TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/17 95/10/0217

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Veröffentlicht am 17.02.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §45 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §19 Abs11;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 12. September 1995, Zl. VIII-35/3/1/95, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: R in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 12. September 1995 wurde der mitbeteiligten Partei die Rodungsbewilligung für eine näher beschriebene Fläche zum Zwecke der Errichtung eines Kiesumschlagplatzes unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der forsttechnische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten anläßlich der mündlichen Verhandlung am 8. März 1995 festgehalten, die zur Rodung vorgesehene Fläche sei mit einem artenreichen Laubmischwald, bestehend aus Esche, Bergulme und Grauerle bestockt. Der überwiegende Teil der Bergulme sei infolge des "Ulmensterbens" abgestorben. Trotz des von den Resten der abgestorbenen Bergulmen hervorgerufenen scheinbar desolaten Waldbildes übe diese Fläche in entscheidendem Maße Nutz-, Wohlfahrts- und Erholungswirkung aus. Die Erhaltung solcher Waldungen sei hinsichtlich der hohen wirtschaftlichen Bedeutung des Fremdenverkehrs im Montafon von größter Bedeutung für das öffentliche Interesse. Nach Auffassung der BH sei jedoch das öffentliche Interesse an der Errichtung eines Kiesumschlagplatzes höher zu bewerten als die Erhaltung des Waldes auf der in Rede stehenden Fläche. Im Montafon und insbesondere auch in der Gemeinde St. G. würden nämlich jährlich größere Mengen an Murschuttmaterial anfallen, wofür jeweils Deponien gesucht werden müßten. Die geplante Rodungsfläche liege unmittelbar im Bereich südlich des Maurentobels direkt am linken Ufer des Illflusses. Das Gelände sei in den letzten Jahren schon mehrfach zur vorübergehenden Deponierung von Murschuttmaterial herangezogen worden und solle nunmehr als definitiver Umschlagplatz für Murschuttmaterial und Aushübe Verwendung finden. Es sei vorgesehen, das anfallende Material aufzuarbeiten und - soweit brauchbar - der Wirtschaft zuzuführen und den Rest zu deponieren. Hiezu sei die Aufstellung verschiedener Geräte wie Gatter und fallweise auch Steinbrechmaschinen erforderlich. Die Aufbereitung anstelle der Deponierung erscheine im Hinblick auf die nur spärlich vorhandenen Deponieflächen im Montafon sinnvoll und in hohem öffentlichen Interesse gelegen. Um den Umschlagplatz wirtschaftlich betreiben zu können, sei es erforderlich, die beantragte Rodung im Ausmaß von ca. 2.750 m2 vorzunehmen. Die Rodefläche selbst sei - wie der forsttechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten ausgeführt habe - in einem desolaten Zustand; die Behörde gehe daher davon aus, daß das öffentliche Interesse an der Errichtung eines Umschlagplatzes für Murschuttmaterial und Aushübe höher zu bewerten sei als das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieses Waldbereiches. Zu dieser Auffassung gelange die BH auch deshalb, weil in unmittelbarer Nähe der Rodungsfläche eine Ersatzaufforstung durchgeführt werde, deren Ausmaß jenes der Rodefläche wesentlich übersteige.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 170 Abs. 8 ForstG unter Anschluß der Verwaltungsakten erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe das als überwiegend angenommene öffentliche Interesse an der Rodung damit begründet, daß größere Mengen anfallenden Murschuttmaterials aufbereitet werden müßten, sie habe jedoch in keiner Weise dargetan, durch welche Ermittlungsergebnisse diese Feststellungen gedeckt seien. So wie die belangte Behörde zur Beurteilung des öffentlichen Interesses an der Walderhaltung das Gutachten eines forsttechnischen Sachverständigen eingeholt habe, so hätte sie zur Beurteilung der Frage, ob das Rodungsvorhaben im öffentlichen Interesse gelegen sei, eine Stellungnahme einer hiezu befugten Stelle oder ein einschlägiges Sachverständigengutachten einholen müssen. Insbesondere wäre von ihr zu ermitteln gewesen, welche Mengen an Schuttmaterial tatsächlich anfielen und ob, bejahendenfalls welche Deponie- bzw. Aufbereitungsflächen in der betreffenden Region zur Verfügung stünden. In diesem Zusammenhang werde auf die vom Amtssachverständigen für Raumplanung am 14. Februar 1991 im gewerbe- und wasserrechtlichen Verfahren abgegebene Stellungnahme hingewiesen, wonach die Notwendigkeit eines raumplanerischen Gesamtkonzeptes mit dem Ziel des Betriebes nur einer lagegünstigen Gesamtanlage im Montafon bestünde. Aus dem von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren lasse sich ein öffentliches Interesse an der beantragten Rodung aber nicht ableiten.

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.

Gemäß § 19 Abs. 11 ForstG sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Ausgehend von diesen Bestimmungen ist es Sache der Forstbehörde, gestützt auf entsprechende Ermittlungsergebnisse in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, ob und inwieferne am dargelegten Rodungszweck ein öffentliches Interesse besteht und gegebenenfalls, ob und aus welchen Gründen dieses öffentliche Interesse jenes an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Flächen als Wald überwiegt. Die von der Forstbehörde gemäß § 17 ForstG vorzunehmende Interessenabwägung setzt somit voraus, daß zunächst festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Flächen besteht (vgl. z.B. das

hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1996, Zl. 96/10/0032, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Hinsichtlich der anderweitigen öffentlichen Interessen ist der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich zu entnehmen, daß jährlich "größere Mengen" an Murschuttmaterial anfielen, die aufbereitet bzw. deponiert werden müßten, wobei Deponieflächen im Montafon aber nur spärlich vorhanden seien. Dies reicht aber weder aus, um schon eindeutig ein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG erkennen zu können, noch zur Beantwortung der Frage, ob es sich dabei um ein das Interesse an der Walderhaltung übersteigendes öffentliches Interesse handelt. Hiefür wäre es - wie der beschwerdeführende Bundesminister zu Recht rügt - vielmehr geboten gewesen, auf fachlich fundierter Basis konkret und nachvollziehbar Feststellungen über den Bedarf an der Aufbereitung und Deponierung von Murschuttmaterial und Aushüben und zwar auf der zur Rodung beantragten Fläche zu treffen. Insbesondere wäre dabei auch zu klären gewesen, inwieweit Nichtwaldflächen für den angestrebten Zweck zur Verfügung stehen. Erst derartige Feststellungen würden es aber überhaupt erst ermöglichen, dem Walderhaltungsinteresse ein anderweitiges öffentliches Interesse gegenüberzustellen und - darauf aufbauend - zu beurteilen, ob die Schlußfolgerung, das öffentliche Interesse an der Errichtung des Umschlagplatzes für Murschuttmaterial und Aushübe sei "höher zu bewerten ... als das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieses Waldbereiches" zutreffend ist. In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß das Angebot einer Ersatzaufforstung für die Prüfung der Berechtigung eines Rodungsantrages nicht wesentlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1996, Zl. 95/10/0115, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt, der für die Rodungsbewilligung maßgebliche Sachverhalt sei der Behörde und den Verfahrensbeteiligten aus näher bezeichneten parallel laufenden Verfahren bekannt bzw. amtsbekannt gewesen, ist sie auf die ständige hg. Judikatur (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 24. Juni 1996 und die hier zitierte Vorjudikatur) zu verweisen: Selbst offenkundige Tatsachen sind in der Begründung des Bescheides so eingehend darzulegen, daß der beschwerdeführende Bundesminister, aber auch der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob im konkreten Fall ein das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse an der beantragten Rodung besteht. Im übrigen ist zu bemerken, daß auch ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift, die im angefochtenen Bescheid unterbliebenen Erörterungen und Feststellungen nicht zu ersetzen vermögen.

Indem die belangte Behörde es unterließ, die für die gebotene Interessenabwägung erforderlichen Feststellungen zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995100217.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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