TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/10 I415 2238362-1

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Veröffentlicht am 10.05.2021
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Entscheidungsdatum

10.05.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I415 2238362-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX (früher: XXXX ), geb. XXXX , StA. Slowakei gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2020, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.04.2021, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine slowakische Staatsangehörige, wurde am 22.06.2020 wegen des Tatverdachtes des Suchtgifthandels in Untersuchungshaft genommen.

2.       Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 08.07.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) der BF mit, dass beabsichtigt sei, gegen sie im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG zu erlassen und forderte sie auf, dazu sowie zu ihren persönlichen Verhältnissen binnen zehn Tagen Stellung zu nehmen.

3.       Mit Schreiben vom 28.07.2020 übermittelte sie eine schriftliche Stellungnahme. Darin machte sie geltend, sich seit ungefähr 10 Jahren hauptsächlich in Österreich aufzuhalten und ab und zu auch in der Slowakei. Sie habe im Bundesgebiet einen Lebensgefährten, mit dem sie nach ihrer Enthaftung eine Familie gründen wolle. Sie sei schwanger und wolle, dass ihr Kind in Österreich geboren werde.

4.       Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 19.10.2020, Zl. XXXX , wurde die BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wovon 16 Monate unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden.

5.       Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA vom 24.11.2020 wurde gegen die BF gem. § 67 Abs 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihr gem. § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gem. § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

6.       Dagegen erhob die BF mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde.

7.       Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 07.01.2021 vorgelegt.

8.       Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.01.2021, Zl. I415 2238362-1/3Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

9.       Mit Schreiben vom 29.04.2021 wurde seitens der RV mitgeteilt, dass diese mit diesem Tag alle ihr erteilten Vollmachten zurücklege, weil kein Kontakt mit der BF mehr bestehe.

10.      Am 30.04.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der BF, ihres Ehegatten, der zeugenschaftlich einvernommen wurde, sowie des Schwiegervaters der BF als Vertrauensperson, abgehalten. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Die volljährige BF ist slowakische Staatsangehörige. Ihre Identität steht fest.

Sie wurde am XXXX in Bratislava geboren.

Seit dem Jahr 2007 hält sie sich immer wieder in Österreich auf. Sie verfügte von 09.10.2007 bis 25.08.2011, von 26.09.2011 bis 26.01.2012 sowie von 14.04.2015 bis 25.10.2019 über einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, befand sich von 23.06.2020 bis 02.12.2020 in Österreich in Strafhaft und verfügt neuerlich seit dem 03.12.2020 über eine Meldeadresse in Wien. Während ihres Aufenthaltes in Österreich hielt sie sich immer wieder in ihrer Heimat auf, besuchte dort eine Hotelfachschule und hatte einen Nebenwohnsitz in XXXX .

Sie verfügt seit dem 01.04.2010 über eine Anmeldebescheinigung für Familienangehörige.

Am 09.01.2021 heiratete sie einen österreichischen Staatsangehörigen, mit dem sie eine gemeinsame Tochter österreichischer Staatsangehörigkeit hat, welche am 23.01.2021 geboren wurde.

Im Bundesgebiet lebt auch die Mutter der BF, die ebenfalls slowakische Staatsangehörige ist. Es besteht weder ein gemeinsamer Wohnsitz, noch gegenseitige Abhängigkeiten. Der Vater der BF lebt in Amerika, eine Tante und die Großmutter der BF leben in Prag. In der Slowakei leben noch ein Onkel der BF sowie die Schwester der Großmutter.

Die BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Sie ist trotz ihrer Suchtgiftabhängigkeit arbeitsfähig und war in Österreich jeweils für kurze Zeiträume, und zwar von 13.05.2011 bis 13.11.2011, von 15.01.2018 bis 16.02.2018 und von 12.03.2018 bis 11.08.2018 für verschiedene Arbeitgeber erwerbstätig. Außerdem ging sie zwischen 01.12.2012 und 01.01.2013 einer geringfügigen Beschäftigung in Deutschland nach. Derzeit ist sie nicht erwerbstätig. Sie bezieht in Österreich Mindestsicherung und ist sozialversichert. Zurzeit befindet sie sich im Mutterschutz. Ihr Ehemann ging zuletzt bis Juni 2018 einer erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Er befand sich zwischen 23.06.2020 und 11.12.2020 in Strafhaft, bezog in den Monaten davor bedarfsorientierte Mindestsicherung und ist derzeit nicht erwerbstätig.

Die BF sowie ihr Ehemann sind aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenslosigkeit momentan nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt aus eigenem zu bestreiten und auf Zuwendungen Dritter angewiesen. Sie werden durch den Schwiegervater der BF unterstützt, der für sie eine Wohnung angemietet hat.

Die BF hat einen Deutschkurs an der Universität Campus Wien besucht und ist der deutschen Sprache mächtig, ohne jedoch ein Sprachzertifikat erworben zu haben. Weiter spricht die BF muttersprachlich Slowakisch, zudem Tschechisch und etwas Englisch.

Ihr Ehegatte spricht Deutsch, Englisch, Türkisch, Slowakisch und Tschechisch.

Die BF wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 19.10.2020, Zl. XXXX , wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wovon 16 Monate unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden.

Mit besagtem Urteil wurde die BF für schuldig befunden, gemeinsam mit zwei weiteren abgesondert rechtskräftig verurteilten Tätern, darunter auch ihr Ehemann S.Ce., in Wien und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich „Piko“ (mit dem Wirkstoff Methamphetamin in einem Reinheitsgehalt von zumindest 60 %), XTC (mit dem Wirkstoff MDMA) und Kokain (mit dem Wirkstoff Cocain)

I./ aus der Slowakei aus- und nach Österreich eingeführt zu haben, und zwar im Zuge mehrerer Angriffe in Teilmengen insgesamt 680 Gramm „Piko“, somit in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, und zwar

1./ im Zeitraum Winter 2018 bis Frühjahr 2019 gesamt 250 Gramm im Auftrag des S.Ca.

2./ im Zeitraum Anfang März 2019 bis Mai 2019 gesamt 400 Gramm im Auftrag des N.Y.

3./ im Zeitraum April 2020 bis Juni 2020 gesamt 30 Gramm im Auftrag des S.Ce. und des P.Z.

II./ anderen gewinnbringend überlassen zu haben, und zwar im Zuge mehrerer Angriffe in Teilmengen insgesamt 761 Gramm „Piko“, somit in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge zu einem Grammpreis von zumindest EUR 40,--, und zwar

1./ im Sommer 2018 40 Gramm an A.K;

2./ im Zeitraum Winter 2018 bis Frühjahr 2019 die zu Pkt. I./1./ eingeführte Menge von 250 Gramm an S.CA.

3./ Anfang des Jahres 2019 eine nicht mehr feststellbare Menge an A.S.

4./ im Februar 2019 10 Gramm an R.T.

5./ im Zeitraum Anfang März 2019 bis Mai 2019 die zu Pkt. I./2./ eingeführte Menge von 400 Gramm an N.Y.

6./ im Frühjahr 2020 10 Gramm an P.Z.

7./ in der Slowakei, im Wissen, dass dieses für den Weiterverkauf in Österreich bestimmt war;

a./ im Zeitraum Anfang März 2019 bis Mai 2019 gesamt 45 Gramm an F.B.

b./ im Zeitraum Ende Juni 2019 bis 11.07.2019 in zwei Angriffen gesamt 6 Gramm an N.C. und O.B.

III./ erworben und besessen zu haben, und zwar von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 22.06.2020 zum ausschließlich persönlichen Gebrauch, und zwar eine nicht mehr feststellbare Menge „Piko“.

Als mildernd wurden dabei die geständige Verantwortung, die bisherige Unbescholtenheit und die Sicherstellung eines Teils des Suchtgifts gewertet, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die mehrfachen Tatangriffe und der lange Deliktszeitraum.

Darüber hinaus wurde ihr die Weisung erteilt, sich nach Vollzug des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe einer ambulanten Suchtgiftentwöhnungstherapie zu unterziehen. Die BF nimmt wöchentlich an einer solchen Therapie teil. Es konnte nicht festgestellt werden, ob sie weiterhin suchtgiftabhängig ist.

Es wird festgehalten, dass die BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1      Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem AJ-Web, dem Schengener Informationssystem und dem Strafregister wurden ergänzend eingeholt. Zudem wurde der BF am 30.04.2021 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommen.

2.2      Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Identität der BF liegt aufgrund des den österreichischen Behörden vorgelegten slowakischen Reisepasses Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen zum Aufenthalt der BF im Bundesgebiet und ihren Wohnsitzmeldungen ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt sowie einem zusätzlich eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister (zmr). Dass die BF sich nicht ausschließlich in Österreich aufhielt, in ihrer Heimat eine Hotelfachschule absolvierte und dort auch einen Nebenwohnsitz angemeldet hatte, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben.

Die Feststellung zu der ihr erteilten Anmeldebescheinigung geht aus dem zentralen Fremdenregister (izr) hervor.

Die Feststellung zu der von der BF kürzlich – nach Erhebung der gegenständlichen Beschwerde – geschlossenen Ehe ergibt sich aus den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und dem zentralen Melderegister. Die Feststellungen zum Ehegatten und der gemeinsamen Tochter der BF beruhen auf der im Rahmen der Verhandlung in Vorlage gebrachten Geburtsurkunde der gemeinsamen Tochter und des Staatsbürgerschaftsnachweises derselben. Die gemeinsame Haushaltsführung der BF mit ihrem Ehegatten und deren gemeinsame Tochter ergibt aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister der Republik Österreich sowie den glaubhaften Ausführungen der BF und ihres Ehegatten im Rahmen der Verhandlung.

Aus den Angaben der BF und den vorliegenden zmr-Auszügen ergibt sich die Feststellung zu der in Österreich lebenden Mutter der BF.

Die Erwerbstätigkeiten der BF, ihre aktuelle Erwerbslosigkeit und die Sozialversicherung, sowie die Arbeitslosigkeit ihres Ehemannes beruhen auf dem Inhalt der eingeholten Sozialversicherungsdatenauszüge. Dass die BF und ihr Mann - trotz ihrer Suchtgiftabhängigkeit - zwar grundsätzlich arbeitsfähig, jedoch derzeit auf die Unterstützung ihres (Schwieger-) Vaters angewiesen sind, ergibt sich aus den Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Der Ehemann der BF hat aktuell keine Aussicht auf eine Arbeitseinstellung. Aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung hat er sechs Monate lang eine stationäre Therapie zu absolvieren, währenddessen er faktisch nicht arbeitsfähig ist. Dies ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung (Protokoll vom 30.04.2012, AS 10, 11).

Die guten Deutschkenntnisse der BF ergeben sich aus dem Eindruck des erkennenden Richters im Rahmen der mündlichen Verhandlung, in welcher sich die BF ohne Dolmetscherunterstützung gut zu verständigen wusste. Die Feststellungen zu den weiteren Sprachkenntnissen der BF und ihres Ehemannes ergeben sich aus den glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung. Für über ihre Deutschkenntnisse hinausgehende Integrationsbemühungen der BF gibt es weder im Akteninhalt, noch im Beschwerdevorbringen Hinweise.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung der BF und ihres Ehemannes ergeben sich aus einer Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich sowie dem vorliegenden Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX .

Eine Bestätigung über die erfolgreiche Absolvierung einer Suchtgiftentwöhnungstherapie hat die BF nicht vorgelegt. Sie hat eine über drei Jahre hinweg andauernde wöchentliche Therapie zu absolvieren, dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der BF in der mündlichen Verhandlung (Protokoll vom 30.04.2021, AS 7).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1 Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die BF ist als Staatsangehörige der Slowakei eine EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Gegen die BF als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürgerin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367).

Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG 2005 vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 rechtmäßig aufhältig (vgl. VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005). Das bedeutet aber nicht, dass auch im Aufenthaltsbeendigungsverfahren, in dem verbindlich über das Weiterbestehen der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht entschieden wird, für die Vergangenheit in Bezug auf den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts vom Vorliegen dieser Voraussetzungen auszugehen ist; vielmehr hat die Behörde in diesem Verfahren eigenständig zu beurteilen, bis zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht vorlagen und ob ausgehend davon bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben wurde. Innerstaatliche Berechtigungen sind insoweit irrelevant (vgl. EuGH 8.5.2013, Alarape und Tijani, C-529/11). (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0191)

Der zum erhöhten Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG (der Art 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie [RL 2004/38/EG; vgl § 2 Abs. 4 Z 18 FPG] umsetzt) führende zehnjährige Aufenthalt im Bundesgebiet muss grundsätzlich ununterbrochen sein, wobei es dabei auf einen ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich während der letzten zehn Jahre vor der Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme ankommt (vgl. EuGH 16.1.2014, C-400/12; EuGH 8.12.2011, Ziebell, C-371/08).

Ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht steht nicht bedingungslos zu bzw. wird nicht ohne Weiteres erlangt. Gemäß der Judikatur des EuGH sind Anhaltungen in Haft bei der Berechnung der für die Erlangung eines Daueraufenthaltsrechtes benötigten Aufenthaltszeiten insofern zu berücksichtigen, als diese den Aufenthalt unterbrechen und der Berechnungszeitraum nach der Haftentlassung neu zu laufen beginnt (vgl. EuGH 16.01.2014, C 378/12). Auch besteht ein derartiges Aufenthaltsrecht insbesondere dann nicht, wenn eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt (siehe § 55 Abs. 3 NAG 2005), was im Sinn des Art. 27 der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FrPolG 2005) dann der Fall ist, wenn das persönliche Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151).

Der auch in Art 83 Abs. 1 AEUV angeführte illegale Drogenhandel ist als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und kann damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen, mit denen nach der Freizügigkeitsrichtlinie eine Ausweisung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Dies ist aufgrund einer individuellen Prüfung des konkreten Falls zu klären. Auch Straftaten, die die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar bedrohen, führen nicht zwangsläufig zur Ausweisung des Betroffenen. Eine Ausweisungsverfügung setzt voraus, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Im Allgemeinen muss daher eine Neigung des Betroffenen bestehen, sein Verhalten in Zukunft beizubehalten (EuGH Rs C-348/09).

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

3.1.2 Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Die BF fällt aufgrund ihrer slowakischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich des § 67 FPG.

Sie hielt sich beginnend mit 2007 immer wieder für mehrere Jahre, teils mit mehrjährigen Unterbrechungen, im österreichischen Bundesgebiet auf. Zuletzt war sie von 14.04.2015 bis 25.10.2019 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet, bevor sie am 22.06.2020 neuerlich im Bundesgebiet in Erscheinung trat und aufgrund eines EU-Haftbefehls festgenommen wurde.

Mit dem oben zitierten Strafurteil des LG für Strafsachen XXXX wurde rechtskräftig festgestellt, dass sie bereits im Sommer 2018 damit begonnen hat, in Missbrauch ihrer unionsrechtlichen Freizügigkeit strafbare Handlungen im Bereich der Suchtmittelkriminalität zu begehen und dieses Verhalten bis zum Zeitpunkt ihrer Festnahme im Juni 2020 fortgesetzt hat. Der Aufenthalt der BF in Österreich erweist sich sohin aufgrund der mit ihren Straftaten einhergehenden – und aktuell noch aufrechten – Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gemäß § 55 Abs. 3 NAG seit Mitte 2018 als nicht rechtmäßig. In Ermangelung eines durchgehend rechtmäßigen Aufenthaltes von 5 Jahren in Österreich hat die BF kein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht erworben.

Nachdem kein fünf- und auch kein zehnjähriger andauernder rechtmäßiger Aufenthalt der BF in Österreich vorliegt, kommt verfahrensgegenständlich der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

Demnach ist gegen die BF die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet ist.

Dies ist im Falle der BF aufgrund der hohen Sozialschädlichkeit ihres Verhaltens zu bejahen.

Die BF hat, indem sie im Zuge mehrerer Angriffe Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus der Slowakei aus- und nach Österreich eingeführt hat, ihre unionsrechtliche Freizügigkeit zum wiederholten Begehen strafbarer Handlungen missbraucht. Insofern lässt die BF eine Verbundenheit zu gültigen Rechtsnormen nicht erkennen.

Die mit erheblicher krimineller Energie begangenen Taten der BF, die über einen mehrjährigen Deliktzeitraum zahlreiche strafbare Handlungen im Bereich der grenzüberschreitenden Drogenkriminalität verübte, weisen nicht nur auf eine hohe Bereitschaft der Negierung österreichischer Gesetze und gesellschaftlicher Regeln hin, sondern auch auf ihre Bereitwilligkeit, sich - körperliche und seelische Folgen der Drogenkonsumenten in Kauf nehmend - finanziell bereichern zu wollen. Obwohl sich die BF in ihrem Strafverfahren geständig gezeigt hat und es sich um ihre erste strafrechtliche Verurteilung handelt, ist eine beachtliche Herabsetzung ihrer inneren Hemmschwelle anzunehmen. Mit ihren Taten nahm die BF eine erhebliche Verletzung öffentlicher Normen, die Förderung der Beschaffungskriminalität und die potentielle Gefährdung der Volksgesundheit durch die Verbreitung von Rauschgiften im Bundesgebiet in Kauf.

Hinzu kommt, dass die BF selbst suchtgiftabhängig ist und ihre eigene Suchtmittelergebenheit – wie sich aus dem vorliegenden Straferkenntnis klar ableiten lässt – eine wesentliche Komponente ihrer Straffälligkeit bildet.

Das in der Beschwerde geltend gemachte familiäre Umfeld (insbesondere ihre Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger und die Geburt ihres Kindes) lässt im konkreten Einzelfall nicht die Annahme einer stabilisierenden Wirkung auf die BF zu. Denn ihr strafrechtswidriges Verhalten hat bereits zu einem Zeitpunkt begonnen, zu dem sie noch erwerbstätig war, über ein geregeltes Einkommen verfügte und bei ihrer Mutter wohnte. Auch schreckte sie selbst nach Beginn ihrer Schwangerschaft im April 2020 nicht davor zurück, weitere Straftaten zu begehen. Erst durch ihre Festnahme im Juni 2020 konnte ihr schädliches Verhalten unterbunden werden. Dass die Geburt ihres Kindes geeignet sein wird, einen Gesinnungswandel zu bewirken, kann aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit nicht festgestellt werden. Zudem verkehrte auch ihr bereits einschlägig vorbestrafter Ehemann (sh. Strafurteil, Strafbemessungsgründe AS 27) noch in jüngster Vergangenheit im Suchtgiftmilieu und wurde aus diesem Grund ebenso wie die BF zu einer mehrmonatigen (Zusatz-)Freiheitsstrafe verurteilt. Wie sich aus dem Strafurteil (Punkte I./A./3. und I./B./.3.) ableiten lässt, hatte ihr nunmehriger Ehegatte die BF sogar teilweise zur Begehung von Straftaten angestiftet. Den Beschwerdeausführungen, wonach die belangte Behörde die familiären Umstände der BF völlig falsch bewertet habe, kann daher nicht gefolgt werden.

Aufgrund der bisherigen Erwerbsbiographie der BF und ihres Ehemannes besteht weiterhin die signifikante Gefahr finanzieller Schwierigkeiten, was ebenfalls befürchten lässt, dass sie sich in Freiheit wieder zu Suchtgiftdelikten hinreißen lassen werden. Noch liegen keine Anhaltspunkte für eine Stabilisierung ihrer Einkommenssituation nach dem Strafvollzug vor, vielmehr sind die BF und ihr Ehemann derzeit auf die finanziellen Zuwendungen ihrer Familienangehörigen angewiesen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH handelt es sich bei Suchtgiftkriminalität um ein besonders verpöntes Fehlverhalten, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0417), zumal es sich bei Delikten iSd § 28a SMG um qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz handelt. Verwiesen wird auch auf den Beschluss der VwGH 15.09.20016, Ra 2016/21/0262, in welchem das Verbrechen des Suchtgifthandels den erhöhten Gefährdungsmaßstab erfüllt.

Die BF wurde erst vor rund sechs Monaten aus der Strafhaft entlassen. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist jedoch grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Bei strafbaren Handlungen infolge Gewöhnung an Suchtmittel bedarf es neben dem - hier noch gar nicht vorliegenden - (erfolgreichen) Abschluss einer Therapie noch eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens, um einen Wegfall der Gefährdung annehmen zu können (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276).

Die bloße – und einzige – Beteuerung der BF in der mündlichen Verhandlung, die erste und damit letzte Straftat begangen zu haben, vermag weder Reue, Verantwortungsbewusstsein noch ein Umdenken bei der BF zu vermitteln. Vielmehr weisen die Umstände, dass die BF die Tat eingesteht, aber nicht in jenem Ausmaß, zu welchem sie verurteilt wurde und ansonsten mit keinem Wort auf ihre Verantwortung eingeht und in der gegenständlichen Beschwerde keine Worte der Reue findet, darauf hin, dass die BF sich bis dato nicht, ihre Schuld reflektierend, mit ihren Taten auseinandergesetzt hat (Protokoll vom 30.04.2012, AS 7).

Die Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, ist angesichts der massiven negativen Konsequenzen des Konsums illegaler Drogen ein Grundinteresse der Gesellschaft, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Das gegen die BF erlassene Aufenthaltsverbot ist daher zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit und der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten. Aufgrund des persönlichen Verhaltens der BF ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots unerlässlich, zumal ihr die Gefährlichkeit von Suchtgift aufgrund ihrer eigenen Gewöhnung daran bekannt sein musste, weshalb diese Maßnahme zur Verwirklichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend notwendig ist.

Da das Aufenthaltsverbot einen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben der BF darstellt, ist abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegt, als ihr gegenläufiges persönliches Interesse. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung iSd § 9 BFA-VG sind ihr langjähriger Aufenthalt im Inland, wo sie auch einen Teil ihrer Jugend verbrachte, ihre (überschaubare) Erwerbstätigkeit, ihre Deutschkenntnisse sowie ihr Familienleben mit ihrer Mutter und ihrem Ehemann, ihr gemeinsames Kind und dessen Familie zu berücksichtigen. Sie lebt seit ihrer Entlassung aus der Strafhaft mit ihrem Ehemann und ihrem gemeinsames Kind in einem gemeinsamen Haushalt. Ihrem daraus resultierenden familiären und privaten Interesse an einem Verbleib in Österreich steht jedoch die strafgerichtliche Verurteilung und das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftdelinquenz gegenüber. Insbesondere ist, sobald ein Kind involviert ist, das Kindeswohl zu berücksichtigen. Entscheidungen, welche deren Interesse betreffen sind von vorrangiger Bedeutung (vgl. EGMR 02.04.2015, SARKÖZI und MAHRAN gegen Österreich, Appl. 27945/10).

Im gegenständlichen Fall der BF liegen auch unter Beachtung des Kindeswohles keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, die – unter Beachtung des bisher Ausgeführten – eine Verletzung des Art. 8 EMRK erkennen ließen. Vielmehr ist auch weiterhin von einer hinreichenden Versorgung der gemeinsamen Tochter auszugehen. Dem Ehegatten steht es frei, die BF und die gemeinsame Tochter in den EU-Nachbarstaat Slowakei zu begleiten. Dabei gilt insbesondere zu berücksichtigen, dass der Ehegatte der BF gut slowakisch spricht und die BF mit ihrem Ehemann bereits gemeinsam in der Slowakei gelebt haben (Protokoll vom 30.04.2021, AS 6,7).

Weiters liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dahingehend vor, dass es dem Ehegatten der BF nicht möglich oder unzumutbar wäre, bei Aufrechterhaltung des Wohnsitzes in Wien den Kontakt mit der BF und der Tochter über moderne Kommunikationsmittel (etwa über das Internet oder Telefon) oder insbesondere über regelmäßige Besuche aufrechtzuerhalten. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der letzte Wohnort der BF in der Slowakei nur 113 km von Wien entfernt liegt und die Distanz zwischen Wien und ihrem Geburtsort sogar nur 67 km beträgt, wäre diese Distanz für den Ehegatten – im Falle eines Verbleibs in Wien – auch täglich mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln in den EU-Nachbarstaats Österreichs zu bewältigen. Die BF kann daher problemlos auch von Österreich aus finanziell und anderweitig durch ihre Familie unterstützt werden, etwa durch Bezug der Familienbeihilfe über den Kindesvater. Auch bestehen ausreichende familiäre Bindungen in Form eines Onkels und der Schwester der Großmutter zu ihrem direkt an Österreich angrenzenden Herkunftsstaat, in dem die BF während ihrer Zeit in Österreich zudem zumindest zeitweise über einen Nebenwohnsitz verfügte und studierte. Es wird ihr daher ohne unüberwindliche Probleme möglich sein, sich wieder in die dortige Gesellschaft zu integrieren, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.

Denkbar wäre zudem auch, dass die gemeinsame Tochter mit dem Vater in Wien verbleibt und die BF in der Slowakei besucht.

Der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbots verbundene Eingriff in ihr Familien- und Privatleben ist daher jedenfalls verhältnismäßig.

Auch was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich diese innerhalb des dem Bundesamt zur Verfügung stehenden Rahmens. So sieht § 67 Abs. 2 FPG im vorliegenden Fall die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von bis zu 10 Jahren als zulässig an.

Gemessen an der Anzahl an Tathandlungen und den langen Deliktszeitraum kann nicht von einem einmaligen Fehlverhalten der BF gesprochen werden. (vgl. VwGH 25.04.2013, 2013/18/0056) Selbst das Strafgericht hat den Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe zur Begegnung der Gefährlichkeit der BF als notwendig erachtet. Die von der belangten Behörde verhängte fünfjährige Dauer des Aufenthaltsverbots, die sich in der Hälfte des gesetzlich möglichen Rahmens bewegt, erweist sich unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände als verhältnismäßig und auch notwendig, um eine nachhaltige Änderung ihres Verhaltens und ihrer Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Vor dem Hintergrund der von der BF ausgehenden Gefährlichkeit, insbesondere deren negativer Zukunftsprognose, welche einen Rückfall der BF befürchten lässt, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn diese die sofortige Ausreise der BF als im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für gegeben erachtet. Die Geburt ihres Kindes ändert jedoch nichts an der von der BF ausgehenden Gefährlichkeit. Die Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise ist daher weiterhin gegeben.

Daher ist die Beschwerde auch im Umfang des Spruchpunktes II. abzuweisen.

3.3. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung von der belangten Behörde aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im gegenständlichen Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht mit Teilerkenntnis vom 18.01.2021, Zl. I415 2238362-1/3Z, bereits über die aufschiebende Wirkung abgesprochen und diese aus den in der Begründung der zitierten Entscheidung genannten Gründen zuerkannt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die im Zusammenhang mit der Erlassung eines Einreiseverbots anzustellende Gefährdungsprognose und die dabei vorzunehmende Interessenabwägung jeweils nur im Einzelfall erstellt bzw. vorgenommen werden können. Das Bundesverwaltungsgericht orientierte sich im vorliegenden Einzelfall an der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I415.2238362.1.01

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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