TE Vwgh Erkenntnis 1974/12/2 0504/74

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Veröffentlicht am 02.12.1974
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Index

Feuerpolizei
L44109 Feuerpolizei Kehrordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

KehrV Wr 1957 §11
KehrV Wr 1957 §13
KehrV Wr 1957 §2
KehrV Wr 1957 §4
KehrV Wr 1957 §4 Abs3
KehrV Wr 1957 §5 Abs2
VStG §1 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsoberkommissär Dr. Yasikoff, über die Beschwerde des RV in W, vertreten durch Dr. Margareta Appel, Rechtsanwalt in Wien XIX, Sieveringerstraße 75A, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. Jänner 1974, Zl. MA 64-234/72/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Wiener Kehrverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.097,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 13. September 1972 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe die Kehrung, die zu den verlautbarten Kehrtagen nicht vorgenommen habe werden können, insofern nicht nachgeholt, als er es zu dem ihm zur Nachholung der Kehrung bekanntgegebenen Termin, nämlich am 19. November 1971, unterlassen habe, dafür vorzusorgen, daß die Kehrung sämtlicher Kehrgegenstände und Rauchfangputztürchen in der Wohnung Wien, N-gasse, 1. Stiege, Tür 60 ungehindert habe vorgenommen werden können. Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 11 im Zusammenhalt mit § 13 der Wiener Kehrverordnung, LGBl. Nr. 23/1957, begangen. Die Behörde verhängte über den Beschwerdeführer gemäß § 19 der Wiener Kehrverordnung im Zusammenhalt mit § 13 des Wiener Feuerpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 17/1957, eine Geldstrafe von S 500,-- und - für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - eine Ersatzarreststrafe von 48 Stunden.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer u. a. ins Treffen, daß die Rauchfänge der in Rede stehenden Wohnung seit dem Jahre 1970, in dem die langjährige Wohnungsinhaberin gestorben sei, unbenützt seien. Es sei daher § 3 der Wiener Kehrverordnung anzuwenden, wonach Kehrgegenstände, die länger als ein Jahr unbenützt seien, nicht gereinigt werden müßten.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 das Straferkenntnis in der Schuldfrage mit der Maßgabe, daß in dessen Spruch - bei der Umschreibung der Tat - anstelle des Wortes „Kehrung“ jeweils die Worte „Kehrung bzw. Überprüfung“ träten und als übertretene Norm § 13 im Zusammenhalt mit § 4 und § 11 der Wiener Kehrverordnung gelte. (Eine weitere Änderung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bezieht sich auf die Strafhöhe.) Zur Begründung führte die Behörde nach einer Darstellung des Berufungsvorbringens und der Bestimmungen der §§ 4, 11 und 13 der Wiener Kehrverordnung aus, es hänge die Frage, ob der Beschwerdeführer am 19. November 1971 verpflichtet gewesen sei, die Kehrung oder bloß die Überprüfung der Kehrgegenstände durchführen zu lassen, davon ab, ob die Kehrgegenstände länger als ein Jahr unbenützt gewesen seien. Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die Wohnung seit dem Jahre 1970 unbewohnt sei und zu dieser Zeit die Rauchfänge nicht benützt gewesen seien, sei - was den Zeitraum bis zum 19. November 1971 betreffe - durch das Erhebungsergebnis nicht widerlegt. Dennoch bilde das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers ebenfalls eine Übertretung der Wiener Kehrverordnung, und zwar im Sinne des § 13, wobei sich ein diesbezüglicher Schuldspruch auf mehrere - von der Behörde angegebene - Tatsachen stütze. Es sei damit eindeutig erwiesen, daß der Beschwerdeführer am 19. November 1971 nicht für die Nachkehrung bzw. mindestens einmal jährliche Überprüfung der Kehrgegenstände gesorgt habe, obwohl er als Benützer der Räume, in denen die Kehrgegenstände untergebracht seien, hiezu verpflichtet gewesen sei. Dem Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens, wonach die Verpflichtung zur Überprüfung der Kehrgegenstände auf jeden Fall bestanden habe, jene zur Kehrung hingegen nach der Aktenlage nicht eindeutig nachgewiesen habe werden können, sei durch die spruchgemäße Abänderung des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz Rechnung getragen worden, wobei diese Abänderung keinen anderen Strafvorwurf enthalte, sondern lediglich eine andere Subsumption des bisherigen inkriminierten Verhaltens darstelle, weil die Nichtermöglichung der Nachkehrung auch die Nichtermöglichung der Überprüfung begrifflich mitumfasse. Dieser begriffliche Zusammenhang ergebe sich auch aus der Überschrift des § 11 der Wiener Kehrverordnung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und über die Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wurde einer Verwaltungsübertretung nach § 13 im Zusammenhalt mit § 4 und § 11 der Wiener Kehrverordnung schuldig erkannt, weil er, wie die belangte Behörde nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens als feststehend annahm, am 19. November 1971 nicht dafür gesorgt habe, daß die Überprüfung der Kehrgegenstände der Wohnung, deren Benützer er sei, ungehindert habe vorgenommen werden können.

In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer auch vor, es habe die Behörde das Gesetz unrichtig angewandt, weil nach § 13 der Wiener Kehrverordnung lediglich Kehrungen und nicht auch Überprüfungen nachzuholen seien. § 4 der Wiener Kehrverordnung sei überhaupt nur an den Rauchfangkehrer gerichtet.

§ 4 der Wiener Kehrverordnung ist im Abschnitt I („Allgemeine Bestimmungen“) enthalten. Er trägt die Überschrift „Überprüfung“. Sein Absatz 1 lautet:

„Die Kehrgegenstände (§ 1 Abs. 1) sind von dem für das Haus bestellten Fachkundigen - Rauchfangkehrer - anläßlich jeder Kehrung durch Augenschein auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen; Kehrgegenstände, die länger als ein Jahr unbenützt sind, müssen einmal im Jahr überprüft werden.“

Die §§ 11 und 13 sind im Abschnitt II („Pflichten des Hauseigentümers und der Benützer von Feuerstätten“) enthalten. Sie lauten:

„§ 11. Vorsorge für die Kehrung und Überprüfung.

(1) An den verlautbarten Kehrterminen und bei periodischen Überprüfungen muß dafür vorgesorgt sein, daß sämtliche Kehrgegenstände und Rauchfangputztürchen oder Einsteigtürchen leicht zugänglich sind und daß die Kehrung, die Entnahme der Ablagerungen und die Überprüfung ungehindert vorgenommen werden können; diese Vorsorge obliegt hinsichtlich der Kehrgegenstände in allgemein zugänglichen Teilen des Hauses dem Hauseigentümer, hinsichtlich der übrigen Kehrgegenstände dem Benützer des Raumes, in dem sie untergebracht sind.

(2) Die Rauchfangputztürchen und Einsteigtürchen dürfen nicht verstellt werden und sind versperrt zu halten.

§ 13. Nachholen versäumter Kehrungen.

Kann die Kehrung an verlautbarten Kehrtagen nicht vorgenommen werden, so hat der Schuldtragende die Kehrung unverzüglich nachholen zu lassen.“

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes konnte das im angefochtenen Bescheid umschriebene Verhalten des Beschwerdeführers keinem dieser Tatbestände unterstellt werden.

§ 4 der Wiener Kehrverordnung ist, wie der Wortlaut dieser Verordnungsstelle und deren Stellung im System der Verordnung erkennen lassen, nicht an den Benützer der Kehrgegenstände, sondern an den nach § 5 Abs. 3 des Wiener Feuerpolizeigesetzes zu bestellenden Rauchfangkehrer gerichtet. Damit allein könnte allerdings, wenn die von der Behörde gleichfalls angeführten Tatbestände des § 11 oder § 13 der Wiener Kehrverordnung erfüllt gewesen wären, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan werden, weil die belangte Behörde durch die Zitierung des § 4 nur zum Ausdruck brachte, aus welchem Rechtsgrunde sie die Verpflichtung des Beschwerdeführers, für eine Überprüfung der Kehrgegenstände vorzusorgen, für gegeben hielt.

Im Beschwerdefall trafen aber die Tatbestandsmerkmale des § 11 der Wiener Kehrverordnung deshalb nicht zur Gänze zu, weil die belangte Behörde nicht snnahm, daß der Beschwerdeführer diese Vorsorge an einem verlautbarten Kehrtermin oder bei einer periodischen Überprüfung - schuldhaft - unterlassen habe. Die Tatzeit, der 19. November 1971, fiel vielmehr auf einen dem Beschwerdeführer gesetzten „Nachtermin“, wie sich aus der Aktenlage ergibt. Der „Nachtermin“ kann jedoch dem „verlautbarten Kehrtermin“ im Sinne des § 11 nicht gleichgesetzt werden, wie schon aus § 13 zu erschließen ist. Diese Verordnungsstelle verpflichtet den Schuldtragenden - darunter ist, wie sich aus dem Zusammenhalt mit § 11 ergibt, der Hauseigentümer oder der Benützer des Raumes, in dem die Kehrgegenstände untergebracht sind, zu verstehen - die Kehrung unverzüglich nachholen zu lassen, wenn die Kehrung an den verlautbarten Kehrtagen nicht vorgenommen werden kann. Der Benützer (oder Hauseigentümer) handelt daher dieser Verordnungsstelle auch dann zuwider, wenn er zu einem ihm rechtzeitig bekanntgegebenen Nachtermin die im § 11 umschriebene Vorsorge für eine ungehinderte Kehrung nicht trifft.

§ 13 der Wiener Kehrverordnung regelt hingegen nur das Nachholen versäumter Kehrungen. Von diesem Begriff ist entgegen der Auffassung der belangten Behörde die Überprüfung von Kehrgegenständen nicht erfaßt. Nach § 2 der Wiener Kehrverordnung gehört vielmehr die Kehrung begrifflich zur Reinigung des Kehrgegenstandes. Nach § 5 Abs. 2 des Wiener Feuerpolizeigesetzes unterliegen ferner Gegenstände, die länger als ein Jahr unbenützt sind, nicht der Reinigungspflicht; sie sind aber einmal im Jahr durch Augenschein auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen. Es läßt daher auch diese unterscheidende Regelung des Wiener Feuerpolizeigesetzes nicht zu, die Bestimmung des § 13 der Wiener Kehrverordnung auch auf versäumte Überprüfungen anzuwenden.

Es mag unbefriedigend sein, daß derjenige, der eine Überprüfung der Kehrgegenstände vereitelt, diese nicht nachholen muß - die belangte Behörde spricht in diesem Zusammenhang von einem „geradezu widersinnigen Auslegungsergebnis“ -; doch ist es im Verwaltungsstrafrecht nicht Aufgabe der Rechtsanwendung, im Auslegungswege neue Straftatbestände zu schaffen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 1966, Slg. N. F. Nr. 6956/A).

Das im Verwaltungsstrafverfahren festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist somit von den von der belangten Behörde herangezogenen Vorschriften nicht mit Strafe bedroht; der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 427/1972. Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers, gerichtet auf den Ersatz einer Umsatzsteuer, war mit Rücksicht auf die Pauschalierung des Aufwandersatzes abzuweisen.

Wien, am 2. Dezember 1974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1974000504.X00

Im RIS seit

23.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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