TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/24 96/10/0032

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Veröffentlicht am 24.06.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AHG 1949 §1;
AHG 1949 §3;
AVG §45 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art103 Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art20 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §170 Abs8;
VwGG §26 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit a.d. Glan vom 24. März 1995, Zl. 2879/6/1994-II, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: W Ges.m.b.H. in K, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der BH St. Veit a.d. Glan vom 24. März 1995 wurde der mitbeteiligten Partei die befristete Rodungsbewilligung für im einzelnen bezeichnete Waldflächen in einem Gesamtausmaß von

924.689 m2 unter Vorschreibung bestimmter Auflagen und Bedingungen erteilt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die zur Rodung bestimmte Fläche solle - entsprechend den von der mitbeteiligten Partei eingebrachten Unterlagen - zum Zwecke der Fortführung und Ausweitung des Kalk-Mergelbruches auf die Dauer von 10 Jahren außerforstlich verwendet worden. Die Rodefläche betreffe im wesentlichen folgende drei Kategorien:

1.

74,9538 ha im Betrieb stehende Abbaufläche, für welche eine befristete - inzwischen erloschene - Rodungsbewilligung erteilt worden sei;

2.

2,2060 ha für die - zugleich mit den unter 1. genannten Flächen - eine Rodungsbewilligung erteilt, bislang jedoch nicht konsumiert worden sei;

3.

18,0591 ha an 1. und 2. angrenzende Waldflächen.

Der flächenmäßig große Bedarf sei von der mitbeteiligten Partei im Hinblick auf einen eventuell zu erwartenden Maximalabbau während der nächsten 10 Jahre gestellt worden. Der etappenweise Abbau mit umgehender nachfolgender Rekultivierung erscheine nach Aussage der mitbeteiligten Partei sowie des Sachverständigen für Geologie wegen betrieblicher Erfordernisse nicht möglich. Auch habe ein mengenmäßiger Abbaubedarf für das nächste Dezennium nicht genannt werden können, weshalb Vorschreibungen zu einer allenfalls möglichen Rekultivierung von verbleibenden bzw. neu entstehenden Randflächen (eventuell Bermen) an der Westflanke des Bruches bereits während der Abbauperiode unmöglich erschienen. Es sei somit davon auszugehen, daß die technische Rodung sicher in einzelnen Teilabschnitten voranschreite, letztlich jedoch die Annahme einer völligen Entwaldung von rund 92,5 ha reduzierter Fläche mit Ende der auf zehn Jahre beantragten Zeitspanne zugrunde zu legen wäre. Aus forstfachlicher Sicht stellten sich die Flächen wie folgt dar:

Entsprechend dem Waldentwicklungsplan sei eine höhere Bewertung für die Schutzfunktion (2) und eine sehr hohe für die Wohlfahrtsfunktion (3) vorgenommen worden, da den Wäldern in der Umgebung des Werkes eine Aufgabe im Hinblick auf die Verringerung von Lärm, Staub etc. zukomme. Die Waldausstattung der Gemeinde Klein St. P. liege bei rund 50 % und es könne die räumliche Verteilung ebenfalls als günstig bezeichnet werden. Das zum Teil bereits gerodete, sowie das zur weiteren Rodung vorgesehene Gebiet liege beiderseits des von Nord nach Süd verlaufenden, sich westlich von W. erhebenden Bergrückens in einer Seehöhe von 700 bis 800 m. Das Grundgestein werde aus Kalk- und Mergelschichten gebildet. Soweit es sich um derzeit nicht bzw. noch nicht gerodete Flächen handle, seien nachfolgende Standorts-Bestandesverhältnisse festgestellt worden: Die Verwitterungsschichten einschließlich der Humusdecke wiesen eine Mächtigkeit von 30 bis 50 cm auf. Die Standorte seien mäßig frisch bis frisch, mittel-tiefgründig und es entwickelten sich darauf überwiegend Fichten-Reinbestände guter Bonitäten. Im letzten Jahrzehnt sei das Mischungsverhältnis mit anderen Baumarten wie Lärchen und Laubhölzern durch waldbauliche Maßnahmen verbessert worden. Bei unterschiedlichen Altersklassen liege ein Überschirmungsgrad von durchschnittlich sieben Zehntel vor. Eine detailierte Standorts- und Bestandesbeschreibung sei im Hinblick auf die vorliegende umfangreiche Analyse des Instituts für angewandte Ökologie nicht erstellt worden. Festzustellen wäre noch, daß im betreffenden Gebiet ein Verfahren nach § 52 ForstG wegen festgestellter Emissionen aus dem Werk der W. Zementfabrik laufe bzw. das Schadensausmaß erhoben werde. Entsprechend dem Ergebnis der Schwefelbestimmungen 1993 im Bioindikatornetz sei eine Gefährdung der Waldkultur anzunehmen. Kriterien, die eine Erklärung zum Schutz- oder Bannwald erfordern würden, seien nicht gegeben. Ebenso schienen für das Rodungsverfahren relevante grundbücherliche Belastungen nicht auf. Die Rodungsflächen grenzten an eigene Waldbestände der mitbeteiligten Partei an bzw. seien ausreichend breite Schutzstreifen vorgeschrieben worden. Neben dem unbedingt einzuhaltenden 25 m breiten Schutzstreifen auf im einzelnen genannten Parzellen erscheine die Lärchwiese auf

Parzelle 438/2, KG M., mit 0,6 ha als besonders erhaltenswürdig. Diese Flächen, in Summe 2,75 ha, seien von den beantragten Rodeflächen abzuziehen bzw. hiefür keine Rodungsbewilligung zu erteilen gewesen. Sehe man von den Nachteilen ab, die eine vorübergehende Rodung wegen der entgangenen Nutzfunktion, dem negativen Einfluß auf das Landschaftsbild, der reduzierten Wohlfahrtsfunktion des gesamten Waldgebietes um das Werk und der Veränderung der Wasserabflußverhältnisse mit sich bringe, könne festgestellt werden, daß eine Rekultivierung bzw. Wiederaufnahme der forstlichen Nutzung bei Einhaltung entsprechender Auflagen bzw. Durchführung vorhergehender Maßnahmen möglich sei. Im Hinblick darauf, daß sich bereits jetzt größere Rodeflächen - wegen des in den letzten Jahren nicht überall fortgesetzten Abbaues - im Zuge einer natürlichen Sukzession selbst mit verschiedensten forstlichen Gewächsen standortgerecht bewaldet hätten und es derzeit nicht absehbar sei, "welche Örtlichkeit in nächster Zeit nicht in Anspruch genommen" werde, erscheine es nicht zielführend, zum jetzigen Zeitpunkt detailierte Neubewaldungsmaßnahmen vorzuschreiben. Es werde vielmehr erforderlich sein, nach Abblauf der befristeten Rodungsbewilligung - allenfalls in Abstimmung mit dem dann zu erwartenden neuerlichen Rodungsantrag - eine ergänzende vegetationskundliche Zustandserhebung durchzuführen bzw. erst dann darauf abgestimmte detailierte Vorschreibungen zur Wiederbewaldung jener Flächen, die für den Abbau nicht mehr zur Verfügung stehen sollen, zu erlassen. Derzeit lägen solche Flächen nicht vor bzw. seien sie aus den Rodungsflächen bereits ausgeklammert (Schutzstreifen und Lärchenwiese). Ebenso sei bei der Vorschreibung von Wiederbewaldungsmaßnahmen eine Kontaktnahme mit dem fachlichen Naturschutz anzuraten, da sich bereits jetzt zeige, daß auf einzelnen der natürlichen Sukzession überlassenen Flächen ökologische Nischen entstanden seien, die zumindest vorübergehend verschiedenen geschützten bzw. gefährdeten Tier- und Pflanzenarten Lebensraum böten, worauf Rücksicht zu nehmen wäre. Zur Durchführung der erforderlichen Rekultivierungsmaßnahmen nach Ablauf der Rodungsbewilligung bedürfe es einer entsprechenden Besicherung. Die Höhe der Kaution sei in Anlehnung an Erfahrenswerte bei der Aufforstung ähnlicher Abbauflächen sowie an die Vorgaben des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft mit rund S 30,-- je Quadratmeter bemessen. Als Sicherstellung erscheine neben einer Geldleistung oder Bankgarantie auch eine grundbücherliche Absicherung am Wald- und Grundbesitz der mitbeteiligten Partei im geforderten Ausmaß möglich. Die für den Rodungszweck erforderliche naturschutzbehördliche Bewilligung sei von der BH St. Veit a.d. Glan mit Bescheid vom 7. März 1995 erteilt worden. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen erscheine das überwiegende öffentliche Interesse an der Rodung nachgewiesen. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 170 Abs. 8 ForstG unter Anschluß der Verwaltungsakten erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab. Die mitbeteiligte Partei hingegen erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde als unzulässig zurück-, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde der angefochtene Bescheid mit Schreiben des Landeshauptmannes von Kärnten vom 17. Jänner 1996 dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vorgelegt; der Eingangsstempel des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft trägt das Datum 23. Jänner 1996.

Die mitbeteiligte Partei wendet gegen die Rechtzeitigkeit bzw. Zulässigkeit der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft am 23. Februar 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Amtsbeschwerde gemäß § 170 Abs. 8 ForstG ein, dem Bundesminister stehe das Recht zur Beschwerdeerhebung nach dieser Bestimmung nur dann zu, wenn ihm der entsprechende Bescheid binnen zwei Wochen nach Rechtskraft vorgelegt worden sei. Eine andere Deutung des § 170 Abs. 8 ForstG würde erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken hervorrufen, weil dann dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft auch nach Ablauf einer völlig unbestimmten Frist das Recht zustünde, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, wenn die Verwaltungsbehörde ihrer Verpflichtung zur rechtzeitigen Bescheidvorlage nicht nachkomme. Der Bundesminister könnte in diesem Fall eine Beschwerde nicht nur, wie im vorliegenden Fall, nach Ablauf von mehr als sieben Monaten nach Rechtskraft des Bescheides erheben, sondern auch noch nach vielen Jahren, wenn die Bezirksverwaltungsbehörde entsprechend säumig sei. Dies würde jedoch bedeuten, daß § 170 Abs. 8 2. Satz ForstG nicht i.S.d. Art. 18 Abs. 1 B-VG ausreichend bestimmt sei, sowie, daß dem Auftrag des Art. 131 Abs. 2 B-VG, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen und somit auch, innerhalb welcher Frist Amtsbeschwerde erhoben werden könne, nicht hinreichend entsprochen worden sei. Da es sich um eine "eingriffsnahe" Regelung handle, müsse die Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zur Amtsbeschwerde präzise und konkret geregelt sein. Würde man die Zwei-Wochenfrist als sanktionslose "Ordnungsfrist" ansehen, bestünden dagegen auch Bedenken im Lichte des Art. 5 StGG, des Art. 1 1. ZP zur EMRK sowie des Art. 6 EMRK. Die mitbeteiligte Partei rege daher - sollte ihre Auslegung des § 170 Abs. 8 ForstG nicht geteilt werden - eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung gemäß Art. 140 B-VG an.

Gemäß § 170 Abs. 8 ForstG haben die Behörden u.a. Bescheide, mit denen gemäß § 19 Abs. 1 lit. b Rodungen bewilligt wurden, binnen zwei Wochen nach deren Rechtskraft unter Anschluß der Entscheidungsunterlagen dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vorzulegen. Dieser kann gegen solche Bescheide Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG beträgt gemäß § 21 Abs. 1 VwGG sechs Wochen. Sie beginnt gemäß Z. 4 dieser Bestimmung in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 B-VG - und somit auch im vorliegenden Fall - dann, wenn der Bescheid aufgrund der Verwaltungsvorschriften dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, zu dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen kann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gegen von der Bezirksverwaltungsbehörde erteilte Rodungsbewilligungen schlechthin (und nicht etwa nur gegen solche, die ihm innerhalb von zwei Wochen nach deren Rechtskraft vorgelegt wurden), Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben und es beginnt die Beschwerdefrist mit dem Tag der Zustellung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bzw. mit dem Zeitpunkt, zu dem der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft von diesem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

Für die Auffassung der mitbeteiligten Partei, eine verspätete Bescheidvorlage an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ziehe den Verlust dessen Beschwerderechtes nach sich, bieten die genannten Bestimmungen daher keine Grundlage.

Der Verwaltungsgerichtshof hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 170 Abs. 8 Forstgesetz. Denn zunächst kann angesichts des dargelegten Inhaltes der in den wiedergegebenen Bestimmungen getroffenen Anordnungen keine Rede davon sein, daß die Frist für die Erhebung der Amtsbeschwerde durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 B-VG unzureichend bestimmt wäre. Der Verwaltungsgerichtshof übersieht nicht, daß eine bestimmte - freilich gesetzwidrige - Vorgangsweise der bescheiderlassenden Behörde für den Bewilligungswerber mit nachteiligen Folgen verbunden sein kann. Die in Rede stehende Bestimmung sieht aber nun, wie von der mitbeteiligten Partei auch gar nicht in Abrede gestellt wird, gerade einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf vor, der diese nachteiligen Wirkungen erst gar nicht entstehen lassen kann.

Verfassungsrechtlich bedenklich wäre es freilich, wenn man - wie dies der mitbeteiligten Partei offenbar vorschwebt - gerade umgekehrt § 170 Abs. 8 Forstgesetz so auslegte, daß die Erhebung der Amtsbeschwerde durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, also die Geltendmachung der objektiven Rechtmäßigkeit des Bescheides, davon abhängig wäre, ob die belangte Behörde den Bescheid gesetzmäßig fristgerecht dem Bundesminister übermittelt oder nicht. Umgekehrt ist das pflichtgemäße Vorgehen der belangten Behörde im System der mittelbaren Bundesverwaltung sowohl über die Weisungsgebundenheit des Landeshauptmannes und die dem korrespondierende Aufsichtspflicht des Bundesministers (Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 103 Abs. 1 B-VG) abgesichert, als auch durch die Geltendmachung der Amtshaftung.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, einen Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG zu stellen.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beantragt in seiner rechtzeitig erhobenen und zulässigen Beschwerde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, aus der den Aktenunterlagen beiliegenden "ökologischen Begleitplanung" des Institutes für angewandte Ökologie sei zu entnehmen, daß von den ca. 77 ha, für welche eine befristete - inzwischen erloschene - Rodungsbewilligung Mitte der 70er Jahre erteilt worden sei im Jahr 1994 erst ca. ein Drittel Fläche als Steinbruch genutzt und somit auch gerodet worden sei. Zusätzlich sei dazu von der mitbeteiligten Partei noch auf weiteren ca. 20 ha Waldfläche um Rodung angesucht worden. Zwar erfordere, den vorgelegten Studien zufolge, das laufende Tagesgeschäft hohe Flexibilität, um die kurzfristige Bereitstellung von Ausgangsgesteinen unterschiedlichster Qualität sicherstellen zu können. Dessen ungeachtet vertrete der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft aber die Auffassung, daß eine derart große Rodefläche ohne präzise Angaben bzw. Vorschreibungen über sukzessive Teilrodung und entsprechende systematische Wiederaufforstung weder aus forstrechtlicher noch aus forstökologischer Sicht vertretbar sei. Eine Waldfläche von nahezu 1 Mio. Quadratmeter könne auch bei vorliegenden zwingenden betriebswirtschaftlichen Gründen nicht beliebig genutzt und beliebig lange nicht rekultiviert werden; derartige Vorhaben könnten nicht mehr der freien Disposition eines einzelnen Unternehmens überlassen bleiben. Es sei auch festgehalten worden, daß laut Aussage der mitbeteiligten Partei keine Abbaupläne weder nach Quantität noch Zeitrahmen vorlägen und die Erstellung solcher, wegen hohem Kostenaufwand, auch nicht vorgesehen seien. Zusammenfassend werde daher festgestellt, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides insofern mangelhaft sei, als eine Interessenabwägung hinsichtlich der nunmehr beanspruchten Waldfläche von über 92 ha überhaupt nicht vorgenommen worden sei. Unbegründet sei auch geblieben, warum nicht zunächst einmal die Rodungsbewilligung für die ca. 77 ha große Abbaufläche nochmals erteilt worden sei, zumal lediglich ein Drittel davon in den letzten 20 Jahren tatsächlich genutzt worden sei. Auch wenn der forsttechnische Amtssachverständige grundsätzlich keine Einwände gegen die große Waldinanspruchnahme erhoben habe, so erscheine es doch problematisch, eine Rodungsbewilligung auf "Verdacht" zu erteilen, ohne zu wissen (oder realistisch abschätzen zu können), ob die Rodungsfläche im Bewilligungszeitraum überhaupt benötigt werde bzw. ob das in diesem Bereich vorhandene Gestein den Anforderungen entspreche. Des weiteren seien - abgesehen von der Feststellung bei der mündlichen Verhandlung, daß die gegenständlichen Flächen als Steinbruch gewidmet seien - nicht begründet bzw. entsprechende Stellungnahmen dahingehend eingeholt werden, ob ein öffentliches Interesse bzw. ein Bedarf an der zusätzlichen Rodefläche bestehe, obwohl erst ca. ein Drittel der bereits Mitte der 70er Jahre bewilligten Flächen zum Abbau genutzt worden seien und wieso es der mitbeteiligten Partei nicht zumutbar sei, ein Abbaumodell zu erstellen, aus dem sich zumindest annähernd der mittelfristige Flächenbedarf ersehen lasse. Nach Ansicht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft sei daher eine unzureichende Abwägung des öffentlichen Interesses zugunsten der Walderhaltung erfolgt, da eine Waldinanspruchnahme von über 92 ha, wenn auch nur befristet bzw. in Teilabschnitten, jedenfalls einen gewaltigen Eingriff in den Waldbestand darstelle und in diesem Fall eine besonders genaue Überprüfung des beantragen Rodungszweckes vorzunehmen gewesen wäre. Gerade deshalb erscheine die kurze Feststellung am Ende der Bescheidbegründung, daß eben aufgrund der Ausführungen des forsttechnischen Amtssachverständigen das überwiegende öffentliche Interesse an der Rodung nachgewiesen sei, unzureichend.

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen i.S.d. Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.

Gemäß § 19 Abs. 11 ForstG 1975 sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Ausgehend von diesen Bestimmungen ist es Sache der Forstbehörde, gestützt auf entsprechende Ermittlungsergebnisse in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, ob und inwieferne am dargelegten Rodungszweck ein öffentliches Interesse besteht und gegebenenfalls, ob und aus welchen Gründen dieses öffentliche Interesse jenes an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Flächen als Wald überwiegt. Die von der Forstbehörde gemäß § 17 ForstG vorzunehmende Interessenabwägung setzt somit voraus, daß zunächst festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Flächen besteht und welches Ausmaß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung aufweist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1996, Zl. 95/10/0151).

Hinsichtlich der anderweitigen öffentlichen Interessen ist der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich zu entnehmen, daß es um den Abbau von Kalk und Mergel zur Zementproduktion geht. Selbst wenn daher der Rodungsantrag der mitbeteiligten Partei grundsätzlich durch ein öffentliches Interesse i.S.d. § 17 Abs. 3 ForstG (Bergbau) begründet wäre, so fehlt es an jeglichen Feststellungen darüber, in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse daran besteht, die zur Rodung beantragten Flächen für Zwecke des Bergbaus entsprechend dem Antrag der mitbeteiligten Partei zu verwenden. Erst derartige Feststellungen würden es aber überhaupt erst ermöglichen, dem Walderhaltungsinteresse ein anderweitiges öffentliches Interesse gegenüberzustellen und - darauf aufbauend - zu beurteilen, ob die Schlußfolgerung, "das überwiegende öffentliche Interesse an der Rodung" erscheine "nachgewiesen", zutreffend ist.

Soweit die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift in diesem Zusammenhang ausführt, ein das Walderhaltungsinteresse überwiegendes öffentliches Interesse an der beantragten Rodung sei evident, ist sie auf die hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, Zl. 95/10/0042) zu verweisen, wonach selbst offenkundige Tatsachen in der Begründung des Bescheides so eingehend darzulegen sind, daß der beschwerdeführende Bundesminister und der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob im konkreten Fall ein das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse an der beantragten Rodung besteht.

Indem die belangte Behörde es unterließ, die für die gebotene Interessenabwägung erforderlichen Feststellungen zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG konnte von der Durchführung der von der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996100032.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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