TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/11 I403 2242280-1

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Entscheidungsdatum

11.05.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I403 2242280-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Deutschland, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Spruchpunkt III., mit dem einer Beschwerde gegen das mit Bescheid vom 30.03.2021, Zl. XXXX verhängte Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Absatz 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, wird behoben. Der Beschwerde kommt aufschiebende Wirkung zu.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein in Ungarn lebender deutscher Staatsangehöriger, wurde am 03.12.2020 wegen schweren Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, 8 Monate bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

Mit „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 19.01.2021 wurde der Beschwerdeführer über die Absicht der belangten Behörde, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu verhängen, informiert und ihm die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben abzugeben.

In einer schriftlichen Stellungnahme vom 22.01.2021 führte die Ehefrau des Beschwerdeführers aus, dass ihr Mann physisch und psychisch krank und auf die Betreuung eines Arztes in XXXX angewiesen sei, bei dem er seit Juni 2019 Patient sei. Eine ärztliche Versorgung in Ungarn sei nicht gegeben, zumal das Ehepaar kein Ungarisch spreche. Das Ehepaar wohne in Ungarn und habe sich in Österreich nur gemeldet, um dem Beschwerdeführer die elektronische Fußfessel zu ermöglichen. Bei den Vorstrafen in Deutschland handle es sich um „Beträge zwischen 300 und 1.500 Euro“. Er sei kein Schwerverbrecher, habe nur Fehler gemacht und Zeit seines Lebens gearbeitet und vier Kinder großgezogen. Vorgelegt wurde ein Befundbericht vom 13.11.2020, wonach der Beschwerdeführer im Wesentlichen unter Bluthochdruck, einer koronaren Herzerkrankung und rez. depressiven Episoden leide und ihm Stents gesetzt worden seien.

Der Beschwerdeführer selbst erklärte in einem Mail vom 04.02.2021, dass seine Ehefrau und er 2019 nach Ungarn umgezogen seien, um dort günstiger leben zu können. Er habe einen Kredit aufgenommen, den er dann nicht mehr habe bedienen können. Den Wohnsitz in Österreich habe er nur angemeldet, um mit einer Fußfessel seine unbedingte Freiheitsstrafe abzuleisten. In einem weiteren Mail vom 05.02.2021 ergänzte der Beschwerdeführer, dass er seit 2012 an schweren Depressionen leide und vier Herzinfarkte hinter sich habe. Daher sei er berufsunfähig und stünden seine Taten in Deutschland damit in Zusammenhang. Den Kredit in Österreich habe er nicht in betrügerischer Absicht aufgenommen. Am 21.02.2021 informierte der Beschwerdeführer die belangte Behörde, dass er nicht mehr in Österreich gemeldet sei.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.03.2021 wurde gemäß § 67 Absatz 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Zudem wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Absatz 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen schweren Betrugs verurteilt worden sei und dass er keine Bindungen zu Österreich habe. Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers könnten nicht getroffen werden, da er keine aktuellen Befunde vorgelegt habe.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2021 wurde gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot zur Gänze beheben, in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes reduzieren und eine mündliche Verhandlung anberaumen. Der Beschwerdeführer wohne in Ungarn, nahe der österreichischen Grenze, und fahre zu seinen Einkäufen und zu seinen Arztbesuchen ins Bundesgebiet. 2019 habe er auch geringfügig im Bundesgebiet gearbeitet und sei von Ungarn dorthin gependelt. Um den unbedingten Teil der Haftstrafe mittels Fußfessel ableisten zu können, habe der Beschwerdeführer Anfang des Jahres seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt, doch sei es aufgrund der Covid-19-Pandemie zu einem Strafaufschub gekommen. Es wurde moniert, dass die belangte Behörde keine Einvernahme durchgeführt und sich keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschafft habe, auf die eingebrachten Stellungnahmen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau sei die belangte Behörde gar nicht eingegangen. Obwohl die belangte Behörde den Befund vom 13.11.2020 als Beweismittel nenne, erkläre sie im angefochtenen Bescheid, keine Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers treffen zu können. Die belangte Behörde sei ihren Ermittlungspflichten nicht nachgekommen und habe sich auch nicht mit der Verurteilung des Beschwerdeführers näher auseinandergesetzt. Der Bescheid lasse eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose vermissen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.05.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Deutschland und somit EU-Bürger. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehefrau in Ungarn, an der Grenze zu Österreich, und kommt unter anderem auch zu medizinischen Zwecken in das Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer wurde am 03.12.2020 wegen schweren Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, 8 Monate bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probefrist von 3 Jahren, verurteilt. Er hat eine Fußfessel beantragt und deswegen Anfang 2021 einen Wohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Aufgrund einer Verzögerung in der Bearbeitung des Antrages erfolgte inzwischen wieder eine Abmeldung.

Die belangte Behörde unterließ es, Feststellungen zu den Verurteilungen des Beschwerdeführers in Deutschland, zu den Strafbemessungsgründen, zur Möglichkeit, den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe mittels Fußfessel abzuleisten, und zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers zu treffen. Aufgrund dieser mangelhaften Ermittlungen konnte auch keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose erstellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum) und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt der belangten Behörde.

Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Dass der Beschwerdeführer zu medizinischen Zwecken ins Bundesgebiet reiste, ergibt sich unter anderem aus dem vorgelegten Befund eines Arztes in XXXX vom November 2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Einer Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde seitens der belangten Behörde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nicht, zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. VwGH, 04.04.2019, Ra 2019/21/0053 mwN).

Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind. Soweit die belangte Behörde behauptet, der Beschwerdeführer sei nur ins Bundesgebiet eingereist, um eine Straftat zu begehen, negiert sie den Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einem ärztlichen Befund nachgewiesen hat, sich regelmäßig zur medizinischen Kontrolle in Österreich einzufinden. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise (wobei der Beschwerdeführer sich im Übrigen gar nicht im Bundesgebiet aufhält) wurde mit diesem Argument nicht aufgezeigt und war daher der Spruchpunkt, mit welchem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, zu beheben, zumal aufgrund der mangelhaften Ermittlungen der belangten Behörde solche vom Bundesverwaltungsgericht noch durchzuführen sein werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Teilbehebung Kassation medizinische Versorgung Privat- und Familienleben schwerer Betrug Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2242280.1.00

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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