TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/28 95/19/0440

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
FrG 1993 §10 Abs3;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §21;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch DDr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juni 1995, Zl. 300.317/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage durchgehend für den Zeitraum vom 12. August 1992 bis 30. August 1993 über Wiedereinreisesichtvermerke und für den Zeitraum vom 31. August 1993 bis 8. Dezember 1994 über Aufenthaltsbewilligungen. Sie beantragte am 11. November 1994 die Verlängerung der ihr zuletzt erteilten Bewilligung. Als Aufenthaltszweck machte sie geltend, sie wolle mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter zusammenleben. Letztere sei schwanger und fühle sich gesundheitlich schlecht. Sie sei daher auf die Hilfe ihrer Schwiegermutter angewiesen. In ihrem Antragsformular berief sich die Beschwerdeführerin unter der Rubrik "in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes" auf die Verpflichtungserklärung ihrer Nichte, welche nach den Antragsbehauptungen über ein Einkommen von S 10.750,70 (netto monatlich) verfüge.

Unter der Rubrik "Daten einer in Österreich alle Risken abdeckenden Krankenversicherung für die Dauer des Aufenthaltes" machte die Beschwerdeführerin keine Angaben.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juni 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 5 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin verfüge nach ihren eigenen Angaben über keine Krankenversicherung. Ihr Unterhalt solle allein durch die Verpflichtungserklärung ihrer Nichte bestritten werden, welche ein monatliches Einkommen von S 10.702,-- beziehe. Durch diese Verpflichtungserklärung sei die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG nicht gewährleistet. Die Beschwerdeführerin halte sich bei ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter im Inland auf. Letztere benötige auf Grund ihres schlechten Gesundheitszustandes die Hilfestellung der Beschwerdeführerin. "Im Hinblick auf Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen" überwögen die öffentlichen Interessen die von der Beschwerdeführerin behaupteten privaten Interessen im Inland.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Die Beschwerdeführerin rügt, daß die belangte Behörde, welche sich erstmals auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG stütze, einen entsprechenden Vorhalt verabsäumt habe. Die Beschwerdeführerin lebe bei ihrer Schwiegertochter und ihrem Sohn gratis, habe somit keine Aufwendungen für Wohnung und Ernährung zu tragen. Selbstverständlich hätte auch der Sohn der Beschwerdeführerin, welcher ebenfalls ein Einkommen von S 14.000,-- netto monatlich ins Verdienen bringe, eine Verpflichtungserklärung zugunsten seiner Mutter abgegeben.

Dieser Argumentation ist jedoch zu entgegnen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Behörde auch bei Änderung des Versagungsgrundes von den vom Fremden initiativ darzulegenden und dementsprechend dargelegten Unterhaltsmitteln ausgehen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0327). Im übrigen dient die Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG der Gewährung des rechtlichen Gehörs zu den Ermittlungsergebnissen der Behörde über bestehende Verhältnisse, nicht aber der Anleitung des Fremden, seine Verhältnisse so zu gestalten, daß sein Antrag zum Erfolg führt. Die Relevanz des behaupteten - tatsächlich jedoch gar nicht vorliegenden - Verfahrensmangels hätte die Beschwerdeführerin nur dann dargetan, wenn sie behauptet hätte, daß sich ihr Sohn tatsächlich zur Unterhaltsleistung an die Beschwerdeführerin verpflichtet hat, nicht jedoch, daß er im Falle eines solchen Vorhaltes eine dahingehende Erklärung abgegeben hätte.

Der Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin verfüge über keinen Krankenversicherungsschutz, wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß die Mittel zur Deckung von Heilungs- und Pflegekosten im Falle der Krankheit zum Bedarf für den "Lebensunterhalt" im Verständnis des § 5 Abs. 1 AufG zählen. Verfügt - wie hier - der Fremde über keine Krankenversicherung, so ist eine Verpflichtungserklärung nur dann geeignet, seinen Lebensunterhalt für die Dauer des Aufenthalts zu sichern, wenn das Einkommen der sich verpflichtenden Person diese auch in die Lage versetzt, allenfalls anwachsende Heilungs- und Pflegekosten, mit denen unter Berücksichtigung eines statistischen Risikokalküls mit einer noch ins Gewicht fallenden Wahrscheinlichkeit gerechnet werden muß, für den Fremden während der Dauer seines Aufenthaltes zu bestreiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0285).

Im vorliegenden Fall steht der Person, die sich für die Beschwerdeführerin verpflichtet hat, ein Monatseinkommen von etwa S 11.000,-- (netto) zur Verfügung. Daß dieses Einkommen nicht geeignet ist, das Risiko des Entstehens hoher Heilungs- und Pflegekosten im Falle einer gravierenden Erkrankung abzudecken, ist offenkundig. Das eher niedrige Einkommen der Nichte der Beschwerdeführerin ermöglichte es ihr auch nicht, ins Gewicht fallende Kreditmittel zur Deckung eines diesbezüglichen Unterhaltsbedarfes aufzunehmen, selbst wenn man die Beschwerdebehauptung berücksichtigte, daß sie sonst keine Aufwendungen für den Unterhalt der Beschwerdeführerin zu tragen hätte. Aus den gleichen Erwägungen wäre die Erklärung auch nicht im Sinne des § 10 Abs. 3 FrG tragfähig, hätte die belangte Behörde sich auf den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG gestützt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer auf den Versagungsgrund des nicht gesicherten Lebensunterhaltes gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers derart geboten, daß eine Versagung der Bewilligung nur zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen notwendig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0686 bis 0691). Eine Interessenabwägung im Sinne des § 19 des Fremdengesetzes (FrG) ist demgegenüber - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - lediglich im Falle einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes, nicht aber bei der Versagung der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung vorgesehen. Insoweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, es bleibe dunkel, was die belangte Behörde mit den von ihr ins Treffen geführten öffentlichen Interessen auf Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen meine, ist ihr zu entgegnen, daß damit noch erkennbar zum Ausdruck gebracht werden sollte, die belangte Behörde erachte den Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Interesse des vom Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel, insbesondere im Krankheitsfall, tangierten wirtschaftlichen Wohles des Landes und des Schutzes der Gesundheit (anderer) für gerechtfertigt.

Im Hinblick auf den relativ kurzen (rund zweieinhalbjährigen) rechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich teilt der Verwaltungsgerichtshof diese Beurteilung der belangten Behörde auch unter Berücksichtigung der behaupteten Pflegebedürftigkeit der Schwiegertochter der Beschwerdeführerin und ihrer Anhangslosigkeit in ihrem Heimatstaat. In Ansehung von Fremden, die über keine Krankenversicherung verfügen, obwohl sie oder die sich für sie verpflichtenden Angehörigen ausreichende Mittel besitzen, um eine solche abzuschließen (nicht aber, um das Risiko im Krankheitsfall zu tragen), ist bei Beurteilung, ob der in der Versagung der Aufenthaltsbewilligung gelegene Eingriff in das Familienleben gegen Art. 8 MRK verstößt, ein strenger Maßstab anzulegen, weil hiedurch das wirtschaftliche Wohl des Landes und der Schutz der Gesundheit (anderer) berührt wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0286).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190440.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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