TE Lvwg Erkenntnis 2021/5/6 VGW-102/034/5908/2014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.05.2021

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

FPG §76
FPG §83 Abs1
FPG §83 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Osinger über die Schubhaftbeschwerde des Herrn A. B., zuletzt Polizeianhaltezentrum C., Wien, gegen den Schubhaftbescheid der Landespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, Zahl: ...1, vom 12.7.2013

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 83 Abs. 1 und 2 FPG wird der Beschwerde von Herrn B. A., geboren 1994, keine Folge gegeben und die Rechtmäßigkeit der Verhängung der Schubhaft mit Bescheid der LPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 12.07.2013, GZ ...1, und der daran anschließenden Anhaltung in Schubhaft festgestellt.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 83 Absatz 2 FPG iVm § 79a AVG und § 1 der UVS–Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008, Aufwendungen in der Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Über den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 12.07.2013, Zl. ...1 unter Berufung auf § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei am 11.07.2013 in einer näher genannten U-Bahn-Station betreten worden und halte sich bereits seit 06.06.2013 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Das Bundesasylamt habe gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen, er sei jedoch seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Angehörigen, habe sich an seiner Unterkunft nicht angemeldet und könne die Adresse auch nicht nennen.

Die Verhängung der Schubhaft sei notwendig, da zu befürchten sei, dass der Beschwerdeführer sich dem weiteren fremdenrechtlichen Verfahren entziehen werde. Auch gelindere Mittel seien angesichts der fehlenden Bindungen im Bundesgebiet und dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer im Verborgenen aufgehalten habe, nicht geeignet, den Sicherungszweck zu erfüllen.

Dagegen richtet sich die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat mit der Aktenvorlage zum Beschwerdevorbringen Stellung genommen.

In der Angelegenheit wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer und sein Vertreter teilnahmen und in der auch die Situation von nach Ungarn zurückgestellten Asylwerbern zum fraglichen Zeitpunkt erörtert wurde.

Das Verwaltungsgericht Wien stellt aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer ist am 11.05.2013 aus Ungarn kommend in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Ein am Folgetag gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid vom 29.05.2013 zurückgewiesen und die Ausweisung nach Ungarn ausgesprochen. Diese Entscheidung wurde am 06.06.2013 rechtskräftig.

Vor dem Asylverfahren in Österreich war der Beschwerdeführer bereits in Ungarn als Asylwerber registriert, Ungarn hat auch der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers zugestimmt.

Der Beschwerdeführer wurde ab 14.05.2013 in Schubhaft angehalten und musste am 21.05.2013 wegen eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen werden.

Am 11.07.2013 wurde der Beschwerdeführer aufgegriffen, wobei er versuchte, sich der polizeilichen Kontrolle durch Flucht zu entziehen. In seiner Einvernahme am nächsten Tag brachte er vor, bei einem Freund zu nächtigen, machte aber keine Angaben zu dessen Adresse.

Ab 12.07.2013 wurde der Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung um 09:00 Uhr in Schubhaft genommen.

Der Beschwerdeführer sollte nach Ungarn, wo er bereits als Asylwerber registriert war, rücküberstellt werden.

Diesen Sachverhaltsfeststellungen konnte der eindeutige, nicht konkret bestrittene Akteninhalt zugrunde gelegt werden. Aufgrund der Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens, in der auch die Situation der Asylwerber in Ungarn im hier relevanten Zeitraum erhoben wurde, steht auch fest, dass die Abschiebung nicht wegen zu befürchtender Rechtsverletzungen in Ungarn aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 125 Abs. 22 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018, sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei einem Unabhängigen Verwaltungssenat der Länder anhängigen Berufungsverfahren und Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG 2005 hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist; er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Über den Beschwerdeführer wurde mit dem bekämpften Bescheid die Schubhaft verhängt, er wurde in Wien festgenommen und angehalten, weshalb die Beschwerde zulässig und die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien gegeben ist.

Gemäß § 76 Abs. 1 FPG 2005 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG 2005 ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

Nach § 77 Abs. 1 FPG 2005 hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation bestand gegenüber dem Beschwerdeführer eine durchsetzbare Ausweisung. Seine Abschiebung war auch nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich. Ungarn, der Staat in dem der Beschwerdeführer bereits als Asylwerber registriert war, hat seiner Wiederaufnahme zugestimmt und bestanden im hier relevanten Zeitraum auch keine in der Ausgestaltung des ungarischen Asylverfahrens bzw. der zu erwartenden Bedingungen für rückübernommene Flüchtlinge liegenden Anhaltspunkte dafür, dass der Rückführung des Beschwerdeführers nach Ungarn rechtliche Gründe entgegenstanden.

Entgegen dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen bestand auch ein auch durch gelindere Mittel nicht zu gewährleistender Sicherungsbedarf.

Der Beschwerdeführer hat sich im Verborgenen aufgehalten und war nicht bereit, der Behörde gegenüber Angaben dazu zu machen, wo er sich in Wien über mehrere Monate hinweg aufgehalten hat. Dies lässt nur den Schluss zu, dass er seinen Aufenthalt im Verborgenen fortsetzen wollte und nicht bereit war, der Behörde Anhaltspunkte dafür zu geben, wo er für allfällig erforderlich werdende Durchsetzungsmaßnahmen erreichbar ist.

Gerade auch der Umstand, dass er versucht hat, sich einer fremdenpolizeilichen Kontrolle durch Flucht zu entziehen zeigt, dass der Beschwerdeführer nicht bereit ist, sich behördlichen Anordnungen zu fügen, die seiner Intention, sich im Verborgenen in Österreich aufzuhalten, entgegenstehen.

Der Beschwerdeführer hat einige Monate vor der hier zu beurteilenden Verhängung der Schubhaft durch einen Hungerstreik sogar eine Gefährdung seiner eigenen Gesundheit in Kauf genommen, um sich einer Anhaltung in Schubhaft zu entziehen und kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass er durch behördliche Anordnungen, wie etwa Meldepflichten im Sinne des § 77 FPG zu der für die Durchsetzung seiner Überstellung nach Ungarn erforderlichen Minimalkooperation veranlasst werden hätte können.

Da die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Rücküberführung des Beschwerdeführers nach Ungarn nur durch die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft zu gewährleisten ist, war die dagegen erhobene Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch genannten Bestimmungen.

Die Entscheidung steht auch in keinem Spannungsverhältnis zur umfangreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft. Es liegen daher keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen war.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Schubhaft; Abschiebung; Sicherung; Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.102.034.5908.2014

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten