RS OGH 2021/6/22 4Ob44/21f

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 22.06.2021
beobachten
merken

Norm

EG-RL 2000/31/EG - RL über den elektronischen Geschäftsverkehr 32000L0031 Art3 Abs1
EG-RL 2000/31/EG - RL über den elektronischen Geschäftsverkehr 32000L0031 Art5 Abs2 litb
EG-RL 2000/31/EG - RL über den elektronischen Geschäftsverkehr 32000L0031 Art5 Abs5
EuGVVO 2012 Art7 Nr2
UrhG §15 Abs1
UrhG §17 Abs1
UrhG §18 Abs3
UrhG §18a
UrhG §59a
UrhG §76a

Rechtssatz

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

I. Ist der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art 3 Abs 1 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl L 167, S 10) dahin auszulegen, dass diese vom (hier nicht in der Union ansässigen) unmittelbaren Betreiber einer Streamingplattform vorgenommen wird, der

– allein über den Inhalt und die Abdunkelung von von ihm verbreiteten TV-Sendungen entscheidet und diese technisch durchführt,

– die alleinigen Administratorenrechte für die Streamingplattform hat,

– Einfluss darauf nehmen kann, welche TV?Programme vom Endnutzer über den Dienst empfangen werden können, jedoch ohne Einfluss auf den Inhalt der Programme nehmen zu können,

– und alleiniger Kontrollpunkt dafür ist, welche Programme und Inhalte wann auf welchen Territorien zu sehen sind,

wenn dabei jeweils

– dem Nutzer Zugriff nicht nur auf Sendungsinhalte vermittelt wird, deren Online-Nutzung die jeweiligen Rechtsinhaber erlaubt haben, sondern auch auf solche geschützte Inhalte, bei denen eine entsprechende Rechteklärung unterblieben ist, und

– der unmittelbare Betreiber der Streamingplattform weiß, dass sein Dienst auch den Empfang von geschützten Sendungsinhalten ohne Zustimmung der Rechteinhaber ermöglicht, indem die Endkunden VPN?Dienste verwenden, die suggerieren, die IP?Adresse und Geräte der Endkunden befinde sich in Gebieten, für die eine Zustimmung des Rechteinhabers vorliegt, jedoch

– der Empfang von geschützten Sendungsinhalten über die Streamingplattform ohne Zustimmung der Rechteinhaber auch ohne VPN?Tunnelung für mehrere Wochen tatsächlich möglich war?

II. Im Fall der Bejahung der Frage I.:

Ist der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG dahin auszulegen, dass diese auch von mit dem in Frage I. beschriebenen Betreiber einer Plattform vertraglich und/oder gesellschaftsrechtlich verbundenen Dritten (hier mit Sitz in der Union) vorgenommen wird, die, ohne selbst Einfluss auf die Abdunkelungen und auf die Programme und Inhalte der auf der Streamingplattform gebrachten Sendungen zu haben,

– die Streamingplattform des Betreibers und deren Dienstleistungen bewerben, und/oder

– mit den Kunden nach 15 Tagen automatisch endende Testabonnements abschließen, und/oder

– die Kunden der Streamingplattform als Kundendienst betreuen, und/oder

– auf ihrer Website kostenpflichtige Abonnements für die Streamingplattform des unmittelbaren Betreibers anbieten und dann als Vertragspartner der Kunden und als Zahlungsempfänger agieren, wobei die kostenpflichtigen Abonnements derart erstellt werden, dass ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass gewisse Programme nicht zur Verfügung stehen, nur dann erfolgt, wenn ein Kunde bei Vertragsabschluss explizit angibt, diese Programme sehen zu wollen, jedoch dann, wenn solches von Kunden nicht angegeben bzw konkret nachgefragt wird, die Kunden nicht im Vorhinein darauf hingewiesen werden?

III. Sind Art 2 lit a und lit e sowie Art 3 Abs 1 der Richtlinie 2001/29/EG in Verbindung mit Art 7 Nr 2 der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl L 351, S 1) dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die vom Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts gewährleistet werden, dieses Gericht – weil das Territorialitätsprinzip der Kognitionsbefugnis inländischer Gerichte in Bezug auf ausländische Verletzungshandlungen entgegensteht – nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig ist, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verursacht worden ist, zu dem es gehört, oder kann oder muss dieses Gericht auch über nach den Behauptungen des verletzten Urhebers außerhalb dieses Hoheitsgebiets (weltweit) begangene Tathandlungen absprechen?

Entscheidungstexte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:RS0133717

Im RIS seit

02.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten