom 01.01.1988 bis 31.01.1994 wurde die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG mit der Begründung verneint, dass in diesem Zeitraum der Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 nicht vorliege.

2.       Mit per E-Mail bei der belangten Behörde eingebrachtem Schreiben vom 15.03.2021 wurde von XXXX (im Folgenden: Einschreiter) Beschwerde gegen den an die Bescheidadressatin ergangenen Bescheid erhoben. Mit separatem Schreiben vom 28.04.2021 wurde begründend ausgeführt, dass XXXX von Geburt an ständiger Pflege bedurfte, insbesondere auch zu keinem Zeitpunkt schulbar gewesen sei. Selbstverständlich habe sich die Familie jeglicher staatlicher Hilfe, somit auch der erhöhten Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, bedient. Dass ein entsprechender Nachweis aufgrund des Ablaufes behördlich-rechtlicher Aufbewahrungsfristen bzw. der Vernichtung der Unterlagen nicht erbracht werden könne, rechtfertige keine Beweislastumkehr und würden eine medizinische Bescheinigung sowie ein Sonderschulzeugnis die Pflegebedürftigkeit indizieren. Dem Antrag auf Selbstversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes sei daher antragsgemäß ab 01.01.1988 stattzugeben.

3.       Am 31.03.2021 wurde die verfahrensgegenständliche Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

4.       Mit Verfügung vom 17.06.2021, nachweislich zugestellt am 19.06.2021, stellte das Bundesverwaltungsgericht dem Einschreiter die Eingabe zur Verbesserung zurück. In der Eingabe und dem Schreiben vom 28.04.2021 bezog sich der Einschreiter auf eine „den Akten bereits mehrfach beiliegende“ Vertretungsvollmacht. Die im Akt befindliche, dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 13.04.2021 vorgelegte Vollmacht ist mit 29.07.2019 datiert und bezieht sich ausdrücklich auf Klagen beim zuständigen Landesgericht und Interessen der Bescheidadressatin gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt in Sachen Alterspension. Der Einschreiter wurde daher aufgefordert, binnen einer Woche ab Zustellung der Verfügung eine auf seinen Namen lautende, schriftliche Vollmacht zum Nachweis seiner zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde bestehenden Vertretungsbefugnis im gegenständlichen Verfahren vorzulegen, widrigenfalls die Eingabe zurückzuweisen sei.

5.       Am 23.06.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine von der Bescheidadressatin erteilte, mit 21.06.2021 datierte Vollmacht des Einschreiters zur Beschwerdeerhebung gegen den oben genannten Bescheid ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen

Adressatin des angefochtenen Bescheides vom 10.02.2021 ist XXXX , XXXX , XXXX (Deutschland). Der Bescheid wurde der Bescheidadressatin am 21.02.2021 bekannt, die vierwöchige Beschwerdefrist endete somit am 22.03.2021.

Absender der verfahrensgegenständlichen, bei der belangten Behörde am 15.03.2021 per
E-Mail eingebrachten Eingabe ist XXXX . In der Eingabe und dem die Beschwerde-begründung enthaltenden Schreiben vom 28.04.2021 bezieht sich der Einschreiter auf eine „den Akten bereits mehrfach beiliegende“ Vertretungsvollmacht. Diese Vollmacht vom 29.07.2019 ist formuliert wie folgt:

„Hiermit bevollmächtige ich XXXX , geb. XXXX .1956 nachstehenden Herrn XXXX sich mit meinen Pensionsangelegenheiten zu befassen. Er ist berechtigt, Anträge zu stellen, Briefe in Empfang zu nehmen und gegebenenfalls Klage beim zuständigen Landesgericht einzubringen.

Herr XXXX vertretet meine Interessen gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt in Sachen Alterspension.“

In einer zweiten, dem Bundesverwaltungsgericht infolge eines Mängelbehebungsauftrages vorgelegten Vollmacht ermächtigt die Bescheidadressatin den Einschreiter unter anderem „zur Beschwerdeerhebung gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 10.02.2021, HVBA XXXX wegen Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes“. Diese Vollmacht ist mit 21.06.2021 datiert.

Eine Vollmacht zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid zum Zeitpunkt der Einbringung der Eingabe vom 15.03.2021 liegt nicht vor.

2.       Beweiswürdigung

Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

3.       Rechtliche Beurteilung

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Eine Zurückweisung durch Beschluss hat etwa im Falle des Fehlens der Parteistellung zu erfolgen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, § 28 K 2).

Gemäß § 10 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk.

Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Wie festgestellt, beruft sich der Einschreiter sowohl in seiner Eingabe vom 15.03.2021 als auch in dem – nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelangten – Schreiben vom 28.04.2021 auf eine „den Akten bereits mehrfach vorliegende“ Vollmacht. Diese Vollmacht ist mit 29.07.2019 datiert und umfasst die Interessen der Bescheidadressatin gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt in Sachen Alterspension sowie die Einbringung einer Klage beim zuständigen Landesgericht. Die Vollmacht bezieht sich daher ihrem Wortlaut nach weder auf die verfahrensgegenständliche pensionsrechtliche Materie noch berechtigt sie zur Erhebung einer Beschwerde vor dem im vorliegenden Fall zuständigen Gericht.

Die Vorlage einer nicht entsprechenden Vollmacht ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als Formgebrechen im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG zu betrachten (vgl. zur Vorlage einer Vollmacht für das strafgerichtliche Verfahren im Verwaltungsstrafverfahren VwGH 06.05.1971, 0135/71). Da die Eingabe bis zum Nachweis der Bevollmächtigung dem einschreitenden Vertreter zuzurechnen ist, ist der Mängelbehebungsauftrag an diesen – und nicht an den (angeblich) Vertretenen – zu richten und ihm zuzustellen (vgl. VwGH 22.05.2012, 2008/04/0208 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 9).

Dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs folgend wurde der Einschreiter im Rahmen eines Mängelbehebungsauftrags aufgefordert, eine schriftliche Vollmacht zum Nachweis seiner zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde bestehenden Vertretungsbefugnis im gegenständlichen Verfahren vorzulegen. Die daraufhin eingelangte Vollmacht ist mit 21.06.2021 datiert.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen fristgebundenen Verfahrenshandlung das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung erforderlich. Erfolgt hingegen die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirkt dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlungen (Hinweis E 26.5.1986, 86/08/0016). Da in den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine dem § 38 ZPO vergleichbare Regelung nicht getroffen ist, kommt die nachträgliche Genehmigung einer bis dahin von einem Scheinvertreter gesetzten fristgebundenen Verfahrenshandlung nicht in Frage (vgl. VwGH 16.03.1995, 94/16/0192).

Bei der Erhebung einer Beschwerde handelt es sich um eine fristgebundene Verfahrenshandlung. Der verfahrensgegenständliche Bescheid wurde der Bescheidadressatin am 21.02.2021 bekannt und endete die vierwöchige Beschwerdefrist somit spätestens am 22.03.2021. Innerhalb (und selbst nach) dieser Frist bezog sich der Einschreiter auf eine dem Verfahren nicht entsprechende Vollmacht. Jene Vollmacht, die den Einschreiter zur Erhebung einer Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid vor dem Bundesverwaltungsgericht ermächtigt, ist mit 21.06.2021 datiert. Vor diesem Hintergrund schließt das Bundesverwaltungsgericht, dass die Vollmacht zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erteilt wurde. Das Vollmachtsverhältnis kann nach Ablauf der für die jeweilige Verfahrenshandlung geltenden Frist aber nicht rechtswirksam begründet werden; eine nachträgliche Genehmigung ist unzulässig.

Die am 15.03.2021 bei der belangten Behörde eingelangte Eingabe ist daher – mangels einer zum Einbringungszeitpunkt vorliegenden Vollmacht – dem Einschreiter zuzurechnen. Da der Einschreiter jedoch nicht Adressat des von ihm angefochtenen Bescheides ist, fehlt ihm mangels Parteistellung im Verwaltungsverfahren die Legitimation zur Einbringung einer Beschwerde im eigenen Namen. Selbst im Schreiben vom 28.04.2021 hat sich der Einschreiter noch auf eine „den Akten bereits mehrfach vorliegende“ Vollmacht berufen; diese Vollmacht ist mit 29.07.2019.

Im gegenständlichen Verfahren kommt dem Einschreiter also weder eine eigene Beschwerdelegitimation zu noch hat dieser seine Befugnis zur Erhebung einer Beschwerde im Namen der Bescheidadressatin dargelegt. Da den gesetzlichen Formvorschriften für die Erhebung eines Rechtsmittels somit nicht entsprochen wurde, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an derartiger Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Schlagworte

Beschwerdefrist Beschwerdelegimitation Mängelbehebung Parteistellung Unzulässigkeit der Beschwerde Vollmacht Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W145.2241004.1.00

Im RIS seit

16.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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